Nahverkehr: So gewinnen wir alle

Nahverkehr: So gewinnen wir alle

Man kann den öffentlichen Verkehr auf zwei Arten reformieren: Entweder so, dass ein einzelner die Rosinen aus dem Kuchen holt, oder so, dass alle gewinnen. Ersteres strebt die Bundesregierung an. Für zweiteres stehen wir Transportarbeiter: Ein effizienter und effektiver öffentlicher Verkehr mit hoher Auslastung ist nicht nur für die Arbeitnehmer besser, sondern auch leichter finanzierbar. Dass so etwas kein Hirngespinst ist, beweist ein Blick nach Westen: In der Schweiz fährt Europas bester öffentlicher Verkehr mit geringeren Zuschüssen je Fahrgast. Die anderen oft genannten Vorbilder sind alle schlechter als Österreich. So etwas gelingt auch in Österreich. Wir müssten nur etwas mehr denken und etwas weniger hudeln.

 

Der österreichische öffentliche Verkehr leidet unter seiner Politik. Genauer gesagt: unter der Politik, die mit ihm gemacht wird. So gibt zum Beispiel kein Land im Nahverkehr so wenig Geld aus wie Kärnten (und hält mit nur 7% Verkehrsanteil für Bahn und Bus auch Österreichs traurigen Rekord – alleine von 1991 bis 2001 hat Kärnten 40% seiner Bahn- und Buspassagiere verloren1), während es gleichzeitig genug Geld hat, um Billigtankstellen zu finanzieren.
Nicht, dass diese Strategie politisch dumm wäre: Aus den Meinungsumfragen, dass ein Großteil der Bevölkerung besseren Nahverkehr will, aber nur ein kleiner Teil ihn benutzen möchte, können wir nur einen Schluss ziehen: Die Menschen wünschen sich mehr Öffis, damit die anderen damit fahren und sie selbst endlich einen Parkplatz bekommen. Nicht anstreifen bei den großen Lobbies und Bedienen der kleinformatigen Reflexe ist politisch also eine sehr sinnvolle Strategie.
Kärnten ist ein dankbares Beispiel, wie es überall abläuft: Haushaltserhebungen zeigen, dass mit dem Auto pendelnde Arbeitnehmer viermal so viel Geld für Mobilität aufwenden als öffentlich pendelnde (1.800 E mehr im Jahr, um genau zu sein)2. Trotzdem sichern die (ärmeren) automobilen Kärntner Pendler dem Verursacher ihrer Armut das politische Überleben. Rational ist das nicht. Obendrein verursacht jeder Autopendelnde noch Folgekosten in der Höhe von rund 1.100 E im Jahr, die er nicht selbst bezahlt. So perpetuiert sich ein unsinniges System voller Ineffizienzen und schafft sich täglich neue. Politisch ist dies erfolgreich, verkehrspolitisch ist es tödlich.

Vier Grundsätze für öffentliche Verkehrspolitik
Einen Weg aus dem Dilemma zu finden, dass das verkehrspolitisch Sinnvolle politisch unmöglich ist und umgekehrt, ist schwer. Einer der Hauptgründe ist, dass die politische Ebene guten öffentlichen Verkehr nicht wirklich argumentieren kann. Das wiederum kann sie nicht, weil sie gar nicht weiß (oder sich nicht traut, darüber zu reden), was sie mit ihm überhaupt anfangen will. Er soll der Politik einfach alle Probleme hinten abtransportieren, die sie mit ihrer Straßenbau- und Banddurchschneidepolitik vorn hereinholt.
So ist also der erste Grundsatz guter öffentlicher Verkehrspolitik: Gesamtverkehrspolitik machen. Der öffentliche Verkehr alleine kann Zersiedelung, Motorisierung, Straßenbau und die aus dem Ruder laufende Flächenwidmung niemals reparieren.
Der zweite Grundsatz: Verkehrspolitik beginnt mit politischer Willensbildung. Wer diese nicht hat, kann sie nicht argumentieren, und damit ist sie politisch nicht umsetzbar.
Der dritte Grundsatz folgt aus dem zweiten: Verkehrspolitik hat nachprüfbare und realistische Ziele. Die meisten Parteiprogramme sind eine Ansammlung an unüberprüfbaren und zueinander im Widerspruch stehenden Wünschen. Das mag für Wahlen reichen, für Verkehrspolitik reicht es nicht.
Öffentlicher Verkehr ist viel schneller ruiniert als gemacht, das zeigt das Beispiel der Busliberalisierung in Großbritannien: Binnen eines halben Jahres ging in den liberalisierten Städten ein Drittel der Fahrgäste verloren und kam nie wieder. Im Bahnbereich gilt dies einmal mehr: Eine Bahnlinie zu bauen braucht viele Jahre, und sie muss sich Jahrzehnte lang bewähren. So lautet also der vierte Grundsatz: Verkehrspolitik ist langfristige Politik. Hier liegt die österreichische Politik besonders im Argen. Unser Verkehrsministerium ist ein politisches Durchhaus.

