Die neuen Vergaberichtlinien der Gemeinschaft

Die neuen Vergaberichtlinien der Gemeinschaft

Mit den neuen Vergaberichtlinien 2004/18/EG und 2004/17/EG wurde ein völlig neues Vergaberegime auf Gemeinschaftsebene beschlossen. Der Beitrag analysiert zusammenfassend die wesentlichsten Neuerungen unter besonderer Bezugnahme auf den konkreten Änderungsbedarf in Österreich.

 

Einleitung
Mit den zwei am 30. 4. 2004 publizierten Richtlinien (2004/18/EG – die „klassische“ Richtlinie – und 2004/17/EG – die Sektorenrichtlinie; beide zusammen bilden das so genannte „Legislativpaket“) wurde das öffentliche Auftragswesen auf Gemeinschaftsebene völlig neu gestaltet. Vertrat die Europäische Kommission (EK) 1998 noch die Auffassung, dass das damals bereits fast 30 Jahre alte Richtlinienwerk nicht reformbedürftig sei, so änderte sich diese Haltung im Zuge des Konsultationsprozesses und mündete schließlich in die nun vorliegende Totalrevision des Vergaberegimes. Diese Totalrevision betrifft jedoch nur den materiell-rechtlichen Teil, die Richtlinien betreffend den Vergaberechtschutz (Richtlinien 89/665/EWG und 92/13/EWG) werden erst demnächst neu verhandelt werden, Vorschläge für diese Richtlinien sollen Mitte 2005 fertig gestellt werden. Die neuen Richtlinien sind bis 31. 1. 2006 in das jeweilige nationale Recht umzusetzen. Das Bundesvergabegesetz 2002 (BVergG 2002, BGBl I Nr. 99/2002) wird daher bis zu dem genannten Zeitpunkt geändert werden. Während auf Gemeinschaftsebene und in vielen Mitgliedstaaten von einer „Revolution“ betreffend das Vergaberecht gesprochen wird, trifft dies für Österreich so nicht zu. Da das BVergG 2002 bereits vielfach die Entwicklungen des Gemeinschaftsrechtes vorwegnahm (z. B. Bestimmungen über elektronische Vergabeverfahren, Technische Spezifikationen u. a. m.), sind die Auswirkungen nicht so fundamental wie in anderen Mitgliedstaaten. Da jedoch neben dem Umsetzungsprozess auch gleichzeitig versucht wird, die Bestimmungen des BVergG besser zu strukturieren (Stichwort „Verweisketten“) und verständlicher zu gestalten, wird auch in Österreich an einer völligen Neufassung des BVergG gearbeitet.
Dabei werden vor allem die Regelungen für den Unterschwellenbereich einer genauen Prüfung unterzogen werden müssen. Ziel dieser Prüfung ist die Vereinfachung des Regelungsregimes im gemeinschaftsrechtlich zulässigen Rahmen (vgl. dazu vor allem die Verpflichtung zur Transparenz), die zu einer Senkung der Transaktionskosten führen soll.

1. Die wesentlichsten Neuerungen des Legislativpakets
1.1 Kodifikation der Regelungen
für den klassischen Bereich in einer Richtlinie, Vereinfachung und Klarstellung von Regelungen

Die EK hat diese Kernanliegen des Konsultationsprozesses (Vereinfachung des Rechtsrahmens und seine Anpassung an das digitale Zeitalter) aufgegriffen und missverständliche oder komplexe Bestimmungen klarer formuliert und rechtliche Änderungen vorgenommen, wenn Probleme nicht im Wege der Auslegung gelöst werden konnten. Durch die Zusammenfassung aller Regelungen für den klassischen Bereich konnten Inkonsistenzen zwischen den Sprachfassungen und (sachlich nicht nachvollziehbare) inhaltliche Differenzen zwischen den einzelnen Richtlinien beseitigt werden: dies betrifft u. a. die Einführung einer Losregelung auch für den Lieferbereich; Angleichung der Verhandlungsverfahrenstatbestände der klassischen Richtlinie an den Sektorenbereich (z. B. bei börsennotierten Waren, bei Konkurs etc.). Leider geschah die beabsichtigte Bereinigung jedoch nicht vollständig bzw. konnte man über klarstellende Regelungen oder Formulierungen kein Einverständnis erzielen, sodass in der Folge von (für die Praxis wertvollen) Klärungen manchmal gänzlich Abstand genommen wurde. Letzteres betrifft insbesondere die so genannte „Teckal“-Formel.
Eine wichtige Klarstellung konnte hingegen für den Bereich der Finanzdienstleistungen in den Richtlinien verankert werden. So werden nunmehr „Geschäfte, die der Geld- oder Kapitalbeschaffung der (öffentlichen) Auftraggeber dienen“ vom Anwendungsbereich der Richtlinien ausgenommen. Damit wird nach Ansicht der Mitgliedstaaten klargestellt, dass Kreditaufnahmen nicht auszuschreiben sind. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass trotz der Änderung des Richtlinientextes die EK weiterhin von einer Verpflichtung zur Ausschreibung von Krediten und Anleihen ausgeht.

