„Ich glaube, dass der Begriff ,Sparen‘ von der Bundesregierung missbraucht wird“

„Ich glaube, dass der Begriff ,Sparen‘ von der Bundesregierung missbraucht wird“

Villachs Bürgermeister Helmut Manzenreiter im ÖGZ-Interview

 

ÖGZ: Das Thema Finanzausgleich (FAG) beherrschte aus der Sicht der Städte und Gemeinden den Herbst 2004. Wie geht es der Stadt Villach im Budgetbereich?
HELMUT MANZENREITER: Wir spüren massiv, dass einerseits die Ausschüttungen aus Ertragsanteilen zurückgehen. Wir sind jetzt unter dem Stand des Jahres 2001.
Andererseits sind im Sozial- und im Krankenanstaltenbereich die Ausgaben deutlich angestiegen. Wir haben im Budget 2005 unseren Bürgerinnen und Bürgern gegenüber Einschränkungen vornehmen müssen. Mir tut am meisten weh, dass durch diese Situation den Städten die Chance auf die volle Ausschöpfung ihres Entwicklungspotenzials genommen wird.

Während der FAG-Verhandlungen war viel die Rede von einer Reform des Finanzausgleichs an sich. Wie stehen Sie dazu?
MANZENREITER: Wir wollen jedenfalls eine finanzielle Abgeltung jener Aufgaben der autonomen Städte, die sie als Bezirksverwaltungsbehörde erbringen. Es ist nicht einzusehen, dass diese Belastungen durch uns getragen werden müssen. Eine Übernahme der Kosten durch den Bund ist daher anzustreben. Insgesamt geht es um eine umfassend verbesserte Finanzausstattung auf kommunaler Ebene. Die derzeitige Situation ist äußerst unbefriedigend.

Villach wird sowohl durch den Bund als auch durch das Land Kärnten zum Sparen gezwungen.
MANZENREITER: Ich glaube, dass der Begriff „Sparen“ – ein an sich positiv besetzter Begriff – von der Bundesregierung missbraucht wird. Was derzeit passiert, hat damit nichts mehr zu tun. Es sind massive Kürzungsmaßnahmen, gegen die wir uns wehren müssen. Wir haben bereits bei den freiwilligen Leistungen schmerzliche Kürzungen vornehmen müssen, die auch die Bevölkerung stark treffen. Etwa in der Kultur- und in der Sportförderung oder zum Teil in der Verkehrsinfrastruktur, Stichwort Nachttaxi. Zudem haben wir in den letzten Jahren im Bereich der Wirtschaftsentwicklung sehr viel investiert. Dafür stehen vor allem die Fachhochschule, das CTR-Forschungszentrum, der Technologiepark oder der Mikroelektronik-Cluster genannt. Einschränkungen wären hier absolut kontraproduktiv und würden zudem die Arbeitsplatzentwicklung beziehungsweise -sicherung gefährden.

Weil Sie es ansprechen – Villach ist als dynamischer Standort bekannt, Infineon oder SEZ forschen und produzieren hier. Was ist das Villacher Erfolgsrezept?
MANZENREITER: Wir haben gemeinsam mit diesen Firmen auf ihre Stärken gebaut. Wir haben ein Umfeld geschaffen, in dem sich Firmen, die international tätig sind und die von vielen Standorten Angebote bekommen, wohlfühlen und sich weiterentwickeln können. Hier gibt es positive Spin-offs. Es waren Maßnahmen der Ausbildung und der Forschung zu setzen, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Die Firmen müssen natürlich ihre Aufgaben selbst bewältigen, aber die Stadt muss das Umfeld schaffen, das bemerkt und geschätzt wird.

