Interkommunale Zusammenarbeit (IKZ) – ein Erfolgsfaktor für E-Government

Interkommunale Zusammenarbeit (IKZ) – ein Erfolgsfaktor für E-Government

In Zeiten immer knapperer Budgets in den Städten und Gemeinden stehen Themen wie „Interkommunale Zusammenarbeit (IKZ)“, die ein gewisses Maß an Einsparungspotenzial versprechen, hoch im Kurs. Während in den traditionellen Verwaltungsbereichen verschiedene Modelle der Zusammenarbeit bereits mehr oder weniger erprobt sind, fällt E-Government als sehr junges Kooperationsfeld auf weitgehend unbeackerten Boden. Mit diesem Beitrag soll daher aufgezeigt werden, dass und in welcher Form E-Government für gemeinsame, verwaltungsübergreifende Projekte geeignet ist.

 

Nunmehr bereits seit mehreren Jahren prägt E-Government die Verwaltungsreformdebatte. Im Rahmen der österreichischen E-Government-Strategie, die unter dem Akronym „e-Austria“ firmierte, wurde erstmals versucht, einen kompletten Themenkomplex kooperativ über alle Hierarchieebenen der Verwaltung hinweg zu entwickeln. Koordiniert durch eine im Bundeskanzleramt angesiedelte Stabsstelle fand in inhaltlichen Arbeitsgruppen, die mit Experten aus Bund, Ländern und Gemeinden besetzt waren, Entwicklungsarbeit statt, während die übergeordnete Koordination auf administrativer Ebene im sogenannten „e-cooperation-board“ und auf politischer Ebene im Rahmen der „E-Government-Plattform“ erfolgte. Nachdem die Initiative „e-Austria“ mit 2005 zu Ende geht, erfolgte in den letzten Wochen auf Bundesebene eine Neupositionierung der E-Government-Strategie (siehe auch ausführlicher Bericht im Magazin-Teil dieser Ausgabe). Grundtenor dieser Neuausrichtung ist jedenfalls eine Beibehaltung des bewährten kooperativen Ansatzes vor dem Hintergrund neuer inhaltlicher Schwerpunkte.

Enge Verbindung von E-Government und IKZ
Interkommunale Zusammenarbeit und E-Government waren von je her eng miteinander verbunden: In der Anfangsphase, als von Interaktion und durchgängigen Verfahren erst ansatzweise die Rede war, galt es, das Informationsangebot der öffentlichen Verwaltung abzustimmen bzw. kundenfreundlich aufzubereiten. Hier leistete der Bund mit help.gv wesentliche Pionierarbeit, indem Vertreter aller Verwaltungsebenen in den sogenannten „help-Beirat“ zur Abstimmung eingeladen wurden. Aber auch mit der weiterführenden Initiative „amtsweg online“, die darauf abzielt, abgestimmte Formulare elektronisch abzubilden und zentral bereitzustellen, wurde der Kooperationsgedanke in die Gebietskörperschaften getragen. Nicht zuletzt wurde help.gv für dieses Engagement auch mit dem europäischen E-Government-Award ausgezeichnet.
Schlagworte der Verwaltungsmodernisierung wie das „One-Stop-Shop-Prinzip“, welches Anbringen an die Verwaltung unabhängig von Zuständigkeiten sieht, oder die Vision eines „Single Sign On“, welche im Prinzip eine einzige Authentifizierung gegenüber allen Behörden bedeutet und in Form der Bürgerkarte als grundsätzlich umgesetzt gelten kann, wären ohne entsprechende Abstimmung oder Zusammenarbeit zwischen den Gebietskörperschaften leere Worthülsen.
Ein wesentlicher Charakterzug von E-Government ist aber auch der verwaltungsübergreifende Austausch von Informationen und Daten zwecks Vermeidung mehrfacher Datenerfassung sowie zur Beschleunigung von Verfahren. Dies setzt jedoch die Einhaltung bzw. Einführung bestimmter Standards voraus. Somit war eine der ersten Entwicklungsphasen von einer Analyse bzw. einem wechselseitigen Abgleich der Verwaltungsstrukturen und -regelungen geprägt (z. B. auf Ebene der Länder), was teilweise erhebliche Unterschiede zu Tage brachte.