1.2 Ausnahmebestimmung
für Beschaffungen über zentrale Beschaffungsstellen
Seit Inkrafttreten der ersten Vergaberichtlinien im Jahr 1971 entwickelten sich in den Mitgliedstaaten verschiedene zentrale Beschaffungsorganisationen mit speziellen Beschaffungsverfahren (vgl. die zentralen Beschaffungsstellen in Frankreich – UGAP, in Italien – CONSIP, und in Österreich – BBGesmbH). Diese Institutionen haben die Aufgabe, für andere öffentliche Auftraggeber Ankäufe zu tätigen oder öffentliche Aufträge zu vergeben bzw. Rahmenvereinbarungen zu schließen. In Anbetracht der großen Mengen, die beschafft werden, tragen diese Verfahren zur Verbesserung des Wettbewerbs und zur Rationalisierung des öffentlichen Beschaffungswesens bei. Die neuen Richtlinien beinhalten einerseits eine neue Definition des Begriffes der „zentralen Beschaffungsstelle“ und statuieren eine Ausnahme vom Vergaberecht, sofern Auftragsvergaben über eine zentrale Beschaffungsstelle abgewickelt werden und die zentrale Beschaffungsstelle die Regelungen der Richtlinie eingehalten hat.
Für den kommunalen Bereich ist diese Ausnahme deswegen von besonderem Interesse, weil die Richtlinien nicht darauf abstellen, auf welcher Ebene die zentrale Beschaffungsstelle eingerichtet sein muss. Es ist daher denkbar, dass z. B. ein Abfallverband, der Auftragsvergaben für die ihm angehörigen Gemeinden organisiert, als zentrale Beschaffungsstelle qualifiziert werden kann. Die Sektorenrichtlinie sieht eine parallele Ausnahmeklausel für Beschaffungen über zentrale Beschaffungsstellen vor, wobei Sektorenauftraggeber auch die Dienste von zentralen Beschaffungsstellen in Anspruch nehmen können, die allein gemäß dem klassischen Vergaberegime agieren.

1.3 Einführung neuer Vergabeverfahren
1.3.1 Wettbewerblicher Dialog
Damit Auftraggeber, die besonders komplexe Vorhaben durchführen und für die es objektiv unmöglich ist, jene Lösungen zu ermitteln, die ihren Bedürfnissen gerecht werden könnten, oder die nicht beurteilen können, was der Markt an technischen bzw. finanziellen/rechtlichen Lösungen bietet, sieht die klassische Richtlinie ein neues Verfahren, den „wettbewerblichen Dialog“, vor. Dieser kann insb. bei der Durchführung bedeutender Verkehrsinfrastrukturprojekte (z. B. Brennerbasistunnel), großer Computernetzwerke oder Vorhaben mit einer komplexen Finanzierungsstruktur in Anspruch genommen werden, weil bei derartigen Vorhaben, die für den Auftraggeber wirtschaftlich vorteilhaftesten finanziellen und rechtlichen Konstruktionen nicht im Vorhinein (vom Auftraggeber) beschrieben werden können.
Das neue Verfahren gestattet es dem Auftraggeber, mit Bewerbern und Bietern einen „Dialog“ über potentielle Lösungen durchzuführen. Während der (u. U. auch mehrstufigen) Dialogphase wird jene Lösung bzw. werden jene Lösungsmöglichkeiten präzisiert, die am erfolgversprechendsten scheint bzw. scheinen. Nach formeller Beendigung der Dialogphase durch den Auftraggeber werden die Teilnehmer des Verfahrens aufgefordert, auf der Basis ihrer eingereichten Lösungsvorschläge ein Angebot einzureichen.
Der Auftraggeber wählt anhand der vorab festgelegten Zuschlagskriterien das technisch und wirtschaftlich günstigste Angebot aus. Der Auftraggeber hat darüber hinaus die Möglichkeit, mit dem so ermittelten „Gewinner“ des Verfahrens Teile von dessen Angebot näher zu präzisieren. Es ist daher in diesem Verfahren möglich, präzisierende Verhandlungen mit dem in Aussicht genommenen Zuschlagsempfänger zu führen, weil die Auswahl des erfolgreichen Angebotes auf der Basis von Grobkonzepten möglich ist (in der Terminologie der Richtlinie „Feinabstimmung“ genannt). Dieses neue Verfahren darf allerdings nicht in einer Weise angewendet werden, durch die der Wettbewerb eingeschränkt oder verzerrt wird, insbesondere indem grundlegende Elemente der Angebote in der der Bestandgebotsermittlung folgenden Verhandlungsphase geändert oder dem ausgewählten Bieter neue wesentliche Verpflichtungen auferlegt werden. Der wettbewerbliche Dialog wird vielfach (insbesondere auch von der EK) als ein Modellverfahren für die Abwicklung von PPP (Public Private Partnership) gesehen. Aufgrund der vielfach sehr ungenauen Textierung und der Vielzahl der mit der Regelung verbundenen offenen Fragen wird bei der Umsetzung dieser Bestimmung im BVergG größte Vorsicht geboten sein.

