Arbeitskreis II „Neue Instrumente – E-Government im Dienste von Bürgern, Wirtschaft und Verwaltung“

Arbeitskreis II „Neue Instrumente – E-Government im Dienste von Bürgern, Wirtschaft und Verwaltung“

Dipl.-Ing. Rudolf Schicker, amtsführender Stadtrat für Stadtentwicklung und Verkehr in Wien und ressortverantwortlich für E-Government und EDV, führte den Vorsitz bei den Beratungen des Arbeitskreises II.

 

Er begrüßte die Anwesenden, darunter auch den Exekutivsekretär des Bundes für E-Government, Christian Rupp, und stellte die Referenten vor.

Die Zukunft von E-Government
Prof. em. Dr. Klaus Lenk, Universität Oldenburg1
E-Government: die rhetorische Dimension
Die dem Vortragsthema innewohnende Frage muss unterschiedlich beantwortet werden, je nachdem, was man unter „E-Government“ versteht. Geht es um E-Government als Modewelle, welche die seit einem halben Jahrhundert voranschreitende Informatisierung unserer öffentlichen Verwaltungen überlagert? Dann müsste über die Karriere des Themas Informationsgesellschaft gesprochen werden, dessen Ausläufer auch den Staat und die öffentliche Verwaltung erreicht haben. Fixiert auf das Internet und mit der Vorstellung im Hintergrund, es ginge primär um Zugang (access): Zugang der Bürger und der Wirtschaft zu Verwaltungsinformationen und zu öffentlichen Dienstleistungen. Rhetorisch geschieht in diesem Jahr mit dem Weltgipfel zur Informationsgesellschaft in Tunis noch einmal viel. Aber über die Zukunft des Etiketts E-Government nachzudenken, hält Prof. Lenk für wenig spannend. So wie die „Informationsgesellschaft“ gegenwärtig durch die „Wissensgesellschaft“ abgelöst wird, könnte sich auch hier schnell etwas ändern, ohne dass die reale Grundlage, nämlich die Schaffung informationstechnischer Infrastrukturen für die Verwaltungsarbeit und die Nutzung des breiten Potenzials der Informationstechnik für diese Arbeit, davon irgendwie tangiert würde.