Kooperation Bund – Länder – Gemeinden
Der Versuch, beispielsweise einen Leistungskatalog für die öffentliche Verwaltung zu erstellen, blieb lange Zeit auf der obersten Gruppierungsebene stehen. Als weiterer Effekt der Zusammenarbeit trat darüber hinaus relativ rasch die Erkenntnis ein, dass für eine österreichweite Kooperation auf elektronischer Ebene bestimmte Rahmenvorgaben notwendig sind. Dazu zählt beispielsweise die Entwicklung einer eindeutigen Behördenkennung, die bisher im kommunalen Bereich zwar in Form der Gemeindekennzahl, nicht jedoch über alle Ebenen der öffentlichen Verwaltung hinweg existierte. Weitere Beispiele in diesem Umfeld wären die Festlegung einheitlicher gv.at-Domänennamen oder die Definition von Lebenssituationen. Alle genannten Empfehlungen wurden kooperativ im Rahmen des Bund-Länder-Gemeinden-Arbeitskreises erarbeitet.

Problem der Masse von 2.358 Gemeinden
Während eine Zusammenarbeit auf Bundes- und Landesebene noch relativ einfach koordinierbar ist, stellt sich auf kommunaler Ebene rasch das Problem der Masse in Form von 2.358 Gemeinden ein. Die zentrale Entwicklung und Implementierung von durchgängigen E-Government-Verfahren, wie dies beispielsweise im Rahmen des Projekts „E-Government-Mustergemeinden“ seitens des Bundes versucht wurde, stellte sich neben bundesländerweise abweichenden rechtlichen Regelungen auch aufgrund der sehr unterschiedlichen und heterogenen IT-Landschaft in den Städten und Gemeinden als sehr schwierig heraus.
Somit stellt sich die berechtigte Frage, in welchen Bereichen von E-Government eine interkommunale Zusammenarbeit sinnvoll und möglich erscheint. Bei der übergreifenden Abstimmung von Verfahren oder der Schaffung von Quasi-Standards in Form von Regelwerken besteht – wie bereits festgestellt wurde – in jedem Fall Kooperationspotenzial. Die Synergieeffekte liegen in einer besseren Überschaubarkeit der Verwaltungsleistung, was wiederum nach außen hin den Verwaltungskunden in Form von Transparenz zugute kommt und im Binnenverhältnis anderen Anforderungen aus dem Umfeld des Public-Management-Ansatzes nützt und beispielsweise eine Bildung von Kennzahlensystemen oder Benchmarking (Stichwort „Interkommunaler Leistungsvergleich“) begünstigt. Die zu erwartenden Effekte haben in diesem Fall jedoch nicht unmittelbar monetären Charakter, d. h. Kosteneinsparungen lassen sich nur indirekt, z. B. in Form von „Lernen von den Besten“, erzielen.

E-Government als Motor der Verwaltungsreform
E-Government wird nicht zu Unrecht als „Motor der Verwaltungsreform“ bezeichnet, weil die elektronische Umsetzung von Verfahren eine eingehende Analyse derselben verlangt. Wichtige Faktoren stellen in diesem Zusammenhang Schnittstellen zwischen Abteilungen sowie zwischen Gebietskörperschaften und natürlich zu den Verwaltungskunden dar. Im Normalfall wird die E-Government-Umsetzung daher nicht bei einem verwaltungsübergreifenden Abgleich Halt machen, sondern vielmehr gleichzeitig als Anlassgeber für Verfahrensreformmaßnahmen genützt werden, da eine „elektronische Einzementierung“ bestehender Abläufe nur selten Sinn macht.
Ein Beispiel für eine gemeinsame Verfahrensanalyse, -optimierung und den Versuch einer die Gemeindegrenzen überschreitenden Standardisierung im Vorfeld der geplanten elektronischen Umsetzung ist ein Projekt der sogenannten WIN-Region im Waldviertel, wo sich drei Gemeinden – nämlich Gföhl, Rohrendorf und Gedersdorf – mit dem Ziel zusammengeschlossen haben, um vorerst auf organisatorischer Ebene die Synergien einer Kooperation zu nutzen.

