Interkommunale Zusammenarbeit (IKZ) in vergaberechtlichen Angelegenheiten

Interkommunale Zusammenarbeit (IKZ) in vergaberechtlichen Angelegenheiten

IKZ erfolgt primär auf der Ebene des Städtebundes, des Gemeindebundes und der Gemeindeverbände. Daneben sind interkommunale Kooperationen auch im Rahmen privatwirtschaftlicher Tätigkeiten zulässig. Interkommunale Zusammenarbeit ist zwar rigiden rechtlichen Beschränkungen unterworfen. Im Bereich des Vergabewesens ist eine interkommunale Kooperation zulässig – und zwar entweder begrenzt auf einzelne Vergabeprojekte (Ad-hoc-Kooperation) oder in Zukunft (nach Inkrafttreten des BVergG 2006) in Form von kommunalen Beschaffungsstellen, die in der Rechtsform einer GmbH geführt und deren Gesellschaftsrechte von den beschaffenden Gemeinden angestrebt werden.

 

1. Öffentlich-rechtliche Formen interkommunaler Kooperation
Gemeinden haben zahlreiche Aufgaben zu erledigen, die für eine jede österreichische Gemeinde – unabhängig von ihrer Größe und Finanzkraft – gleich sind.1 Technologischer Wandel und Österreichs Beitritt zur Europäischen Union haben die Anforderungen an die Gemeinden gesteigert. Die sogenannte „Interkommunale Kooperation“ ist eine der Antworten auf diese gesteigerten Anforderungen an Gemeinden.
Der Bundesverfassung und den Gesetzen sind zumindest prima vista nur öffentlich-rechtliche Formen interkommunaler Zusammenarbeit zu entnehmen:

- Zunächst sind Städtebund und Gemeindebund als verfassungsrechtlich verankerte Interessenvertreter der Gemeinden und Plattform einer interkommunalen Kooperation zu nennen.2

- Daneben kennen die Gesetze vor allem „Gemeindeverbände“3 und „Verbände“ nach sonstigen Materiengesetzen.4 Sie sind jeweils Körperschaften öffentlichen Rechts, verfügen über jeweils eine eigene Rechtspersönlichkeit und eigene organisatorische Vorschriften. Verantwortung und Entscheidungsbefugnis werden in Bezug auf bestimmte, zunächst den Gemeinden zugeordnete Aufgaben den Verbänden übertragen; und zwar entweder aufgrund einer Vereinbarung zwischen den Gemeinden und einer diesbezüglichen aufsichtsbehördlichen Genehmigung oder aufgrund gesetzlicher oder aufsichtsbehördlicher Anordnung. Die Gemeinden wirken zwar im Verband an der Entscheidungsfindung mit, haben jedoch diesbezüglich kein eigenes Entscheidungsrecht.

- In Niederösterreich5 regelt die Gemeindeordnung darüber hinaus auch die sogenannte Verwaltungsgemeinschaft. Auch die Verwaltungsgemeinschaft besitzt eigene Rechtspersönlichkeit. Ähnlich einem Gemeindeverband wird sie zumindest unter Mitwirkung der Aufsichtsbehörde gegründet. Im Unterschied zu Verbänden führen Verwaltungsgemeinschaften bloß gemeinsam die Geschäfte der Gemeinden in bestimmten Angelegenheiten. Entscheidung und Verantwortung bleiben jedoch bei der jeweiligen Gemeinde. In diesem Sinn werden die Geschäfte jeweils im Namen der jeweils zuständigen Gemeinde unter der Leitung und Aufsicht des jeweiligen Bürgermeisters geführt.6

