Kommunale Versorgungsleistungen und Beihilfenrecht: Aktuelle Entwicklungen2

Kommunale Versorgungsleistungen und Beihilfenrecht: Aktuelle Entwicklungen2

Die kommunale Bilanz des Monti-Pakets fällt vorsichtig positiv aus. Die durch die Entscheidung gewährten Blockfreistellungen sind außergewöhnlich (und wohl auch unerwartet) großzügig: 30 Millionen Euro jährliche Beihilfe bei bis zu 100 Millionen Euro Umsatz sind im kommunalen Bereich von erheblicher Bedeutung und bedeuten mehr als einen „Tropfen auf dem heißen Stein“. Andererseits, und dies darf nicht unterschätzt werden, bedeuten die in der Entscheidung und im Gemeinschaftsrahmen enthaltenen Formalvoraussetzungen für die Gemeinden nicht unerhebliche Einschränkungen ihrer wirtschaftlichen Autonomie und letztlich auch neue Risikofaktoren bei der beihilfenrechtlichen Einschätzung. Jedenfalls ist die erhöhte Rechtssicherheit dennoch zu begrüßen.

 

I. Einführung
Mag auch die stetig zunehmende Bejahung des Bestehens von Ausschreibungspflichten durch den EuGH bei der Vergabe der Erbringung kommunaler Leistungen für die betroffenen Kommunen in manchen Fällen unangenehm sein,3 einen Vorteil hat die Ausschreibung für sie dann doch: Wie der EuGH vor ziemlich genau zwei Jahren in seinem Urteil in der Rs. Altmark Trans festgehalten hat, führt eine durchgeführte Ausschreibung in der Regel dazu, dass das dem Bestbieter für die erbrachte Leistung entrichtete Entgelt als Ausgleichszahlung aus dem Beihilfenregime herausfällt:4 Weder besteht dann eine Notifizierungspflicht noch muss die Zahlung von der Europäischen Kommission genehmigt werden.
Freilich erfolgen Ausgleichszahlungen für die Erbringung kommunaler Leistungen bei Weitem nicht in allen Fällen auf Grundlage einer vergaberechtlichen Ausschreibung, so dass die beihilfenrechtliche Problematik solcher Zahlungen weiterhin besteht. Jedenfalls im Grundsatz ist das Beihilfenrecht für die Kommunen bei der Finanzierung von Daseinsvorsorgeleistungen auch nach Altmark relevant, hat der EuGH doch in diesem Urteil insbesondere festgestellt, dass „weder der verhältnismäßig geringe Umfang einer Beihilfe noch die verhältnismäßig geringe Größe des begünstigten Unternehmens […] nämlich von vornherein die Möglichkeit einer Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten aus[schließt].“ Insbesondere dort, wo bereits ein grenzüberschreitender Markt für eine zu erbringende Dienstleistung besteht, kann dies dazu führen, dass auch Zahlungen in vergleichsweise geringer Höhe an kleine Unternehmen, etwa kommunale Betriebe, beihilfenrechtlich relevant sind. Dass die Finanzierung der Daseinsvorsorge durch größere Städte – zumindest grundsätzlich – beihilfenrechtlich relevant sein kann, liegt ohnedies auf der Hand.
Der jetzige Zeitpunkt erscheint aus mehreren Gründen besonders geeignet, auf diese Problematik einzugehen. Zum ersten liegt das grundlegende Urteil des EuGH in der Rechtssache Altmark Trans, wie erwähnt, fast exakt zwei Jahre zurück, so dass es lohnenswert erscheint, darzustellen, welche Entwicklung die Rechtsprechung und die beihilfenrechtliche Praxis, insbesondere die Entscheidungspraxis der Europäischen Kommission seit diesem Zeitpunkt genommen hat. Zum zweiten steht die Weiterentwicklung des beihilfenrechtlichen Rahmens derzeit ganz allgemein auf dem Prüfstand der Kommission, die einen Aktionsplan zur Reform des Rechtsrahmens im Zeitraum 2005–2009 vorgelegt hat. Und drittens hat die Kommission erst im Frühsommer 2005 eine Entscheidung über das sogenannte „Monti-Paket“ getroffen, mit dem gerade die Finanzierung kommunaler Versorgungsleistungen in naher Zukunft erhebliche Erleichterungen erfahren soll.

