Öffentlicher Kraftfahrlinienverkehr – quo vadis?

Öffentlicher Kraftfahrlinienverkehr – quo vadis?

Der österreichische Kraftfahrlinienverkehr blickt auf eine lange Tradition zurück. Die ersten regelmäßigen Personenbeförderungen fanden in der Relation Imst–Reutte (1900) sowie zwischen Purkersdorf Bahnhof und Gablitz (1901) statt.

 

Im Jahr 2002 wurden im Kraftfahrlinienverkehr 615 Mio. Personen befördert, hievon 222 Mio. von den Busdiensten von Post und Bahn, 126 Mio. von privaten Linienbetreibern und 267 Mio. im innerstädtischen Verkehr. Die ÖBB erzielten im gleichen Jahr 183,3 Mio. Beförderungsfälle, hievon 175,6 Mio. im innerösterreichischen Verkehr und davon wiederum 157,3 Mio. im Nahverkehr. Ordnete man dem Schnellbahnverkehr der ÖBB im Jahr 2002 etwa 102,2 Mio. beförderte Personen zu, dann verblieben dem Regionalverkehr der ÖBB etwa 55,1 Mio. Beförderungsfälle. Im Jahr 2002 wurden weiters von den Privatbahnen 19 Mio. und von den Straßenbahnen (inkl. O-Bus) 778 Mio. Personen befördert. Das öffentliche Personenverkehrsvolumen belief sich daher auf insgesamt 1.595,3 Mio. Beförderungsfälle. Auf den regionalen Linienverkehr von Post, Bahn und Privaten entfielen hievon 348 Mio. oder 21,81%, auf den innerstädtischen Linienverkehr 16,74%.
Anfangs war die periodische Personenbeförderung in der Gewerbeordnung vom 20. 12. 1859, RGBl. Nr. 227, verankert. Im VII. Hauptstück des Budgetsanierungsgesetzes vom 23. 10. 1931, BGBl. Nr. 294, waren Bestimmungen über Kraftfahrlinien (Kraftfahrliniengesetz 1931) enthalten. Ab dem 13. 3. 1938 galt in Österreich das (deutsche) Personenbeförderungsgesetz vom 4. 12. 1934, DRGBl. I S. 1217, und blieb auch nach 1945 bis 1952 in Geltung. Mit 1. 5. 1952 trat das Bundesgesetz betreffend die linienmäßige Beförderung von Personen zu Lande mit Kraftfahrzeugen (Kraftfahrliniengesetz – KflG 1952), BGBl. Nr. 84, in Kraft, welches zum 1. 1. 2000 durch das Bundesgesetz über die linienmäßige Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen (Kraftfahrliniengesetz – KflG 1999), BGBl. I Nr. 203/1999 idF BGBl. I Nr. 62/2003, ersetzt wurde.
Dieser öffentliche Kraftfahrlinienverkehr steht in nächster Zeit wieder vor großen Veränderungen. Die Rahmenbedingungen werden sich sowohl im rechtlichen Bereiche als auch hinsichtlich der Finanzierungsstrukturen ändern, weil vor allem die zur Aufrechterhaltung des derzeit flächendeckenden Verkehrsangebotes erforderlichen öffentlichen Mittel im bisherigen Umfange nicht weiter zur Verfügung stehen. Letzteres bedingt ohne Gegensteuerungsmaßnahmen eine Verschlechterung des Angebotes oder verteuert die Mobilität der Menschen und hat wiederum wesentlichen Einfluss auf die Wirtschaftskraft und Attraktivität der betroffenen Regionen.
Das Bundesgesetz über die Ordnung des öffentlichen Personennah- und Regionalverkehrs (Öffentlicher Personennah- und Regionalverkehrs-Gesetz 1999 – ÖPNRV-G 1999), BGBl. I Nr. 204/ 1999, bezweckte die Schaffung klarer Strukturen hinsichtlich Organisation und Finanzierung des Betriebes des ÖPNRV auf Basis der Verordnung (EWG) Nr. 1191/69 idF Nr. 1893/91 über das Vorgehen der Mitgliedstaaten bei mit dem Begriff des öffentlichen Dienstes verbundenen Verpflichtungen auf dem Gebiet des Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehrs und sollte bis 31. 12. 2004 zu einen konsequenten Übergang zum Bestellerprinzip bei nicht eigenwirtschaftlich erbrachten Verkehrsdiensten führen. Vorgenannte Verordnung basiert ausdrücklich auf dem Grundsatz der wirtschaftlichen Eigenständigkeit der Verkehrsunternehmen.