2. Privatrechtliche Formen interkommunaler Kooperation
Im Hinblick auf die verfassungsgesetzlich vorgegebenen Anforderungen an einen Gemeindeverband7 stellt sich die Frage der Zulässigkeit interkommunaler Kooperationsformen, die über das „Verbandswesen“ hinausgehen. Inwieweit können sich Gemeinden in ihrem Wunsch zur Zusammenarbeit den rigiden Anforderungen der Gemeindeverbandsgesetze und der damit verbundenen quasi Vorabkontrolle durch die Aufsichtsbehörden entziehen?
Gemeinden sind zwar – so wie der Bund und die Länder – zum Handeln in den Formen des Privatrechts berechtigt.8 Doch ist diese Privatrechtsfähigkeit der Gemeinden doppelt begrenzt; einmal durch die allenfalls vom Gesetzgeber vorgegebene Rechtsform und ein zweites Mal durch die Bindung an überwiegende Interessen der Gemeinden.9 Wo der Gesetzgeber die zwingende Anwendung der hoheitlichen Handlungsform zu erkennen gibt, besteht keine Wahlfreiheit zwischen öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Handlungsformen.10 Selbst wenn nur eine Ermächtigung zu hoheitlichem Handeln vorliegt, ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber in diesem Bereich in aller Regel privatwirtschaftliches Handeln ausschließen will.11 Nur wenn es an einer dem Art. 18 Abs. 1 B-VG entsprechende Bestimmtheit fehlt und kein Eingriff in Grundrechte anderer Personen erforderlich ist, ist eine Aufgabenzuweisung an die privatwirtschaftliche Handlungsform anzunehmen.12 Vereinbarungen, die sich über diese gebotene Rechtsform hinwegsetzen, also den vorgegebenen hoheitlichen Vollzug zu umgehen versuchen, sind aufgrund der Schwere des Verstoßes gegen die grundlegenden Prinzipien des Rechtsstaates absolut nichtig.13
Es gilt zu hinterfragen, ob infolge dieser begrenzten Privatrechtsfähigkeit auch bei den Gemeinden eine interkommunale Kooperation außerhalb der gesetzlich vorgegebenen Verbände/ Verwaltungsgemeinschaften zulässig ist. Dies ist in folgenden Fällen zu bejahen:

- Mehrere Gemeinden gründen eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) mit dem Zweck des gemeinsamen Betriebs eines Unternehmens, wie z. B. Betrieb gemeinsamer Liftanlagen, eines gemeinsamen Personenverkehrsunternehmens oder eines gemeinsamen Industrie- und Gewerbeparks. Sie sind unzweifelhaft zum Betrieb von Unternehmen berechtigt, wenn sie – wie in den gegenständlichen Beispielen dargelegt – im überwiegenden örtlichen Interesse gelegen sind.14 Der Gesetzgeber lässt ausdrücklich in diesem Bereich die privatwirtschaftliche Form zu. Aus systematischen und historischen Überlegungen inkludiert dies auch die Vergesellschaftung in Form einer GmbH. Das Gesellschaftsrecht stellt gerade für den Betrieb von Unternehmen eigene Rechtsformen zur Verfügung, die den Erfordernissen eines Unternehmens gerecht werden. Dem Gesetzgeber kann nicht unterstellt werden, dass Gemeinden zwar Unternehmen führen dürfen, sobald sie aber dies in der Gemeinschaft mit anderen Gemeinden bezwecken, sich der nicht auf den Unternehmensbetrieb abgestellten Rechtsform einer Körperschaft öffentlichen Rechts zu bedienen haben.

- Auch Ad-hoc-Kooperationen im Bereich der Fiskalverwaltung15 und der Daseinsvorsorge16 sind zulässig, sofern die Gemeinden daran ein überwiegendes Interesse haben. Ad-hoc-Kooperationen kennzeichnen sich dadurch, dass die Entscheidungsgewalt und Verantwortung weiterhin bei der jeweiligen Gemeinde verbleibt. Lediglich vorbereitende Aktivitäten werden gemeinsam durchgeführt; allenfalls unter Hinzuziehung externer Sachverständiger. Solange die Gemeinde und ihre Organe weiterhin letztverantwortlich und weiterhin entscheidungsbefugt bleibt, es also zu keiner Übertragung von Aufgaben und Zuständigkeiten kommt, greift eine derartige interkommunale Kooperation nicht in die verfassungsgesetzlich vorgegebene „Verbandsstruktur“ ein. Eine solche interkommunale Kooperation beschränkt sich auf eine privatrechtliche Vereinbarung über die gemeinsame Tragung von Kosten und Risiken derartiger Kooperationen.
Auch hier lässt sich die Zulässigkeit einer derartigen privatrechtlichen Kooperation als Ausfluss der Berechtigung zu privatwirtschaftlichem Handeln in den Bereichen der Fiskalverwaltung und Daseinsvorsorge begründen. Wenn Gemeinden berechtigt sind, privatrechtliche Verträge mit Dritten über Dienstleistungen in diesen Bereichen abzuschließen, gilt dies auch für vergleichbare Vereinbarungen, wenn sich daran mehrere Gemeinden zum gemeinsamen Nutzen beteiligen. Das Recht zur privatwirtschaftlichen Handlungsformen wird nicht durch die Person des Vertragspartners oder die Anzahl der Vertragspartner eingeschränkt, solange die Entscheidungsgewalt und Verantwortung bei der Gemeinde bleibt. In diesem Sinn ist es möglich, dass Gemeinden Leistungen gemeinsam erwerben oder erbringen. Und zwar entweder als Solidarschuldner und Solidargläubiger oder parallel jeweils als Einzelschuldner und Einzelgläubiger.