Verengtes Verständnis von E-Government
Aber auch wenn man nicht das Etikett, sondern die Inhalte in den Blick nimmt, ergeben sich Zweifel, worum es eigentlich geht. Hartnäckig hält sich ein enger Begriff von E-Government, welcher – der Informationsgesellschaft-Rhetorik verpflichtet – die Nutzung des Internet immer noch als Gradmesser für E-Government sieht. Unter dem Banner „Electronic Government“ findet weltweit ein Wettlauf statt, der sich an den augenfälligen Parallelen zum elektronischen Handel ausrichtet. An dessen Ende soll die vollständige Abwicklung von Transaktionen über das Internet stehen. Dabei wird stillschweigend vorausgesetzt, dass die Bürger selbst handeln, und nicht etwa ein Versicherungsagent oder ein Bürgerbüro in ihrem Auftrag. Auch die Kompetenz und erforderliche Vorbildung der Bürger, um bestimmte Transaktionen überhaupt tätigen zu können, wird nicht in Zweifel gezogen.
Somit standen, ganz wie beim elektronischen Handel, zunächst die Außenbeziehungen im Vordergrund. Aber eine gewisse Ausweitung erfährt dieser enge Begriff doch. So wie im elektronischen Handel schnell klar wurde, dass lebensfähige Geschäftsmodelle nur dann entstehen können, wenn man die Technikunterstützung nicht nur in der Schaufensterauslage, sondern im Backoffice nutzt, so wird auch in der öffentlichen Verwaltung zunehmend die Reorganisation der Geschäftsprozesse als Teil des E-Government „entdeckt“ – eigentlich ein uraltes Thema. Aber ist damit E-Government schon deckungsgleich mit der Informatisierung in Staat und öffentlicher Verwaltung? Wo hört E-Government auf, was ist ein „E-Government-Projekt“? Gehört das „papierlose Büro“, der elektronische Akt dazu? Oder die von einem Sensornetz ausgelöste Videoaufnahme eines Brandes, die im heraneilenden Feuerwehrauto die Einsatzplanung erleichtert? Wir haben es in der engen Bedeutung vielleicht nur mit den unspektakulären Technikanwendungen zu tun, aber das sind die, welche von Herstellern und Beratern am besten beherrscht werden. Vor allem die organisatorischen Gestaltungspotenziale von E-Government, welche wir in einem Forschungsprojekt ausloten2, werden noch nicht überall gesehen. Schon im Jahr 2000 haben wir in dem Memorandum „Electronic Government als Schlüssel zur Modernisierung von Staat und Verwaltung“3 folgende Definition vorgeschlagen: Electronic Government wird verstanden als die Durchführung von Prozessen der öffentlichen Willensbildung, der Entscheidung und der Leistungserstellung in Staat und Verwaltung unter sehr intensiver Nutzung der Informationstechnik.4
Das enge Verständnis hält sich deswegen so hartnäckig, weil es mit sanftem Druck von Seiten weltweit operierender Firmen, vor allem aber von der Europäischen Union durchgesetzt wird und die Köpfe ergreift. In der europäischen Politik ist „soft coordination“ ein höchst wirksames Steuerungsmittel. Wenn mit ihm die falschen oder verkürzte Inhalte unter die Leute gebracht werden, kann dies sehr schädlich sein. Die Begriffe werden verwirrt, wenn die Propagandisten der Informationsgesellschaft wenig von den Sachmaterien verstehen, in denen sie den technologischen Durchbruch der europäischen Wirtschaft zu fördern haben. Die Außenbeziehungen der Verwaltung standen politisch lange Zeit im Vordergrund. Inzwischen werden sie abgelöst durch die Sorge um Bezahlbarkeit des öffentlichen Dienstes, so dass wieder die traditionelle Binnenorientierung der Informatik-Nutzung in der Verwaltung stärker durchscheint.
Die Verengung des Begriffs auf Internet-Nutzung als den letzten Schrei der Informatik in den neunziger Jahren und damit die Dominanz der Access-Problematik ist aber nur die eine Seite. Die andere Seite der Begriffsverwirrung liegt im Wort Government selbst. Sie ist jüngst in der Salzburger juristischen Dissertation von Peter Parycek in einer eingehenden terminologischen Kritik bloßgestellt worden.5 Zu Recht weist Parycek darauf hin, dass „Government“ im amerikanischen Verständnis alle drei Gewalten umfasst, also auch die Legislative und die Judikative. E-Government einfach im Sinne von elektronischer Verwaltung zu verstehen, ist mithin, wie auch schon in dem genannten Memorandum ausgeführt, zu eng. Weil es sich aber eingebürgert hat, müssen wir mit diesem Missverständnis, das im Übrigen auch in den USA selbst zu finden ist, leben.
Es empfiehlt sich, die Zukunft der elektronischen Verwaltung getrennt zu betrachten von der Zukunft des demokratischen Staats und seiner Staatsfunktionen, die über die Exekutive hinaus in vielfältiger Weise technisch unterstützt werden können – zum Teil in Formen, die erst labormäßig oder nur theoretisch erschlossen sind, jedenfalls nicht, wie viele Dinge, die der öffentlichen Verwaltung angedient werden, aus der Privatwirtschaft übernommen werden können. Um beide Betrachtungspole zu trennen, schließen wir uns notgedrungen der sprachlichen Schlamperei an, die E-Government auf Verwaltung reduziert und sprechen von E-Governance, um die weitere Bedeutungsvariante zu bezeichnen.6

Die Zukunft der (elektronischen) öffentlichen Verwaltung
E-Government ist heute die wichtigste Triebkraft für die Modernisierung der öffentlichen Verwaltung. Aber diese Modernisierung ist kein Selbstläufer; es reicht nicht, der Technik zu vertrauen. Mit den Fortschritten der Informationstechnik wächst die Gestaltbarkeit der Arbeitsvorgänge, der Geschäftsprozesse der Organisationen, der Institutionen, und des Gefüges der öffentlichen Verwaltung insgesamt. Was wir daraus machen, hängt entscheidend vom Bewusstseinsstand der Akteure ab, und deswegen ist die angesprochene Begriffsverwirrung so schädlich. Oder anders gesagt: die Zukunft hängt davon ab, wie sehr E-Government als Instrument und Motor von Verwaltungsmodernisierung erfahren und wahrgenommen wird. Wird es in die technische Spielecke gedrängt, kann es seine Wirkungen nur beschränkt entfalten. Die Tagesordnung wird dann von anderen gemacht, nicht von der Verwaltungspolitik.
Eine Strategie, die sich auf eine von den heutigen Problemen des öffentlichen Sektors getriebene, die Technik gezielt nutzende Modernisierung richtet, ist mehr als eine „E-Government-Strategie“, welche auf Access-Fragen fixiert ist und in vollautomatisierten Transaktionen über das Internet ihr Ideal sieht. Sie muss viele Aspekte einbeziehen:

- Infrastrukturelle Grundlagen (Netze, Standards, verlässliche Basisregister u. a.) müssen geschaffen werden.

- Die Vielfalt der Verwaltungsaufgaben muss Berücksichtigung finden. E-Government darf nicht auf leicht zu erledigende Dienste beschränkt werden wie z. B. Autozulassung. Das erfordert vielfältige Prozessmodelle7, es erfordert Erfüllungsnetzwerke und sektorspezifische Lösungen.