Die nunmehr vom BMVIT im Dezember 2004 eingebrachten Vorschläge für eine Reform des öffentlichen Personennah- und Regionalverkehrs in Österreich (ÖPNRV-Reform 2005) firmierten unter dem Sammelbegriff „Regionalisierung des ÖPNRV“. Der Kraftfahrlinienverkehr fand in diesem Arbeitspapier und entgegen seiner tatsächlichen Bedeutung am öffentlichen Verkehrsmarkt expressis verbis nur dahingehend Erwähnung, dass für allfällige Leistungsbestellungen die Länder und Gemeinden zuständig sein sollen, was im Prinzip bereits jetzt der Fall ist, und im Kraftfahrliniengesetz (KflG 1999) die Konzessionsdauer auf 5 bis 8 Jahre verkürzt und die Wiedererteilung der Konzession an ein qualitativ und außerdem für die jeweilige Bestellerorganisation finanziell gleiches Angebot gebunden werden sollte.
Hierbei bliebe die Form der Leistungsbestellung den Aufgabenträgern unter Bedachtnahme auf die Verordnung (EWG) Nr. 1191/69 überlassen. Aufgrund der Erfahrungen mit Wettbewerbsmodellen in Europa werden aber vom BMVIT die verschiedenen Formen des kontrollierten Wettbewerbes empfohlen, weil diese zu geringeren finanziellen Belastungen für die Aufgabenträger führen. Allerdings wäre unter einem zu beachten, dass die Vielfalt der österreichischen Anbieterlandschaft, vor allem im Kraftfahrlinienbereich, aus Wettbewerbsgründen erhalten werden kann und Oligopolbildungen nicht auftreten. Zielzeitpunkt für das Inkrafttreten der Reform wäre der 1. 1. 2006.
Vorstehende Empfehlungen fußen zum einen auf einer vom BMVIT bei der „Gestico“ in Auftrag gegebenen Studie (Endbericht: 11. 10. 2004), zum anderen auf dem Weißbuch der EU „Die europäische Verkehrspolitik bis 2010: Weichenstellungen für die Zukunft“ vom 19. 9. 2001.
Dieses Weißbuch hat einen Vorschlag der Kommission dahingehend übernommen, zwar grundsätzlich eine Marktöffnung bei der Auferlegung von Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes im Wege eines regulierten Wettbewerbes vorzusehen, andererseits aber sollen hinkünftig nur die gemeinwirtschaftlichen Verkehrsdienste den von der Kommission zu treffenden Maßnahmen und einer Reihe allgemeiner Grundsätze unterliegen.
Dem entgegen sah der Vorschlag für eine Verordnung über Maßnahmen der Mitgliedstaaten im Zusammenhange mit Anforderungen des öffentlichen Dienstes und der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge für den Personenverkehr auf der Schiene, der Straße und auf Binnenschifffahrtswegen [KOM (2002) 107 endg.] vom 21. 2. 2002, welcher die Verordnung (EWG) Nr. 1191/69 ersetzen sollte, ursprünglich vor, dass zwecks Gewährleistung der Transparenz, Qualität und Leistungsfähigkeit der öffentlichen Verkehrsdienste öffentliche Dienstleistungsaufträge weitgehend ausnahmslos im Rahmen einer Ausschreibung vergeben werden.
In diesem Zusammenhange wollte die Kommission mit einem späteren Non-Paper vom 12. 11. 2002 auch noch einen Meinungsaustausch mit den Sachverständigen der Mitgliedstaaten über die Bedingungen für das Funktionieren der Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse vor dem Hintergrund der EG-Vorschriften über staatliche Beihilfen sowie über die ausschließlichen oder besonderen Rechte im Interesse einer größeren Rechtssicherheit und Transparenz bei der Vergabe öffentlicher Versorgungsaufträge herbeiführen. Allerdings waren zu diesem Zeitpunkte noch zwei Rechtsakte beim EuGH anhängig, bei denen sich der Gerichtshof zur Rechtsnatur von Ausgleichsleistungen an Erbringer öffentlicher Dienstleistungen im Verhältnis zu den Vorschriften über staatliche Beihilfen äußern würde.
