Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen aus sicherheitspolizeilicher Sicht2

Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen aus sicherheitspolizeilicher Sicht2

Die Novelle zum Sicherheitspolizeigesetz ermöglicht es nunmehr den Sicherheitsbehörden, Bild- und Tonaufzeichnungen an öffentlichen Orten zur Abwehr gefährlicher Angriffe vorzunehmen. Diese präventive Gefahrenabwehr soll das subjektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung an Kriminalitätsbrennpunkten heben und zur Erhöhung der Aufklärungsquote von Straftaten beitragen. Da es sich dabei um grundrechtsrelevante Eingriffe handelt, steht diese anzukündigende Maßnahme jedoch unter dem Erfordernis der Verhältnismäßigkeit und ist mit intensiven Rechtsschutzmechanismen verbunden.

 

I. Einleitung
Die Frage der Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen, also die Erfassung öffentlichen Verhaltens von Personen mittels Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten, rückt seit geraumer Zeit verstärkt ins Blickfeld der Öffentlichkeit und berührt in hohem Maße auch die Stadtverwaltungen3. Auch mögliche Kooperationen der Sicherheitsbehörden mit den Stadtverwaltungen in diesem Bereich stehen zunehmend in Diskussion.
Im Bereich des Sicherheitspolizeirechtes enthält die jüngst kundgemachte Novelle zum Sicherheitspolizeigesetz (SPG)4 die Befugnis für die Sicherheitsbehörden zum Einsatz von Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten zur Überwachung besonders gefährdeter öffentlicher Orte und die Verankerung der Möglichkeit des Einsatzes von Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten zur Unterstützung bei der Durchführung der Grenzkontrolle. Diese Regelungen sind mit 1. Jänner 2005 in Kraft getreten.

II. Videoüberwachung im Sicherheitspolizeigesetz
Die bislang im Sicherheitspolizeigesetz bestehenden Regelungen zur Bild- und Tonaufzeichnung haben sich für einen effektiven vorbeugenden Rechtsschutz vor strafbaren Handlungen an bestimmten gefahrengeneigten Orten als ergänzungsbedürftig erwiesen. Im Folgenden soll ein systematischer Überblick über die diesbezüglichen Möglichkeiten der Sicherheitsbehörden gegeben werden.

1. Videoüberwachung nach SPG (bereits vor der Novelle 2005)
1.1 Videoüberwachung mit Übertragungsgeräten
Sofern keine Ermittlung personenbezogener Daten vorliegt, kommt eine sicherheitspolizeiliche Videoüberwachung (ohne Aufzeichnung) aufgrund der Generalklausel des § 28a Abs. 2 SPG in Betracht.5 Personenbezogene Daten werden lediglich übertragen und nicht aufgezeichnet.
Da keine Aufzeichnung von Daten erfolgt, handelt es sich nicht um eine Datenermittlung, da sie nicht in der Absicht vorgenommen wird, die Daten in einer Datenanwendung zu verwenden.6 Eine Löschung kommt daher begrifflich nicht in Frage.
Die Ermittlung personenbezogener Daten durch Bild- und Tonübertragungsgeräte ist unter den Voraussetzungen des § 54 Abs. 2 des Sicherheitspolizeigesetzes7 zulässig.

1.2 Videoüberwachung mit Aufzeichnungsgeräten
Hierbei geht es um die Möglichkeit, Bilder oder Bildfolgen bzw. Töne oder Tonfolgen so zu konservieren, dass sie wiederholbar wiedergegeben werden können (insbesondere Tonbandgeräte bzw. Fotoapparate und Videokameras); daher werden beim Einsatz von Bild- und Tonaufnahmegeräten in aller Regel personenbezogene Daten ermittelt und auch aufgezeichnet.
Diese Ermittlung personenbezogener Daten durch den Einsatz von Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten ist unter den in § 54 Abs. 4 und 5 des Sicherheitspolizeigesetzes genannten Voraussetzungen zulässig, wobei dabei im Wesentlichen zwei Fallgruppen zu unterscheiden sind:

- Die Ermittlung erfolgt zur Abwehr gefährlicher Angriffe oder krimineller Verbindungen. Sie darf unter den Voraussetzungen des § 54 Abs. 3 des Sicherheitspolizeigesetzes (d. h. wenn sonst die Abwehr gefährlicher Angriffe oder krimineller Verbindungen gefährdet oder erheblich erschwert wäre) auch verdeckt, d. h. ohne Wissen des Betroffenen, erfolgen. Da ausdrücklich auf die „Abwehr gefährlicher Angriffe“ und nicht auf „wahrscheinliche gefährliche Angriffe“ abgestellt wird, ist eine Datenermittlung aus dem letztgenannten Grund (was gewissermaßen eine „Datenvorratshaltung“ bedeuten würde) nicht zulässig.

- Ist zu befürchten, dass es bei einer Zusammenkunft zahlreicher Menschen zu gefährlichen Angriffen gegen Leben, Gesundheit oder Eigentum von Menschen kommen werde, so dürfen die Sicherheitsbehörden zur Vorbeugung solcher Angriffe personenbezogene Daten Anwesender mit Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten ermitteln; sie haben dies jedoch zuvor auf solche Weise anzukündigen, dass es einem möglichst weiten Kreis potenzieller Betroffener bekannt wird. Die auf diese Weise ermittelten Daten dürfen auch zur Abwehr und Aufklärung gefährlicher Angriffe, die sich während der Zusammenkunft ereignen, verarbeitet werden.

Im Falle der Bildaufzeichnung liegt jedenfalls eine Ermittlung von personenbezogenen Daten im Sinne des § 4 Z 10 DSG 2000 vor.
Die Löschung dieser gemäß § 54 Abs. 4 oder 5 des Sicherheitspolizeigesetzes ermittelten personenbezogenen Daten richtet sich nach § 63 Abs. 1 des Sicherheitspolizeigesetzes. Hier ist eine Löschung unter anderem dann vorgesehen, „wenn die Daten für die Aufgabe, für die sie verwendet worden sind, nicht mehr benötigt werden“.
Nicht gestattet war den Sicherheitsbehörden – im Gegensatz zu Privaten, die an öffentlichen Orten wie etwa auf Flughäfen oder Bahnhöfen mit geringen Einschränkungen8 Videoüberwachungen samt Aufzeichnungen vornehmen dürfen – der vorbeugende Einsatz von Bildaufzeichnungsgeräten im öffentlichen Raum9 , selbst dann nicht, wenn gefährliche Angriffe zu befürchten sind.10 Dieser Zustand ist durch die jüngste Novelle bereinigt worden.

2. Ergänzende Neuregelung
Die SPG-Novelle 200511 sieht in Anlehnung an vergleichbare ausländische Regelungen12 in § 54 Abs. 6 des Sicherheitspolizeigesetzes eine Befugnis zum Einsatz von Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten zur Überwachung besonders gefährdeter öffentlicher Orte, sogenannte „Kriminalitätsbrennpunkte“ vor.
Die Regelung lautet:
„Ist gemäß § 54 Abs. 6 SPG aufgrund bestimmter Tatsachen, insbesondere wegen vorangegangener gefährlicher Angriffe, zu befürchten, dass es an öffentlichen Orten (§ 27 Abs. 2) zu gefährlichen Angriffen gegen Leben, Gesundheit oder Eigentum von Menschen kommen wird, dürfen die Sicherheitsbehörden zur Vorbeugung solcher Angriffe personenbezogene Daten Anwesender mit Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten ermitteln. Sie haben dies jedoch zuvor auf solche Weise anzukündigen, dass es einem möglichst weiten Kreis potenzieller Betroffener bekannt wird. Die auf diese Weise ermittelten Daten dürfen auch zur Abwehr und Aufklärung gefährlicher Angriffe, die sich an diesen öffentlichen Orten ereignen, sowie für Zwecke der Fahndung (§ 24) verwendet werden. Soweit diese Aufzeichnungen nicht zur weiteren Verfolgung aufgrund eines Verdachts strafbarer Handlungen durch einen bestimmten Menschen (§ 22 Abs. 3) erforderlich sind, sind sie nach längstens 48 Stunden zu löschen.“
Den Sicherheitsbehörden wurde damit die Möglichkeit eröffnet, im Rahmen der Kriminalprävention an öffentlichen Orten die Videotechnik mit Bildaufzeichnungsgeräten einzusetzen. Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage13 sind Kriminalitätsbrennpunkte Orte, an denen beispielsweise bereits gefährliche Angriffe stattgefunden haben oder die sicherheitspolizeiliche Lageeinschätzung hinreichende Anhaltspunkte, also bestimmte Tatsachen, für gefährliche Angriffe bietet14; an derartigen Orten muss sich die Kriminalitätsbelastung deutlich von der an anderen Orten innerhalb derselben Gemeinde abheben.15 Kriminalitätsformen, die im öffentlichen Raum stattfinden, sollen dadurch effektiver als bisher beobachtet und verhindert werden können. Der präventive Charakter dieser Maßnahme soll durch eine vorhergehende Ankündigung zum Ausdruck gebracht werden und potenzielle Täter von der Begehung gefährlicher Angriffe abhalten. Darüber hinaus dient die Ankündigung – wie auch in § 54 Abs. 5 SPG – dem Interesse der potenziell betroffenen Personen im Hinblick auf die grundrechtliche Dimension, insbesondere die Achtung der Privatsphäre. 16
Aus polizeilicher Sicht geht es bei der Überwachung von Kriminalitätsbrennpunkten keinesfalls um eine gezielte Überwachung von Menschen, sondern vielmehr um deren Schutz. Ziele dieses Einsatzes von Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten sind insbesondere:

- Eindämmung und Beseitigung von Kriminalitätsbrennpunkten;

- Erhöhung der Aufklärungsquote von Straftaten;

- rechtzeitiges Erkennen und Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit;

- Steigerung der Effizienz und Effektivität der polizeilichen Tätigkeit;

- Beitrag zur Verstärkung des subjektiven Sicherheitsgefühls der Menschen.

Positive Erfahrungen liegen bislang aus Großbritannien und Deutschland vor.17
Die Aufzeichnung der Daten soll mithin insbesondere

- die Verhinderung und Aufklärung von gefährlichen Angriffen erhöhen,

- die Aufklärung von Straftaten durch zusätzliche Gewinnung von Ermittlungs- und Fahndungserkenntnissen steigern,

- die Rekonstruktion des Tathergangs sowie die spätere Täteridentifizierung optimieren bzw. ermöglichen.

3. Sicherheitspolizeigesetz und Rechtsschutz
3.1 Rechtsschutzbeauftragter
Sicherheitsbehörden, denen sich eine derartige Aufgabe stellt, haben unverzüglich den Bundesminister für Inneres zu verständigen. Dieser hat dem Rechtsschutzbeauftragten Gelegenheit zur Äußerung binnen drei Tagen zu geben. Ermittlungen nach letztgenannter Bestimmung dürfen erst nach Ablauf dieser Frist oder Vorliegen einer entsprechenden Äußerung des Rechtsschutzbeauftragten gesetzt werden, es sei denn, es wären zur Abwehr schwerer Gefahr sofortige Ermittlungen erforderlich.18 Da es sich bei dieser Datenermittlungsbefugnis um ein primär vorbeugendes Instrument handelt, ist eine Datenermittlung, falls nicht schon vorher eine positive Äußerung des Rechtsschutzbeauftragten vorliegt, frühestens nach Ablauf der dreitägigen Frist, die mit dem Zugang der Information an den Rechtsschutzbeauftragten beginnt, zulässig. Damit wird dem eigentlichen Zweck eines „kommissarischen“ Rechtsschutzes, eine ungerechtfertigte und dauerhafte Belastung Betroffener zu verhindern, und zugleich auch den Kautelen des Art. 13 EMRK hinsichtlich einer wirksamen Beschwerdemöglichkeit an eine nationale Instanz Rechnung getragen.19