- Vorkehrungen für die gemeinsame und Datenschutzgrundsätzen entsprechende Nutzung von Daten müssen getroffen werden; das information sharing birgt noch ein großes Potenzial an Arbeitsersparnis, aber auch an Nutzung der Informationen für Zwecke von Planung, Statistik und Management.

- Die Usability von Technikanwendungen ist einer der heikelsten Punkte. Anders als im E-Commerce und bei Computerspielen ist sie unterentwickelt. Das gilt sowohl für die Internet-Navigationen, welche verwaltungsunerfahrenen Bürgern heute zugemutet werden, die den Verheißungen der Online-Transaktionen in Selbstbedienung Glauben schenken, anstatt sich im Rathaus helfen zu lassen. Es gilt aber auch für die Verwaltungsbediensteten, welche mit dem elektronischen Akt nun ganz papierlos arbeiten müssen – ob dies bei jeder Art von Tätigkeit sinnvoll ist, muss sich erst noch zeigen. Man denke an komplexe Sachverhalte, wie sie Genehmigungsverfahren oder richterlichen Entscheidungen zugrunde liegen.

- Ebenso problematisch sind die ex ante vorgenommenen Wirtschaftlichkeitsüberlegungen, welche Projekte der Verwaltungsmodernisierung begleiten müssen. Sie sind erforderlich, um Klarheit über Zielsetzungen und Prioritätensetzung zu erzwingen, aber sie müssen unter erheblicher Unsicherheit vorgenommen werden und sie haben mit der schwierigen Bewertbarkeit immaterieller Ziele wie z. B. der Kundenzufriedenheit zu kämpfen. Sie werden oftmals auf enge Effizienzkriterien verkürzt und in den Dienst kurzfristig zu erzielender Einsparungen gestellt. Diese stellen sich regelmäßig nicht rechtzeitig ein; später, wenn sie aufgrund der Gewöhnung an neue Verfahren dann tatsächlich realisiert werden, merkt man es oft nicht, weil es kein darauf ausgerichtetes Monitoring gibt.

- Der eigentliche Flaschenhals der Verwaltungsmodernisierung mit E-Government schließlich liegt in einem Change Management, das Projektsteuerung und humanbezogene Aspekte verbindet. Wird es, wie so oft, in die Hand von Lösungsanbietern gelegt, so vergibt das Verwaltungsmanagement wichtige Einflusschancen. Klare Leitlinien, in welche vergangene Erfahrungen eingehen, müssen geschaffen werden.

Von der gründlichen Beantwortung dieser strategischen Grundfragen hängt es ab, ob E-Government zum Treiber der Verwaltungsmodernisierung wird und in welche Richtung diese Modernisierung geht.
Es ist an dieser Stelle abschließend darauf hinzuweisen, dass für die Verwaltungsmodernisierung mit E-Government gemeinschaftliches Handeln gefordert ist. Die einzelne Kommune kann im Regelfall für sich allein nicht viel ausrichten. Daher ist die Rahmensetzung durch Bund und Länder eine unabdingbare Aufgabe, welche in Deutschland viel zu spät in Angriff genommen wurde.

Die Zukunft von Staat, Politik und Demokratie
Viel ungeklärter als das Feld der elektronischen Verwaltung ist der Bereich, den wir modisch mit „E-Governance“ bezeichnet haben. Hier wird der Bezug der Informationstechnik zum Thema des diesjährigen Österreichischen Städtetags besonders deutlich. Weitgehend unerschlossen sind nämlich noch die Möglichkeiten, welche diese Technik für den politischen Prozess und vor allem für seine Demokratisierung bietet. Erste Ansätze zu einer elektronischen Demokratie und zu einer Unterstützung von Etappen des politischen Prozesses umfassen:

- Beteiligungsplattformen, auf denen Themen strukturiert diskutiert werden können.

- Unterstützung des Gesetzgebungsprozesses, vor allem in der Sozialpolitik, durch Simulation von Testfällen aufgrund realer Verwaltungsdaten.

- Innere Konsistenzprüfung von Gesetzesentwürfen und Abgleich mit der geltenden Rechtsordnung.

- Beteiligung der Öffentlichkeit an Gesetzgebungsverfahren.

