Die Öffnungszeitenregelung für Verkaufsstellen im Linzer Hauptbahnhof

Die Öffnungszeitenregelung für Verkaufsstellen im Linzer Hauptbahnhof

Ladenöffnungszeiten im Handel sind seit über 20 Jahren ein sehr konfliktreiches Thema in der österreichischen Politik. Für Aufsehen sorgte im Dezember 2004 die im Zuge der Neueröffnung des Linzer Hauptbahnhofes eingerichteten Verkaufsstellen. Stein des Anstoßes war insbesondere die Sonntagsöffnung eines Lebensmittelsupermarktes, die mittlerweile allerdings wieder zurückgenommen wurde.

 

A. Allgemeine Offenhaltezeiten
1. Nach dem Öffnungszeitengesetz
a) An Werktagen

§ 4 Abs. 1 Öffnungszeitengesetz 2003 (ÖZG)1 legt eine Rahmenzeit fest: Danach dürfen Verkaufsstellen von Montag 5 Uhr bis Samstag 18 Uhr offen gehalten werden. Das Gesetz sieht allerdings vor, dass der Landeshauptmann durch Verordnung die Offenhaltezeit näher beschränkt, und zwar „unter Berücksichtigung der Einkaufsbedürfnisse der Bevölkerung und der Touristen sowie besonderer regionaler und örtlicher Gegebenheiten“. Der Landeshauptmann kann auch die Gesamtoffenhaltezeit festlegen; diese darf laut Gesetz bis zu max. 72 Stunden/Woche betragen. Sofern keine Festlegung der Offenhaltezeiten durch den Landeshauptmann erfolgt, dürfen die Verkaufsstellen an Montagen bis Freitagen von 5 bis 21 Uhr, an Samstagen von 5 bis 18 Uhr offen gehalten werden.2

b) Sonderregelung für das Wochenende und für Feiertage
Nach § 5 ÖZG kann der Landeshauptmann durch Verordnung zusätzlich Zeiten (für das ganze Land oder für ein bestimmtes Teilgebiet; für das ganze Jahr, saisonal oder für bestimmte Tage) für Verkaufstätigkeiten an Tagen, an denen eigentlich nach § 4 leg cit geschlossen sein müsste, festlegen; Voraussetzung ist, dass ein besonderer regionaler Bedarf für die Öffnung an Samstagen nach 18 Uhr, an Sonntagen, an Feiertagen oder an Montagen bis 5 Uhr früh besteht.3

2. Die Verordnung über die allgemeinen Offenhaltezeiten des Landeshauptmannes OÖ
Die oö Öffnungszeitenverordnung 20034 normiert, dass Verkaufsstellen grundsätzlich von Montag bis Freitag von 6 bis 19.30 Uhr und an Samstagen von 6 bis 17 Uhr offen gehalten werden dürfen. Die Gesamtoffenhaltezeit darf pro Woche laut VO 66 Stunden nicht überschreiten.
Die Offenhaltezeiten für Verkaufsstellen bestimmter Art gemäß § 7 ÖZG, worunter auch die Verkaufsstellen in Bahnhöfen fallen, bleiben nach § 1 Abs. 2 der VO von der Regelung der OffenhaltezeitenVO unberührt; d. h. die ÖffnungszeitenVO gilt für Verkaufsstellen in Bahnhöfen überhaupt nicht.

