„Kräfte bündeln statt Kirchturmdenken“*

„Kräfte bündeln statt Kirchturmdenken“*

Das Thema der Gemeindekooperationen rückt verstärkt in den Blickpunkt des öffentlichen Interesses.1 Neben den traditionellen Kooperationsfeldern wie Wasserversorgung, Abwasserbeseitigung, Abfallbeseitigung oder Betriebsansiedlungen werden in der aktuellen Diskussion häufig auch verwaltungsinterne Serviceleistungen als potenzielle Bereiche für eine IKZ genannt. Für die im Verein U.WE – Urfahr West zusammengeschlossenen Gemeinden war die Konzeption und Umsetzung einer interkommunalen Zusammenarbeit im Bereich Gemeindeverwaltung und Bauhof der Arbeitsschwerpunkt des vergangenen Jahres.

 

Aktuelle Trends
Unter interkommunaler Zusammenarbeit (IKZ) wird im Folgenden die Kooperation von zwei oder mehreren Gemeinden zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben verstanden.
Die Gestaltungsformen für eine interkommunale Zusammenarbeit sind dabei vielfältig, sie reichen von einer informellen Kooperation über eine Zusammenarbeit auf vertraglicher Basis bis zur Gründung von öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Gesellschaften. Gerade für mittlere und kleinere Gemeinden kann eine interkommunale Zusammenarbeit eine sinnvolle Ergänzung der nach dem Konzept des New Public Management durchgeführten Modernisierungsaktivitäten in den Gemeindeverwaltungen sein.
Im Prinzip ist interkommunale Zusammenarbeit für Österreichs Gemeinden nichts Neues. Insbesondere im Bereich der Ver- und Entsorgung weiß man schon seit langem, dass durch eine geschickte Zusammenarbeit die Wirtschaftlichkeit der Leistungserstellung verbessert und Ressourcen eingespart bzw. auch Maßnahmen erst in Angriff genommen werden können, die ansonsten die Leistungskraft einer einzelnen Kommune übersteigen würden.
Neu ist dagegen, dass neben den traditionellen Kooperationsfeldern auch eine gezielte Zusammenarbeit bei behördlichen Dienstleistungen (z. B. Baurecht) oder bei verwaltungsinternen Serviceleistungen wie etwa Buchhaltung, Personalverwaltung und Personalverrechnung, Rechtsbereiche oder EDV als Ansatzpunkt gesehen wird, die Wirtschaftlichkeit der kommunalen Leistungserstellung zu verbessern und Ressourcen einzusparen.
Trotz der unbestrittenen Vorteile steckt die Umsetzung interkommunaler Zusammenarbeit in diesen Bereichen in Österreich noch in den „Kinderschuhen“, ausreichende Information über Vorteile und Nutzen derartiger Kooperationen spielt eine große Rolle, erfolgreichen Pilotprojekten kommt eine wichtige Vorbildfunktion zu.

Der Verein U.WE – Region Urfahr West
Unter dem gemeinsamen Dach U.WE – Region Urfahr West arbeiten die neun Gemeinden Eidenberg, Goldwörth, Gramastetten, Herzogsdorf, Lichtenberg, Ottensheim, Puchenau, St. Gotthard und Walding mit insgesamt rund 30.000 Einwohnern zusammen. Ziel dieses Ende 2002 gegründeten Vereins ist es, die Lebensqualität in der Region nachhaltig zu sichern sowie durch eine verstärkte Zusammenarbeit ihrer Mitgliedsgemeinden Synergien zu nutzen. Erste Aktivitäten des Vereins waren gemeinsame Messeauftritte und eine werbliche Unterstützung der regionalen Direktvermarkter landwirtschaftlicher Produkte.
Der Arbeitsschwerpunkt im Jahr 2004 war die Konzeption und Umsetzung einer interkommunalen Zusammenarbeit im Bereich Gemeindeverwaltung und Bauhof.