3.2 Verhältnismäßigkeit
Grundsätzlich ist anzumerken, dass es sich bei Videoüberwachungen (Bild- und/oder Tonaufzeichnungen) um grundrechtsrelevante Eingriffe handelt, weshalb dem Erfordernis der Verhältnismäßigkeit20 besonderes Augenmerk zu schenken ist. Konkret bedeutet dies, dass die Videoüberwachung mit Bild- und/oder Tonaufzeichnungsgeräten von mehreren zielführenden Befugnissen das gelindeste, mildeste, zur Erreichung des jeweiligen Zieles zur Verfügung stehende bzw. das den Betroffenen voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigende Mittel darstellen muss.
Unter diesen Gesichtspunkten ist vor der Anforderung einer Videoüberwachung eine genaue Prüfung und Abwägung dahingehend vorzunehmen, ob nicht auch mit anderen polizeilichen Maßnahmen bzw. zur Verfügung stehenden weniger eingreifenden Befugnissen – etwa im Rahmen des Streifen- und Überwachungsdienstes und der Gefahrenabwehr21 – das angestrebte Ziel erreicht werden kann.

3.3 Weitere Rechtsschutzmechanismen
Ergänzt werden die Befugnisse durch intensive Rechtsschutzmechanismen. Zu nennen sind insbesondere

- die Beschwerdemöglichkeiten an den Unabhängigen Verwaltungssenat (UVS)22 und in der Folge an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts;

- die Möglichkeit einer Beschwerde nach Art. 34 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) nach Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtswegs;23

- der in § 30 Abs. 1 DSG 2000 vorgesehene Rechtsschutz bei Verarbeitung personenbezogener Daten sowie die in § 31 DSG 2000 vorgesehene Beschwerde wegen Verletzung des Rechts auf Auskunft, Richtigstellung und Löschung;

- die Amtshaftung für rechtswidriges und schuldhaftes Organhandeln in Vollziehung der Gesetze. 24

4. Verfassungsrechtslage
Insbesondere in der Diskussion des Ministerialentwurfes, aber auch im Rahmen der parlamentarischen Behandlung der Regierungsvorlage wurde die Grundrechtsrelevanz dieser Bestimmung ausführlich erörtert. Der Einsatz von Videoüberwachung steht im Spannungsverhältnis neben dem Grundrecht auf Datenschutz auch zwischen dem Schutz der Privatsphäre (Artikel 8 EMRK) und dem öffentlichen Interesse an der Verhinderung von Straftaten. Ein Eingriff in ein von der Verfassung geschütztes Recht bedarf einer umfassenden Rechtfertigung mittels einer gesetzlichen Grundlage (Artikel 8 Abs. 2 EMRK) und müsse darüber hinaus auch noch ein verhältnismäßiges Mittel im Vergleich zum Eingriff sein.
In Großbritannien ist die Anwendung der Videoüberwachungstechnik seit den 80er Jahren sehr verbreitet. Die meisten Beschwerden, die an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gerichtet wurden, sind daher aus dem britischen Raum.25
Auch der Datenschutzrat hat in seiner im Begutachtungsverfahren abgegebenen Stellungnahme betont, dass die Maßnahme den in Art. 8 EMRK genannten Zielen der Verhinderung von strafbaren Handlungen sowie dem Schutz der Rechte und Freiheiten anderer bedrohter Personen dient. Die Ankündigungspflicht, das ausdrückliche Löschungsgebot nach 48 Stunden sowie die Einbindung des Rechtsschutzbeauftragten stellen demgemäß angemessene Garantien für den Schutz der ohne Frage bestehenden Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen dar.
Im Gesetz ist keine Höchstgrenze für die Dauer der Überwachung eines öffentlichen Ortes genannt. Aus den strengen Verhältnismäßigkeitskriterien und dem Wortlaut des § 54 Abs. 6 des Sicherheitspolizeigesetzes lässt sich jedoch ableiten, dass die Datenermittlung jedenfalls dann zu beenden ist, wenn keine Anhaltspunkte mehr dafür vorliegen, dass es sich um einen im Verhältnis zu vergleichbaren Orten innerhalb derselben Gemeinde besonders gefährdeten öffentlichen Ort handelt. Eine Prüfung des Vorliegens der bestimmten Tatsachen wird daher durch die Sicherheitsbehörde in regelmäßigen Abständen vorzunehmen sein.
Darüber hinaus wurde durch einen Abänderungsantrag einer in einem Hearing im parlamentarischen Innenausschuss26 diskutierten und geäußerten Anregung Rechnung getragen und die Gründe für eine Aufbewahrung zwecks möglicher Weiterverwendung ermittelter Daten noch klarer gefasst.