Österreich 2015: Der Weg zum Takt
Es gibt bestimmte Makrotrends, denen alleine die Verkehrspolitik (wie weit oben angesiedelt sie immer ist) schlecht entgegentreten kann. Wir werden in Zukunft mit erheblich mehr Verkehr zu rechnen haben. Wir werden auch damit zu rechnen haben, dass sich die Disparitäten zwischen Stadt und Land noch verstärken werden.
Die Aufgabe für den öffentlichen Verkehr wird sich also zunehmend zweiteilen: Einerseits wird öffentlicher Verkehr die Ballungsräume am Leben halten müssen, denn diese werden noch stärker als bisher die wirtschaftlichen Motoren der Globalisierung sein. Andererseits wird öffentlicher Verkehr in der Fläche eine wesentliche soziale Funktion haben, denn er sichert die Besiedelung von Regionen abseits der Zentren und Achsen. Zur Aufgabe in den Ballungsgebieten gibt es aus Kapazitätsgründen rein logisch keine Alternative. Die entlegenen Regionen sind eine politische Frage.
Die Makrotrends können wir mit Verkehrspolitik nicht beeinflussen. Wir können nur Wege finden, die Auswirkungen zu lenken und zu bewältigen. Wie soll aber diese Bewältigung aussehen? Zeigen wir einen exemplarischen Ablauf einer Willens- und Strategiebildung, die als Beispiel für das Österreich von 2005 bis 2015 dienen könnte. Schließen wir bewusst sachpolitisch unrealistische Zielsetzungen aus, aber schließen wir bewusst sachpolitisch machbare, wahlarithmetisch aber schwierig zu überlebende Optionen ein.

1. Was wollen wir mit ÖV erreichen?
In der Schweiz ist öffentlicher Verkehr ein deklariertes nationales Anliegen. Im dazu beschlossenen Eisenbahngesetz steht in Artikel 51, dass bei der Festlegung des Angebots insbesondere eine angemessene Grunderschließung, Raumordnung, Umweltschutz, Behinderte und benachteiligte Regionen zu berücksichtigen sind. Das ist noch ein beliebiges Wunschkonzert. Auf Basis dieses Gesetzes besteht jedoch die Abgeltungsverordnung, die regelt, dass

- Siedlungsgebiete ab 100 Personen ganzjährig erschlossen sein müssen,

- Linien mit mindestens 32 Personen am Tag mit mindestens vier Kurspaaren bedient werden müssen,

- Linien im Stundentakt geführt werden müssen, wenn eine Strecke auf ihrem meistfrequentierten Teilstück mehr als 500 Fahrgäste am Tag befördert.

Nicht genug damit, regelt die Abgeltungsverordnung auch die Zuständigen: Die Regionalverkehre werden gemeinsam mit den Kantonen finanziert (nach einem komplizierten Schlüssel zwischen 6 und 90%). Die Verkehre von nationalem Interesse werden durch den Bund alleine getragen.3
Nun kann man über die Art und Zweckmäßigkeit dieser Zieldefinition diskutieren, aber sie ist klar, nachvollziehbar, politisch argumentierbar, demokratisch beschlossen und hat einen Adressaten zur politischen Umsetzung. Sie hat damit alle Eigenschaften einer transparenten politischen Zieldefinition. Nichts dergleichen existiert in Österreich. Was Wunder, dass Österreichs öffentlicher Verkehr ein kakophonisches Wunschkonzert ohne Dirigenten ist.
Mittlerweile gibt es dank GIS-unterstützter Prognosemodelle noch viel bessere Möglichkeiten zur politischen Zieldefinition, die auch verkehrspolitisch optimal sind. Wir können heute praktisch jeden Verkehrsfluss und jede Erreichbarkeit einer Region simulieren. Eine österreichische Zieldefinition könnte zum Beispiel so aussehen:
„Die Gebietskörperschaften stellen in ihrem jeweiligen Einflussbereich sicher, dass 95% der Bevölkerung im Bundesgebiet mit einem Mindestangebot von täglich vier Kurspaaren bedient werden. Mindestens 85% der Bevölkerung sind mit einem Stundentakt zu bedienen. Die Aufteilung der Bedienungsschlüssel auf Länder und Gemeinden und die Finanzierung der daraus entstehenden Lasten wird in einem Vertrag nach §15a B-VG geregelt, den Bund und alle Länder gemeinsam auf jeweils zehn Jahre abschließen.“
Niemand behauptet, dass eine Zieldefinition genauso aussehen muss. Sicher gibt es noch bessere. Aber wir müssen endlich eine Zieldefinition haben.