Kooperationen partnerschaftlich entwickeln
Kooperationen zwischen Gemeinden können sich nur auf freiwilliger Basis erfolgreich entwickeln2, sie setzen Vertrauen zwischen den Beteiligten voraus und die Überzeugung, dass eine Kooperation allen beteiligten Partnern Nutzen bringt. Eine Vorgehensweise, die zunächst in ausgewählten Leistungsbereichen die Zusammenarbeit erprobt und dann schrittweise die Kooperationsfelder ausbaut, scheint erfolgversprechender als der „große Wurf“.
Entsprechend diesen grundsätzlichen Überlegungen erfolgten Konzepterstellung und Umsetzung der interkommunalen Zusammenarbeit in den U.WE-Gemeinden.
Das Projekt „Interkommunale Zusammenarbeit im Bereich Gemeindeverwaltung und Bauhof“ wurde im April 2004 mit einem Workshop mit den Bürgermeistern und Amtsleitern aller neun U.WE-Gemeinden gestartet. Unter dem Motto „Kräfte bündeln statt Kirchturmdenken“ wurden eine gemeinsame Sichtweise und der Nutzen für die beteiligten Gemeinden erarbeitet sowie Rahmenbedingungen definiert, die bei der Umsetzung zu beachten sind.
Gemeinsam wurden zunächst zwölf Aufgabenfelder bzw. Themen erarbeitet, bei denen aus der Sicht der teilnehmenden Gemeinden eine Kooperation sinnvoll ist und letztendlich folgende drei Bereiche festgelegt, für die vorrangig die Grundlagen für eine interkommunale Zusammenarbeit erarbeitet werden sollten:3

- Fahrzeug-/Gerätepool Bauhof;
- gemeinsamer Einkauf bzw. Beschaffung;
- Personalverwaltung und -verrechnung.

Von einer Zusammenarbeit in diesen drei Bereichen erwarten sich die politischen und administrativen Entscheidungsträger der U.WE-Gemeinden eine Effizienzsteigerung, eine bessere Auslastung der vorhandenen – personellen und maschinellen – Ressourcen und durch die Erschließung neuer Kooperationsfelder auch eine Stärkung des Zusammengehörigkeitsgefühls der Region. Vermieden werden sollte jedenfalls zusätzlicher administrativer Aufwand und ein Verlust an Leistungsqualität.
In Arbeitsgruppen aus Vertretern der Politik und zuständigen Sachbearbeitern aus den Gemeinden wurden anschließend die konzeptionellen Grundlagen für eine Kooperation in den vereinbarten Aufgabenfeldern erarbeitet.

Fahrzeug-/Gerätepool Bauhof
Im Rahmen dieses Teilprojekts wurden sämtliche Fahrzeuge und Maschinen hinsichtlich ihrer Eignung für eine Nutzung durch die anderen Gemeinden bewertet. Das Ergebnis war eine Aufstellung sämtlicher sogenannter „Poolfahrzeuge/-geräte“ mit allen für eine Vermietung erforderlichen Informationen wie Beschreibung der Fahrzeuge und Geräte, Kosten der Vermietung, Ansprechpartner und Hinweis darauf, ob die Anmietung ohne oder nur mit Personal möglich ist.
Der Fahrzeug- bzw. Gerätepool umfasst derzeit insgesamt zehn Fahrzeuge (vom Unimog bis zum Traktor) und rund 25 Maschinen (vom Schneestangensetzgerät bis zum Vertikutiergerät), die prinzipiell auch anderen U.WE-Gemeinden zur Verfügung gestellt werden können. Neben Fahrzeugen und Maschinen stellt eine Gemeinde auch ihre Tischler- und Schlosserwerkstätte samt Facharbeiter für einschlägige Arbeiten für andere Gemeinden zur Verfügung.
Auf Grundlage dieser Daten können die Mitgliedsgemeinden Fahrzeuge und Geräte ausleihen. In der Praxis erfolgt dies mittels mündlicher Vereinbarung zwischen den jeweiligen Bauhofleitern. Die Kosten für die Vermietung werden entsprechend den festgelegten Verrechnungssätzen in Rechnung gestellt.
Die wechselseitige Ausleihung von Fahrzeugen und Geräten, die früher nur sporadisch erfolgt war, hat sich durch dieses Projekt wesentlich intensiviert.

Gemeinsamer Einkauf/Beschaffung
Bei diesem Teilprojekt wurden zunächst anhand ausgewählter Produkte und Dienstleistungen (Streusalz, Splitt, Heizöl, Wasserzähler, Strom, Mechanikerstunden für Fahrzeuge und Büromaterialien) Einkaufskonditionen und Einkaufspreise erhoben. Bei einzelnen Produkten zeigten sich dabei beachtliche Unterschiede, im Extremfall betrugen die Unterschiede zwischen Höchst- und Tiefstpreis über 25%.
Die Ergebnisse dieses partiellen Preisvergleichs wurden den beteiligten Gemeinden zur Verfügung gestellt und von diesen in einer ersten Phase zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit ihrer Beschaffungsaktivitäten genutzt. Weitergehende Überlegungen in Richtung einer gemeinsamen Einkaufsplattform sind für die Zukunft geplant.