B. Öffnungszeitenregelung für Verkaufsstellen in Bahnhöfen
1. Gesetzliche Regelung

Der § 7 Z 1 ÖZG gilt für Verkaufsstellen in Bahnhöfen5, wenn sie ausschließlich durch die betreffende Verkehrseinrichtung zugänglich sind.
Laut dieser Bestimmung dürfen „abweichend von den Regelungen gemäß den §§ 4 bis 6“ ÖZG Verkaufsstellen in Bahnhöfen für den Verkauf von Lebensmitteln, Reiseandenken und notwendigem Reisebedarf6 und Artikel des Trafiksortiments nach Maßgabe der Verkehrszeiten offen gehalten werden.7 Unter „notwendigem Reisebedarf“ versteht der Gesetzgeber gemäß § 7 ÖZG Reiselektüre, Schreibmaterialien, Blumen, Reise- und Toiletteartikel, Filme und dergleichen. Die dem Verkauf dieser Waren gewidmete Fläche darf pro Verkaufsstelle 80 Quadratmeter nicht übersteigen.
Der Landeshauptmann hat gemäß § 7 Z 1 leg cit die Möglichkeit, per Verordnung die zulässige Fläche von Verkaufsstellen in einem größeren Ausmaß als 80 qm festzulegen, wenn es die Einkaufsbedürfnisse der Reisenden für bestimmte Verkehrseinrichtungen erforderlich machen. Eine Verordnungsermächtigung für kürzere (oder längere) Öffnungszeiten besteht nicht.
§ 7 ÖZG gilt „abweichend von den Regelungen gemäß den §§ 4 bis 6“ ÖZG für den Verkauf von Lebensmitteln, Reiseandenken, notwendigem Reisebedarf und Artikeln des Trafiksortiments. Das heißt, dass die Öffnungszeitenregelung der §§ 4 bis 6 für solche Verkaufsstellen in Bahnhöfen8 nicht (nie) gilt. Damit dürfen grundsätzlich Verkaufsstellen in Bahnhöfen mit einer größeren Fläche als 80 qm nicht offen halten, wenn sie die oben genannten Artikel verkaufen; es sei denn, der Landeshauptmann macht von der Verordnungsermächtigung Gebrauch und legt eine größere Fläche fest. Mit anderen Worten: Weist eine Verkaufsstelle eine größere Fläche als 80 qm auf, obwohl es keine Verordnung gibt, die eine solche erlauben würde, so zeigt schon die hier eindeutige Wortinterpretation, dass diese Verkaufsstelle überhaupt nicht offen halten darf, und zwar auch nicht zu den allgemeinen Offenhaltezeiten des § 4 bis 6 ÖZG.
Die Öffnungszeitenverordnung 2003 des Landeshauptmannes OÖ9 bestimmt zudem explizit, dass die Offenhaltezeiten für Verkaufsstellen bestimmter Art gemäß § 7 ÖffnungszeitenG unberührt bleiben. Für den Verkauf von Artikeln, die keine Lebensmittel, Reiseandenken, notwendiger Reisebedarf und Artikel des Trafiksortiments sind, gelten nach grammatikalischer Auslegung sehr wohl die §§ 4 bis 6 ÖffnungszeitenG und damit die oben erläuterten allgemeinen Öffnungszeiten.

2. Die Verordnung des Landeshauptmannes OÖ für Verkaufsstellen im Linzer Hauptbahnhof
Die auf § 7 Z 1 ÖZG basierende Verordnung des Landeshauptmannes OÖ10 normiert in Abs. 1, dass für Verkaufsstellen im Hauptbahnhof Linz für Werktage von Montag bis Freitag11 jeweils von 6 bis 21 Uhr eine höchstzulässige Verkaufsfläche von 400 Quadratmetern festgelegt wird. Nach Abs. 2 darf an Sonn- und Feiertagen, Samstagen bis 6 und ab 18 Uhr und an den übrigen Werktagen bis 6 Uhr und ab 21 Uhr bei den im Abs. 1 genannten Verkaufsstellen die Verkaufsfläche 80 qm nicht übersteigen (Abs. 2 der VO).
Der Landeshauptmann hat damit von der Verordnungsermächtigung des § 7 Z 1 ÖZG Gebrauch gemacht und eine größere Verkaufsfläche (400 qm) für Verkaufsstellen im Hauptbahnhof Linz festgelegt, und zwar zeitlich eingeschränkt von Montag bis Freitag jeweils von 6 bis 21 Uhr!
Der Abs. 2 der Verordnung, der die zulässige Verkaufsfläche an Sonn- und Feiertagen, Samstag abends und in der Nacht und an den übrigen Werktagen in der Nacht regelt, sieht überflüssigerweise die vorgeschriebene zulässige Fläche von 80 qm für solche Verkaufsstellen vor, weil sich die 80 qm bereits aus dem Gesetz ergeben. Der Samstag von 6 bis 18 Uhr bleibt von der Verordnung des Landeshauptmannes völlig ungeregelt, damit gelten für den Samstag die gesetzlich (§ 7 Z 1 ÖZG) normierten 80 qm als zulässige Verkaufsfläche.
Verkaufsstellen am Linzer Bahnhof, die ausschließlich durch den Bahnhof zugänglich sind, die eine größere Fläche als 80 qm aufweisen, dürfen daher am Samstag überhaupt nicht offen halten, da die allgemeinen Öffnungszeiten der §§ 4 bis 6 ÖZG bzw. die ÖffnungszeitenVO 2003 nicht gelten.12