III. Rechtslage in Deutschland
In der Diskussion wurde immer wieder auf die positiven Erfahrungen mit offener Videoüberwachung aus dem Ausland hingewiesen.27 Im Vorfeld der Erstellung des Ministerialentwurfes und auch im Rahmen der Erörterungen im Begutachtungsverfahren und der parlamentarischen Diskussion wurde neben Beispielen aus Großbritannien insbesondere die Rechtslage in deutschen Bundesländern einer genaueren Betrachtung unterzogen.28
Videoüberwachung (definiert als die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen) ist nach § 6b Abs. 1 des deutschen Bundesdatenschutzgesetzes nur zulässig, soweit sie

1. zur Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen,
2. zur Wahrnehmung des Hausrechts oder
3. zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen.

In einzelnen deutschen Bundesländern ist die Videoüberwachung in ähnlicher Form geregelt. In der Regel besteht eine gesetzliche Ermächtigung für Polizeivollzugsdienst und Ortspolizeibehörden zur Abwehr von Gefahren, durch die die öffentliche Sicherheit bedroht wird … öffentlich zugängliche Orte offen … beobachten und Bildaufzeichnungen von Personen anfertigen.29 Die gesetzlich normierten Speicherfristen reichen von 48 Stunden bis zu zwei Monaten, sofern ermittelte Daten nicht zur Verfolgung von Straftaten länger benötigt werden.
Das Verwaltungsgericht Karlsruhe30 hat die angeführte Regelung im Polizeigesetz von Baden-Württemberg nicht als Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung qualifiziert und insbesondere ausgeführt, dass durch die gesetzliche Bestimmung keine Ermächtigung zu flächendeckender Überwachung besteht, womit (unter anderem) die Verhältnismäßigkeit gewahrt ist.
Der Grundphilosophie der Polizei in Baden-Württemberg entspricht es, dass der Einsatz von Videotechnik an Kriminalitätsbrennpunkten als gemeinsam getragene Maßnahme vom Kommunen und Polizei entspricht.31

IV. Videoüberwachung durch Gemeinden
Unter dem Titel der „örtlichen Sicherheitspolizei“ könnte sich eine Befugnis zum Einsatz von Bildaufzeichnungsgeräten aus landesgesetzlichen Bestimmungen ergeben. Konkret wird das Ziel der Hintanhaltung von Ordnungswidrigkeiten allerdings unter umfassenden Verhältnismäßigkeitsüberlegungen stehen.
Im Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung könnte sich die Sachlage etwas anders darstellen. Jedenfalls ist auf die von § 1 Abs. 2 DSG verlangte Interessenabwägung Bedacht zu nehmen. Als Eigentümerin von Objekten, die im öffentlichen Raum von der Allgemeinheit genutzt werden können oder der Erhöhung der Qualität der Nutzbarkeit öffentlicher Flächen dienen, kann eine Gemeinde wie ein Privater agieren. Allerdings ist auch hier eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen.32
Eine Zulässigkeit des Einsatzes von Videotechnik im Bereich der örtlichen Sicherheitspolizei kann sich daher ausschließlich aus landesrechtlichen Vorschriften ergeben und wäre durch die zuständigen Organe zu beurteilen.

V. Abschließende Bemerkung
Insgesamt kann gesagt werden, dass Videoüberwachung an öffentlichen Straßen und Plätzen zur Verbesserung der inneren Sicherheit beitragen kann und ein vernetztes Zusammenwirken der mit Sicherheitsbelangen befassten Kräfte, also auch der Kommunen, eine wesentliche Voraussetzung für eine verbesserte Sicherheitslage und erhöhtes Sicherheitsgefühl der Bevölkerung darstellt. Sicherheitsbehörden, Städte und Bevölkerung profitieren also gleichermaßen von dieser Sicherheitsstrategie.