Diese Beispiele können als Einstieg gesehen werden. Sie zeigen exemplarisch die Bedeutung technisch ermöglichter Innovationen im Zusammenhang des Tagungsthemas. Denn dem im E-Government heute dominierenden Effizienzdenken sollte eine Ausrichtung auf Innovation an die Seite gestellt werden. Dabei geht es nicht in erster Linie um technische Innovationen, wie sie gegenwärtig mit „E-Voting“ für elektronische Abstimmungen propagiert werden, sondern um technisch ermöglichte Innovationen in unserer politischen Praxis.
Worin können diese Innovationen bestehen? Betrachtet man Demokratie nicht als eine Ansammlung einzelner Ereignisse, sondern als Prozess, dann eröffnen sich spannende Perspektiven. Denn in den unzähligen demokratischen Prozessen brauchen die Staatsbürger zunächst Information; das Internet eröffnet viele neue Chancen der Informationsbereitstellung und der Eröffnung von Zugang zu Informationen. Danach kommt die wichtigste Etappe im demokratischen Prozess: Meinungsbildung, Debattieren, Aushandeln, Deliberation. Hier bieten Plattformen für gemeinsames Arbeiten und Verhandeln im Sinne des „Computer Supported Cooperative Work (CSCW)“ zahlreiche Chancen. Gleichwohl sind sie erst in Ansätzen vorhanden, und ihre Entwicklung scheint zu stagnieren.
Nimmt man einen anderen Blickwinkel ein, den des Policy-Prozesses, dann bezieht sich Demokratie in unserem Verständnis vor allem auf die Formulierung von Politik, nicht auf ihre Durchsetzung. Aber auch hier ergeben sich Perspektiven, etwa im Hinblick auf mehr Transparenz. Das Beschlossene muss ja ausgeführt werden, und die Teilnehmer am demokratischen Prozess sollten auch die Möglichkeit haben, die Umsetzung des Beschlossenen zu verfolgen. Sie sollten Politik und Verwaltung beim Wort nehmen können. Dies heißt nicht nur Transparenz, sondern auch ein Monitoring des Umsetzungsprozesses und die Evaluation der Wirkungen des öffentlichen Handelns und seiner Ergebnisse.
Stark in den Vordergrund gerückt werden gegenwärtig Verfahren der elektronischen Abstimmung. Diese spielen im demokratischen Prozess auch eine Rolle, aber sie sind doch nur der Schlussstrich unter eine Debatte, oder sie sollten dies jedenfalls sein. Das Interesse von Technikherstellern am Verkauf derartiger Lösungen ist groß, obwohl sie großteils noch Zuverlässigkeits- und Sicherheitsprobleme aufwerfen. Wenn man in diese Richtung denkt, könnte es nicht so sehr um politische Wahlen bzw. elektronische Volksbegehren gehen, sondern vielmehr um neuartige Formen von Bürger-Feedback, welche gerade im kommunalen Bereich die Dienstleistungsversorgung verbessern könnten. Die Grenze zwischen Meinungsumfragen und demokratischer Mitwirkung ist durchaus vage.
Debatten sind das Feld, auf dem wohl die meisten technisch vermittelten Innovationen in der politischen Praxis möglich sind. Dabei kann es weniger darum gehen, neue Diskussionsforen ohne Verknüpfung zu existenten Formen der politischen Praxis zu schaffen. Vielmehr ist anzuknüpfen an die Formen, in denen Demokratie sich herkömmlich abspielt. So können parlamentarische Debatten in vielfältiger Weise unterstützt werden. So können auch Nichtanwesende in Debatten einbezogen werden, ohne diese Debatten zu komplizieren, im Sinne eines Opening the floor. Nicht nur das Zuschauen aus der Entfernung, sondern auch Fragen aus dem Publikum werden erleichtert. Weitere Chancen bietet die Online-Mediation bei Fragen der Stadtplanung.8
Einige immer wieder geäußerte Bedenken sollen an dieser Stelle zerstreut werden. Erstens greifen Verhinderungsargumente künftig weniger. Das Stöhnen vieler Verwaltungsleute über die Mühsal der Organisation von Bürgerbeteiligung, ihre Angst vor der Überflutung mit angeblich unqualifizierten Bürgermeinungen sollte bald der Vergangenheit angehören. Zweitens sind Befürchtungen über den Abbau der Repräsentativdemokratie unbegründet. Die Begeisterung über mehr direkte Demokratie via Internet wird nur kurz anhalten. So wie Handelsvertreter sich auf neue Rollen besinnen und überlegen, wie sie Prinzipal und Kunden nützlich werden können, so werden auch die Politikmittler, also etwa Abgeordnete, sich wandeln und sich neuer technischer Möglichkeiten bedienen. Drittens verfängt die Befürchtung, mit elektronischer Demokratie werde nur eine Spielwiese neben der Akklamationsdemokratie eröffnet, auf Dauer gesehen nicht. Gewiss mag der Vorwurf aufkommen, wir perfektionierten Demokratie zu einem Zeitpunkt, zu dem der Einzelne immer weniger zu sagen hat. Aber die Vielfalt der möglichen Beteiligungsformen wird eine Eigendynamik entwickeln.