Personalverwaltung
Die Personalverwaltung und -verrechnung stellt für Gemeinden aufgrund der komplexen und sich häufig ändernden rechtlichen Grundlagen einen großen Aufgabenbereich dar,4 der beträchtliche personelle Ressourcen bindet. In den neun U.WE-Gemeinden erfordern die Personalverwaltung für insgesamt 275 Mitarbeiter/innen und die Durchführung von rund 700 Abrechnungen pro Jahr einen Zeitaufwand von fast 9.000 Jahresarbeitsstunden.
In einem ersten Schritt in Richtung gemeinsamer Leistungserstellung sollen das in einzelnen Gemeinden vorhandene Know-how verstärkt genutzt und Kompetenzzentren entwickelt werden.
Die ersten U.WE-Gemeinden, die das Konzept umsetzen, sind Gramastetten und Eidenberg.5 Die Gemeinde Gramastetten hat rund 4.600 Einwohner und beschäftigt insgesamt 60 Mitarbeiter/
-innen, davon 13 in der Verwaltung, die Nachbargemeinde Eidenberg hat 1.900 Einwohner und beschäftigt 16 Mitarbeiter/innen, davon 3,5 in der Verwaltung.
Gramastetten wird alle Angelegenheiten des Dienstrechts für sämtliche Mitarbeiter/innen der Nachbargemeinde Eidenberg wahrnehmen sowie die Lohn- bzw. Gehaltsverrechnung für die Mitarbeiter/innen und Mandatare durchführen. Die von den beiden Gemeinden durchgeführten Detailanalysen zeigen, dass größere Gemeinden hier einen komparativen Kostenvorteil haben, da sie spezialisierte Mitarbeiter/innen einsetzen können, während bei kleineren Gemeinden derartige Aufgabenbereiche neben anderen Sachbereichen zu erledigen sind. Im gegenständlichen Beispiel beträgt der Kostenvorteil über 10%.6
Die Grundlage für diese Zusammenarbeit bildet eine vertragliche Regelung zwischen den beiden Gemeinden. Dieser Vertrag regelt auch im Detail die Aufgabenaufteilung zwischen den beiden Gemeinden. Es wurden insgesamt 27 Einzelaufgaben im Bereich Personalverwaltung und -verrechnung definiert und festgelegt, welche davon von der Gemeinde Gramastetten übernommen werden können bzw. welche beim Empfänger dieser Dienstleistungen verbleiben sollen (siehe Übersichtstabelle). Die Abrechnung wird zu einem ebenfalls vertraglich vereinbarten Fixpreis pro Mitarbeiter/in und Abrechnung erfolgen. Gestartet wird mit Beginn kommenden Jahres, nach einem Probejahr werden Zeitaufwand und Verrechnungssatz evaluiert.
Der konkrete Nutzen für die beiden beteiligten Gemeinden: Die frei werdenden Personalressourcen bei der Gemeinde Eidenberg können verstärkt im Bürgerservice und für andere Aufgaben genutzt werden, die Dienstleistergemeinde Gramastetten kann durch die speziell geschulten Mitarbeiter/innen Beratungen und Informationen noch effizienter anbieten. Die Beteiligung weiterer Gemeinden ist in Vorbereitung.
Dieses Teilprojekt wurde von den Mitarbeiter/innen beider Gemeinden mitgetragen, die Bürgermeister und Amtsleiter haben es von Beginn weg unterstützt und damit gezeigt, wie überholtes Kirchturmdenken durch unkonventionelle neue Lösungsansätze ersetzt werden kann.