C. Ergebnis
- Verkaufsstellen in Bahnhöfen, die nur über den Bahnhof zugänglich sind, dürfen nach Maßgabe der Verkehrszeiten (damit am Linzer Hauptbahnhof von 0 bis 24 Uhr) offen halten, sofern sie die gesetzlich zulässige Verkaufsfläche von 80 qm nicht übersteigen. Der Landeshauptmann kann per Verordnung eine größere zulässige Verkaufsfläche festlegen, wenn diese die Einkaufsbedürfnisse der Reisenden erforderlich machen.
Die VO des Landeshauptmannes OÖ für Verkaufsstellen bestimmter Art erlaubt nur von Montag bis Freitag von 6 bis 21 Uhr eine größere Verkaufsfläche (400 qm) am Linzer Hauptbahnhof (für die o. a. Artikel13). Verkaufsstellen mit einer größeren Fläche als 80 qm dürfen somit nicht einmal am Samstag offen halten. Die Verordnung des Landeshauptmannes erscheint im Hinblick auf die Einkaufsbedürfnisse der Reisenden zu eng, denn es ist insbesondere bei Berücksichtigung der Änderung der Einkaufsbedürfnisse und der Größe der Hauptbahnhofes einer Landeshauptstadt wie Linz (hinsichtlich der Passagierfrequenz) zumindest auch eine Offenhaltezeit an Samstagen von 8 bis 17 Uhr in einem größeren Ausmaß als 80 qm am Linzer Hauptbahnhof zweckmäßig.

- Es ist zudem fraglich, ob § 7 ÖZG verfassungskonform ist, der für Verkaufsstellen in Bahnhöfen, aber auch etwa in Flughäfen, dem Wortlaut nach für den Verkauf von Lebensmitteln, Reiseandenken und notwendigem Reisebedarf grundsätzlich eine nur 80-qm-Fläche erlaubt (zu den Verkehrszeiten) offen zu halten und die Öffnung einer größeren Verkaufsfläche der Entscheidung eines Verwaltungsorganes (Landeshauptmann) vorbehält.14
Darüber hinaus ist die in der Praxis fragwürdige, weil undurchführbare Trennung des Verkaufes von den in § 7 Z 1 ÖZG genannten Artikeln und der restlichen Verkaufsartikel unsachlich. Ist die Abgrenzung dieser Artikel im Einzelnen schon äußerst diffizil und damit schwer zu vollziehen, so gibt es keinen sachlichen Grund, ein für den Verkauf von Lebensmitteln, Reiseandenken, notwendigem Reisebedarf und Trafiksortiment im Rahmen der 80 qm nach Maßgabe der Verkehrszeiten offen zu halten und für den Verkauf der restlichen Artikel nach Maßgabe der allgemeinen Offenhaltezeiten (nach §§ 4 bis 6 ÖZG bzw. nach der oö ÖffnungszeitenVO 2003). Die Regelung ist unsachlich, weil der Unternehmer in Verkaufsstellen in Bahnhöfen gezwungen wird, sein Sortiment auf den Verkauf von Lebensmitteln, Reiseandenken, notwendigem Reisebedarf und Artikel des Trafiksortiments einzuschränken. Damit wird eine Ungleichbehandlung zu anderen Verkaufsstellen während der allgemeinen Offenhaltezeiten erzielt, die einer sachlichen Rechtfertigung entbehrt.