II. Das Beihilfenrecht zwei Jahre nach Altmark
1. Keine Fortentwicklung der Rechtsprechung seit Altmark Trans

In der Rechtssache Altmark Trans hat der EuGH am 24. Juli 2003 Folgendes entschieden:5
„Öffentliche Zuschüsse, die den Betrieb von Liniendiensten im Stadt-, Vorort- und Regionalverkehr ermöglichen sollen, fallen jedoch nicht unter diese Bestimmung, soweit sie als Ausgleich anzusehen sind, der die Gegenleistung für Leistungen darstellt, die von den begünstigten Unternehmen zur Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen erbracht werden. Für die Anwendung dieses Kriteriums hat das vorlegende Gericht zu prüfen, ob folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

- Erstens ist das begünstigte Unternehmen tatsächlich mit der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen betraut worden, und diese Verpflichtungen sind klar definiert worden;

- zweitens sind die Parameter, anhand deren der Ausgleich berechnet wird, zuvor objektiv und transparent aufgestellt worden;

- drittens geht der Ausgleich nicht über das hinaus, was erforderlich ist, um die Kosten der Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen unter Berücksichtigung der dabei erzielten Einnahmen und eines angemessenen Gewinns aus der Erfüllung dieser Verpflichtungen ganz oder teilweise zu decken;

- viertens ist die Höhe des erforderlichen Ausgleichs, wenn die Wahl des Unternehmens, das mit der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen betraut werden soll, nicht im Rahmen eines Verfahrens zur Vergabe öffentlicher Aufträge erfolgt, auf der Grundlage einer Analyse der Kosten bestimmt worden, die ein durchschnittliches, gut geführtes Unternehmen, das so angemessen mit Transportmitteln ausgestattet ist, dass es den gestellten gemeinwirtschaftlichen Anforderungen genügen kann, bei der Erfüllung der betreffenden Verpflichtungen hätte, wobei die dabei erzielten Einnahmen und ein angemessener Gewinn aus der Erfüllung dieser Verpflichtungen zu berücksichtigen sind.“

Sowohl der EuGH als auch das Gericht erster Instanz haben diese vier Kriterien seither in einigen Urteilen bestätigt und ihre (potentielle) Anwendbarkeit auch in anderen Bereichen als dem Öffentlichen Personennah- und Regionalverkehr bejaht, etwa beim Betrieb von Häfen6 oder der Zur-Verfügung-Stellung von Infrastruktur.7 Bislang ist es allerdings weder zu einer Weiterentwicklung noch zu einer Präzisierung der genannten Kriterien durch die Rechtsprechung gekommen, obwohl bereits kurz nach Fällung des Altmark-Urteils insbesondere von der Praxis das Bedürfnis nach Klarstellung kundgetan wurde.

2. Die Entscheidungspraxis der Kommission
Mangels klarstellender Rechtsprechung der Gemeinschaftsgerichte ist damit derzeit – bis zum Ergehen erster Rechtsmittelentscheidungen durch das EuG – die Entscheidungspraxis der Europäischen Kommission maßgeblich. Diese beruft sich mittlerweile regelmäßig auf die vier Altmark-Kriterien und prüft diese bei der Beurteilung staatlicher Ausgleichszahlungen vorab.8 Sie legt die Kriterien, insbesondere das zweite und das vierte, allerdings sehr streng aus, so dass sich daraus in der Praxis kaum eine Möglichkeit ergibt, dem Anwendungsbereich des Beihilfenrechts zu entkommen.