Ausblick
Die Zukunft von E-Government wird durch Entwicklungen geprägt sein, welche über das heute noch herrschende Verständnis hinausgehen. Dies wurde am Beispiel der elektronischen Demokratie verdeutlicht. Es geht weniger um das „E“ als um die Sachbereiche, in denen das organisatorische Potenzial der Informationstechnik zum Tragen kommt. Intelligente und Nutzen stiftende Innovationen erfordern oftmals nur wenig technischen Aufwand, wenn konzeptionell die entsprechenden Vorarbeiten geleistet sind und wenn der politische Wille zur Innovation gegeben und auf Dauer gestellt ist.
Andere Themen, vor allem innere Sicherheit und Schutz kritischer Infrastrukturen, werden sich in den nächsten Jahren in den Vordergrund drängen. Es ist auch deswegen angezeigt, E-Government aus seinem engen technischen Verständnis und aus seiner Rolle als Schönwetter-Veranstaltung zu lösen und zu einer innovativen Nutzung der informationstechnischen Möglichkeiten, um den neuen Herausforderungen zu begegnen, unseren Beitrag zu leisten. Leider wird dies in den vorherrschenden Rankings und Preisverleihungen nur unvollkommen gewürdigt. Sie wirken letztlich gerade nicht innovativ, sondern halten das Denken auf dem erreichten Stand fest. Denn wer sich hinter einem Preisträger versteckt und diesen einfach nachahmt, ist auf der sicheren Seite, während für Innovatoren im öffentlichen Sektor immer noch die Strafe des Scheiterns schwerer wiegt als die Belohnungen, die er erhalten kann. Wirklich innovatives Denken wird aus den gängigen Wagenspuren ausscheren und sich den neuen Herausforderungen stellen müssen.


E-Government in Österreich – Erfahrungen aus der Bund-Länder-Gemeinde-Kooperation – Status und Ausblick
Dipl.-Ing. Johann Mittheisz, Wien
Gegenstand des Referats von Dipl.-Ing. Mittheisz waren die vorhandenen Grundlagen, die Infrastruktur sowie die Funktionen, die deutlich machen, dass die Chancen für die notwendige Weiterentwicklung ganz gut stehen.
Wie auch Bürgermeister Ude in seiner Festrede betonte, ging man mit einer überzogenen Erwartungshaltung an E-Government heran, der aber die Informations- und Kommunikationstechnologie nicht gerecht werden konnte, denn parallel zum Gesetzwerdungsprozess hat man versucht, die technischen Funktionen zu machen: eine seit Maria Theresia perfektionierte Papierverwaltung lässt sich nicht innerhalb von ein paar Monaten oder ein paar Jahren digitalisieren.
Ein weiterer Aspekt ist, dass im bisherigen Prozess die Konzentration primär auf das Back Office und den Bürger gerichtet war und auf den Bediensteten in der Verwaltung vergessen wurde. Doch mittlerweile wurde klar, dass nicht nur die Kunden-(= Bürger und Wirtschaft)- Orientierung das Maß aller Dinge sein kann, sondern dass als klares Verwaltungsziel die Effizienzsteigerung erkennbar sein muss: eine Geschäftsprozessanalyse mit anschließender Optimierung ist unumgänglich.
Bis dato waren die Arbeitsgruppen im E-Government beschäftigt, die Säulen des „E-Government-Hauses“ zu errichten. Nun geht man dazu über, die Dachkonstruktion zu entwerfen: Anwendungen werden nun medienbruchfrei möglich.