1.3.2 Rahmenvereinbarungen
Die klassische Richtlinie beinhaltet erstmals auch Regelungen für den Abschluss von Rahmenvereinbarungen (RV). Diese neue Beschaffungsform ist im BVergG für den Unterschwellenbereich bereits vorgesehen, es muss daher „bloß“ die Zulässigkeit auch für den Oberschwellenbereich statuiert werden. Der RV darf nicht mit einem Rahmenvertrag verwechselt werden, der alle wesentlichen Leistungsparameter enthält und den Auftraggeber verpflichtet, für die Laufzeit des Rahmenvertrages Leistungen von jenem Auftragnehmer zu beziehen, mit dem der Rahmenvertrag geschlossen wurde.
Im Sektorenbereich werden im Übrigen die Regelungen betreffend die Rahmenvereinbarung inhaltlich nicht neu gestaltet. Sofern die Rahmenvereinbarung gemäß den Bestimmungen der Richtlinie vergeben wird, können Aufträge im Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung vergeben werden. Anders als die klassische Richtlinie sieht die Sektorenrichtlinie keine weiteren Regelungen für die zweite Stufe des Wettbewerbes vor.

1.3.3 Elektronische Auktionen
Eine der wesentlichen Zielsetzungen der EK und der Mitgliedstaaten war es, die Möglichkeiten der neuen Kommunikationsmedien auch für den Vergabebereich nutzbar zu machen. Ein Kernelement dieser Bemühung ist die Einführung von so genannten „inversen“ elektronischen Auktionen. Auch dieses Verfahren wurde im BVergG bereits implementiert, jedoch (m. E. in bedenklicher Weise) auf einen minimalen Anwendungsbereich (zulässig nur bis zu einem geschätzten Gesamtauftragswert von 40.000 € ohne USt) beschränkt. In den Richtlinien wird klargestellt, dass bestimmte Bau- und Dienstleistungsaufträge, bei denen eine geistige Leistung zu erbringen ist – wie z. B. die Konzeption von Bauarbeiten –, nicht Gegenstand von elektronischen Auktionen sein dürfen. Ein Änderungsbedarf des BVergG besteht nunmehr dahingehend, dass Auktionen generell für zulässig erachtet werden und dass auch (hoch standardisierte) Bauleistungen auktioniert werden können (vgl. hingegen die Einschränkung in § 28 BVergG 2002 auf Lieferungen und Dienstleistungen).