3. Art. 86 Abs. 2 EGV in seiner Anwendung auf das Beihilfenrecht
In der beihilfenrechtlichen Praxis der Kommission spielt – bislang – dann auch weniger die Altmark-Rechtsprechung als vielmehr Art. 86 Abs. 2 EGV die Rolle des entscheidenden Maßstabs für die Zulässigkeit staatlicher Zahlungen zur Finanzierung von Leistungen der Daseinsvorsorge.9 Im Unterschied zu Ausgleichszahlungen, die die Altmark-Kriterien erfüllen und damit aus dem Beihilfenbegriff herausfallen, setzt die Anwendung des Art. 86 Abs. 2 EGV im Beihilfenrecht nach Ansicht der Kommission eine Notifizierung voraus. Die Generaldirektion Wettbewerb verwendet bei der Prüfung in Anlehnung an den Wortlaut des Art. 86 Abs. 2 EGV und die Rechtsprechung des EuGH ein dreigliedriges Schema, um Beihilfen auf ihre Rechtfertigung nach der genannten primärrechtlichen (Ausnahme-)Bestimmung zu beurteilen:

- Die erbrachte Dienstleistung muss eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse sein, und sie muss vom Mitgliedstaat als solche klar definiert sein.

- Das betreffende Unternehmen muss vom Mitgliedstaat ausdrücklich mit der Erbringung der Dienstleistung betraut worden sein.

- Die Anwendung der Wettbewerbsregeln des Vertrages muss die Erbringung der Dienstleistung behindern, wobei ein Abweichen von diesen Regeln den innergemeinschaftlichen Handel nicht in einem solchen Umfang beeinträchtigen darf, dass gegen die Interessen der Gemeinschaft verstoßen wird (Verhältnismäßigkeitsprüfung).

In der Praxis gewährt die Kommission dem Mitgliedstaat bei der Festlegung, welche Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse ist,10 jedenfalls dort, wo keine sektorspezifischen Vorschriften (wie etwa der Universaldienst im Telekombereich) bestehen, ein weites Ermessen und führt eine bloße Missbrauchskontrolle durch. Alle anderen Voraussetzungen prüft sie hingegen streng. Dies betrifft insbesondere die Definition der Dienstleistung und die Beauftragung des Unternehmens, wobei der Mitgliedstaat allerdings bei der Wahl der Rechtsform, in der die Dienstleistung definiert und das Unternehmen beauftragt wird, frei bleibt: Es kommen gesetzliche Regelungen (oder solche in Verordnungsform), aber auch vertragliche Vereinbarungen (öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Art) in Frage.11 Gerade letzterer Aspekt ist für die österreichischen Kommunen von Bedeutung, verfügen sie doch in aller Regel zur Organisation ihrer Daseinsvorsorgeleistungen nur über das Instrument des privatrechtlichen Vertrages.
Bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung stellt die Kommission im Wesentlichen darauf ab, dass die zu beurteilenden Ausgleichszahlungen nicht über das erforderliche Maß (das sind die Kosten der erbrachten Dienstleistung abzüglich etwaiger Einnahmen) hinausgehen, wobei zu den Ausgleichszahlungen – dem allgemeinen Beihilfenbegriff entsprechend – auch alle sonstigen dem Unternehmen gewährten Vorteile gezählt werden. Bereits derzeit legt die Kommission zunehmend auch auf Mechanismen Wert, die eine Kontrolle der Ausgleichszahlungen sicherstellen und etwaiger Überkompensationen verhindern;12 dies wird mit dem sogleich zu besprechenden Monti-Paket verallgemeinert.

III. Das Monti-Paket
Die Genehmigung einer Beihilfe auf Grundlage von Art. 86 Abs. 2 ist langwierig und die Rechtunsicherheit für den Beihilfenzahler vorab hoch. Gleiches gilt, sollen die Altmark-Kriterien erfüllt werden. Daher kündigte die Kommission bereits im Weißbuch zu „Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“ 13 an, mehrere Rechtsakte im Bereich des Beihilfenrechts anzunehmen, um mehr Rechtssicherheit zu schaffen.
Die drei nachfolgend beschriebenen Rechtsakte wurden von der Kommission bereits Anfang 2004 vorgeschlagen und am 15. 7. 2005 angenommen. Sie gehören zu den ersten Maßnahmen im Zuge eines geplanten Pakets, mit dem das gemeinschaftliche Beihilfenrecht im Zeitraum von 2005 bis 2009 reformiert werden soll.14