Identifizierung von Synergien
Geht die Verfahrensabstimmung gleichzeitig mit einer Verfahrenskritik und -reform einher, eröffnen sich ganz neue Perspektiven und Einsparungspotenziale, insbesondere wenn diese vor dem Hintergrund einer elektronischen Umsetzung im Sinne von E-Government stattfindet. Mögliche Synergien lassen sich ad hoc identifizieren in Form

- von geteilten Projektkosten bei üblicherweise externer Betreuung eines derartigen Reformvorhabens;

- von verteiltem organisatorischen Aufwand im Bereich der inhaltlichen Projektarbeit;

- einer Bündelung von Know-how aus mehreren Gemeinden;

- der Schaffung einer einheitlichen Grundlage für die gemeinsame Entwicklung und den gemeinsamen Betrieb von E-Government-Verfahren.

Wenn ein derartiges Projekt – was natürlich das Ziel sein sollte – über die organisatorisch-konzeptive Phase in die Umsetzung geht, fallen weitere und dann im Regelfall auch monetär erhebliche Synergien an:

- Kosten- und Aufwandsteilung durch ein gemeinsam durchgeführtes Vergabeverfahren (siehe dazu auch ein Beitrag von Dr. Claus Casati in dieser Ausgabe der ÖGZ);

- erzielbare Kostenreduktion aufgrund des größeren Projektvolumens im Zuge eines gemeinsamen Vergabeverfahrens;

- Kosteneinsparungen durch einmalige (und nicht mehrfache) Projektumsetzung für alle Kooperationspartner, sofern es sich um individuell programmierte Softwarekomponenten oder um softwareseitige Adaptierungen und Erweiterungen zu Standardsoftware handelt;

- Kostenteilung durch gemeinsamen Betrieb (entweder durch eine Partnergemeinde oder durch einen externen Betreiber).

Musterbeispiel für erzielbare Synergien aufgrund enger Kooperation im Bereich E-Government ist ein aktuelles Formularreformprojekt, bei dem sich die sechs niederösterreichischen Städte St. Pölten, Wiener Neustadt, Krems, Waidhofen an der Ybbs, Schwechat und St. Valentin zu interkommunaler Zusammenarbeit entschlossen haben.

Zielsetzungen des Projekts waren

- in einer ersten Phase
– eine gemeinsame Identifikation von Formularen, die aufgrund häufiger Nachfrage (Anzahl Geschäftsfälle/ Jahr) eine elektronische Umsetzung rechtfertigen. Das Ergebnis dieser Recherche waren ca. 60 Formulare aus verschiedensten Bereichen des eigenen Wirkungsbereichs der Gemeindeverwaltung;
– eine Reform der ausgewählten Formulare im Sinne einer konstruktiven Formularkritik (welche Informationen werden tatsächlich vom Antragsteller benötigt, welche Daten können behördenseitig eingeholt werden und bei welchen Angaben ist eine Überprüfung notwendig oder kann auf wahrheitsgetreue Auskünfte des Antragstellers – mit stichprobenartigen Überprüfungen und allen Konsequenzen im Falle von Falschangaben – vertraut werden);
– eine sowohl inhaltliche als auch grafische Anpassung der Formulare an die aktuellen E-Government-Empfehlungen und Richtlinien (z. B. Datenstruktur, Styleguide);

- in einer zweiten Phase
– die Durchführung eines gemeinsamen Vergabeverfahrens für Ankauf und Implementierung einer Formularserversoftware;
– ein gemeinsamer (und damit nur einmaliger) Betrieb der angekauften Formularserversoftware durch einen externen Betreiber;

- in der dritten Phase
– die elektronische Umsetzung der reformierten Formulare auf Grundlage der angeschafften Formularserversoftware;
– ein weiterer Ausbau des Projekts um zusätzliche Formulare aus dem eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde sowie auch aus dem internen Verwaltungsbereich;
– die Aufnahme weiterer Städte und Gemeinden in das Projekt, um auch diesen die erzielten Synergieeffekte nutzbar zu machen.