Resümee und Ausblick
Gemeinden nehmen zum Thema interkommunale Zusammenarbeit vielfach eine ambivalente Haltung ein. Die wirtschaftlichen Potenziale und auch die Möglichkeiten zur Verbesserung der Qualität der Leistungen durch arbeitsteilige Aufgabenerledigung und durch gemeinsame Nutzung von Ressourcen werden anerkannt. Dem steht jedoch auf der anderen Seite eine weit verbreitete Skepsis, insbesondere bei neuen Feldern einer Kooperation entgegen. Als Gründe werden der Verlust an Gestaltungsfreiheit für die einzelne Gemeinde, ein zusätzlicher administrativer Aufwand und die Angst vor Übervorteilung – vor allem in Partnerschaften mit größeren Gemeinden – genannt.
Mit diesem Projekt wird erstmals in Oberösterreich eine interkommunale Zusammenarbeit bei verwaltungsinternen Serviceleistungen umgesetzt. Das Projekt kann aber nicht nur Vorbild sein für neue Themen für eine interkommunale Zusammenarbeit, sondern ist auch ein positives Beispiel, wie innovative Konzepte für eine die Gemeindegrenzen übergreifende Zusammenarbeit partnerschaftlich entwickelt werden können. Es zeigt, wie die unbestrittenen Kosten- und Qualitätsvorteile für die beteiligten Gemeinden genutzt werden können ohne deren Eigenständigkeit zu beschränken und wie gleichzeitig interkommunale Zusammenarbeit einfach und unbürokratisch umgesetzt werden kann.
Die Lernerfahrungen aus diesem Projekt haben das Vertrauen unter den beteiligten Partnergemeinden gefördert. Die persönlichen Kontakte und der Informationsaustausch zwischen den Gemeinden haben sich intensiviert. Weitere Kooperationsprojekte wurden zwischenzeitlich bereits umgesetzt. So wird mit einem Immobilienatlas mit Informationen über freie Gewerbeimmobilien gemeinsam für Betriebsansiedlungen in der Region geworben und für kommendes Jahr ist ein gemeinsamer Sommerkindergarten geplant.
Das Land Oberösterreich hat dieses Projekt als beispielgebend bewertet und die Entwicklungskosten für Konzepterstellung und Prozessbegleitung gefördert. Die Wirtschaftskammer Oberösterreich hat das Projekt mit dem Komprix 2005, dem Preis für herausragende Leistungen im kommunalen Management, ausgezeichnet.

Fußnoten:
* Die Autoren danken Frau Mag. Bargfrieder für Anregungen und Informationen, insbesondere zur interkommunalen Zusammenarbeit im Bereich Personalverwaltung und -verrechnung.

1 Die zunehmende Bedeutung dieses Reformfeldes unterstreicht auch die Tatsache, dass interkommunale Zusammenarbeit einen der thematischen Schwerpunkte des Österreichischen Städtetages im Mai 2004 bildete.

2 In der aktuellen Diskussion und wohl auch vor dem Hintergrund der eher zögerlichen Ausweitung der interkommunalen Zusammenarbeit wird aber auch auf die Grenzen einer ausschließlich auf Freiwilligkeit basierenden Umsetzungsstrategie hingewiesen (Biwald, Interkommunale Zusammenarbeit – Nachlese zum Österreichischen Städtetag 2004, in: ÖGZ 8/2004 und Wirth, Interkommunale Zusammenarbeit aus dem Blickwinkel des Good Governance in: Forum Public Management 3/2005).

3 Als weitere Aufgabenbereiche für eine interkommunale Zusammenarbeit wurden u. a. genannt: Winterdienst, Pflege der Außenanlagen, EDV-Betreuung.

4 So haben Gemeinden etwa äußerst differenzierte Bestimmungen im Sozialversicherungsrecht zu beachten und mit insgesamt vier verschiedenen Kranken- und Pensionsversicherungsträgern zu tun.

5 Interkommunale Zusammenarbeit im Bereich Personalverwaltung und -verrechnung wird bereits mit Erfolg in Vorarlberg umgesetzt, wobei hier größere Gemeinden wie etwa Bludenz, Bregenz oder Dornbirn für ihre kleineren Nachbargemeinden diesen Aufgabenbereich mit erledigen (telefonische Auskunft von Herrn Dr. Müller, Vorarlberger Gemeindeverband).

6 Interne Unterlagen der Gemeinden Gramastetten und Eidenberg bzw. telefonische Auskunft von Mag. Christine Bargfrieder. Für nähere Informationen zu diesem Projekt wenden Sie sich bitte an: Mag. Christine Bargfrieder, Leiterin Personalabteilung Gemeinde Gramastetten (Tel.: +43(0)7239/8155-29, christine.bargfrieder@gramastetten.ooe.gv.at) und Manfred Reiter, Amtsleiter Gemeinde Eidenberg (Tel.: +43(0)7239/5055, reiter@eidenberg.ooe.gv.at).

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