Statutarstädte und FAG 2005

Statutarstädte und FAG 2005

Statutarstädte mit einer Einwohnerzahl ab 20.000 werden im FAG 2005 gegenüber den anderen Städten (Gemeinden) benachteiligt, weil sie auch die Aufgaben der Bezirksverwaltungsbehörde zu besorgen haben, ohne dafür entsprechend aus dem „allgemeinen Abgabentopf“ abgegolten zu werden. Diese verfassungswidrige Benachteiligung kann durch eine Klage nach Art. 137 B-VG releviert werden.

 

I. Vorbemerkungen
In der Österreichischen Gemeinde-Zeitung 10/2004, 17 ff. [23], habe ich meine Untersuchung betreffend „Statutarstädte im Finanzausgleich“ wie folgt resümierend abgeschlossen:
„Die Statutarstädte ab einer Einwohnerzahl von 20.000 wurden (FAG 1997) bzw. sind (teilweise – mit FAG 2001) gegenüber den anderen Städten dadurch benachteiligt, dass sie Aufgaben der Bezirksverwaltung zu besorgen haben, ohne dafür lastenadäquat im Finanzausgleich ‚abgegolten‘ zu werden. Auf diese von der Rechtsordnung (BG, LG) übertragenen Aufgaben hat nämlich der (einfache) Bundesgesetzgeber als Finanzausgleichsgesetzgeber gemäß § 3 Abs. 1 F-VG (iSd eindeutigen VfGH-Judikatur) nicht bzw. nicht entsprechend Bedacht genommen, sodass diesbezüglich § 10 Abs. 9 sowie § 23 Abs. 2 Z 2 FAG gleichheitswidrig iSd § 4 F-VG erscheinen müssen. Es ist zu wünschen, dass bei den derzeit laufenden Finanzausgleichsverhandlungen die ausgewogene bzw. lastenadäquate Berücksichtigung der zusätzlichen Aufgaben der Statutarstädte auf ein entsprechendes Verständnis der Verhandler stoßen wird.“
Ich darf es vorwegnehmen: Die (bzw. Teile der) Verhandler haben dieses Verständnis bloß „unzureichend“ aufgebracht, sodass [auch] diesbezüglich das FAG 2005 (BGBl. I 2004/156 [Art. I] idF I 2005/34) iSd § 4 F-VG als gleichheitswidrig erscheint. Hinsichtlich der praktischen Durchsetzung (Art. 137 B-VG) dieser Unsachlichkeit ist aber gegenüber den FAG 1997 und 2001 bemerkenswert, dass § 9 Abs. 9 FAG 2005 (also die Bestimmungen des abgestuften Bevölkerungsschlüssels) nicht mehr im Verfassungsrang steht.

II. FAG 2005 und Statutarstädte
Die derzeit geltende (einfachgesetzliche) Rechtslage – FAG 2005 BGBl. I 2004/156 idF I 2005/34 – nimmt auf die zusätzlichen Aufgaben der Städte mit eigenem Statut an mehreren Stellen Bedacht (die relevanten Bestimmungen sind fett hervorgehoben):

§ 9 Abs. 9 FAG:
„Die Volkszahl bestimmt sich nach dem von der Statistik Österreich auf Grund der letzten Volkszählung festgestellten Ergebnis. Dieses Ergebnis wirkt mit dem Beginn des dem Stichtag der Volkszählung nächstfolgenden Kalenderjahres. Der abgestufte Bevölkerungsschlüssel wird folgendermaßen gebildet:
Die ermittelte Volkszahl der Gemeinden wird bei Gemeinden mit höchstens
10.000 Einwohnern mit 11/2,
bei Gemeinden mit 10.001 bis 20.000 Einwohnern mit 12/3,
bei Gemeinden mit 20.001 bis 50.000 Einwohnern und bei Städten mit
eigenem Statut mit höchstens 50.000 Einwohnern mit 22/3,
und bei Gemeinden mit über 50.000 Einwohnern und der Stadt Wien mit 21/3,
vervielfacht. Zu diesen Beträgen wird bei Gemeinden, deren Einwohnerzahl im Bereich von 9.000–10.000, von 18.000–20.000 oder von 45.000–50.000 liegt, bei Städten mit eigenem Statut jedoch nur bei solchen, deren Einwohnerzahl im Bereich von 45.000–50.000 liegt, ein weiterer Betrag dazugezählt. Dieser beträgt bei Gemeinden bis 10.000 Einwohner 12/3, bei den anderen Gemeinden 31/3 vervielfacht mit der Zahl, mit der die Einwohnerzahl die untere Bereichsgrenze übersteigt. Die länderweise Zusammenzählung der so ermittelten Gemeindezahlen ergibt die abgestuften Bevölkerungszahlen der Länder.“

