INSPIRE – vereinheitlichte Geodaten für Europa

INSPIRE – vereinheitlichte Geodaten für Europa

INSPIRE, eine Rahmenrichtlinie der Europäischen Gemeinschaft, strebt die Vereinfachung im Zugang zu Geoinformationen der Mitgliedstaaten an. Diese haben nationale Infrastrukturen zu schaffen, durch deren Nutzung ein zentrales Geodaten-Portal der Gemeinschaft betrieben werden kann. Für die Kommunen ist es wichtig, sichergestellt zu wissen, dass Europa sein Interesse auf übergeordnete Datensätze richtet und sehr detaillierte Daten der Gemeinden nicht quer durch Europa zur Einsicht weitergegeben werden müssen. Auch dürfen den Gemeinden keine Kosten durch Anpassung bestehender Daten oder eingesetzter EDV-Systeme erwachsen, weil die Gemeinschaft Datenverschneidungen und -abfragen wünscht.

 

Das Ziel der Rahmenrichtlinie INSPIRE ist es, eine Vereinheitlichung in der Bereitstellung, im Zugang und in weiterer Folge in der Erfassung und Führung von Geodaten zu erreichen, über die öffentliche Stellen das uneingeschränkte Verfügungsrecht besitzen.
Was soll INSPIRE bieten, wenn es nach dem Willen der Europäischen Kommission (EK) geht?

- Alle Mitgliedstaaten (MS) sollen ihre Geoinformationen durch die Schaffung einer Geodateninfrastruktur vereinheitlichen und per Internetzugriff der Allgemeinheit (und der EK) zur Verfügung stellen. Diese Vereinheitlichung betrifft die existierenden und natürlich die in Zukunft geschaffenen Daten.

- Ein INSPIRE-„Geo“-Portal soll im Wege der EU Geodaten-Nutzern das Finden spezieller Geodaten erleichtern und den Download erlauben. Dieser ist nur für elektronisch verfügbare Informationen möglich (alte händisch gezeichnete Karten müssen von den MS nicht digitalisiert werden).

- Alle Informationen sollen EU-weit „harmonisiert“ werden, wobei die EK zur Definition der gemeinsamen Grundsätze für die Erzeugung und Fortführung neuer Daten beitragen will.

- Das neue System soll innerhalb von 10 Jahren voll im Einsatz sein.

Was versteht INSPIRE nun unter „Geodaten“? Erstens muss es sich um bereits digital vorliegende Informationen handeln. Und zweitens werden in drei Anhängen zu INSPIRE recht allgemein gehaltene Begriffe aufgelistet, deren Detaillierung einem späteren Komitologieverfahren (s. u.) vorbehalten ist. Beispielsweise sind dies:

- Referenzsysteme (Koordinatensysteme, Suchgitter etc.)
- Verkehrsnetze mit Infrastruktur
- Hydrographische Inhalte
- Schutzgebiete
- Digitale Höhenmodelle
- Katasterparzellen
- Bodenbedeckung
- Statistische Einheiten
- Standort von Gebäuden
- Beschreibung von Boden und Unterboden
- Geologische Beschreibung von Gebieten
- Standort für diverse Behörden, Dienste von Behörden etc.
- Produktions- und Industriestandorte
usw.