1. Entscheidung über die Anwendung von Artikel 86 EGV auf staatliche Beihilfen
Die Kommission hat auf Grundlage von Art. 86 Abs. 3 EGV am 15. 7. 2004 eine „Entscheidung über die Anwendung von Artikel 86 EG-Vertrag auf staatliche Beihilfen, die bestimmten Unternehmen als Ausgleich für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse gewährt werden“, angenommen. 15 Diese Entscheidung wird auf Ausgleichszahlungen Anwendung finden, die nicht den vier Kriterien der „Altmark“-Rechtsprechung genügen und damit als Beihilfen i. S. v. Art. 87 Abs. 1 EGV zu qualifizieren sind bzw. nach Art. 86 Abs. 2 EGV zu notifizieren wären. Ausgleichszahlungen für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse im Anwendungsbereich dieser Entscheidung sind von der Notifizierungspflicht des Art. 88 Abs. 3 EGV generell befreit. Folgende Ausgleichszahlungen fallen gemäß Art. 2 der Entscheidung in den Anwendungsbereich dieser Regelung: 16

- Ausgleichszahlungen an Unternehmen für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse, die den Gesamtbetrag von 30 Mio. € pro Jahr nicht übersteigen. Voraussetzung ist jedoch, dass der Jahresumsatz des betroffenen Unternehmens vor Steuern in den beiden Rechnungsjahren vor Erbringung der Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse insgesamt weniger als 100 Mio. € betrug.

- Ausgleichszahlungen an Krankenhäuser und im sozialen Wohnungsbau tätige Unternehmen. Die Gesamtsumme der Beihilfen spielt keine Rolle. Voraussetzung ist, dass die Tätigkeit vom jeweiligen Mitgliedsstaat als Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse eingestuft wird.

- Ausgleichszahlungen für Flug- oder Schiffsverbindungen zu Inseln. Dies gilt, wenn das jährliche Fahrgastaufkommen in einem Zweijahreszeitraum vor der Betrauung, die Zahl von 300.000 (Seeverkehrshäfen) und 1.000.000 (Flughäfen) nicht überstieg.

- Ausgleichszahlungen an Kreditanstalten von unter 100 Mio. € pro Jahr. Die Bilanzsumme des Kreditinstituts muss jedoch unter 800 Mio. € liegen.

Allerdings knüpft die Entscheidung die Ausnahme von der Notifizierungspflicht an eine Reihe strenger Voraussetzungen, insbesondere was den Betrauungsakt und die Überwachung der Abwicklung der Ausgleichszahlungen betrifft:

- Es muss ein tauglicher Betrauungsakt17 vorliegen, aus dem die Art und Dauer der Gemeinwohlverpflichtung (lit. a), das beauftragte Unternehmen sowie der geographische Geltungsbereich (lit. b) und letztlich die Art und Dauer der dem Unternehmen gegebenenfalls gewährten ausschließlichen oder besonderen Rechte hervorgehen (lit. c).

- Die Parameter für die Berechnung, die Überwachung und die Änderung der Ausgleichszahlung müssen aus dem Betrauungsakt ersichtlich sein (lit. d).

- Es müssen Vorkehrungen getroffen sein, damit keine Überkompensierung entsteht bzw. etwaige überhöhte Ausgleichszahlungen zurückgezahlt werden können. Dies muss ebenfalls aus dem Betrauungsakt hervorgehen (lit. e).

- Die Ausgleichszahlung darf nicht über die Kosten der Erfüllung der Gemeinwohlverpflichtung (inklusive einer angemessenen Rendite) hinausgehen (Art. 5 der Entscheidung trifft hierzu ausführliche Vorgaben)18.

Art. 6 der Entscheidung sieht vor, dass die Mitgliedstaaten Kontrollen durchführen, um Überkompensationen zu vermeiden und gegebenenfalls Mittel zurückfordern sowie die Ausgleichsparameter anpassen.19 Art. 7 und 8 regeln die Vorhaltung von Unterlagen und Berichtspflichten der Mitgliedstaaten.
Art. 4 lit. c, d und e der Entscheidung sowie ihr Art. 6 sollen erst ab 15. 7. 2006 (also ein Jahr nach der Annahme der Entscheidung) anwendbar sein. Da diese Bestimmungen konkrete Anforderungen an den Betrauungsakt und die Überwachung normieren, soll die Frist den Mitgliedstaaten ausreichend Vorbereitungszeit dafür gewähren. Nach dieser „Übergangsphase“ wird die Entscheidung ohne Abweichungen anzuwenden sein.

2. Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen als Ausgleichszahlungen
Ausgleichszahlungen, die weder den vier Kriterien der „Altmark“-Rechtsprechung vollständig genügen noch die Voraussetzungen der oben dargestellten Entscheidung der Kommission erfüllen, können auf Grundlage des Gemeinschaftsrahmens mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt werden. Beihilfen, die diesem Gemeinschaftsrahmen20 unterliegen, müssen jedoch bei der Kommission gem. Art. 88 Abs. 3 EGV vor ihrer Gewährung notifiziert werden. Der Gemeinschaftsrahmen soll bis zum 15. 7. 2011 gelten. Die Beihilfe genügt nur dann den Anforderungen, wenn ein Betrauungsakt vorliegt, aus dem hervorgeht:

- das betraute Unternehmen;
- die genaue Art der zu erfüllenden Gemeinwohlverpflichtung;

- der geographische Geltungsbereich;
- die Art der den Unternehmen gegebenenfalls gewährten ausschließlichen oder besonderen Rechte sowie

- die Parameter für die Berechnung, Überwachung und etwaige Änderung der Ausgleichszahlung.

Wie die Entscheidung schreibt auch der Gemeinschaftsrahmen eine mitgliedstaatliche Kontrolle vor, um Überkompensation zu vermeiden und gegebenenfalls überhöhte Ausgleichszahlungen zurückzufordern. Der wesentliche Unterschied zum Anwendungsbereich der Entscheidung liegt beim Gemeinschaftsrahmen also darin, dass bei Anwendung des letzteren die Beihilfe zu notifizieren ist und von der Kommission geprüft wird. Eigenständiger Anwendungsbereich für Art. 86 Abs. 2 EGV besteht in beiden Fällen nicht mehr, auch wenn rechtlich gesehen zumindest der Gemeinschaftsrahmen eine bloße Auslegung der primärrechtlichen Bestimmung zum Inhalt hat.

3. Änderung der Transparenzrichtlinie
Als Ergänzung der Entscheidung und des Gemeinschaftsrahmens sieht das Paket auch eine Änderung der ebenfalls auf Grundlage von Art. 86 Abs. 3 EGV erlassenen so genannten „Transparenzrichtlinie“ 80/723/EWG21 vor.22
In ihrer geltenden Fassung beinhaltet diese Richtlinie unter anderem für öffentliche Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sind und dafür staatliche Beihilfen erhalten und die in verschiedenen Geschäftsbereichen tätig sind, zum Zwecke der Sicherung der Transparenz und der Vermeidung von Quersubventionen, die Verpflichtung zur getrennten Buchführung.
Nach der Änderung gilt dies für alle mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraute öffentliche Unternehmen, die für diese Dienstleistungen staatliche Ausgleichszahlungen erhalten – also unabhängig davon, ob diese Zahlungen als Beihilfen iSd Art. 87 EGV zu qualifizieren sind oder aufgrund der Erfüllung der Altmark-Kriterien aus dem Beihilfenbegriff herausfallen.23

4. Zusammenfassung des Standes der Rechtslage nach Inkrafttreten des Monti-Pakets
Siehe ÖGZ 9/2005!

IV. Fazit und Bewertung
Das Monti-Paket stellt zum einen eine Privilegierung von Beihilfen dar, die zum Ausgleich der Kosten von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse dienen.
Zum anderen bedeutet es aber auch eine Verschärfung der Formalanforderungen an solche Beihilfen und schränkt die durch den Art. 86 Abs. 2 gewährten Beurteilungsspielräume – wohl durchaus bewusst – ein. Wie die Erfahrung zeigt, führen darüber hinaus gerade auch verschärfte Transparenzanforderungen zur Erhöhung der Wirksamkeit der Beihilfenkontrollen durch die Kommission.
Die Bilanz für die Kommunen fällt vorsichtig positiv aus. Die durch die Entscheidung gewährten Blockfreistellungen sind außergewöhnlich (und wohl auch unerwartet) großzügig: 30 Mio. E jährliche Beihilfe bei bis zu 100 Mio. E Umsatz sind im kommunalen Bereich von erheblicher Bedeutung und bedeuten mehr als einen „Tropfen auf dem heißen Stein“.
Andererseits, und dies darf nicht unterschätzt werden, bedeuten die in der Entscheidung und im Gemeinschaftsrahmen enthaltenen Formalvoraussetzungen für die Gemeinden nicht unerhebliche Einschränkungen ihrer wirtschaftlichen Autonomie und letztlich auch neue Risikofaktoren bei der beihilfenrechtlichen Einschätzung. Letztlich ist die erhöhte Rechtssicherheit dennoch zu begrüßen; hingewiesen muss aber darauf werden, dass in der Anwendung des Art. 86 Abs. 2 EGV auf Beihilfen bislang kaum Rechtsprechung der Gemeinschaftsgerichte vorliegt, so dass die „Weichen“ in diesem Bereich noch nicht endgültig „gestellt“ zu sein scheinen.