§ 20 Abs. 5 FAG:
„Der Bund gewährt den Städten mit eigenem Statut Krems an der Donau und Waidhofen an der Ybbs als Abgeltung für den Mehraufwand, der diesen Gemeinden dadurch entsteht, dass in ihnen keine Bundespolizeibehörden errichtet sind, bis zum 30. 6. eines jeden Jahres eine Finanzzuweisung. Die Höhe dieser Finanzzuweisung ist vom Bundesminister für Finanzen als Pauschalbetrag mit Verordnung festzusetzen.“

§ 23 Abs. 1–3 FAG:
„(1) Der Bund gewährt den Gemeinden zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung des Gleichgewichts im Haushalt und als Ausgleich für Ausgaben im Zusammenhang mit Ausgliederungen und Schuldenreduzierungen eine Bedarfszuweisung von € 118,74 Mio. jährlich.
(2) Die Bedarfszuweisung als Ausgleich für Ausgaben im Zusammenhang mit Ausgliederungen und Schuldenreduzierungen für alle Gemeinden (Wien als Gemeinde) beträgt € 2,18 Mio. jährlich. Dieser Betrag ist im Verhältnis der Einwohnerzahlen aufzuteilen.
(3) Die Bedarfszuweisung zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung des Gleichgewichts im Haushalt beträgt
1. für die Gemeinden mit mehr als 20.000 und bis zu 50.000 Einwohnern (ausgenommen die Statutarstädte dieser Größe) und die Statutarstädte bis 20.000 Einwohner € 2,1 Mio. jährlich und für Statutarstädte mit mehr als 20.000 und bis zu 50.000 Einwohnern und für Gemeinden mit mehr als 50.000 Einwohnern mit Ausnahme von Wien € 14,46 Mio. jährlich. Diese Beträge sind jeweils im Verhältnis der Einwohnerzahlen aufzuteilen.
2. € 80,5 Mio. jährlich für die Gemeinden mit mehr als 9.300 Einwohner sowie die Statutarstadt Rust. Von diesem Betrag erhalten zunächst die Statutarstädte mit mehr als 20.000 und bis zu 50.000 Einwohnern unbeschadet der Ansprüche nach den folgenden Sätzen einen Vorweganteil iHv € 30,– je Einwohner, St. Pölten hingegen einen Betrag von € 5,30 je Einwohner. Weiters erhalten die Gemeinden je Einwohner in Euro, wobei hier Statutarstädte bis 20.000 Einwohner Gemeinden von 20.000 bis 45.000 Einwohnern gleichgestellt sind:
Einwohnerzahl 10.000–18.000 20.000–45.000 über 50.000
Burgenland –,00 43,67 –,00
Kärnten 37,99 31,11 24,23
Niederösterreich 46,10 40,85 –,00
Oberösterreich 43,86 38,16 32,45
Salzburg 43,09 –,00 31,37
Steiermark 41,94 35,85 29,76
Tirol 48,62 –,00 39,11
Vorarlberg 41,98 35,90 –,00
Wien –,00 –,00 3,13
Die Anteile der weiteren anspruchsberechtigten Gemeinden betragen je Einwohner in Euro:
St. Pölten 36,44 Brunn am Gebirge 20,17
Altmünster 14,84 Hallein 41,82
Seekirchen am Wallersee 5,30 Zell am See 22,79
Mürzzuschlag 21,40 Lustenau 36,71
Eine Differenz zwischen der Summe der so ermittelten Finanzzuweisungen und den Betrag von € 80,5 Mio. ist im Verhältnis der Finanzzuweisungen der einzelnen Gemeinden auszugleichen.
3. € 19,5 Mio. jährlich für die Gemeinden mit bis zu 9.300 Einwohner mit Ausnahme der Statutarstadt Rust. Dieser Betrag wird länderweise wie folgt verteilt:
Burgenland € 2.259.000,–
Kärnten € 2.110.000,–
Niederösterreich € 4.739.000,–
Oberösterreich € 2.933.000,–
Salzburg € 725.000,–
Steiermark € 4.786.000,–
Tirol € 1.411.000,–
Vorarlberg € 537.000,–
Diese Beträge sind auf die anspruchsberechtigten Gemeinden der einzelnen Länder jeweils im Verhältnis der Einwohnerzahlen aufzuteilen.“

III. Abgeltung „zusätzlicher“ Aufgaben in der VfGH-Judikatur
In der ÖGZ 10/2004, 17 ff., habe ich die Sichtweise der diesbezüglich gefestigten Judikatur eingehend erörtert und analysiert, sodass ich diese hier nur mehr gerafft wiederzugeben brauche:

1. Die Verfassungsmäßigkeit des Finanzausgleichs verknüpft der VfGH1 mit der Einhaltung prozeduraler Erfordernisse2: Vor der Erlassung des FAG seien Beratungen zwischen den Finanzausgleichspartnern unabdingbar. Führten diese Gespräche zu einem Einvernehmen, könne in aller Regel davon ausgegangen werden, dass eine dem § 4 F-VG entsprechende Gesamtregelung getroffen wurde (ein auf einem Paktum beruhender Finanzausgleich hat somit die Vermutung der sachlichen Richtigkeit für sich). Ein in die Verfassungssphäre reichender Gleichheitsverstoß liegt danach nur vor, wenn (jeweils isoliert betrachtet) einzelne Bestimmungen zueinander in einem nicht zu rechtfertigenden Widerspruch stehen oder der Finanzausgleichsgesetzgeber auf von der Rechtsordnung übertragene Aufgaben einzelner Gebietskörperschaften nicht bzw. nicht lastenadäquat Bedacht nimmt.3
Der VfGH hat jedoch auch klargestellt, dass das Fehlen einer Vereinbarung nicht automatisch den Finanzausgleich verfassungswidrig macht, sondern dass dann die einzelnen Regelungen isoliert auf ihre Sachlichkeit geprüft werden müssen.4

2. Für die Frage der Abgeltung der „zusätzlichen Aufgaben“ der Statutarstädte ist das VfGH-Erk 16. 10. 1985, Slg 10.633, als unmittelbar einschlägig zu bezeichnen: Strittig war in diesem Beschwerdefall (Art. 137 B-VG) die finanzausgleichsrechtliche Berücksichtigung der zusätzlichen Kosten auf dem Gebiete des öffentlichen Sicherheitswesens jener Statutarstädte ohne Bundespolizei (Städte Krems und Waidhofen an der Ybbs).
a) In diesem Erkenntnis stellte der VfGH zuerst die Frage in den Raum, ob sich der Finanzausgleichsgesetzgeber (noch) im Rahmen seines finanzpolitischen Gestaltungsfreiraumes bewegt und damit gleichheitssatzgemäß gehandelt hat, wenn er der besonderen „Polizeiverwaltungskosten“ nicht gedacht hat, die jene Städte mit eigenem Statut treffen, in denen keine Bundespolizeibehörde eingerichtet ist; diese Polizeiverwaltungskosten haben nämlich diese Städte nach § 2 F-VG 1948 endgültig selbst zu tragen (VfSlg 9507/82). Dazu führte der VfGH wortwörtlich aus:
„Dem § 4 iVm den §§ 2 und 3 F-VG 1948 zufolge hat der Finanzausgleichsgesetzgeber die Verteilung der Besteuerungsrechte und Abgabenerträge sowie der Finanzzuweisungen und Finanzzuschüsse in Übereinstimmung mit den Lasten der öffentlichen Verwaltung zu regeln. Das kann nach dem offenkundigen Sinn dieser Bestimmung zwar nicht bedeuten, dass jede überdurchschnittliche finanzielle Last, die eine einzelne Gemeinde oder eine Gruppe von Gemeinden trifft, schon zu einer (ausdrücklichen) Berücksichtigung im Finanzausgleichsgesetz zwingen würde. Jedenfalls aber dann, wenn bestimmte Gemeinden bzw. Gruppen von Gemeinden, die auf Grund der positiven Rechtsordnung als mit besonderen Agenden betraut definierbar sind und die sich deshalb von anderen Gemeinden bzw. Gruppen von Gemeinden typischerweise durch eine höhere Kostenbelastung unterscheiden, ist der Finanzausgleichsgesetzgeber gemäß § 4 F-VG 1948 verhalten, für sie eine Regelung zu treffen.“

b) Gegen diese grundsätzliche Ausgangsposition des VfGH machte die Bundesregierung nur vom Sachverhalt her [nicht somit rechtens] geltend, dass die beiden in Betracht kommenden Städte durch die Polizeiverwaltungskosten nur unwesentlich belastet seien und dass diese Mehrbelastung überdies (weitgehend) ohnehin durch andere Umstände ausgeglichen sei. Es handle sich somit um eine einmalige Sonderkonstellation, die allenfalls als Härtefall vernachlässigt werden könnte. Jedenfalls aber böten die im § 10 Abs. 1 letzter Satz FAG 1979 vorgesehenen Bedarfszuweisungen ein ausreichendes Korrekturinstrument, allfällige im Einzelfall auftretende Härten auszugleichen.
Diesen Einwänden entgegnete der VfGH wie folgt:

- „Für die Stadt Waidhofen an der Ybbs trifft wohl zu, dass sie als Stadt mit eigenem Statut, die weniger als 20.000 Einwohner hat, durch die Regelung des § 8 Abs. 3 FAG 1979 begünstigt wird, da ihr nicht der nach ihrer tatsächlichen Einwohnerzahl von 11.330 bestimmte Bevölkerungsschlüssel (,12/3‘), sondern jener für Gemeinden mit mehr als 20.000 Einwohnern und eben für Städte mit eigenem Statut mit höchstens 50.000 Einwohnern vorgesehene höhere Bevölkerungsschlüssel (,2‘) gebührt.
Diese Vergünstigung soll aber offenkundig nur die Mehrkosten abgelten, die der Stadtgemeinde Waidhofen an der Ybbs daraus erwachsen, dass sie als Stadt mit eigenem Statut auch die Kosten der Bezirksverwaltung zu tragen hat.
Diese Begünstigung steht aber allen kleineren Gemeinden zu, die Städte mit eigenem Statut sind (so auch Eisenstadt mit 10.150 Einwohnern, Rust mit 1.702 Einwohnern), obgleich dort eine Bundespolizeibehörde besteht. Gegenüber diesen Städten ist also Waidhofen an der Ybbs benachteiligt; ihre spezifische Mehrbelastung auf Grund der sie treffenden Polizeiverwaltungskosten ist nicht abgegolten.“

- „Was die Stadtgemeinde Krems anlangt, meint die Bundesregierung, dass die Polizeiverwaltungskosten nur eine marginale Größe ausmachten. Außerdem verfügte Krems über eine überdurchschnittliche Finanzkraft. – (Auch) diese Argumentation ist verfehlt. Der dargestellten rechtsstrukturellen, ausgabenrelevanten Verschiedenheit hat nämlich der Finanzausgleichsgesetzgeber jedenfalls Rechnung zu tragen; hiebei ist die prozentuelle oder die absolute Höhe der Polizeiverwaltungskosten nicht von Bedeutung. Ob die Gemeinde an sich finanzkräftig ist, kann hier nicht ausschlaggebend sein, geht es doch im gegebenen Zusammenhang darum, ob die Kosten der öffentlichen Verwaltung finanzausgleichsrechtlich beachtet wurden (also um die ‚Lastenadäquanz‘), nicht aber darum, ob die Leistungsfähigkeit der Gemeinde überschritten wurde.“

c) „Damit steht fest, dass die Statutargemeinden ohne Bundespolizei besondere ‚Lasten der öffentlichen Verwaltung‘, nämlich Polizeiverwaltungskosten, zu tragen haben, auf die gemäß § 4 F-VG 1948 im Rahmen des Finanzausgleiches Bedacht zu nehmen ist.“5

IV. Abgeltung der zusätzlichen Aufgaben der Statutarstädte im FAG 2005–2008
Folgende Argumente scheinen dafür zu sprechen, dass die in Pkt II. erwähnten (einfachgesetzlichen) Bestimmungen schon vom Ansatz her nicht in der Lage sind, die zusätzlichen Kosten der Statutarstädte gegenüber den (übrigen) Ortsgemeinden iSd Art. 115 Abs. 1 B-VG ausgewogen und lastenadäquat abzugelten:

1. Nach dem Erkenntnis VfSlg 10.633/ 85 haben die Statutarstädte Waidhofen an der Ybbs und Krems [auch] die Polizeiverwaltungskosten selbst zu tragen (VfSlg 9507/82). Diese zusätzlichen Aufgaben und Kosten hat der Finanzausgleichsgesetzgeber berücksichtigt (§ 20 Abs. 5 FAG 2001).

- Im hier gegebenen Zusammenhang haben die Städte Eisenstadt, Graz, Innsbruck, Klagenfurt, Krems, Linz, Rust, Salzburg, Steyr, St. Pölten, Villach, Wels, Waidhofen an der Ybbs, Wiener Neustadt und Wien als Städte mit eigenem Statut neben den Aufgaben der Gemeindeverwaltung auch jene der Bezirksverwaltung (Art. 116 Abs. 3 B-VG) zu erfüllen.

- Diese Aufgaben sind als rechtsstrukturell iSd Erk VfSlg 10.633/85 zu bezeichnen, weshalb sie vom Finanzausgleichsgesetzgeber zu berücksichtigen sind, unabhängig davon, wie „finanzkräftig“ die jeweilige Statutarstadt ist (d. h. über welche Einnahmen sie verfügen kann bzw. wie ihre Einnahmen strukturiert sind), ob die (zusätzlichen) Aufgaben nur eine marginale Belastung ausmachen oder nicht (VfSlg 10.633/85) bzw. ob und in welchem Umfang diese Aufgaben (der Bezirksverwaltung) seit den letzten Finanzausgleichsverhandlungen zugenommen haben.