Positive Ansätze und Kritik
Es steht fest, dass dieser Rahmenrichtlinie eine gute, begrüßenswerte Absicht zugrunde liegt. In manchen Details bedarf es aber noch einer Verbesserung des vorliegenden Vorschlages, um auch den Anforderungen der Städte und Gemeinden (als bedeutende Geodatenproduzenten) zu genügen. Schließlich wird schon von der EK festgestellt, dass die Kommunen und Regionen sowohl zu den Gewinnern als auch zu den Verlierern zählen können.
Unbestritten positiv zu beurteilen ist die Intention, eine Abstimmung der Voraussetzungen zur gemeinschaftlichen Verwendung von Geodaten und der Führung von abgestimmten Metadaten zu fördern. Da es bereits internationale Standards gibt, letztlich bemüht sich auch das „Europäische Normungsinstitut“ CEN in den letzten Monaten sehr intensiv, Geodaten-Normen zu erlassen (auch wenn man über den eingeschlagenen Weg, ISO-Normen mit Punkt und Beistrich zu übernehmen, diskutieren sollte). Zudem bedarf es für diese Bestrebungen jeweils einer nationaler Geodatenpolitik, wie sie auch in Österreich seit etwa einem Jahr in Erarbeitung steht.
Ebenfalls zu begrüßen ist es, dass Dienste auf nationaler und europäischer Ebene eingerichtet werden sollen, über die man Informationen über die Verfügbarkeit, Umfang etc. von vorhandenen Daten erlangen kann. Die EK will den Zugang zu diesen Diensten so gestaltet wissen, dass dieser Zugang leicht möglich ist. Dies sollte die Verwendbarkeit der Dienste fördern. Über den Wunsch der EK, die Abfrage dieser Dienste generell kostenfrei zu gestalten, sollte noch eingehend diskutiert werden, denn derzeit ist über die Kosten noch nichts bekannt, die den Gebietskörperschaften erwachsen werden, um diese Dienste einzurichten und zu führen. In Österreich war kein einheitlicher Standpunkt zum kostenfreien Zugang zu erreichen – seitens der Städte und Gemeinden jedenfalls wird ein solcher sehr kritisch gesehen.
Kritisch betrachten allerdings muss man verfahrenstechnische Details in dieser Rahmenrichtlinie, wie auch die Intention, Downloads über die Daten selbst zu erzwingen. Für solche Downloads gestattet INSPIRE Abgeltungen, welche die MS über E-Commerce-Lösungen einheben können. Allerdings soll es nach Willen der EK für diese Daten keine Einschränkung in der Nutzung geben dürfen.

Ausnahmen für Gemeinden gefordert
Ein wesentlicher Kritikpunkt der Städte und Gemeinden bestand darin, dass der Textvorschlag von INSPIRE bisher die oft sehr detaillierten Daten dieser Gebietskörperschaften nicht deutlich ausgeschlossen hat.
Da sich INSPIRE in erster Linie auf die europäische Ebene der Umweltpolitik beziehen soll, sind viele Details – wie zum Beispiel in der Umsetzung von baurechtlichen Vorschriften durch die Gemeinden wie elektronisch geführte Bauakte etc. – aus den INSPIRE-Regelungen auszunehmen.
Sonst sind nur Daten ausgenommen, an denen die öffentliche Stelle nicht das uneingeschränkte Verfügungsrecht besitzt (zum Beispiel aus urheberrechtlichen Gründen etc.), wenn gesetzlich vorgeschriebene Vertraulichkeit einzuhalten ist, die nationale Sicherheit gefährdet wäre, Betriebsgeheimnisse zu schützen sind sowie noch einige wenige taxativ aufgezählte Gründe vorliegen.
Österreich hat gemeinsam mit anderen MS in den RAG-Beratungen die bisherigen Textvorschläge kritisiert und erreicht, dass eine Textkorrektur vorgenommen werden soll. In der letzten Textfassung (bezogen auf die Veränderungen der Textierungen, die sich durch die Diskussionen in der Ratsarbeitsgruppe [RAG] ergeben haben – Version vom 1. 2. 2005) findet sich ein Vorschlag zur Korrektur. In diesem Textvorschlag wird in Art. 4/4 nun festgehalten, dass Daten der „niedrigsten Verwaltungsebene“ nur dann INSPIRE unterliegen, wenn die Erhebung und Führung dieser Daten in nationalen Gesetzen vorgeschrieben wird oder dort Regelungen über diese Daten getroffen werden.

