Gemeindefinanzbericht 2003/04 – schwache Konjunktur belastet Gemeindebudgets

Gemeindefinanzbericht 2003/04 – schwache Konjunktur belastet Gemeindebudgets

Die schwache Konjunktur des Berichtsjahres 2003 fand auch in den Gemeindehaushalten ihren Niederschlag. Bei einem realen Wirtschaftswachstum von nur 0,8% und einer Inflationsrate von 1,3% lagen die Anstiege der Gemeindeeinnahmen und -ausgaben nur knapp über der Geldentwertung. Die Gemeindehaushalte (ohne Wien) nahmen 2003 15,01 Mrd. E (+1,4%) ein und gaben 14,81 Mrd. E (+1,6%) aus. Die Investitionen entwickelten sich auf den ersten Blick erfreulich, ein zweiter Blick zeigt aber, dass der Investitionszuwachs weitestgehend über Kredite finanziert wurde: Im Berichtsjahr 2003 stiegen sowohl die Finanzschulden als auch der kommunale Verschuldungsgrad. Die skizzierte Entwicklung spiegelt sich in der Verschlechterung der budgetrelevanten Kennzahlen wieder. So ging zum Beispiel die freie Finanzspitze von 570 Mio. E im Jahr 2002 weiter auf 465 Mio. E im Jahr 2003 zurück.1

 

Geringe Dynamik bei Einnahmen und Ausgaben
Die (ordentlichen und außerordentlichen) Einnahmen der österreichischen Gemeinden (ohne Wien) betrugen 2003 15,01 Mrd. E, ihnen standen (ordentliche und außerordentliche) Ausgaben in Höhe von 14,81 Mrd. E gegenüber. Im Vergleich zu 2002 sind die Einnahmen um 204,0 Mio. E (+1,4%) und die Ausgaben um 232,3 Mio. E (+1,6%) gestiegen. Beide Anstiege liegen nur knapp über der Inflationsrate von 1,3%. Vom Wirtschaftswachstum von 0,8% profitierten die Gemeinden nicht.
Die Gemeinden (ohne Wien) nahmen 2003 Kredite in Höhe von 1,10 Mrd. E auf, um rund 109,4 Mio. E mehr als im Jahr zuvor. Die aufgenommenen Kredite entsprachen 7,3% der Einnahmen (2002: 6,6%). Die Finanzschulden stiegen im Berichtsjahr um 249,7 Mio. E oder um 2,5% auf 10,34 Mrd. E. Der Verschuldungsgrad entsprach rechnerisch 68,9% der Einnahmen, er ist gegenüber dem Vorjahr erstmals seit drei Jahren wieder angestiegen (+0,7%).

Rückgang der Ertragsanteile
Von den Gemeindeeinnahmen in Höhe von insgesamt 15,01 Mrd. E entfielen 2,27 Mrd. E auf Gemeindeabgaben (+3,5%), 1,30 Mrd. E auf Gebühren (+5,3%) und 3,99 Mrd. E auf Ertragsanteile (–2,4%).
Die kontinuierliche Entwicklung der Ertragsanteile wurde seit 2001 wiederholt durch finanzpolitische Maßnahmen und organisatorische Veränderungen gestört. So brachten die Budgetbegleitgesetze des Jahres 2001 den Ertragsanteilen vorgezogene Einnahmen und einen hohen Anstieg von 11,1%, während 2002 die Entwicklung (+2,0%) unterdurchschnittlich verlief. 2003 ist der absolute Rückgang der Ertragsanteile vor allem auf Ausfälle bei der Körperschaftsteuer, der veranlagten Einkommensteuer und der Kapitalertragssteuer II zurückzuführen. Insgesamt haben sich in den Jahren 2000 bis 2003 die Gesamteinnahmen und die Ertragsanteile ziemlich im Gleichschritt bewegt.

Unterdurchschnittliches Wachstum der Kommunalsteuer
Zu den Gemeindeabgaben trug die Kommunalsteuer mit 60,6% oder 1,38 Mrd. E (+44,2 Mio. E; +3,3%) den mit Abstand größten Teil bei. Die Kommunalsteuer hatte in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen, 2003 entwickelte sie sich erstmals weniger dynamisch als die übrigen Gemeindeabgaben. Nach der Kommunalsteuer erbrachten die Grundsteuer B (392,0 Mio. E; +4,3%) und die Interessentenbeiträge (250,7 Mio. E; +6,4%) die höchsten Beiträge zu den Gemeindeabgaben.

Ausgaben und Ausgabenentwicklung der Gemeinden ohne Wien
Die österreichischen Gemeinden (ohne Wien) gaben 2003 in den ordentlichen und außerordentlichen Haushalten insgesamt 14,81 Mrd. E aus, um 232,3 Mio. E oder 1,6% mehr als 2002. Die Ausgabensteigerung ist die zweitniedrigste der letzten zehn Jahre.