- Die Studie von Dr. Schmid „Belastung der Städte durch Landestransfers und zentralörtliche Leistungen“6 beziffert die (zusätzlichen) Ausgaben der Statutarstädte für die Aufgaben der Bezirksverwaltungsbehörde mit ca. € 50,–/Einwohner/Jahr.7 Anfang der neunziger Jahre betrug der durchschnittliche Mehraufwand für die Agenden der Bezirksverwaltung schon ATS 400,–/Einwohner.8

2. Auf Grund der Volkszählungsergebnisse 2001 ist somit (derzeit) bei den 15 Statutarstädten Österreichs folgender Aufwand für die Besorgung der Bezirksverwaltung anzunehmen:
EW E
Eisenstadt 11.334 566.700
Graz 226.244 11.312.200
Innsbruck 113.392 5.669.600
Klagenfurt 90.141 4.507.050
Krems 23.713 1.185.650
Linz 183.504 9.175.200
Rust 1.714 85.700
Salzburg 142.662 7.133.100
Steyr 39.340 1.967.000
St. Pölten 49.121 2.456.050
Villach 57.497 2.874.850
Wels 56.478 2.823.900
Waidhofen/Ybbs 11.662 583.100
Wiener Neustadt 37.627 1.881.350
Wien 1.550.123 77.506.150

3. Vergleicht man nun die auf die Städte mit eigenem Statut bezogenen Bestimmungen des FAG 2005 mit jenen des FAG 2001 (bzw. FAG 1997)9, so sticht – ich argumentiere hier mit den Worten von Matzinger, Der Finanzausgleich ab 2005, ÖGZ 1/2005, 11 [15] – die

„verstärkte Abgeltung der Ausgaben der Statutarstädte zwischen 20.000 und 50.000 Einwohner (Wiener Neustadt, Krems, Steyr und in der Einschleifzone auf 50.000 Einwohner: St. Pölten) auf. Diese Gemeinden erhalten nun einen Vorweganteil von € 30,–/Einwohner, St. Pölten von € 5,30/Einwohner, da es sich schon in der Einschleifzone zu den Statutarstädten befindet.“

ins Auge.
Die EB zur RV des FAG 2005 (702 BlgNR, XII. GP, 8) begründen diese verstärkte Abgeltung der Aufgaben bzw. Ausgaben der Statutarstädte wie folgt:

„Statutarstädte zwischen 20.000 und 50.000 Einwohner erhalten einen Vorweganteil iHv € 30,– pro Einwohner als Ausgleich für ihre zusätzlichen Aufgaben als Bezirksverwaltungsbehörden. Für St. Pölten als einzige Gemeinde in der Einschleifzone von 45.000 und 50.000 Einwohner wird der Vorweganteil analog zur Regelung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels ebenfalls eingeschliffen. Dieser Vorweganteil ergänzt den Vorteil dieser Statutarstädte iHv rund € 8,– pro Einwohner aus der Regelung des Abs. 3 Z 1.“
Mit diesen Ausführungen in den EB zur RV des FAG 2005 hat der (einfache) Bundesgesetzgeber (indirekt) die bisher geäußerte Sicht bestätigt10, dass die bisherigen Finanzausgleichsgesetzgeber (2001 bzw. 1997 etc.) auf die zusätzlichen Aufgaben der Städte mit eigenem Statut (d. h. in erster Linie auf die Aufgaben als Bezirksverwaltungsbehörde)11 nicht entsprechend Bedacht genommen haben.

4. Auch wenn der (einfache) Finanzausgleichsgesetzgeber 2005 nunmehr (und erstmals) die zusätzlichen Ausgaben der Statutarstädte [teilweise] mit € 38,– (702 BlgNR, XXII. GP, 8) abgilt, ist damit noch nicht gesagt, ob er damit dem Erk des VfGH, Slg 10633/ 85 entsprochen hat, das die zusätzlichen Aufgaben der Statutarstädte als rechtsstruktureller Art bezeichnet, die deshalb vom Finanzausgleichsgesetzgeber zu berücksichtigen sind.
Ich darf es vorwegnehmen: Auch die Neuregelungen gemäß § 23 Abs. 3 iVm § 9 Abs. 9 FAG 2005 vermögen die zu § 4 F-VG entwickelten und judizierten (VfSlg 10.633/85) verfassungsrechtlich gebotenen „Vorgaben“ nicht zu erfüllen; dafür sprechen folgende Überlegungen.12