Der EuGH erkannte am 24. 7. 2003 im sogenannten „Magdeburg Urteil“ (Rechtssache C-280/00), dass öffentliche Zuschüsse dann nicht als Beihilfe zu werten sind, wenn sie als Ausgleich anzusehen sind, der die Gegenleistung für Leistungen darstellt, die von den betreffenden Unternehmen zur Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen erbracht werden und zuvor vier vom EuGH im Urteile näher ausgeführten Ansätzen vollinhaltlich entsprochen werde.
Sowohl obiger Verordnungsvorschlag als auch ein bis dato nicht autorisiertes Arbeitspapier [KOM (2004)] stehen immer noch in interner Diskussion und ist ein zeitlicher Umsetzungshorizont nicht absehbar.
Vor diesem Hintergrunde ist die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit einiger der vom BMVIT eingeleiteten ÖPNRV-Reformpunkte zu hinterfragen, vor allem die Zweckmäßigkeit einer generellen Ausschreibung innerhalb des ÖPNRV, welche nicht mehr in eigen- und gemeinwirtschaftliche Verkehrsdienstleistungen differenziert. Die bisherige Kraftfahrlinienkonzession müsste dann stillschweigend durch einen Dienstleistungskonzessionsvertrag – vermutlich mit Netzwirkung anstatt einzelner Linien – ersetzt werden.
Seitens des BMVIT wird argumentiert, dass beispielsweise in London (GB), Stockholm (S) und Kopenhagen (DK) die Einführung eines kontrollierten Wettbewerbes in Form eines Ausschreibungswettbewerbes zu deutlichen Kostensenkungen (London: –51%, Stockholm: –20%, Kopenhagen: –25%) und einer erheblichen Verbesserung des Angebotes im Busbereiche geführt hat. Verschwiegen wird hiebei vom BMVIT wohl bewusst, dass das ÖPNRV-G 1999 und in weiterer Folge auch die ÖPNRV-Reform 2005 auf den ländlichen Raum abzielt und der innerstädtische Verkehr schon seinerzeit nicht als Aufgabe des Bundes erachtet wurde. Ein Verweis auf die Entwicklung des öffentlichen Verkehres in Großstädten ist für eine künftige ÖPNRV-Reform weder repräsentativ noch kausal.
Obige Infragestellung erscheint auch schon deshalb geboten, weil zeitgleich der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer e.V. (BDO) Herrn Prof. Reinhard Elsner am Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung und Regionalanalyse der Fachhochschule Oldenburg/Ostfriesland/Wilhelmshaven in Emden mit der Erstellung einer Studie über den „Öffentlichen Straßen-Personennahverkehr im Europäischen Wettbewerb – Bestandsaufnahme und Handlungsoptionen für mittelständische Busunternehmen“ unter Heranziehung bereits umgesetzter Modelle in EU-Mitgliedstaaten beauftragt hat.
Bevor auf dessen Präsentation näher eingegangen wird, sollte doch ein wesentliches Faktum vorangestellt werden, nämlich dass sich in Österreich aus gegebenem Anlass nur ein rechtlicher Handlungsbedarf im Bereiche des KflG 1999 ergibt.
Denn im vom BMVIT beauftragten Rechtsgutachten Aicher/Lessiak & Partner wird zur Frage, ob und inwieweit Vorgaben des Gemeinschaftsrechtes Änderungen des KflG 1999 und des ÖPNRV-G 1999 erfordern, auf ein folgenschweres Missverständnis insofern hingewiesen, als im Bericht des Verkehrsausschusses zu § 6 ÖPNRV-G 1999 [2046 Blg NR 20. GP, 3] zwar nicht nur richtig ausgeführt wird, dass in Bezug auf die von der Bereichsausnahme der Verordnung (EWG) Nr. 1191/69 erfassten Verkehre – d. s. gem. Artikel II des Bundesgesetzes, mit dem das Privatbahnunterstützungsgesetz 1988 geändert und der