Fußnoten:
1 Martin Loga war von April bis Juli 2005 beim Österreichischen Städtebund in Wien als Praktikant tätig.

2 Überarbeitete und erweiterte Version eines Vortrags, den der Erstverfasser anlässlich der vom Österreichischen Städtebund gemeinsam mit Haslinger, Nagele und Partner veranstalteten Tagung „In-house-Vergabe“ am 20. Juni 2005 im Wiener Rathaus gehalten hat.

3 Siehe dazu die anderen Beiträge in dieser Ausgabe zu vergaberechtlichen Fragestellungen.

4 Siehe das „vierte Altmark-Kriterium“ des EuGH. Zwar wird von mancher Seite darauf hingewiesen, dass der Zusammenhang „durchgeführte Ausschreibung = Entgelt ist keine Beihilfe“ kein automatischer ist, dennoch scheint das beihilfenrechtliche Risiko bei durchgeführtem Vergabe- oder sonstigem Ausschreibungsverfahren vergleichsweise gering zu sein.

5 EuGH, C-280/00, Altmark Trans, Slg. 2003, I-07747, RdZ 88 ff.

6 EuGH, 27. 11. 2003, Rs C-34/01 u. a., Enirisorse, RdZ 31 ff. (noch nicht in amtlicher Sammlung).

7 EuG, 16. 9. 2004, T-274/01, Rs Valmont, RdZ 131 (noch nicht in amtlicher Sammlung).

8 Siehe etwa die Entscheidung der Kommission vom 20. 10. 2004, 2005/351/EG, zu einer spanischen Beihilfe zugunsten einer Fluglinie, RdZ 59 ff.; Entscheidung der Kommission vom 19. 5. 2004, TV2 – Dänemark C (2004) 1814 endg., RdZ 70 f. (siehe dazu auch die Pressemitteilung vom 19. 5. 2004, IP/04/666 sowie die Klagen Dänemarks und von TV2 beim EuG, ABl C 262 v. 23. 10. 2004, S. 43 ff.).

9 Über Altmark hinausgehende Ausnahmen vom Beihilfenrecht kommen den Daseinsvorsorge finanzierenden Kommunen nur in folgenden Fällen zugute:
– Beihilfen, die unter die De-minimis-Grenzen fallen (Verordnung (EG) Nr. 69/2001 der Kommission v. 12. 1. 2001 über die Anwendung der Art. 87 und 88 EGV auf „De-minimis“-Beihilfen, ABl. Nr. L 10 v. 13. 1. 2001, S. 30),
– Beihilfen an Klein- und Mittelbetriebe aufgrund der KMU-Verordnung, wobei als KMU von Gebietskörperschaften kontrollierte Unternehmen nur dann gelten, wenn diese weniger als 5000 Einwohner und einen Jahreshaushalt von weniger als 10 Mio. E aufweisen (Verordnung (EG) Nr. 70/2001 der Kommission vom 12. 1. 2001 über die Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag auf staatliche Beihilfen an kleine und mittlere Unternehmen, ABl L 10 v. 13. 1. 2001, S. 33; beachte auch Art. 3 Abs. 4 der Empfehlung der Kommission 2003/361/EG vom 6. 5. 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen, ABl L 124 v. 20. 5. 2003, S. 36).