a) Nach der Judikatur des VfGH (ausgehend vom Erk 30. 11. 1981, Slg 9280 – zuletzt 13. 3. 2003, Slg 16.849) hat ein (auf einem „Paktum“ beruhender) Finanzausgleich die Vermutung der sachlichen Richtigkeit für sich. Trotzdem ist ein in die Verfassungssphäre reichender Gleichheitsverstoß iSd § 4 F-VG anzunehmen, wenn (jeweils isoliert betrachtet) einzelne Bestimmungen zueinander in einem nicht zu rechtfertigenden Widerspruch stehen, oder der Finanzausgleichsgesetzgeber auf von der Rechtsordnung übertragene Aufgaben einzelner Gebietskörperschaften nicht lastenadäquat Bedacht nimmt.´

b) Nach dem VfGH-Erkenntnis Slg 9507/82 kann zwar nach der offenkundigen Ratio die Bestimmung des § 4 F-VG (iVm § 2 und 3 F-VG) nicht zur Folge haben, dass jede überdurchschnittliche finanzielle Last, die eine einzelne Gemeinde oder eine Gruppe von Gemeinden trifft, schon zu einer (ausdrücklichen) Berücksichtigung im Finanzausgleichsgesetz zwingen würde. Jedenfalls aber dann, wenn bestimmte Gemeinden bzw. Gruppen von Gemeinden, die auf Grund der positiven Rechtsordnung als mit besonderen Agenden betraut definierbar sind und die sich deshalb von anderen Gemeinden bzw. Gruppen von Gemeinden typischerweise durch eine höhere Kostenbelastung unterscheiden, ist der Finanzausgleichsgesetzgeber gemäß § 4 F-VG verhalten, für sie eine Regelung zu treffen, und zwar unabhängig davon, wie „finanzkräftig“ die jeweilige Statutarstadt ist (d. h. über welche Einnahmen sie verfügen kann bzw. wie ihre Einnahmen strukturiert sind), ob die (zusätzlichen) Aufgaben nur eine marginale Belastung ausmachen oder nicht (VfSlg 10.633/85) bzw. ob und in welchem Umfang diese Aufgaben (der Bezirksverwaltung) seit den letzten Finanzausgleichsverhandlungen zugenommen haben oder nicht.

c) Für die Städte Eisenstadt, Rust und Waidhofen an der Ybbs hat der Finanzausgleichsgesetzgeber als Abgeltung (Ausgleich) für diese Belastungen den höheren Vervielfacher beim abgestuften Bevölkerungsschlüssel – „2“ statt „11/2“ bzw. „12/3“ – vorgesehen (§ 9 Abs. 9 FAG 2005). Das zusätzliche „Drittel“ wird etwa € 120,–/EW betragen, die zusätzliche „Hälfte“ etwa € 180,–/ EW.

- Für die vier Statutarstädte Krems an der Donau, Steyr, St. Pölten und Wiener Neustadt dagegen ist keine diesbezügliche Vorsorge getroffen, weil sie als Städte zwischen 20.001 und 50.000 Einwohnern ohnehin den Vervielfacher 2 haben (§ 9 Abs. 9 FAG 2005). Da diesen Statutarstädte für die Besorgung der Aufgaben der Bezirksverwaltungsbehörde jährlich Kosten iHv ca. € 50,–/EW erwachsen und bloß € 38,–/EW abgegolten erhalten (§ 23 Abs. 3 Z 1 und 2 FAG 2005), sind diese gegenüber den anderen Städten in Österreich mit Einwohnern [auch] zwischen 20.001 und 50.00013, iSd § 4 F-VG unsachlich, d. h. gleichheitswidrig, benachteiligt (vgl. VfSlg 10.633/85), weil auch letztere den Vervielfacher „2“ haben, ohne jedoch mit den Aufgaben einer Bezirksverwaltung belastet zu sein.

- Die gleiche Sicht ist betreffend die Statutarstädte Graz, Linz, Salzburg, Innsbruck, Klagenfurt, Villach, Wels (EW über 50.000) geboten, weil nicht davon ausgegangen werden kann [bzw. darf], dass mit dem Vervielfacher von „21/3“ – mit dem zusätzlichen „1/3“ – der Finanzausgleichsgesetzgeber (§ 9 Abs. 9) neben den zentralörtlichen „Gegebenheiten“ bzw. den überregionalen Infrastrukturleistungen (auch) die weiteren (spezifischen) Kosten einer Bezirksverwaltung mitabgegolten haben wollte, somit auf diese – entsprechend der VfSlg 10.633/85 – rechtsstrukturellen Zusatzaufgaben und deren Kosten nicht (zusätzlich) Bedacht genommen hat.