Zentrale Register als Kern des E-Government
Adressregister, Ergänzungsregister, Gebäude- und Wohnungsregister, Stammzahlenregister, Standarddokumentenregister, Vereinsregister und Zentrales Melderegister sind wesentliche Bestandteile, um zukünftig E-Government für alle Verwaltungskunden komfortabel zugänglich zu machen. Diese macht allerdings nur dann wirklich Sinn, wenn diese österreichweit in guter Qualität verfügbar sind.
Das E-Government-Gesetz, das seit 1. März 2004 in Kraft ist, enthält unter anderem auch den elektronischen Datennachweis. Gedacht ist, dass ein Verwaltungskunde „amtsbekannte“ Urkunden nicht als Beilagen mitbringen muss, sondern dass die Behörde die notwendigen Verwaltungsdaten in zentralen Registern elektronisch validieren kann. Dazu dient das Standarddokumentenregister, dessen In-Kraft-Treten damals mit 1. Jänner 2005 geplant war, tatsächlich mit 4. April 2005 mit dem Einsatz des Zentralen Melderegisters in der Version 2, also ZMR2, wirksam geworden.
Daneben soll mit 1. Juli 2005 das Ergänzungsregister geschaffen werden. Darin werden juristische Personen, die nicht im Firmen- bzw. Vereinsregister erfasst sind (z. B. Organisationen wie Krankenhäuser, Sozialstützpunkte etc.) in einem zentralen Register erfasst werden können.
Seit 4. April 2005 ist das neue Zentrale Melderegister in der Version 2 im Einsatz. Technisch vom Datenmodell betrachtet ist das eine enorme Weiterentwicklung, weil hier Personendaten von den Adressdaten getrennt wurden. Weiters sind in diese Version auch Personenstands- und Staatsbürgerschaftsinformationen aufgenommen worden. Allerdings kam es gerade in der Anfangsphase zu enormen Anlaufschwierigkeiten, denn die erwartete Superverfügbarkeit hat sich nicht so ergeben. Die Folge war, dass anstelle einer erwarteten Evolution hinsichtlich Datenqualität und Verfügbarkeit plötzlich verunsicherte Bedienstete zu beklagen waren: Bürger, die stundenlang beispielweise auf eine Meldebestätigung für die Anmeldung eines langersehnten Neuwagens vergeblich warten mussten, bedachten die Neuerung des ZMR nicht mit Lob und ließen ihren Unmut an den Bediensteten aus.
Das Gebäude- und Wohnungsregister wurde im Februar 2004 eingerichtet, wurde allerdings erst mit 26. November 2004 verfügbar. Dieses muss aber nicht nur hinsichtlich der gesetzlichen Basis nachgebessert werden, sondern auch die Datenqualität lässt noch stark zu wünschen übrig. Im Hinblick auf die geplante Registerzählung im Jahr 2011 ist daher hier dringender Verbesserungsbedarf gegeben.
All diese Probleme wurden bei einem vom Städtebund initiierten Registergipfel, der am 2. Mai 2005 stattfand, andiskutiert und beschlossen, eine wirksame und effiziente Nutzervertretung einzurichten.

Weitere E-Government-Bausteine: Internet-Policy, elektronisches Bezahlen
Zur Internet-Policy liegen derzeit mehrere Dokumente in einem Empfehlungsverfahren vor, die für die Verwaltungen sehr wichtig sind. Sie beschreiben etwa die Sicherheit im Internet und stellen die Frage: Wie wollen wir im Umgang zum Bürger und auch von Behörde zu Behörde kommunizieren? Welche Spielregeln haben wir im E-Mail-Verkehr vom und zum Bürger? Welche Dokumentenformate sind zulässig und möglich? Die Verwaltung hat nicht die Aufgabe, zu probieren, was technisch alles möglich ist, oder der Bürger probiert aus, was die Verwaltung verträgt, sondern nach dem E-Government-Gesetz haben die Gebietskörperschaften die Möglichkeit zu sagen: Mit diesen Formaten gibt es gesicherte Abwicklung.
Wichtig ist auch die Aktivierung von gv.at-Domainen. Diese gv.at-Domainen sind deshalb wichtig, denn die Multimediastations – also moderne Telefonzellen – erlauben kostenlos den Zugang auf die regionale gv.at-Domaine. Bei den WLAN-Hotspots wird das gleiche Service geboten, daher steigt diese gv.at-Domain an Bedeutung. Das bringt einen gewissen Imagegewinn, wenn der Zugriff auf die Internet-Site der Stadt oder Gemeinde kostenlos erfolgen kann.
Mit 19. Mai 2005 haben alle Banken gemeinsam den neuen Standard für Zahlungen „eps Online-Überweisung“ publiziert. Dieser Standard muss nun in die Geschäftsfälle der Städte eingebunden werden.

Resümee
E-Government bedeutet Bewegung. Die Städte müssen sich weiterhin zum Kunden hin orientieren, müssen ihn ernst nehmen und entsprechend berücksichtigen, wobei ein Zwang zur Einfachheit besteht. E-Government darf nicht Technik-getrieben werden, darf nicht dazu führen, dass über 105 Prozent Genauigkeit und Lösungsansätze geredet wird. Es sollte vielmehr der Mut zu 80, 85 Prozent aufgebracht werden, die aber dann tatsächlich erreicht werden können.
Schließlich ist es ein Prozess, und in diesem Prozess ist es notwendig, dass dieser transparent gemacht wird – beispielsweise in der Dauer eines Verfahrens. Doch gemeinsam, gebietskörperschaftsübergreifend ist dieser Umstellungsprozess von der maria-theresianischen Papierverwaltung zum modernen E-Government umsetzbar. Doch eines ist jedoch klar: Er ist sicher nicht mit 1. Jänner 2008 abgeschlossen, das wäre nämlich die Übergangsfrist nach dem E-Government-Gesetz – diese Frist wird zugunsten eines qualitativ hochwertigen E-Government wohl noch erweitert werden.