Anwendungsbereich zur Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1191/69 in der Fassung Nr. 1893/91 festgelegt wird, BGBl. Nr. 519/1994, Unternehmen, die Eisenbahnen und Kraftfahrlinien ausschließlich im Stadt- oder Vorortverkehr betreiben – bzw. auf eigenwirtschaftliche Verkehrsdienste die Bestimmungen des ÖPNRV-G 1999 über die Verkehrsdienstverträge keine zwingende Anwendung finden, sondern auch, dass die Bestimmungen über Ausschreibungen nicht Platz greifen. Das Missverständnis liegt nun darin, dass die o. a. Verordnung (EWG) in keiner ihrer Bestimmungen die Frage der Ausschreibung(spflicht) anspricht. Sämtliche Bestellungen gemeinwirtschaftlicher Verkehrsdienstleistungen – sohin auch nach § 23 KflG 1999 – sind daher als entgeltliche Verträge nach Vergaberecht zu vergeben, unabhängig davon, ob es sich dabei um „innerstädtische“ oder regionale Verkehrsdienste handelt.
Anlass für dieses Rechtsgutachten war das Mahnschreiben der Europäischen Kommission vom 13. 10. 2004, C (2004) 3308, im Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2003/4378 betreffend öffentliches Auftragswesen, womit die Bundesregierung in Kenntnis gesetzt wurde, dass die Republik Österreich mit dem Abschluss eines Verkehrsdienstevertrages (Busdienstbestellleistungen im Bezirk Lienz) sowie mit der Verlängerung von Kraftfahrlinienkonzessionen der Österreichischen Postbus AG gegen EU-Recht verstoßen haben könnte.
Begründung findet dies einerseits, dass mit dem angesprochenen Verkehrsdienstevertrag keine zusätzlichen Kurse bestellt wurden, andererseits, dass diese Bestellleistungen nicht Gegenstand einer Dienstleistungskonzession, sondern eines (schlichten) öffentlichen Dienstleistungsauftrages bildeten und letzterer einer Ausschreibung bedurft hätte. Es bestünden daher gemeinschaftsrechtliche Bedenken gegen §§ 23 (1) und 30 KflG 1999. Das ÖPNRV-G 1999 war nicht Gegenstand des Mahnschreibens.
Die Republik Österreich war in ihrer Stellungnahme vom 21. 1. 2005, GZ. BKA-VV.03/4378/0002-V/A/8/2004, an die Europäische Kommission um eine gütliche Einigung bemüht und hat darauf hingewiesen, dass der verfahrensgegenständliche Vertrag vom 12. 7. 2002 aufgekündigt und eine grundlegende Novellierung des KflG 1999 und des ÖPNRV-G 1999 vorbereitet wird. Hiebei werden Leistungsbestellungen nach § 23 KflG 1999 jedenfalls dem Vergaberecht unterliegen.
Hingegen räumt die Erteilung einer (eigenwirtschaftlichen) Kraftfahrlinienkonzession dem Konzessionsinhaber kein ausschließliches Recht ein und unterliegt als behördlicher Hoheitsakt auch nicht dem Vergaberecht, weil letzteres nur auf entgeltliche Verträge abstellt. Nicht andiskutiert werden sollte hierorts die EU-Konformität aller anderen bundesweit geschlossenen Bestellverträge und mögliche Rechtsfolgen aus dem Vertragsverletzungsverfahren.
Bemerkenswert erscheint, dass bislang überraschenderweise keine Studie existent ist, welche konkret die grundsätzlichen Möglichkeiten der Entwicklung der Organisationsform des öffentlichen Straßenpersonenverkehres auf Basis der Entwicklungen anderer Länder beschreibt.
Die deutsche Studie, welche noch nicht zur Gänze abgeschlossen ist, untersucht anhand von drei unterschiedlichen und repräsentativen ÖPNRV-Organisationsformen und diesen zuordenbaren Fallbeispielen den jeweiligen Bestand und stellt diesen Handlungsoptionen gegenüber. In nachstehender Aufstellung wurde bereits auf eine mögliche österreichische Umsetzung und deren Auswirkungen Bedacht genommen:

Marktorientierte Liberalisierung (GB):
- Kennzeichen:
Barrierefreier Marktzugang, kaum staatliche Eingriffe, Eigenfinanzierung aus Verkehrseinnahmen.

- Umsetzung (A):
Liberalisierung des (österreichischen) Kraftfahrliniengesetzes, Anzeigepflicht des Linienverkehrsdienstes, Beistellung der Infrastruktur durch den Staat.

- Folgewirkung:
Vorrangige Bedienung nachfragestarker Linien. Aufbau einer Planungskompetenz beim Staat nicht notwendig.

- Ergebnis:
Kommerzieller Fokus bringt Fahrgaststeigerungen, zukunftsweisende Verkehrsplanung und unternehmerischer ÖPNRV bedingen einander, Problematik bezüglich der Bedienung verkehrsschwacher Regionen.

- Kennzahlen (GB):
Frequenzsteigerungen (Oxford: +80%; TrentBarton: +14%), Unternehmensanzahl konstant.

Bedarfsgerechter Wettbewerb (SF):
- Kennzeichen:
Konzessionswettbewerb, Vorrang eigenwirtschaftlicher Verkehrsführungen, Ausschreibung gemeinwirtschaftlicher Leistungen als ultima ratio (vgl. § 23 KflG 1999).

- Umsetzung (A):
Planungskompetenz bei den VU, die VU bilden auch die Verkehrsverbünde (vgl. § 16 ÖPNRV-G 1999), Beistellung der Infrastruktur durch den Staat.

- Folgewirkung:
Aufbau einer Planungskompetenz beim Staat nicht notwendig.

- Ergebnis:
Staatlicher Finanzierungsanteil durch Verringerung von Auflagen bis 25% rückführbar, bedarfsgerechter Verkehr.

- Kennzahlen (SF):
Frequenzsteigerungen um 12%.

Staatlich geführter (kontrollierter) Ausschreibungswettbewerb (DK, S):
- Kennzeichen:
Planung durch den Staat, Ausschreibung der Verkehrsdienste durch den Staat, Zuschlag an Billigstbieter.

- Umsetzung (A):
Sistierung des (österreichischen) KflG und ÖPNRV-G, staatliche Planungs- und Regieebene.

- Folgewirkung:
VU sind reine Carrier, Fahrgeldeinnahmen für VU ohne Belang, Gewinnsituation ist nur über die Kostenseite beeinflussbar.

- Ergebnis:
Keine nachhaltigen Erfolge erkennbar, VU tragen wenig Mitverantwortung, staatlich finanzierte VU verzerren den Wettbewerb, staatliche Verkehrsgestaltung ineffektiv und teuer, Vernichtung der klein- und mittelständischen VU (im Gegensatze zum vom BMVIT beabsichtigten Weiterbestand der vielfältigen österreichischen Anbieterlandschaft).