Stichwort Bildung. In den letzten Wochen hat sich eine umfassende Schuldebatte entwickelt. Wie stehen Sie dazu?
MANZENREITER: Ich bin froh, dass hier etwas in Bewegung gekommen ist, denn ich war immer ein Befürworter einer gemeinsamen Schule der 10- bis 14-Jährigen. Ich kenne auch Ganztagsmodelle im Ausland, die ich verfolge. Sie kommen dort sehr gut an und sind erfolgreich. Ich glaube nur, dass diese erste Bereitschaft, starre Strukturen jetzt aufzuweichen, bei der Frage der Finanzierung wieder sehr stark in Frage gestellt werden. Sicher nicht möglich ist, dass hier die Städte und Gemeinden große Finanzierungsaufgaben übernehmen können. Die sind mit den Infrastrukturinvestitionen im Pflichtschulbereich bereits stark belastet. Ich sehe daher keine Spielräume für die Städte und Gemeinden, das muss Aufgabe des Bundes sein.

Das Land Kärnten hat ja zur Jahreswende die Beiträge für die Berufsschulen stark angehoben. Was bedeutet das für Villach?
MANZENREITER: Wir haben sofort scharf protestiert. Es ist für uns unerklärlich, wie es von einem Tag auf den anderen zu diesen massiven Forderungen kommen konnte. Natürlich hat das Land Kärnten Ausgliederungen vorgenommen.
Für uns bedeutet das, dass wir mit einem Schlag eine neue Finanzlücke von 240.000 Euro haben.

Die EU-Kommission fordert von der Republik Österreich eine begründete Stellungnahme über eine Auftragsvergabe in Villach. Wie ist hier der letzte Stand?
MANZENREITER: Wir sind ein Private-Public-Partnerschaftsmodell mit einem privaten Anbieter in der Abfallbeseitigung eingegangen. Wir haben ein Modell bei der Partnersuche gewählt, das sich auf eine Marktsondierung beschränkt hat. Wir waren damals im Besitz von Informationen eines auf
EU-Vergabeverfahren spezialisierten Wiener Rechtsanwaltsbüros, das uns bestätigt hat, dass dies ein gültiger Weg ist.
Auch die Republik Österreich hat sich unserer Meinung angeschlossen. Das heißt, dass dieser Weg den Richtlinien entsprach. Wir können jetzt nur abwarten, wie sich die Europäische Kommission entscheidet. Die Vergabekriterien auf EU-Ebene sind nämlich äußerst kompliziert. Wir befinden uns hier immer in einem Bereich der Rechtsunsicherheit.

Thema Verkehr. In Kärnten und anderen Regionen in Österreich wird medial stark über die Themen Feinstaubbelastung und City-Maut debattiert. Welche Position nehmen Sie hier ein?
MANZENREITER: Villach ist beim Feinstaub derzeit noch in einer günstigen Situation. Der Verursacher Nummer 1 ist sicher der Schwerverkehr, der auf dem Autobahnring, der Villach umgibt, stark zunimmt. Die Öffnung der Europäischen Union nach Osten hat zu entsprechenden Steigerungsraten geführt. Im Bereich der Dieselpartikelfilter hat die Bundesregierung leider die entscheidenden Maßnahmen nicht früh genug gesetzt.
Ich sehe daher hier keine Schuld bei den Städten und Gemeinden. Auch die Frage des Ausbaus des öffentlichen Verkehrs kann nicht für die Lösung dieses Problems hauptverantwortlich herangezogen werden. Denn Städte mit einem hervorragenden öffentlichen Verkehrsnetz wie Graz oder Klagenfurt sind die größten Problemzonen in Südösterreich. Diesem Problem wird man durch europaweite Normen und einer damit einhergehenden Verbesserung im Lkw- und Dieselkraftfahrzeugbereich beikommen müssen.