Derzeit befindet sich das Projekt am Ende der zweiten Phase und nach Abschluss des Vergabeverfahrens, das technisch-organisatorisch von PuMa – Public Management Consulting und vergaberechtlich von Rechtsanwalt Dr. Casati begleitet wurde, lassen sich neben den bereits angeführten organisatorisch-inhaltlichen Synergien nun erstmals auch unmittelbar quantifizierbare, monetäre Effekte feststellen: Aufgrund der Größenordnung des Projekts – immerhin stehen 4 Magistratsstädte und 2 Stadtgemeinden dahinter – und der daraus resultierenden strategischen Bedeutung für jeden Softwareanbieter, der sich mit seinem Formularserverprodukt im kommunalen Umfeld positionieren möchte, konnte nach mehreren intensiven Verhandlungsrunden ein um ca. 60% reduzierter zuschlagsrelevanter Preis gegenüber dem Richtangebot erzielt werden.
Das Vergabeverfahren wurde weiters bereits dahingehend gestaltet, dass die Kosten für weitere Städte und Gemeinden, die sich nachträglich dem Projekt anschließen möchten, Bestandteil der Ausschreibung waren und somit fix vorliegen. Aufgrund der attraktiven Rahmenbedingungen und der Aussicht auf weitere Synergieeffekte in Form fertig gestalteter Formulare und günstiger laufender Kosten durch den zentralen Betrieb zeigen auch bereits weitere Städte sehr konkretes Interesse an einer Teilnahme.
Dass E-Government ein Nährboden für interkommunale Zusammenarbeit im IT-Bereich ist und wesentlich zur Verbreitung des kooperativen Gedankens in der Verwaltung beigetragen hat, demonstrieren eine Reihe anderer interessanter Initiativen von Städten und Gemeinden, wie z. B. Benchmarking von IT-Produkten bzw. Dienstleistungen auf Grundlage von Kennzahlen oder gemeinsame Entwicklung von Produkten und Leistungen.
In Zeiten kostengünstiger Breitband-Internetversorgung böten sich auch Kooperationen auf Infrastrukturebene an, wie sie im Nachbarland Deutschland in Form kommunaler Rechenzentren schon eine gewisse Tradition haben. Die Bandbreite könnte dabei von einfachen Hostingservices, also dem Betrieb und die Bereitstellung von Fachanwendungen durch eine technisch entsprechend gut ausgerüstete Stadt für umliegende Gemeinden bis hin zu echten Rechenzentrumsleistungen mit allen Vorzügen wie Verfügbarkeit, Sicherheit oder Datensicherung reichen.

Resümee
E-Government hat zweifellos einen wesentlichen Beitrag zum Umdenken in Richtung verwaltungsübergreifender Zusammenarbeit im IT-Bereich geleistet, der steigende Kostendruck mit gleichzeitig ebenfalls steigenden Leistungs- und Serviceansprüchen der Verwaltungsführung tragen das Ihre dazu bei. So gesehen können interkommunale Kooperationen in der IT als ganz logische Entwicklung betrachtet werden. Tatsache ist aber auch, dass gerade der kostenintensive Querschnittsbereich der Informations- und Kommunikationstechnologien vielfältiges Potenzial für Synergien bietet, die es zu heben gilt. Begünstigt wird diese Entwicklung darüber hinaus durch den „internen Dienstleistungscharakter“ der IT, was diesen Bereich im Normalfall wenig attraktiv für Auseinandersetzungen auf politischer Ebene macht. Als weiterer Faktor wäre die Ideologie der Open-Source-Bewegung zu nennen, die ebenfalls von der Kooperation vieler Entwickler und IT-Experten und dem Austausch von quelloffener Software lebt. Bei näherer Betrachtung der vielen ins Treffen geführten Argumente wird man daher rasch feststellen, dass der Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien ein geradezu ideales Feld für eine verstärkte interkommunale Zusammenarbeit darstellt.

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