3. Interkommunale Kooperation im Bereich des Vergaberechts
Interkommunale Kooperation im Bereich des Vergabewesens beschränkt sich auf Angelegenheiten, die im überwiegenden Interesse der jeweiligen Gemeinde gelegen sind.17 Die Beschaffung von Waren und Dienstleistungen einer Gemeinde liegt im ausschließlichen Interesse der an dieser Beschaffung teilnehmenden Gemeinden; und zwar auch dann, wenn sie in Kooperation mit anderen Gemeinden beschafft werden. Eine interkommunale Kooperation im Bereich des Vergaberechts ist auch sachlich und greift in kein einer bestimmten anderen Person eingeräumtes Grundrecht ein. Vor allem berührt diese interkommunale Kooperation nicht die vorgegebene „Verbandsstruktur“. Anders als bei Gemeindeverbänden bleibt die Verantwortung und Entscheidungsbefugnis der Gemeinden unberührt; und zwar sowohl bei Ad-hoc-Kooperationen als auch bei Gründung kommunaler Beschaffungsstellen18 und beim Bezug der Waren und Dienstleistungen über diese kommunalen Beschaffungsstellen.

a) Ad-hoc-Kooperation
Zu derartigen Ad-hoc-Kooperationen kann es vor allem im Bereich des Vergaberechts kommen. Komplexe Verfahrensbestimmungen, erforderliche Markt- und Produktkenntnisse und notwendige personelle Kapazitäten19 legen Vergabeverfahren nahe, die von mehreren Gemeinden gemeinsam durchgeführt werden. Gerade für Beschaffungsprojekte, die nicht regelmäßig wiederkehren, wie Abfallentsorgungsaufträge, Aufträge zur Lieferung und Installation von EDV-Software oder an Fahrzeugen bietet sich eine solche Ad-hoc-Kooperation an. Diese Ad-hoc-Kooperation kann – etwa bei einer EDV-Software-Beschaffung – auf der Plattform des Städtebundes oder auf Basis einer internen Vereinbarung der Gemeinden erfolgen. Die letzte Entscheidungskompetenz und -verantwortung über die Beauftragung eines Unternehmens verbleibt bei den jeweiligen Gemeinden.
Das Vergabeverfahren wird zwar für alle Gemeinden gleichzeitig durchgeführt. Dadurch können im Sinn des verfassungsgesetzlich gebotenen Effizienzprinzips20 die Transaktionskosten erheblich gesenkt und die Marktmacht gestärkt werden. Im Vergabeverfahren ist jedoch von Beginn an klarzustellen, dass Gegenstand des Vergabeverfahrens einzelne Verträge/Aufträge der am Vergabeverfahren beteiligten Gemeinden sind; also zwar alle Gemeinden zu einem Vergabeverfahren gebündelt werden, die Zuschlagsentscheidung und die daran anschließende Auftragserteilung jedoch von einer jeden einzelnen Gemeinde getroffen wird und selbstverständlich auch jeder Vertrag sein eigenes rechtliches Schicksal haben kann. So kann eine jede Gemeinde den Vertrag zu unterschiedlichen Zeiten aufkündigen.
Im Einzelnen wird folgende Vorgangsweise zu wählen sein: Die interessierten Gemeinden beschließen – jeweils für sich – die Durchführung eines gemeinsamen Vergabeverfahrens zu einem bestimmten Beschaffungsprojekt und regeln einvernehmlich die Kosten- und Risikotragung. Die Bekanntmachung erfolgt im Namen einer jeden Gemeinde unter der Leitung einer einzigen vergebenden Stelle21. In diesem Sinn wird ein einheitliches Vergabeverfahren geführt, das für den Fall teilbarer Leistungen22 Teilvergaben – je nach beteiligter Gemeinde – vorsieht. Es gibt nur eine Art von Ausschreibungsunterlagen. Angebote sind nur einmal abzugeben und die Angebotsprüfung einschließlich Bestbieterermittlung wird mit Wirkung für alle Gemeinden von der vergebenden Stelle durchgeführt. Am Ende des Vergabeverfahrens steht ein von der vergebenden Stelle zu erstellender Vergabevorschlag. Es liegt dann an der jeweiligen Gemeinde und ihren Organen, auf Basis dieses Vergabevorschlags eine Zuschlagsentscheidung zu treffen. Diese Zuschlagsentscheidung wird von der vergebenden Stelle an alle Bieter mitgeteilt. Nach Ablauf der jeweiligen Stillhaltefrist wird der Auftrag von einer jeden Gemeinde erteilt.