E-Government in der kommunalen Praxis
Dipl.-Ing. Dr. Berthold Rauchenschwandtner, Salzburg
Wie im Titel bereits angekündigt, stellte Dr. Rauchenschwandtner in seinem nicht technisch gehaltenen Vortrag primär Good-Practices-Anwendungen der Städte vor, die Vorbildwirkung für alle übrigen Gebietskörperschaften haben können.
Um die Wichtigkeit des zusätzlichen neuen Kundenservices neben dem bisherigen Wege der Kommunikation zur Verwaltung zu unterstreichen, wurde die Internetdurchdringung der Bevölkerung vorgestellt, die das Fessel-Institut vor kurzem erst veröffentlichte. Demzufolge sind durch die Breitbandoffensive und die Verbilligung der Internet-Zugänge bereits 3,4 Mio. Einwohner Heimnutzer. Besonders auffällig ist die überdurchschnittliche Zunahme der 50- bis 60-Jährigen (54%) und der 60- bis 70-Jährigen (29%).
Wichtige Basis von E-Government ist, zuvor einen internen Reorganisationsprozess ins Leben zu rufen, der – unter Einbeziehung der Mitarbeiter – auch einen Nutzen der eigenen Verwaltung bringen soll. Einstiegsstelle für die Öffentlichkeit zu E-Government ist stets die Homepage: Sie sollte stets aktuelle Informationen auf der Startseite anführen und mit einer Suchmaschine ausgestattet sein.


Styleguide für Homepages: Suchmaschine, Themenorientierung, Hilfetexte
Eine einheitliche Verfahrensbereichstruktur, die zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden vereinbart ist und als Empfehlung bzw. als „Bereichsabgrenzungsverordnung“
vorliegt, sollte auch einen Eingang auf der Homepage finden. Alternativ dazu kann – wie es der Amtshelfer help.gv.at zeigt – die Themenorientierung nach Lebenssituationen erfolgen.
Wichtig für eine gute Homepage ist aber auch, dass die neben einer eigenen Suchmaschine auch über Internet-Recherchen gut findbar ist: Viele User suchen mittlerweile Informationen über Google bzw. Yahoo – wer Informationen dort verfügbar machen kann, ist sicherlich gut beraten.
Ein weiteres Kriterium ist, dass man Hilfetexte anbietet und diese sehr bürgerfreundlich formuliert. Als Initiative kann Wien angeführt werden, wo ein virtueller Amtshelfer gut strukturierte Informationen, die auch farblich unterlegt sind, angeboten wird. Die Stadt Wien hat weiters auch einen Zugang für schwierigere Materien gefunden, wo man eine Information nicht einfach in einem Komplex vorlegen kann, sondern wo man hinterfragen muss, was der Benutzer eigentlich will. Das funktioniert wie ein Expertensystem und ist im Personenstandssystem bereits gut ausgeprägt, sowohl im Ehebereich als auch im Staatsbürgerschaftsbereich.
Ein Beispiel aus der Stadt Graz: Wichtig ist auch die Barrierefreiheit für Sehbehinderte. Hier hat die Stadt Graz zum Beispiel gleich einen prominenten Link ganz oben auf ihrer Homepage, dass man umschalten auf die barrierefreie Version kann, womit dann Sehbehinderte und Blinde besser navigieren können.
Ein weiterer transaktionstiefer Bereich liegt im E-Service. Hier werden nicht mehr nur statische Informationen, sondern auch dynamische Informationen aus Datenbanken und geographischen Systemen – teilweise in Verbindung mit Kalenderfunktionen - angeboten.
Stadtpläne gibt es schon sehr häufig, und diese Stadtpläne erlauben es meistens schon, dass man eine thematische oder auch eine geographische Auswahl treffen kann, um die geeignete Information zu finden, was gerade im Kommunalbereich einer der beliebtesten Zugänge ist: Zugriffszahlen zeigen dies.
Ein Beispiel aus der Stadt Salzburg zeigt, wie Gehbehinderte – mehrsprachig beschrieben – einzelne Gebäude und Hotels finden können. Gerade für den Tourismusbereich ist das eine sehr wertvolle Hilfe.
Ein anderer Weg ist, dass man, wenn man in der Stadtkarte die gewünschte Information findet, dann auch gleich eine Aktion setzen kann: zum Beispiel kann man für einen Kindergarten gleich ein vorausgefülltes Online-Formular bekommen, mit dem man sich voranmelden kann.
Ein anderes Beispiel aus der Stadt Linz ist der Trauungskalender. Den haben andere Städte auch, zum Beispiel Wien und Mödling. Das ist auch ein sehr neuer Aspekt, dass man dem Bürger einfach Reservierungsfunktionen zur Verfügung stellt. Das kann man sicher auch für andere Zwecke verwenden.
Die wahrscheinlich meistbesuchte Seite der Stadt Wien ist die Grillplatzreservierung. Da verbindet man die örtliche und zeitliche Reservierungsmöglichkeit in Kombination.
So viel zum Thema E-Service. Die Herausforderung ist sicher, hier noch so eine Kalenderfunktion einzubringen oder wenn man Service zum Erwerb von statistischen Informationen, Planinformationen anbietet, dass man das gleichzeitig mit einem Warenkorb à la E-Commerce mit E-Payment erledigt.
Mit dem E-Verfahren steigen wir in die komplexe Struktur von E-Government ein, wobei hier auch noch zu unterscheiden ist, denn es gibt ganz einfache Verwaltungsverfahren und komplexe, bei denen Identifizierung, Vollmachten, signierte Anträge, Workflow im Hintergrund zu regeln sind.