- Kennzahlen:
Frequenzrückgang in S um 10%. Rückgang der Unternehmeranzahl in DK um 60%, in S um 50%, in DK verfügen 4 Konzerne über 80% der Marktanteile, in S wurden Verkehrsverträge bis zu 40% teurer.

In diesem Zusammenhange wären aber dem vom BMVIT präferierten Ausschreibungswettbewerb und der unter einer aufgestellten These einer geringeren finanziellen Belastung für die Aufgabenträger aufgrund des Studienergebnisses entgegenzuhalten:

- Ein Ausschreibungswettbewerb verschiebt die Kosten, senkt sie aber nicht. Hingegen führt er zur Verstaatlichung des ÖPNRV und ist folglich eine Kurzzeitstrategie.

- Ein Ausschreibungswettbewerb ist für einen Fahrgastzuwachs ein ungeeignetes Instrument.

- Ein Ausschreibungswettbewerb birgt Risken für den öffentlichen Haushalt. Vor allem aber verzerren Unternehmen mit öffentlicher Defizitabdeckung den Wettbewerb zu Lasten privater Anbieter. Weiters beherrschen schnell wenige große Unternehmen Markt und somit auch Preise.

- Marktwirtschaftliche und unternehmerisch geprägte ÖPNRV-Organisationen haben niedrigere Fahrpreise.

- Die im Ausschreibungswettbewerb erzielten Einsparungen werden für den Aufbau der Vergabe- und Planungsbürokratie verwendet und/oder fließen aus dem System ab.

- Im Ausschreibungswettbewerb entscheidet nur der Preis und nicht die Qualität der Dienstleistung.
- Eine marktwirtschaftliche Deregulierung führt zur Kundenorientierung. Ein „kontrollierter Wettbewerb“ unter staatlicher Aufsicht ist dazu nicht notwendig.

- Ein staatlich geplanter ÖPNRV und Kundenorientierung widersprechen sich zumeist. Insbesondere kostet die staatliche Planung im ÖPNRV viel Geld.

- Im Ausschreibungswettbewerb kann der Mittelstand selbst mittelfristig nicht bestehen.

- Das kreative und verkehrsplanerische Know-how verschwindet im Falle eines Ausschreibungswettbewerbes nahezu vollständig aus den Verkehrsunternehmen.

Die Entwicklung einer Strategie für eine zukunftsfähige, wirtschaftliche und kundenfreundliche Weiterentwicklung des öffentlichen Straßenpersonenverkehres in Deutschland wurde von folgenden Leitgedanken unterstützt:

- Sinnvoller, fairer und nachhaltiger Wettbewerb

- Fokussierung auf den Fahrgast

- Minimierung der Abhängigkeit von öffentlichen Zuschüssen

- Aufbau/Erhalt eines partnerschaftlichen Verhältnisses zwischen Behörden und VU

- Erhalt kompetenter und verantwortungsbewusster VU

- Förderung des Mittelstandes

Diese Strategie kann aber nur dann erfolgreich sein, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. In Österreich wird eine Anpassung des KflG 1999 schon durch das veränderte Umfeld unumgänglich sein. Unter der Prämisse, dass sich die politischen Gremien in der Europäischen Union auf eine Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1191/69 oder auf eine gänzlich neue Verordnung einigen, die den Mitgliedstaaten weitgehende Freiheiten bei der Gestaltung ihrer ÖPNRV-Gesetze einräumt, wären im Einzelnen folgende Maßnahmen und Schritte hinsichtlich einer EU-Konformität des ÖPNRV notwendig:

1. Klare Aufgabenverteilung zwischen Aufgabenträger und VU.

2. Gleichstellung öffentlicher und privater VU.

3. Eindeutige Definition des Begriffes „Eigenwirtschaftlichkeit“.

4. Nahverkehrsplan der Aufgabenträger dient als Grundlage zur Genehmigung und vergleichenden Bewertung von Konzessionsanträgen.