1.3.4 Dynamische Beschaffungssysteme
Als „dynamisches Beschaffungssystem“ wird ein vollelektronisches Beschaffungsverfahren bezeichnet, das in seinem Aufbau der RV nachgebildet ist. Anders jedoch als die RV und die elektronische Auktion ermöglicht ein dynamisches Beschaffungssystem einen späteren Eintritt von Unternehmen in das Vergabesystem. Jeder Unternehmer muss zu einem solchen System zugelassen werden, sofern er ein vorläufiges, ausschreibungskonformes Angebot abgibt und die Eignungskriterien erfüllt. Dieses Beschaffungsverfahren soll es den Auftraggebern ermöglichen, durch die Einrichtung eines Verzeichnisses von bereits ausgewählten Bietern mit bewerteten Produkten (Leistungen) und die Beteiligungsmöglichkeit für neue Bieter über ein besonders breites Spektrum von Angeboten zu verfügen. Ähnlich wie bei der RV erfolgt beim dynamischen Beschaffungssystem die Zuschlagserteilung nach einem (vereinfachten) erneuten Aufruf zum Wettbewerb. Aufgrund der offenen Konstruktion des dynamischen Beschaffungssystems können Auftraggeber in Zukunft elektronische Beschaffungsplattformen („electronic shopping-malls“) einrichten und in relativ unkomplizierter Weise Beschaffungen tätigen.

1.4 Berücksichtigung von „sekundären“ Zielen, Neufassung der Bestimmung über die Zuschlagskriterien
Besonders kontroversiell wurden auf Gemeinschaftsebene jene Bestimmungen diskutiert, die die (verstärkte) Berücksichtigung von so genannten „sekundären“ Vergabezielen zum Gegenstand haben. In Österreich bereits umgesetzt ist die Regelung über technische Spezifikationen (siehe § 75 BVergG), die die Bedingungen zur Verwendung von Umweltgütezeichen klarstellt. Ebenfalls wurde im BVergG 2002 bereits die sog. „Beentjes“-Formel (Bedingungen der Auftragsausführung) verankert (vgl. § 80 Abs. 1 Z 14). Neu – und daher noch umzusetzen – ist jene Bestimmung, die vorsieht, dass Mitgliedstaaten im Rahmen von Programmen für geschützte Beschäftigungsverhältnisse vorsehen können, dass nur geschützte Werkstätten an den Vergabeverfahren teilnehmen oder Aufträge ausführen dürfen, sofern die Mehrheit der Arbeitnehmer Behinderte sind, die aufgrund der Art oder der Schwere ihrer Behinderung keine Berufstätigkeit unter normalen Bedingungen ausüben können (vgl. dazu im Übrigen § 10 Abs. 3 des BVergG 1993, BGBl Nr 462/1993, der Punkt 1.3.4. der ÖNORM A 2050, Ausgabe 1993, übernommen hatte und von der Europäische Kommission im Zuge des Acquis-Screenings anlässlich des Beitrittes der Republik Österreich zur Europäischen Gemeinschaft als gemeinschaftsrechtswidrig qualifiziert wurde).
Hinsichtlich der Neufassung der Regelung betreffend die zulässige Berücksichtigung sog „sekundärer“ (d. h. ökologischer bzw. sozialer) Zuschlagskriterien ist festzuhalten, dass die neue Textierung der Richtlinien die diesbezügliche Rechtsprechung des EuGH übernimmt (vgl. dazu insbesondere Erwägungsgrund 1 der Richtlinien und die Judikate C-513/99 und C-448/01). Im Ergebnis folgt daraus, dass keine Änderung an der derzeit bestehenden Situation eintritt, insbesondere ist daher ein (enger) Konnex zwischen Auftragsgegenstand und Zuschlagskriterium gefordert. Die Formulierung „aus der Sicht des öffentlichen Auftraggebers wirtschaftlich günstigstes Angebot“ betont lediglich, dass eine subjektive Festsetzung der Kriterien (wie bereits bisher) möglich und nicht eine objektive Betrachtungsweise gefordert ist.

1.5 Sonstige Neuerungen
Zur besseren Lesbarkeit werden in den Richtlinien fortan alle Schwellenwerte in Euro ausgedrückt, wobei die Europäische Kommission die Kompetenz erhält, diese Werte gegebenenfalls im Einklang mit den internationalen Verpflichtungen der Gemeinschaft (insbesondere aufgrund des Government Procurement Agreements, GPA) anzupassen. Die Kommission hat daher – zur Anpassung der Umrechnungswerte auf den nunmehr relevanten Zeitraum 2004/2005 – am 28. 10. 2004 eine Verordnung zur Anpassung der im Legislativpaket enthaltenen Schwellenwerte beschlossen (vgl. ABl Nr. L 326 vom 29. 10. 2004, S. 17). Da diese Verordnung jedoch innerstaatlich bestehende, niedrigere Schwellenwerte unberührt lässt, werden mittels Verordnung der Bundesregierung die auf Gemeinschaftsebene geltenden (höheren) Schwellenwerte auch innerstaatlich implementiert werden (voraussichtlich ab 1. 3. 2005).
Die Richtlinien enthalten ferner horizontale Regelungen, die den umfassenden Einsatz von elektronischen Medien im Vergabeverfahren ermöglichen. Sofern diese Medien genützt werden, sehen die Richtlinien substantielle Verkürzungen der Fristen (bis zu minus 12 Tage im Vergleich zur bisherigen Rechtslage) vor.