- Eine weitere Verfassungswidrigkeit des Öffnungszeitengesetzes 2003 ist anzunehmen, wenn sich die Bedenken des VfGH in seinem Prüfungsbeschluss vom 1. 12. 200415 im Zusammenhang mit der Gastgartenverordnung als begründet erweisen: In diesem Prüfungsbeschluss wird die gesetzliche Regelung des § 112 Abs. 3, mit der der Landeshauptmann ermächtigt wird, abweichende Regelungen betreffend die Gewerbeausübung in Gastgärten durch Verordnung festzulegen, wobei er hierbei insbesondere auf die „Bedürfnisse der ortsansässigen Bevölkerung und der Touristen“ Bedacht zu nehmen hat, auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin untersucht. Der VfGH kommt zu dem Ergebnis, dass die Erlassung einer solchen Verordnung von der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich zu vollziehen ist; dies lasse sich vor allem aus der vom Gesetzgeber gewählten Formulierung der Bedachtnahme auf die „Bedürfnisse der ortsansässigen Bevölkerung und der Touristen“ schließen.
Auch die Verordnungsermächtigung des § 4 Abs. 2 ÖZG für die allgemeine Offenhaltezeit an Werktagen und die des § 5 Abs. 2 ÖZG für die Offenhaltezeit am Wochenende und an Feiertagen spricht von der „Berücksichtigung der Einkaufsbedürfnisse der Bevölkerung und der Touristen sowie besonderer regionaler und örtlicher Gegebenheiten“ bzw. vom „besonderen regionalen Bedarf“ bei der Festlegung der Offenhaltezeiten durch den Landeshauptmann.
Im Hinblick auf die ähnlich gewählte Formulierung dieser Bestimmungen mit den im Prüfungsbeschluss für verfassungsrechtlich bedenklich erachteten Bestimmungen der GewO ist auch die Verordnungsermächtigung in § 4 Abs. 2 und § 5 Abs. 2 ÖZG zugunsten des Landeshauptmannes als verfassungswidrig zu erachten, weil die Erlassung dieser Verordnungen in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde fällt.

Fußnoten:
1 BGBl Nr. 48/2003 idF BGBl Nr. 151/2004. Vgl. dazu a Spenger/Lutz, infas 2003, 172; Schneller, RdA 2003, 594.

2 Abs. 3 par cit.

3 Nach § 5 ÖZG sind die zuständigen gesetzlichen Interessenvertretungen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu hören und die Verordnungen dem Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit zur Kenntnis zu bringen. Bei Festlegung auf ein bestimmtes Teilgebiet, und nicht für das ganze Land, sind zusätzlich auch die betroffenen Gemeinden anzuhören.

4 Verordnung des Landeshauptmannes von Oberösterreich, mit der die Offenhaltezeiten festgelegt werden (oö Öffnungszeitenverordnung 2003), LGBl Nr. 93/2003.

5 Und in Autobusbahnhöfen, auf Flughäfen und an Schiffslandeplätzen.

6 Unter „notwendigem Reisebedarf“ versteht der Gesetzgeber gemäß § 7 ÖZG Reiselektüre, Schreibmaterialien, Blumen, Reise- und Toiletteartikel, Filme und dergleichen.

7 Die Verkehrszeiten des Linzer Bahnhofes sind täglich von 0 bis 24 Uhr.

8 Die ausschließlich durch die betreffende Verkehrseinrichtung zugänglich sind.

9 LGBl 93/2003.

10 Verordnung des Landeshauptmannes von Oberösterreich für Verkaufsstellen bestimmter Art, LGBl II Nr. 38/2005.

11 Ein Werktag wäre zwar auch der Samstag. Dieser scheint allerdings dem Wortlaut nach explizit ausgenommen zu sein.

12 Siehe oben Punkt B.1.

13 Für den Verkauf von Lebensmitteln, Reiseandenken, notwendigem Reisebedarf und Trafiksortiment.

14 Vgl. VfGH VfSlg 12094/1989; 12492/1990.
15 VfGH vom 1. 12. 2004, V 109/03-11.

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