Ausgewählte Ausgabenarten
Von den Gemeindeausgaben entfielen 2003 3,15 Mrd. E (+94,4 Mio. E; +3,1%) auf Investitionen und Investitionsförderungen.
Der Personalaufwand für aktive Mitarbeiter und Pensionisten machte 2003 2,81 Mrd. E aus und lag um 85,8 Mio. E oder 3,1% über dem Vorjahreswert.
Zur Bedienung der Finanzschulden wurden 1,10 Mrd. E aufgewendet, um 37,6 Mio. E oder 3,3% weniger als 2002. Der Rückgang des Schuldendienstes ist vor allem dem historisch niedrigen Zinsniveau und dem deshalb abermals gesunkenen Zinsaufwand zu verdanken. Die durchschnittliche Verzinsung der Gemeindeschulden erreichte 2003 mit 2,99% einen absoluten Tiefstand.

Weitere Belebung der Investitionstätigkeit
Die österreichischen Gemeinden gaben 2003 für Investitionen und Investitionsförderungen 3,15 Mrd. E aus, um 94,4 Mio. E oder 3,1% mehr als 2002. Die Gemeinden investierten 2,56 Mrd. E (+4,8%) selbst und förderten mit 589,1 Mio. E fremde Investitionen.
Die Investitionsquote der Gemeinden stieg (von 20,9% im Jahr 2002) auf 21,2%. Trotz der erfreulichen Entwicklung ist darauf hinzuweisen, dass in der ersten Hälfte der 90er Jahre noch weit mehr als 25% der Ausgaben in Investitionen und Investitionsförderungen flossen. Freilich darf auch nicht übersehen werden, dass der Anstieg der Investitionen von Anstiegen der Schuldenaufnahme und der Neuverschuldung begleitet wurde.
Bemerkenswert ist eine Betrachtung kommunaler Investitionsausgaben der letzten zehn Jahre: Die österreichischen Gemeinden finanzierten 1995 mit 3,13 Mrd. E das höchste und 2001 mit 2,74 Mrd. E das niedrigste Investitionsvolumen der Beobachtungsperiode. Die Zunahme der Investitionen im Jahr 2002 auf 3,05 Mrd. E stellt den ersten Investitionsanstieg seit vier Jahren dar, er fiel mit 11,2% noch dazu auffallend hoch aus. Das Investitionsvolumen des Jahres 2003 (3,15 Mrd. E) ist nominell das höchste der letzten Jahre, liegt aber real (preisbereinigt) um rund 425 Mio. E unter dem Niveau von 1995.

Bildung von Bruttosachvermögen
Ein großer Teil der Gemeindeausgaben wird zur Schaffung von kommunalem „Sachvermögen“ verwendet. Die sogenannte Bruttosachvermögensbildung umfasst die Bruttoinvestitionen (in bewegliche und unbewegliche Güter; Erwerb von aktivierungsfähigen Rechten) sowie den Erwerb von Liegenschaften.
2003 bildeten die Gemeinden Sachvermögen in Höhe von 2,46 Mrd. E, das sind 107,2 Mio. E oder 4,6% mehr als 2002.
Die verstärkte Sachvermögensbildung betraf alle großen Investitionsbereiche. Die Hoch- und Tiefbauinvestitionen (2003: 2,00 Mrd. E) nahmen um 4,5%, Investitionen in bewegliche Güter (236,1 Mio. E) um 4,3% und der Erwerb von Liegenschaften (213,7 Mio. E) um 7,9% zu. Der Ankauf aktivierungsfähiger Rechte (7,4 Mio. E) nahm um 4,0% ab.
Außerhalb der Sachvermögensbildung kauften die Gemeinden 2003 Wertpapiere und gingen Beteiligungen im Umfang von 99,7 Mio. E ein, um 10,1% mehr als 2002.

Wiederaufbau des Kapitalstockes
Der Begriff der Brutto-Sachvermögensbildung umfasst sowohl die Neubildung (Nettoinvestition) als auch die Ersatzinvestitionen ins Sachvermögen, die Gebarungsübersichten lassen jedoch die Unterscheidung der beiden Kategorien nicht zu. Der fünfmalige, mitunter gravierende Rückgang der Brutto-Sachvermögensbildung in den Jahren von 1995 bis 2001 lässt aber den Schluss zu, dass das kommunale Sachvermögen in diesen Jahren abgenommen hat. Die Daten der Jahre 2002 und 2003 belegen glaubhaft, dass der Kapitalstock der Gemeinden in den letzten Jahren wieder zugenommen hat (Grafik 1).

Kommunale und volkswirtschaftliche Investitionen
Zu interessanten Ergebnissen führt der Langfristvergleich zwischen der Entwicklung der kommunalen Investitionstätigkeit, des Bruttoinlandsproduktes und des gesamtösterreichischen Investitionsvolumens im Sinne der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR).
Im Berichtsjahr 2003 entsprach das Investitionsvolumen der Gemeinden 4,52% der österreichischen Bruttoinvestitionen und 0,99% des BIP. Während der Anteil am BIP geringfügig zunahm (0,99% nach 0,97%), ging der Anteil am gesamtösterreichischen Investitionsvolumen (von 4,61% im Jahr 2002) auf 4,52% zurück. Der – wenn auch nur geringfügige – Rückgang des Anteiles der Gemeinden am gesamtwirtschaftlichen Investitionsvolumen ist auf das dynamischere Investitionsverhalten der nichtkommunalen Bereiche zurückzuführen.