2. Mit welcher Strategie können wir unsere Ziele erreichen?
Die europäischen politischen Dokumente sind randvoll mit den besten verkehrspolitischen Zielen. Alleine die konkrete Politik marschiert mit jeder Entscheidung genau in die Gegenrichtung: Sensible Zonen sollen geschützt werden (EU-Weißbuch COM 270/ 2001), aber die Absenkung der Brennermaut vervielfacht den Brennertransit. Die Bahn soll konkurrenzfähig gemacht werden, aber die Deckelung der Lkw-Maut und der gänzliche Verzicht auf die Einrechnung externer Kosten (1999/62/EG) verurteilt sie zu einem Nischendasein.
Es braucht vielleicht einige wissenschaftliche Studien, aber es ist klar, dass es nur eine beschränkte Anzahl von Strategien gibt, mit der die gewählten Ziele erreichbar sind. Wesentlich sind nicht einzelne willkürliche Maßnahmen wie Pkw-Maut oder Bahnfahrpreise. Eine Strategie ist die Richtungsentscheidung, mit der bestimmte Ziele auf einem bestimmten Weg erreichbar sind. Im öffentlichen Verkehr drehen sich alle strategischen Entscheidungen um den Begriff „Taktverkehr“. Eine Strategie wird also festlegen, mit welcher Art von Taktverkehr wir die Ziele erreichen. Eine Strategie wird allerdings nicht dort aufhören dürfen, denn angebotsorientierte öffentliche Verkehrspolitik alleine ist nutzlos: öffentlicher Verkehr ist so gut wie sein Autokonkurrent „schlecht“ ist. Wer also beide Verkehrsträger massiv fördert, fördert in Wahrheit nur mehr Verkehr und schafft sich um viel Geld Probleme, die am Ende noch viel mehr Geld kosten.
Unser Vorschlag für eine strategische Umsetzung des oben genannten Ziels heißt „takt2010“ und baut auf einem „symmetrischen Taktverkehr“ in ganz Österreich und seinen angrenzenden Regionen auf.
Das Grundkonzept funktioniert so: Es gibt zwei wesentliche Faktoren für die Verkehrsmittelwahl, die der öffentliche Verkehr selbst beeinflussen kann: die subjektiv erlebte Reisezeit und der Aufwand der Informationsbeschaffung.
Die subjektiv erlebte Reisezeit ist extrem hoch an der unüberdachten Haltestelle im Regen und in der überfüllten, überheizten Schnellbahn. Sie ist niedrig in pünktlichen Zügen, im Speisewagen, bei Fünfminuten-Umsteigezeiten und beim Zeitunglesen.
Wer also die subjektiv erlebte Zeit an die des Autos heranbringen will, muss nicht 300 km/h fahren, sondern die objektive Tür-zu-Tür-Reisezeit verkürzen und diese unvermeidliche Reisezeit subjektiv verkürzen: durch Buffetwagen, Zeitungen, Laptopsteckdosen und kurze, aber stressfreie Umsteigewege und -zeiten. Wir müssen aber nicht immer an die großen Lösungen zur Fahrzeitverkürzung denken, auch die kleinen helfen: Die Gemeinde Hittisau im Bregenzerwald hat sich für den Winter eine besondere Form der Zeitverkürzung einfallen lassen: Sie stellte an jede Bushaltestelle eine Schneeschaufel: Prompt waren die Haltestellen geräumt und die Fahrgäste auch noch warm und gut gelaunt.
Wer die Informationsbeschaffung verkürzen will, denkt in erster Linie an intelligente Fahrkartenautomaten, Hotlines, Mobilitätsberatung und dergleichen. Weit gefehlt: Die am schnellsten beschaffte Information ist jene, die ich nicht brauche. Kern eines symmetrischen Taktverkehrs ist, dass ich mir nur merken muss, wann vor meiner Haustür der Bus wegfährt. Ich weiß, dass ich in jedem Knotenpunkt in jede Richtung weiterkomme. Wer in der Schweiz unterwegs ist, braucht keinen Fahrplan: er steigt einfach ein. Dazu gehört auch, dass jeder Busfahrer und jeder Zugbegleiter in der Schweiz jeden Fahrschein ausdruckt, und zwar nur einen für die gesamte Reise.
Das Rückgrat eines „symmetrischen Taktverkehrs“ ist ein Schnellverkehr zwischen regionalen Knotenpunkten. Diese Taktknoten müssen eine halbe Stunde oder ein Vielfaches davon auseinander liegen. Auf diese Weise treffen sich alle Züge gleichzeitig im Stundentakt. Dieser Schnellverkehr kann verschiedene Formen annehmen: Zwischen Wien und Linz kann dies ein ICE sein, zwischen Linz und Selzthal ein Eilzug. Der Verkehrsclub Österreich hat exemplarisch ein solches höherrangiges Taktsystem für Österreich errechnet.
Keine Aorta lebt ohne feine Adern und kein Bahn-Rückgrat lebt ohne Flächenbedienung. In den Regionalzentren treffen sich zur Taktzeit die Regionalbahnen, Regionalbusse und Anrufsammeltaxis. Für Leute mit guter Motorisierung und schlechter Erreichbarkeit gibt es P&R-Plätze unmittelbar neben dem Bahnhof. Diese Zubringerverkehre sorgen für die „erste und letzte Meile“ der Reise.
Viele Bundesländer haben bei der Regionalerschließung schon exzellente Arbeit geleistet. Das Nordburgenland erreichte mit symmetrischen Taktknoten in Eisenstadt und Neusiedl knapp ein Drittel mehr Passagiere mit knapp einem Drittel weniger Fahrzeugkilometern. Nicht im Wettbewerb liegt das große Effizienzpotenzial im öffentlichen Verkehr vergraben, sondern hier: in der Feinerschließung und in der Anbindung an die Hauptachsen. Österreichs Problem ist die weitgehend fehlende Planungssicherheit: es gibt regionale Erschließungskonzepte, aber kein übergeordnetes öffentliches Verkehrskonzept.