Diese Statutarstädte (EW über 50.000) erhalten für die Besorgung der zusätzlichen Aufgaben als Bezirksverwaltungsbehörden jährlich € 8,–/EW/Jahr ersetzt (§ 23 Abs. 3 Z 1 FAG 2005 bzw. 702 BlgNR, XXII. GP, 8), damit werden sie aber gegenüber den Statutarstädten mit EW zwischen 20.001 und 50.000 unsachlich iSd diesbezüglich einschlägigen VfGH-Judikatur (VfSlg 10.633/85) benachteiligt, weil die Statutarstädte mit EW zwischen 20.001 und 50.000 für dieselben Aufgaben einer Bezirksverwaltung € 38,–/EW/Jahr erhalten.14
Es kann deshalb gesagt werden: Die Statutarstädte über 50.000 EW sind nicht nur gegenüber den Städten Dornbirn, Feldkirch, Bregenz, Leoben, Wolfsberg, Klosterneuburg, Baden, Traun, Amstetten, Kapfenberg, Leonding und Mödling iSd § 4 F-VG unsachlich benachteiligt, weil diese Statutarstädte die Aufgaben einer Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Kostenbelastung von € 50,–/EW/Jahr zu besorgen haben, obwohl sie nur € 8,–/ EW/Jahr [§ 23 Abs. 3 Z 1 FAG 2005] „rückvergütet“ erhalten, während den aufgezählten Städte überhaupt keine diesbezüglichen Kosten anfallen, sondern auch gegenüber den Statutarstädten mit EW zwischen 20.001 und 50 000, weil letztere für die Aufgaben der Bezirksverwaltungsbehörden wenigstens € 38,–/EW/Jahr erhalten, die Statutarstädte über EW 50.000 jedoch nur € 8,–/EW/Jahr.

- Die vorstehenden Überlegungen sind auch für Wien als Gemeinde geboten, wobei die Stadt Wien bei den in § 23 Abs. 3 FAG 2005 vorgesehenen Bedarfszuweisungen überdies von den Bedarfszuweisungen nach der Z 1 leg cit generell ausgeschlossen ist. Die Stadt Wien als Gemeinde erhält demnach für die zu besorgenden Aufgaben einer Bezirksverwaltungsbehörde weder € 8,– (§ 23 Abs. 3 Z 1) noch € 30,– (§ 23 Abs. 3 Z 2).

5. Zu unterstützen und zu verallgemeinern ist schließlich die Auffassung von Hüttner, Der Finanzausgleich: Grundlagen, Entwicklung, Finanzausgleichsgesetz 2001, in „Finanzausgleich 2001 – Das Handbuch für die Praxis“ (Hrsg. Österreichischer Gemeindebund und Österreichischer Städtebund), 2001, 92, dass bei der – gemessen am Inhalt des § 4 F-VG – sachlich begründeten Forderung, die Statutarstädte Graz, Innsbruck, Klagenfurt, Krems, Linz, Salzburg, Steyr, St. Pölten, Villach, Wels und Wiener Neustadt seien zwecks (iSd VfSlg 10.633/85) entsprechender Abgeltung ihrer rechtsstrukturellen Kosten als Bezirksverwaltungsbehörden über das bisher im FAG 2001 vorgesehene Ausmaß hinaus an den Abgabenerträgnissen (iSd § 3 Abs. 1 F-VG) zu beteiligen, zu bedenken ist, dass der diesen Statutarstädten „durch die Wahrnehmung der Aufgaben der Bezirksverwaltungsbehörde entstehende Mehraufwand bei Nichtvorhandensein des Statuts durch das Land zu tragen wäre und daher keine Rechtfertigung vorliegt, diesen Mehraufwand mit einer Regelung abzugelten, die ausschließlich zu Lasten der übrigen, auch der in anderen Bundesländern gelegenen Gemeinden gehen würde.“
Auch wenn der vorgesehene Ausgleich für die zusätzlichen Aufgaben als Bezirksverwaltungsbehörde demgemäß schon – soll er sachlich iSd VfGH-Judikatur zu § 4 F-VG sein – bei der (vertikalen) „Oberverteilung“ (§ 9 Abs. 1 FAG 2005) anzusetzen sein wird, muss an dieser Stelle klargestellt werden, dass es dadurch nicht allein zu Verschiebungen15 der Ertragsanteile zwischen den Länder- und Gemeindeblöcken kommen kann. Bedenkt man nämlich, dass der Bundesgesetzgeber „neue“ [Staats-]Aufgaben, die durch die gesellschaftlichen, sozialen, technischen, ökonomischen etc. Veränderungen einer (expliziten) Regelung bzw. Regulierung bedürfen, nunmehr fast ausschließlich im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung vollziehen lässt bzw. dass er bisherige Aufgaben der unmittelbaren Bundesverwaltung zunehmend im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung besorgen lässt, ist in diesem Zusammenhang auch die Verantwortung [und Mitbeteiligung] des Bundes „einzumahnen“.