Fußnoten:
1 Mag. Peter Andre ist Referent in der Abteilung III/1 (Legistik) und Menschenrechtskoordinator im Bundesministerium für Inneres, 1014 Wien, Herrengasse 7,
E-Mail: Peter.Andre@bmi.gv.at

2 Dieser Beitrag stellt die ausgearbeitete und gekürzte Fassung eines am 1. Februar 2005 für den Österreichischen Städtebund gehaltenen Vortrages dar. Er gibt ausschließlich die persönliche Meinung des Autors wieder.

3 Einige Auszüge aus jüngsten Pressemeldungen zum Thema:
„Die Nachricht, dass bereits im Sommer zwei Kameras auf dem Grazer Jakominiplatz montiert werden sollen, hat in der Stadtregierung für heftige Reaktionen gesorgt“ (Kronen-Zeitung vom 22. 1. 2005).
„Der Vorstoß von Klagenfurts Bürgermeister, die Innenstadt per Video zu überwachen, ist für Wirbel gut. Gegner sehen die Freiheit in Gefahr“ (Neue Kärntner Tageszeitung vom 22. 1. 2005).
„Jetzt ist es fix: Laut Stadtsenatsbeschluss von Dienstag werden Kameras die Klagenfurter Innenstadt überwachen“ (Kronen-Zeitung vom 26. 1. 2005).
„Videoaufzeichnung auf Schritt und Tritt erlaubt. In Zukunft können Daten jener Videokameras, die öffentliche Plätze überwachen, gespeichert werden“ (Kleine Zeitung vom 17. 11. 2004).
„Videoüberwachung der Wiener U-Bahn-Stationen gegen Diebe“ (Kronen-Zeitung vom 29. 1. 2005).
„Aus staatlicher Sicht ein völliger Unsinn“ (Kleine Zeitung vom 17. 11. 2004, Interview mit Hans Zeger, Obmann der ARGE Daten).

4 Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz, das Grenzkontrollgesetz, das Bundesgesetz über die Führung der Bundesgendarmerie im Bereich der Länder und die Verfügung über die Wachkörper der Bundespolizei und der Bundesgendarmerie und das Beamten-Dienstrechtsgesetz geändert werden (SPG-Novelle 2005), BGBl I Nr. 151/2004 vom 30. Dezember 2004; zu den parlamentarischen Materialien siehe NR: GP XXII RV 643 AB 723 S. 89. BR: 7156 AB 7164 S. 717.

5 Nach § 28 Abs. 2 SPG dürfen zur Erfüllung der im SPG normierten Aufgaben alle rechtlich zulässigen Mittel, die nicht in die Rechte eines Menschen eingreifen, eingesetzt werden; vgl. in diesem Sinn auch König, Videoüberwachung: Fakten, Rechtslage und Ethik (Wien 2001), 140.

6 Vgl. § 4 Z 10 DSG 2000.

7 Gemäß dieser Bestimmung ist die Ermittlung personenbezogener Daten zur erweiterten Gefahrenerforschung (Z 1), um eine von einem bestimmten Menschen geplante strafbare Handlung noch während ihrer Vorbereitung verhindern zu können (Z 2) oder wenn sonst die Abwehr gefährlicher Angriffe oder krimineller Verbindungen gefährdet oder erheblich erschwert wäre (Z 3), zulässig.

8 So ist etwa die Videoüberwachung der Wohnungstür eines Mieters unzulässig, vgl. OGH 6 Ob 2401/96y, MietSlg 49.002 = immolex 1997/71 = NetV 1998, 29 = MR 1997, 150 = NZ 1998, 173; LGZ Wien 41 R 225/02w, MietSlg 54.601; ebenso unzulässig ist eine Videoüberwachung von Arbeitsräumen ohne Zustimmung des Betriebsrates, vgl. OLG Wien 7. 6. 1995, 8 Ra 68/95, 8 Ra 69/95 = ARD 4668/16/95.