3. Welche Konzepte müssen wir dazu gemeinsam umkrempeln?
Was so einfach klingt, wird noch ganz schön kompliziert, wenn wir zusammentragen, was dazu alles notwendig wäre:

- Infrastruktur-Bau: Für das Schweizer Konzept „Bahn 2000“, dessen zweite Phase im Dezember in Betrieb ging, wurde zuerst nachgedacht und dann gebaut. Der Erfolg ist deutlich weniger Großbauvorhaben, denn gebaut wurde nur dort, wo es für den symmetrischen Takt notwendig war. Das gesamte Programm kostete dadurch weniger als ein einziger österreichischer Großtunnel. Für Österreich hieße dieses Konzept also: Der ÖBB-Rahmenplan und der Generalverkehrsplan müssen zurück an den Start.

- Infrastruktur-Betrieb: Wer wie Österreichs Finanzminister für Erhaltung und Betrieb der Schienenstrecken pro Jahr etwa 20 Mio. E zu wenig dotiert, muss sich über Langsamfahrstellen nicht beklagen. Wer sich allerdings beklagt, sind jene, die den Taktverkehr dann nicht halten können. 80% des Kapitals und 50% der logistischen Intelligenz im Bahnbereich liegt am Boden, und deswegen muss das Management eines solchen Schienennetzes in enger Kooperation mit dem Betrieb der Züge geschehen. SBB-Chef Weibel sagte im Zuge der ÖBB-Zerteilung: „Wenn Sie Infrastruktur und Fahrbetrieb trennen, bekommen Sie die Qualität nicht hin.“ Dieses gemeinsame Management ist übrigens EU-rechtskonform: In der gültigen EU-Verordnung 91/440 ist nur die rechnerische Trennung und die Unabhängigkeit der Trassenvergabe gefordert, nicht die Unabhängigkeit der Unternehmen.

- Betrieb von Regionalbahnen: Die getrennte Betrachtung von Regionalbahninfrastruktur und Zugbetrieb ist der gröbste Fehler des Verkehrsstaatssekretärs, um es höflich auszudrücken: Es ist unsinnig, die Finanzierung von Regionalstrecken nach einem Schema zu lösen (und 2005 zu verländern), die Finanzierung des Betriebs aber nach einem anderen (und zwei Jahre später ebenfalls zu verländern). Grundlage einer Regionalbahn muss das Potenzial der Strecke sein, nicht ihr derzeitiger Verkehr. Dazu wiederum braucht es ein integriertes Regionalkonzept für Güter- und Personenverkehr, und dazu wiederum ein Bundesverkehrskonzept. Ohne ein langfristiges Betriebskonzept sind alle ÖBB-Regionalstrecken zur Einstellung verurteilt, und wir werden nie erfahren, ob sie sinnvoll gewesen wären.