V. Resümee
Die vorstehenden Überlegungen lassen sich in einem Satz zusammenfassen:
Die Regelungen betreffend Bedarfszuweisungen des Bundes an die Gemeinden nach § 23 Abs. 3 bzw. der die Volkszahl für Gemeinden normierende § 9 Abs. 9 FAG 200516 sowie § 9 Abs. 1 FAG 2005, soweit er die (vertikale) Oberverteilung im Verhältnis „Länder – Gemeinden – Bund“ betrifft, scheinen verfassungswidrig zu sein, weil diese Bestimmungen iSd VfGH-Erkenntnis 10.633/85 sowie iSd bisherigen Judikatur zu § 4 F-VG als unsachlich zu bezeichnen sind.

Fußnoten:
1 VfGH 30. 11. 1981, Slg 9280; 16. 10. 1985, Slg 10.633; 16. 3. 1988, Slg 11.663; 12. 10. 1990, Slg 12.505; 27. 6. 1991, Slg 12.784; 2. 10. 1991, Slg 12.832; 28. 9. 1995, Slg 14.262; 23. 1. 1997, Slg 14.721; 9. 12. 1997, Slg 15.039; 4. 12. 1999, Slg 15.681; 28. 9. 2000, Slg 15.938; 1. 3. 2002, Slg 16.458 und 13. 3. 2003, Slg 16.849.

2 Vgl. Ruppe, in Korinek/Holoubek, B-VG, § 4 F-VG, Anm 4 ff.
3 VfSlg 10.633/85, 14.262/95.
4 VfSlg 15.039/97.
5 VfSlg 10.633/85.
6 Vgl. ÖGZ 10/2004, 21, FN 23–25.
7 ÖGZ 1/2004, 42.

8 Vgl. Hüttner, Finanzausgleich: Grundlagen, Entwicklung FinanzausgleichsG 2001, in „Österreichischer Gemeindebund und Österreichischer Städtebund“ (Hrsg.), Finanzausgleich 2001 (2001) 93.

9 Dazu Taucher, ÖGZ 10/2004, 20 ff.
10 Vgl. Taucher, ÖGZ 10/2004, 21 ff.

11 Die iSd VfGH-Judikatur als rechtsstrukturelle und deshalb im Finanzausgleich als zu berücksichtigende Aufgaben (Kosten) zu qualifizieren sind.

12 Die bisher zum FAG 2005 erschienene Literatur hat diesen finanzverfassungsrechtlichen Aspekt (noch) nicht angeschnitten – vgl. Matzinger, ÖGZ 1/2005, 11 ff.; Schönbäck/Bröthaler, Zur horizontalen Verteilungsgerechtigkeit im kommunalen Finanzausgleich Österreichs, RFG 2005, 4 ff.; Pilz/Meister, Aktuelle Finanzsituation der Gemeinden und der neue Finanzausgleich, RFG 2005, 15 ff.; Pilz, Ein Gemeinde-Traum wurde Wirklichkeit, Kommunal 2005, H 3, 16 f.

13 Dornbirn mit 42.301 EW, Feldkirch mit 28.607 EW, Bregenz mit 26.752 EW, Leoben mit 25.804 EW, Wolfsberg mit 25.301 EW, Klosterneuburg mit 24.797 EW, Baden mit 24.502 EW, Traun mit 23.470 EW, Amstetten mit 22.595 EW, Kapfenberg mit 22.234 EW, Leonding mit 22.203 EW und Mödling mit 20.405 EW [Volkszählung 2001].

14 Die Z 1 und die Z 2 des § 23 Abs. 3 FAG 2005 stehen somit nach der Judikaturlinie des VfGH zu § 4 F-VG (zuletzt VfSlg 16.849/03) zueinander in einem sachlich nicht zu rechtfertigenden Widerspruch.

15 Im Hinblick darauf, dass der diesbezügliche statutarstädtebezogene „Abgeltungsbedarf“ von Bundesland zu Bundesland schwankt, in Vorarlberg ist überhaupt keiner gegeben, wäre wohl die schon in § 20 Abs. 5 FAG 2005 bzw. § 20 Abs. 5 FAG 1997 und 2001 gewählte [und bewährte] Gesetzestechnik zu präferieren.

16 § 9 Abs. 9 und § 23 Abs. 3 FAG 2005 sind als Einheit aufzufassen, wobei § 9 Abs. 9 bloß die „Grobverteilung“ vornimmt, die durch die „Feinsteuerungen“ nach § 23 Abs. 3 ergänzt wird.

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