9 So auch König, Videoüberwachung 157.

10 Vgl. in diesem Sinn auch Wiederin, Privatsphäre 120; kritisch Vogl, Was ein Privater kann, soll auch der Staat können – Prävention im Zentrum, Salzburger Nachrichten 30. 3. 2004, 6 = Kommunal 5/2004, 18.

11 Siehe FN 4.

12 Vgl. z. B. § 32 des Gesetzes über die Aufgaben und Befugnisse der Bayerischen Staatlichen Polizei, GVBl 1990/397; § 24a Berliner Polizeigesetz, GVBl 1992/119; § 31 Brandenburgisches Polizeigesetz, GVBl I 1996/74; § 15a Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen, GV NRW 2003/410; § 21 Polizeigesetz Baden-Württemberg, GBl 1992/1; § 14 Hessisches Polizeigesetz, GVBl 1954/203.

13 Siehe 643 der Beilagen NR 20. GP – Regierungsvorlage, 11.

14 Wie insbesondere etwa Diebstähle, Sachbeschädigungen, Körperverletzungen, Raubüberfälle oder sonstige Formen der sog. Straßenkriminalität.

15 Vgl. VGH Mannheim 21.7.2003, 1 S 377/02 = Kriminalistik 2004, 328.

16 Vgl. Hauer/Keplinger, Kommentar2 § 54 Anm B.15.3.

17 Zu Großbritannien vgl. König, Videoüberwachung, 194 f, der unter Bezugnahme auf Studien von Ditton & Short sowie Skinns ausführt, dass die Kriminalität durchschnittlich um 21% (ohne Berücksichtigung allfälliger Verlagerungen) und um 6% (mit Berücksichtigung) gesunken sei; zu Deutschland vgl. Merkle, Videoüberwachung in Stuttgart (Rotebühlplatz), Kriminalistik 2/2004, 93 (98), die als Evaluationsergebnisse unter anderem einen deutlichen Kriminalitätsrückgang, einen Beitrag zur Aufklärung von Straftaten, aber auch die Sicherstellung rascher ärztlicher Versorgung oder das Verbringen von vermissten Kindern in die Obhut ihrer Eltern nennt.

18 Vgl. § 62a Abs. 7 SPG, der durch die SPG-Novelle 2005 angepasst wurde.

19 Vgl. Vogl, Der Rechtsschutzbeauftragte in Österreich (Wien 2004).

20 Vgl. § 29 SPG.
21 Vgl. § 5 Abs. 3 SPG.
22 Vgl. § 87 SPG und § 88 Abs. 2 SPG.

23 Schadenersatz wird diesfalls nach billigem Ermessen zugesprochen (siehe Art. 41 EMRK).

24 Der Ersatz des immateriellen Schadens erfolgt aufgrund des Verweises auf die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts (§ Abs. 1 AHG, BGBl 1949/20) abhängig vom Verschuldensgrad.

25 Vgl. z. B. EGMR 28. 1. 2003 (Peck vs. United Kingdom), 00044647/98, ÖIM Newsletter 2003, 19, in welchem der EGMR unter Bezugnahme auf das große Interesse des Staates an der Verhinderung und Aufklärung von Straftaten außer Streit stellt, dass das Überwachungssystem eine wichtige Rolle bei der Erreichung dieses Zieles spielt.

26 Am 27. 10. 2005 wurden im Ausschuss für innere Angelegenheiten Experten zu den Themen Schutzzone und Videoüberwachung gehört; vgl. AB 723 BlgNR 22. GP, 2.

27 Siehe z. B. FN 17 über die Evaluierung des „Stuttgarter Modells“ der Videoüberwachung am Rothebühlplatz.

28 Siehe FN 12.

29 Vgl. § 21 Polizeigesetz Baden-Württemberg, GBl 1992/1.

30 Urteil vom 10. 10. 2001, 11 K 191/01, NVwZ 2002, 117.

31 Vgl. Schneider, Erfahrungen mit der Videoüberwachung von Kriminalitätsbrennpunkten in Baden-Württemberg, in Schriftenreihe des BMI – Band 3 (Hrsg.), NWV, Wien 2004.

32 Vgl. König, Videoüberwachung, 168 ff. mit Nachweisen auf Judikatur des OGH.

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