Verfahrensverkürzung durch Einführung eines elektronischen Aktes
Beispiel der Baustellenbewilligungen
in der Stadt Salzburg

Das Verfahren im Hintergrund ist sehr komplex, weil zwei bis fünf Bewilligungen pro Baustelle notwendig sind. Es war in der Vergangenheit so, dass dann auch zwei bis fünf verschiedene Papierakte angelegt wurden und keiner vom anderen Bescheid wusste. Hinzuzurechnen sind weiters externe Gutachter sowie die Polizei.
In Salzburg wird bereits seit längerem ein elektronischer Akt eingesetzt. Bei einer internen Reorganisation wurde der elektronische Akt eingeführt und mit einer GIS-Komponente versehen, da Baustellensituationen am besten mit GIS zu erfassen sind.
Hinzu kamen Zugriffe auf lokale und zentrale Register. Dieses Wissensmanagement, das damit erzeugt werden kann, ist wichtig für ein beschleunigtes Verfahren. E-Government war jetzt nur mehr der Ansatz, mit Hilfe von elektronischen Verfahren diesen ELAK zugänglich zu machen und letztlich das Ergebnis für den Bürger auf dem digitalen Stadtplan zu präsentieren.

E-Government wird angenommen
Eine Statistik aus der Stadt Salzburg über die Services, die angeboten werden, zeigt einen Vergleich der Gesamtanzahl der Verfahren, die abgewickelt werden und was davon schon auf E-Government-Basis läuft. Der digitale Planverkauf läuft zum Beispiel schon zu 38,7 Prozent über E-Government, beim Familienpass sind es 21,5 Prozent, bei der Hundesteuer 24 Prozent. Die Baustellen sind mit 8,8 Prozent noch relativ bescheiden, weil erst mit zwei Baufirmen in Kontakt getreten wurde. Bei den Wahlkarten waren es 12 Prozent.

Resümee
E-Government ist aus der Sicht von Dr. Rauchenschwandtner – und das bestätigt auch die zitierte Fessel-Institut-Untersuchung – nicht nur eine Sache der digitalen Signatur und der Bürgerkarte, es ist ein weiterer Zugang zur Verwaltung. Wichtig zur Akzeptanz ist immer, dass es eine kundenfreundliche Bedieneroberfläche gibt, aus der man Nutzen generieren kann. E-Government hat viele Ausprägungen und Bausteine. Mit der Tiefe wächst natürlich der Aufwand und die Organisationsnotwendigkeit.
Wenn E-Government ernst genommen wird, dann muss dieses auf ein gut vorbereitetes Back-Office basieren und Reorganisationsprozesse zum Nutzen aller Beteiligten durchgeführt werden.
Auch die eigenen Mitarbeiter müssen gewonnen werden – das interne Marketing ist ganz wesentlich. Der Mitarbeiter hat durchaus Ängste, dass sich sein Arbeitsumfeld dann so wandelt, dass er womöglich wegrationalisiert wird, daher muss man das wirklich mit geeigneten begleitenden Organisationsprozessen machen.
Für externes Marketing reicht es nicht, nur die Homepage zu haben, man muss sie mit anderen Medien bewerben und unter Umständen zielorientierte Medienkampagnen machen, zum Beispiel ein Baustellenmanagement durchführen oder Immobilientreuhänder gezielt ansprechen.


Fragebogenerhebung
Dr. Ronald Sallmann, Public Management Consulting
Die Ergebnisse der Fragebogenumfrage werden im Rahmen eines eigenen Artikels in dieser Ausgabe der Österreichischen Gemeinde-Zeitung abgedruckt.

E-Government – Kooperation niederösterreichischer Städte
MAS Gerald Schindler, St. Pölten
Das niederösterreichische Formularprojekt wurde in der Ausgabe 12/2004 der Österreichischen Gemeinde-Zeitung vorgestellt und ist dort auf Seite 22 ff. nachzulesen.

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