Ungenaue Definition
Einer näheren kritischen Betrachtung zu unterziehen wären noch folgende Inhalte der vorliegenden Textfassung:
Die von INSPIRE betroffenen Daten sind nicht genau definiert. So heißt es an mehreren Stellen: „… mit direktem oder indirektem Bezug zur Umwelt …“.
Österreich wird vorschlagen, diese Passagen zu ändern und nur „… mit Bezug auf die Umwelt …“ zu verwenden.
Im Prinzip zeigen diese Formulierungen allerdings die Intention der EK, die – aus verständlichen Gründen – möglichst umfassend Daten bereitgestellt sehen möchte und auf diese Daten zugreifen können möchte. Hier muss jedenfalls darauf bestanden werden, die europäische Ebene bei den INSPIRE-Umsetzungen deutlich herauszustreichen und diese auch möglichst genau zu definieren. Nur Daten, die auch diese europäische Relevanz aufweisen können, sollten den Bestimmungen von INSPIRE unterliegen.

Komitologieverfahren
Die Rahmenrichtlinie lässt vieles offen. Die Details (etwa was unter einem „Gebäude“ zu verstehen ist, über das die EU Informationen haben will) werden in einem Folgeverfahren („Komitologie“) festgelegt, nachdem die Richtlinie (also das „Gesetz“) beschlossen wurde. Ein Verfahren, das uns ja an und für sich nicht unbekannt erscheint, sind die österreichischen Ausführungsverordnungen doch etwas Ähnliches.
Im Komitologieverfahren erfolgt die Konsultation von Ausschüssen, die die Kommission bei der Verabschiedung von Durchführungsmaßnahmen zu Rechtsakten des Rates unterstützen sollen. Die Kommission legt diese Durchführungsmaßnahmen in Form von nachgeordneten bzw. abgeleiteten Rechtsakten fest. Die Ausschüsse setzen sich aus Nominierten der einzelnen Mitgliedstaaten zusammen; den Vorsitz führt die Europäische Kommission. In der Regel werden Komitologieausschüsse in Form der „Beratenden Ausschüsse“ einberufen, an deren Stellungnahme die Kommission nicht gebunden ist (siehe die Regelungen zum Modus Vivendi vom 20. Dezember 1994 zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission über Maßnahmen zur Durchführung der gemäß dem Verfahren von Artikel 189b EG-Vertrag erlassenen Rechtsakte [ABl. Nr. C 102 vom 4. 4. 1996, S. 1]).
De facto bedeutet dies, dass das Komitologieverfahren kaum dazu herhalten kann, um prinzipielle Differenzen in der Meinung zur Anwendung oder Wirkung einer Richtlinie auszuräumen. Solche Differenzen sollten daher noch vor Beschlussfassung der Rahmenrichtlinie ausgeräumt werden. Im Komitologieverfahren sollte nur das geregelt werden, wofür auch aus strategischer Sicht Einhelligkeit zwischen den Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission vorherrscht. Grundlegende Inhalte müssten aus der Komitologie herausgehalten werden.

Harmonisierung
In etlichen Passagen des Textes zu INSPIRE wird auf die geplante Harmonisierung der Daten hingewiesen.
Da „Harmonisieren“ mit rechtlichem Charakter unterlegt sein kann, ist hier Vorsicht geboten. Es wird zwar immer wieder darauf hingewiesen, dass INSPIRE nur Daten betrifft, die bereits existieren, doch muss dabei daran gedacht werden, dass INSPIRE sehr wohl auch für alle neuen Daten angewendet werden muss. „Harmonisierung“ von Daten bringt automatisch auch eine Angleichung der Datenführung und der Objektbildungen mit sich, wenn man diesen Begriff zu eng auslegt. Und schon ist man mit nicht unerheblichen Kosten konfrontiert, wenn man die EDV-Systeme, Datenbanken, Bildschirmmasken etc. ändern müsste. „Harmonisieren“ in diesem Zusammenhang sollte sich darauf beziehen, eindeutige Zuordnungen und Konvertierungen in vorgegebene standardisierte Systeme zu ermöglichen.
Deshalb ist hier noch vor der Delegierung der Detailfestlegungen an das Komitologieverfahren in der Richtlinie selbst sicherzustellen, dass von einer so engen Auslegung nicht die Rede sein darf.