10 Zum Begriff der Dienstleistung von allgemeinem Interesse vgl. z. B. Koenig/Kühlung, Art. 86, in: Streinz, EUV/EGV, RdZ 43 ff., sowie Hochbaum, Artikel 86, in: Schröter/Jacob/ Mederer, Kommentar zum europäischen Wettbewerbsrecht, RdZ 49 ff.

11 Die Frage, ob auch privatrechtliche Verträge für die Zwecke des Art. 86 Abs. 2 EGV ausreichen, wurde in der deutschsprachigen Literatur in der Vergangenheit häufig thematisiert und zum Teil verneint (vgl. dazu etwa Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge und gemeindliche Selbstverwaltung, 115 f. mwN). Im Sinne der Rechtssicherheit und vor allem der gemeinschaftsrechtlichen Neutralität gegenüber mitgliedsstaatlichen Rechtsformen ist die Flexibilität der Kommission – ausgedrückt bereits in der Mitteilung zu Leistungen der Daseinsvorsorge, ABl C 17 v. 19. 1. 2001, S. 4 – in dieser Frage aber zu begrüßen und auch rechtlich zutreffend.

12 Insbesondere in den zur Zeit laufenden Verfahren zur Überprüfung der Finanzierung öffentlicher Rundfunkanstalten. Vgl. etwa die Pressemitteilung der Kommission zu Verfahren gegen Deutschland, Irland und die Niederlande, IP/05/250 v. 3. 3. 2005.

13 Mitteilung der Kommission – Weißbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, KOM (2004) 374 endg. v. 12. 5. 2004. Das Weißbuch kann unter der Internetadresse europa.eu.int/comm/secretariat_general/services_general_interest/index_de.htm aufgerufen werden.

14 Siehe hierzu den „Aktionsplan staatliche Beihilfen – Roadmap zur Reform des Beihilferechts 2005–2009“ (Konsultationspapier), abrufbar unter: europa.eu.int/comm/competition/state_aid/others/action_plan/.

15 Die Entscheidung war zum Zeitpunkt des Verfassens des Beitrags noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht. Sie ist unter europa.eu.int/comm/competition/state_aid/others/action_plan/sgei_art86_de.pdf zu finden.

16 Die Kommission geht davon aus, dass Ausgleichszahlungen, die die Kriterien der Entscheidung erfüllen, die Entwicklung des innergemeinschaftlichen Handelsverkehrs nicht nennenswert beeinträchtigen (Erwägungsgrund 14 der Entscheidung).

17 Die Rechtsform des Betrauungsaktes „kann von den Mitgliedsstaaten frei gewählt werden“ (Art. 4 2. Satz der Entscheidung).

18 So ist eine angemessene Rendite für das Unternehmen ebenso zu berücksichtigen wie Einnahmen aus der erbrachten Dienstleistung und Gewinne aus Dienstleistungen, für die dem Unternehmen besondere oder ausschließliche Rechte gewährt wurden.

19 Überkompensationen bis zu 10% der jährlichen Ausgleichszahlung dürfen auf die nächste Ausgleichsperiode angerechnet werden.

20 Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen, die als Ausgleich für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen gewährt werden. Noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht. Der Gemeinschaftsrahmen kann unter
europa.eu.int/comm/competition/state_aid/others/action_plan/sgei_encadrement_de.pdf aufgerufen werden.

21 Richtlinie der Kommission zur Änderung der Richtlinie 80/723/EWG der Kommission über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedsstaaten und den öffentlichen Unternehmen. Noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht. Einzusehen unter
europa.eu.int/comm/competition/state_aid/others/action_plan/sgei_directive_de.pdf

22 Die Transparenzrichtlinie wurde, insoweit sie für Gemeinden Gültigkeit hätte, bislang in Österreich soweit ersichtlich nicht umgesetzt.

23 Die derzeit abrufbare deutsche Fassung dieser Änderungsrichtlinie weist einen Übersetzungsfehler auf, verlangt sie doch im Gegensatz zur geltenden Fassung in Zukunft für die Anwendbarkeit der Pflicht zur getrennten Buchführung, dass das öffentliche Unternehmen ein besonderes oder ausschließliches Recht innehat und (statt oder) mit einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut ist. Der Wortlaut widerspricht eindeutig dem Sinn der Regelung und im Übrigen auch der englischsprachigen Fassung der Änderungsrichtlinie.

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