1.6 Neuerungen im Sektorenbereich
Aufgrund von Anwendungsproblemen mit der bisherigen Definition wurde eine Neudefinition der „besonderen und ausschließlichen Rechte“ in die Sektorenrichtlinie aufgenommen. Aufgrund des neuen Wortlautes liegt noch kein besonderes und ausschließliches Recht im Sinne der Richtlinie allein aufgrund der Tatsache vor, dass ein Auftraggeber zum Bau eines Netzes oder einer Einrichtung in den Genuss von Enteignungsverfahren oder Nutzungsrechten kommen kann oder Netzeinrichtungen auf, unter oder über dem öffentlichen Wegenetz anbringen darf. Derartige Rechte liegen vielmehr (erst) dann vor, wenn die Ausübung einer Sektorentätigkeit einem oder mehreren Unternehmen vorbehalten und die Möglichkeit anderer Unternehmen, diese Tätigkeit auszuüben, erheblich beeinträchtigt wird.
Anders als die bisherige Richtlinie 93/38/EWG sieht die neue Sektorenrichtlinie eine horizontale Freistellungsmöglichkeit für alle Sektorenbereiche vor. Sofern in einem Mitgliedstaat Sektorenmärkte ohne Zugangsbeschränkungen dem direkten Wettbewerb ausgesetzt sind, sollen Aufträge (Wettbewerbe), die die Ausübung einer Sektorentätigkeit ermöglichen sollen, nicht mehr unter das Sektorenregime fallen. Die Richtlinie sieht ein Verfahren vor, in dem – unter Wahrung der Letztentscheidungskompetenz der Kommission – innerhalb kurzer Fristen die Prüfung für die Ausnahme eines Sektors vom Vergaberegime erfolgen soll.
Die EK hat zur „Umsetzung“ des diesbezüglich einschlägigen Art. 30 der Sektorenrichtlinie am 7. 1. 2005 eine Entscheidung über die Durchführungsmodalitäten des Freistellungsverfahrens angenommen (vgl. ABl Nr. L 7 vom 11. 1. 2005, S. 7). Darin werden insbesondere jene Informationen und Unterlagen aufgelistet, die einem Freistellungsantrag beizuschließen sind.
Für den kommunalen Bereich (Stadtwerke) besonders interessant ist die Neufassung der Ausnahmebestimmung über „verbundene Unternehmen“. Über die bisher geltende Regelung des Art. 13 der Richtlinie 93/38/EWG hinaus werden Auftragsvergaben unter bestimmten Umständen innerhalb eines Joint Ventures, an ein Joint Venture und von einem Joint Venture an ein an diesem beteiligtes Unternehmen von der neuen Sektorenrichtlinie ausgenommen. Auch gilt die Ausnahmebestimmung nicht mehr allein für Dienstleistungsvergaben, sondern auch für Bauleistungen und Lieferungen.

1.7 Abschließende Bemerkungen
Wie die obigen Ausführungen darlegen, stehen dem BVergG wesentliche Änderungen nicht nur in naher Zukunft bevor. Aufgrund der sich abzeichnenden Entwicklungen sowohl auf nationaler wie auch auf gemeinschaftlicher Ebene ist derzeit leider nicht absehbar, wann „eine Zeit der Ruhe und der Stabilität des Rechtsrahmens“ einkehren wird. Dies ist bedauerlich, denn stabile rechtliche Rahmenbedingungen in diesem wirtschaftspolitisch wichtigen Bereich wären besonders wünschenswert. Als primäres Ziel der im Jahr 2005 vorzulegenden Neufassung des BVergG steht jedenfalls die Vereinfachung des Rechtsrahmens insbesondere im Unterschwellenbereich im Vordergrund.

Fußnote:
1 Dieser Beitrag gibt ausschließlich die persönliche Meinung des Autors wieder und stellt die – ohne Fußnoten – ausgearbeitete Fassung eines am 30. 11. 2004 für den Österreichischen Städtebund gehaltenen Vortrages dar.

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