Warum überhaupt INSPIRE?
Wie könnte also unsere schöne, neue, INSPIRE-gestützte Welt aussehen?
In einem plakativen Beispiel des Informationsblattes der Generaldirektion Umwelt der EU Nr. 17 vom Sept. 2004 wird vehement für INSPIRE argumentiert. In diesem Beispiel wird der Bau einer Brücke zwischen Deutschland und der Schweiz über den Rhein angeführt – „… doch die beiden Teile trafen sich nicht in der Mitte. Jedes Land hatte den Bau auf seiner eigenen Seite begonnen und sich dabei auf seine eigenen Höhenmessungen gestützt …“

Und mit INSPIRE wird das nicht mehr geschehen?
So zumindest klingen dieser und andere Artikel der Europäischen Kommission. Es darf begründet bezweifelt werden, dass sich an diesen Beispielen etwas ändern wird. In diesem konkreten Beispiel wird darauf vergessen, dass in der Regel Bauvorhaben nicht in nationalen Koordinatensystemen vermessen und kontrolliert werden. Zumeist wird hier mit lokalen, spannungsfreien Baustellensystemen gearbeitet, um hochgenaue Ergebnisse zu garantieren. Wenn trotzdem solche Fehler passieren, dann liegt das nicht primär an den zugegebenermaßen unterschiedlichen nationalen Koordinatensystemen.
So polemische Beispiele schaden dem Ganzen eher als sie nutzen.

Vernünftige Visionen
Die heile europäische Welt mit einheitlichen Systemen für alle (derzeit) 25 MS, gleichen Objektdefinitionen und einem einheitlichen Koordinatensystem wird es so nicht geben können. Wenn solche Visionen leichtfertig in den Raum gestellt werden, wird übersehen, dass solche „Harmonisierungen“ nur für kleinmaßstäbliche Anwendungen Sinn machen. Für die kleinmaßstäbliche Darstellung von Straßenachsen von Autobahnen, die quer über Europa verlaufen, ist ein einheitliches Koordinaten- inklusive Höhensystem natürlich sinnvoll.
Eine Änderung aller Höhenangaben (man bedenke, dass ja auch in allen Druckwerken Höhen- und Lagekoordinatenwerte auszubessern wären etc.) wäre unnötig und nicht im Sinne der Autoren der Richtlinie.
Durch INSPIRE sollte es allerdings möglich sein, umfangreich über die Grenzen der Mitgliedstaaten hinweg Aussagen über verschiedene Umweltinformationen und Entwicklungen zu treffen. Wenn dies erreicht werden kann, ist schon sehr viel gewonnen – und dazu werden wohl alle gerne beitragen, wenn INSPIRE darauf Rücksicht nimmt, dass die bisherigen Arbeiten unter Beibehaltung der eingesetzten Ressourcen, Systeme und Daten ohne größere Aufwendungen oder Behinderungen weitergeführt werden können.

Datenkonvergenz auf hohem Niveau
Aus diesem Grund muss man INSPIRE von zu hoch gesteckten Erwartungshaltungen zum Thema „Harmonisierung“ von Geodaten schützen. Wichtig sind die Verpflichtung zur Verwendung internationaler Standards und Normen, der Zwang zur Führung ausführlicher Metadaten und der Einführung einheitlich definierten Datenführungsschemas. Dann ist die Konvertierung der Daten aus dem einen in das andere System einfach und eindeutig durchführbar. Wenn INSPIRE ein zentrales Konvertierungsprogramm zur Verfügung stellt, dann wird dies einen großen Schritt in die richtige Richtung darstellen.

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