- Bundesweiter Tarif-, Informations- und Werbeverbund: Die beste Methode, Zugangsbarrieren zu öffentlichem Verkehr zu senken, ist eine einzige Karte, die überall gilt. „Das ischt mein Genialabo“, sagt meine Schweizer Bekannte und zeigt stolz ihre blaue Karte des Schweizer Generalabonnements. Mit dieser Karte kann sie alles benützen, was öffentlich verkehrt. Ausgenommen sind nur einige kleinere Ortsverkehre und touristische Strecken. Der Hintergrund ist einfach: Wer in der Schweiz mehr als nur Ortsverkehr anbietet, wird vom Bund vertraglich verpflichtet, an Halbtax und Generalabo teilzunehmen. Die Aufteilung der Einnahmen erfolgt auf Basis von Fahrgastzählungen. Dieser Tarifverbund sorgt gleichzeitig für Fahrgastinformation, Fahrkartenausstellung und Bezahlung.

4. Wie kann ein solches Konzept organisiert sein?
Für eine solche umfassende Neuorganisation brauchen wir teilweise neue und bessere Strukturen. Wiederum: Dies ist unser Vorschlag, und es ist eine mögliche Lösung von vielen. Unser Vorschlag ruht auf zwei Säulen:

- Die erste Säule ist die Verkehrsplanung. Einer rein auf Landes- oder Gemeindeebene angesiedelten Verkehrsplanung fehlt der verbindende Kitt: Mindestens sechs der neun Bundesländer haben starke länderübergreifende Pendlerströme. Gesamtverkehrspolitik nur durch die Länder ist ein Unding. Eine rein auf Bundesebene angesiedelte Verkehrspolitik ist wiederum zu weit weg von der Region. Das Optimum liegt in der Verteilung der Zuständigkeit und der Definition der Schnittstellen. Die schlechteste Aufteilung haben wir übrigens derzeit: der Bund lässt seine Kompetenzen weitgehend liegen (dies bestätigt auch der Rechnungshof-Rohbericht). Die Länder haben teils gute Regionalverkehrspläne, teils schlechte, teils keine. Verbunden sind diese jedoch in der Regel nicht.

- Die zweite Säule ist die Verkehrsbestellung. Hier soll jede Körperschaft für jenen Verkehr sorgen, für den sie auch verantwortlich ist. Der Bund kümmert sich um den interregionalen symmetrischen Taktverkehr (der in Teilbereichen Gewinne und in Teilbereichen Verluste einfahren wird). Die Länder kümmern sich um den Regionalverkehr, den sie an die Taktknoten anbinden. Darüber hinaus hat der Bund die Kompetenzen zur Schaffung des österreichweiten Tarif-, Informations- und Werbeverbundes und eine Schiedsrichterfunktion, wenn sich Länder nicht über den Betrieb von länderübergreifenden Nahverkehren einigen können. Überdies kann der Bund länderübergreifende Verkehre selbst bestellen, wenn diese im nationalen Interesse sind.

Von heute auf morgen geht nur Unsinn
Ein solches Konzept ist nicht von heute auf morgen umsetzbar. Wir brauchen dazu Zeit. Aber wir können es schaffen. Im Jahr 2015 will ich von Hühnergeschrei nach Hittisau fahren können, mit maximal zehn Minuten dauernden Umsteigezeiten, mit einer einzigen Fahrkarte und einer kleinen blauen Chipkarte in meiner Tasche: Mit einer solchen Mobi-Card will ich nicht nur meine Fahrkarte bezahlen können, sondern auch mein Mittagessen im Speisewagen und das Taxi nach Hause. Wir können es tun, aber wir müssen jetzt damit beginnen. Die Reise mit der kleinen blauen Karte ist das Ende der Kette. Der politische Wille, solche Reisen möglich zu machen, ist der Beginn.

Städtebund-Linktipp:
www.eisenbahner.at
www.vcoe.at

Fußnoten:
1 Quelle: Statistik Austria

2 mit dem Auto Pendelnde: durchschnittlich 1.950 E/Jahr = 12% des verfügbaren Haushaltseinkommens; öffentlich Pendelnde: 1–3% des verfügbaren Haushaltseinkommens. Quelle: VCÖ 2005

3 Quelle: Bundesamt für Verkehr, Bern

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