5. Grundlage der Konzessionserteilung ist die eigenwirtschaftliche Leistungserbringung. Erst wenn der Genehmigungswettbewerb kein akzeptierbares Angebot liefert, erfolgt ein Vergabeverfahren im Sinne gemeinwirtschaftlich zu erbringender Verkehrsleistungen.

6. Beschränkte Einführung des Wettbewerbes um den Fahrgast dahingehend, dass nicht genutzte Fahrgastwünsche sofort von Konkurrenten geltend gemacht werden können.

7. Stärkung der „Haustarife“ als weiteres Wettbewerbselement.

8. Die Verantwortung für die gesamte Haltestellen- und Umsteigeinfrastruktur obliegt den Aufgabenträgern.

9. Organisatorische Trennung von Aufgabenträgern des ÖPNRV und (neutraler) Genehmigungsbehörde.

10. Künftig sollte kein VU/Unternehmensverband in einem Verkehrsraum mehr als 25%, national mehr als 20% der ÖPNRV-Leistungen erbringen.

11. Der Fahrgast muss im Mittelpunkt der Aktivitäten des VU stehen.

12. Unternehmerische Gesamtverantwortung für eigene ÖPNRV-Leistungen von der Planung, Organisation bis hin zum Betrieb.

Es stellt sich daher abschließend die Kernfrage, welcher Weg im ÖPNRV und darauf aufbauend im österreichischen Kraftfahrlinienverkehr hinkünftig beschritten werden soll.
Aufgrund des Studienergebnisses und entgegen den Intentionen des BMVIT sollte an dem derzeitigen und bedarfsgerechten Wettbewerb samt Konzessionsrecht festgehalten werden, weil selbst eine maßvolle Liberalisierung die Verkehrsversorgung und Vorsorge im ländlichen Raum gefährden würde. Gleichfalls ist am Grundsatze festzuhalten, dass Verkehrsverbünde Unternehmenszusammenschlüsse sind.
Wesentlich erscheint aber auch nochmals darauf hinzuweisen, dass die ÖPNRV-Reform 2005 keinesfalls EU-bedingt ist, sondern überwiegend auf Veränderungen in der Organisation und Finanzierung des Nebenbahnverkehres (Eisenbahnregionalisierung) abzielt und daher als solche auch zu verhandeln wäre.
Die Miteinbeziehung des Kraftfahrlinienverkehres ist daher aus Sicht der Kraftfahrlinienunternehmer zurzeit eher kontraproduktiv, weil jede ÖPNRV-Reform zweckmäßigerweise eine vorherige politische Einigung über die Eisenbahnbelange voraussetzt. Sollten die Aufgabenträger oder die Eisenbahnunternehmen hernach Bestandsveränderungen wünschen, so vermögen sie dies jederzeit im Wege der Einrichtung von (wirtschaftlichen) Schienenersatz- und/oder Nachfolgeverkehren nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen. Eine Reform des gesamten ÖPNRV unter Gleichbehandlung aller Verkehrsträger und unter Bedachtnahme auf die für die Allgemeinheit geringsten Kosten wird sich darüber hinaus wohl erst an einer einheitlichen EU-Regelung orientieren können.
Keinesfalls aber sollte zuvor der in Österreich seit mehr als einhundert Jahren eigenwirtschaftlich betriebene Kraftfahrlinienverkehr grundlos einem Ausschreibungssystem geopfert werden, dessen negative Auswirkungen bereits jetzt absehbar sind. Wie auch der Gleichheitssatz dann gebieten würde, dass dieses Ausschreibungssystem auf alle öffentlichen Verkehrsträger Anwendung findet. Es herrscht aber momentan der Eindruck vor, dass Teile der angestrebten Reform nach dem bekannten Motto „Nur der Weg ist das Ziel“ laufen. Nur müsste dabei allen Verantwortlichen bewusst sein, dass, sollte dieser Ausschreibungsweg erst einmal beschritten werden, der Status quo ante mit seiner zitierten vielfältigen Anbieter- und Unternehmerlandschaft unwiederbringlich ist.

OEGZ

ÖGZ Download