Geringere Ausgaben für Investitionsförderungen
Die Aus- und Umgliederungen von Betrieben haben in den kommunalen Haushalten zur tendenziellen Zunahme der Investitionsförderungen in Form von Darlehen und Zuschüssen geführt. 2003 nahm allerdings die Investitionsförderung geringfügig ab.
Die Ausgaben gingen von 611,0 Mio. E im Jahr 2002 auf 589,1 Mio. E (2003) oder um 21,9 Mio. E (–3,6%) zurück. Wie schon in den Vorjahren verschob sich der Schwerpunkt der Investitionsförderung weiter von den Darlehen (–24,9%) zu den Zuschüssen (–2,2%; Grafik 2).

Finanzschulden und Verschuldungsgrad stiegen
Seit 1993 stieg die Verschuldung kontinuierlich an und erreichte schließlich im Jahr 2000 mit 70,9% einen neuen Rekordwert.
Die – überwiegend auf die Budgetsanierung der Bundesregierung zurückzuführenden – hohen Einnahmenzuwächse des Jahres 2001 ließen die Verschuldung auf 70,4% sinken. Trotzdem stieg der Schuldenstand auf 9,9 Mrd. E. 2002 nahmen die Finanzschulden noch einmal zu. Mit 10,10 Mrd. E überstiegen sie erstmals die 10-Milliarden-Euro-Grenze.
Der Verschuldungsgrad ging hingegen auf 68,2% zurück. 2003 brachte die hohe Neuverschuldung von 300,5 Mio. E einen neuen Schuldenrekord von 10,35 Mrd. E (+2,5% gegenüber 2002). Der Verschuldungsgrad stieg nach zwei Jahren wieder an, von 68,2% im Jahr 2002 auf 68,9% im Jahr 2003 (Grafik 3).

Günstige Zinsenlandschaft reduziert Schuldendienst
Der Aufwand für Finanzschulden (Tilgungen und Zinsendienst) kostete 2003 die Gemeinden 1,10 Mrd. E und band 7,4% der Einnahmen. Vom gesamten Schuldendienst entfielen 798,5 Mio. E auf Tilgungen und 306,1 Mio. E auf Zinszahlungen. Gegenüber 2003 nahm die Belastung durch den Schuldendienst um 37,6 Mio. E ab, wobei der Zinsendienst dank der historisch niedrigen Zinsen (Durchschnittszinssatz: 2,99% p. a.) allein um 32,8 Mio. E oder 9,7% zurückging.

Hohe Kreditaufnahme, starke Neuverschuldung
Die Kreditaufnahme der österreichischen Gemeinden machte 2003 1,10 Mrd. E aus, das sind 109,4 Mio. E oder 11,0% mehr als 2002. Die Neuverschuldung als Differenz zwischen Tilgungen und Schuldaufnahmen betrug 300,5 Mio. E und war die höchste der letzten drei Jahre.

Sinkende Überschüsse, neue Defizite
Rückgang des Maastricht-Überschusses

Das „Maastricht“-Ergebnis brachte 2003 einen Überschuss von 85,8 Mio. E, das sind 130,8 Mio. E oder 39,6% weniger als 2002. Trotz der massiven Ergebnisverschlechterung leisteten die Gemeinden mit dem Überschuss von 0,04% einen positiven Beitrag zum gesamtstaatlichen Maastricht-Ergebnis.

Wiederkehr des Primärdefizites
In der primären Gemeindegebarung (Gesamtgebarung ohne Schuldenaufnahmen und -tilgungen) übertreffen 2003 erstmals seit Jahren die Ausgaben die Einnahmen. Das „primäre Defizit“ beträgt 103,2 Mio. E oder 0,7% der Primäreinnahmen. Es soll daran erinnert werden, dass in den Jahren vor 2001 regelmäßig Primärdefizite in der Größenordnung zwischen 23 Mio. E (1997) und 268,9 Mio. E (1995) eingefahren worden waren. Die Erzielung primärer Einnahmenüberschüsse gilt als unabdingbare Bedingung für die Reduktion der Schuldenstände.

Abermaliger Rückgang der freien Finanzspitze
Die freie Finanzspitze ergibt sich als Differenz zwischen dem Überschuss der laufenden Gebarung und den Schuldtilgungen. Sie betrug 2003 465,9 Mio. E oder 4,4% der laufenden Einnahmen. Die freie Finanzspitze blieb 2003 deutlich hinter den Vorjahren 2002 (5,4%) und 2001 (7,4%) zurück und zeigt wieder erhöhte Anspannung der Gemeindefinanzen.

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Fußnote:
1 Sämtliche Angaben beziehen sich auf die Gemeinden ohne Wien.

OEGZ

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