Frage an den „Eisenbahner“ Helmut Manzenreiter. Die Österreichischen Bundesbahnen sind laufend von Umstrukturierungen betroffen. Was bedeutet das für die Bahnstadt Villach?
MANZENREITER: Ich muss mit großem Bedauern feststellen, dass das Management im Gegensatz zu früher kaum bereit ist, mit den Kommunen zu kommunizieren. Auch bei Vor-Ort-Maßnahmen im fachlichen Bereich fehlen uns oft die Ansprechpartner bzw. können die ÖBB keinen Zuständigen nennen. Fakt ist: Wir sind von der Zahl der Arbeitsplätze bei der Bahn stark in unseren Entscheidungen betreffend Infrastruktur wie Kindergärten oder Schulen abhängig.
Ich habe daher dem neuen ÖBB-Chef, Martin Huber, einen Brief geschrieben mit der Bitte, unserer Stadt einigermaßen nachvollziehbare Entwicklungsszenarien zu übermitteln, damit es nicht zu Fehl- oder Doppelinvestitionen in der Stadt kommt. Die Stadt Villach hat als Eisenbahnstandort in den letzten Jahren zweifellos an Bedeutung verloren. Das hat vor allem die Umstellung von einer dreistufigen auf eine zweistufige Organisationsform mit sich gebracht. Trotzdem ist die Bahn ein wichtiger und hervorragender Arbeitgeber in der Stadt.

Möglichkeiten der Videoüberwachung werden derzeit auf kommunaler Ebene breit diskutiert. Villach hat hier schon mehrjährige Erfahrungen sammeln können.
MANZENREITER: Man muss feststellen, dass die Innen- und Altstädte eine besondere Betreuung durch die Polizei erfahren müssen. Das ist, obwohl man sich vor Ort sehr bemüht, aufgrund der Personalknappheit bei den Sicherheitsorganen nicht möglich. Es fehlt hier einfach das notwendige Personal. Wir haben eine Lösung darin gesehen, dass wir uns internationale Entwicklungen bei der elektronischen Überwachung angesehen haben. Wir meinen, dass das eine gute Ergänzung sein kann, weil es für die Täter das Risikopotenzial erhöht, erkannt zu werden. Diese Maßnahme wird von der Bevölkerung in einem hohen Maße akzeptiert und anerkannt. In den letzten Wochen haben sich auch hier die rechtlichen Voraussetzungen geändert, sodass wir nun in enger Kooperation mit der Polizei eine geeignete Basis für die gewählte Vorgangsweise vorfinden.

2005 ist ein Gedenk- und „Gedanken“-Jahr. Wie geht man in Villach mit den Themen 60 Jahre Zweite Republik und 50 Jahre Staatsvertrag um?
MANZENREITER: Wir wollen hier mit einer Ausstellung einen eigenständigen Weg gehen. Keine Jubiläumsveranstaltung, sondern ein Hinterfragen der Mythen, die rund um das Kriegsende, die Befreiung Österreichs und den Staatsvertrag entstanden sind. Mythen sind durchaus notwendig, aber der aufgeklärte Staatsbürger und die Jugend sollen einen tieferen Einblick bekommen. Der Titel unserer Ausstellung sagt es schon: „60 Jahre Befreiung“.
Man kann von keinem zufälligen Kriegsende oder Zusammenbruch sprechen. Es hat hier weltweit – spät, aber doch – eine Allianz ein faschistisches System, ein Mördersystem, zerschlagen. Ohne diesen Einsatz wäre unsere Freiheit nicht gegeben – und hier ist es in den letzten Jahrzehnten doch zu Verklärungen gekommen.
Es geht vor allem darum, der Jugend eine Chance zu geben, die Zeitgeschichte zu ergründen. Es werden deshalb auch die Schulen in dieses Projekt eingebunden. Wir haben auch ein Projekt, das sich „Mauthausen“ nennt, gemeinsam mit Schulen verwirklicht. Die Ausstellung wird im April von Bundespräsident Dr. Heinz Fischer eröffnet werden. Ausstellung und Rahmenprogramm sollen Menschen, die Interesse an Politik und Geschichte haben, die Möglichkeit geben, Fehlentwicklungen zu erkennen, um in Zukunft derartige Fehlentwicklungen verhindern zu helfen.
Wir danken für das Gespräch.

Städtebund-Linktipp:
www.villach.at

OEGZ

ÖGZ Download