b) Kommunale Beschaffungsstellen23
Während derartige Ad-hoc-Kooperationen zulässig sind, stellt sich die Frage, inwieweit Gemeinden gemeinsam „zentrale Beschaffungsstellen“ im Sinn der Vergabevorschriften errichten dürfen. Die neue Vergaberichtlinie 2004/18/EG sieht die Möglichkeit von zentralen Beschaffungsstellen vor.24 Diese Möglichkeit soll nun auch nach dem neuen Bundesvergabegesetz geschaffen werden. Beschaffungen öffentlicher Auftraggeber sind von den Vergabevorschriften ausgenommen, sofern sie die Beschaffung im Wege einer zentralen Beschaffungsstelle durchführen.25
Als zentrale Beschaffungsstelle, derer sich Gemeinden bedienen könnten, kommt zunächst die Bundesbeschaffungs-GmbH in Frage, sofern das Bundesbeschaffungs-GmbH-Gesetz geändert wird.26 Neben der Bundesbeschaffungs-GmbH könnten auch Gemeinden zentrale Beschaffungsstellen errichten und sich ihrer bedienen. Der Begriff „zentrale Beschaffungsstelle“27 beschränkt diese Einrichtung nicht auf die Bundesbeschaffungs-GmbH oder andere österreichweit agierende Einrichtungen.
Eine derartige, von Ländern oder Gemeinden errichtete und betriebene Beschaffungsstelle kann – ähnlich der Bundesbeschaffungs-GmbH – in der Rechtsform einer GmbH geführt werden. Ein Rechtsformenmissbrauch ist zumindest bei Vorliegen des BVergG 2006 zu verneinen. Das BVergG 2006 ermöglicht öffentlichen Auftraggebern die Beschaffung über zentrale Beschaffungsstellen. Öffentliche Auftraggeber sind vor allem Gebietskörperschaften wie Gemeinden, die jeweils nur begrenzt privatrechtsfähig sind. Wenn nun der Gesetzgeber, wie dies durch das zu erwartende BVergG 2006 der Fall ist, die Beschaffung über zentrale Beschaffungsstellen vorsieht, sind die Gebietskörperschaften damit auch zur Errichtung derartiger Beschaffungsstellen berechtigt. Hinzu kommt, dass zentrale Beschaffungsstellen Unternehmen bzw. Teil der privatwirtschaftlich zu vollziehenden Bedarfsverwaltung sind. Für sie gelten auch die unter Punkt 2 genannten allgemeinen systematischen Überlegungen.
Auch bei der Beschaffung über kommunale Beschaffungsstellen verbleibt die Verantwortung und Entscheidungsbefugnis bei der Gemeinde: Neben der möglichen Institutionalisierung der Ad-hoc-Kooperation28 schreibt zwar die zentrale Beschaffungsstelle selbst Aufträge aus, trifft selbst Zuschlagsentscheidungen und erteilt selbst Aufträge. Doch handelt es sich hierbei bloß um Rahmenverträge oder Rahmenvereinbarungen, deren Ausnutzung im Ermessen der jeweiligen Gemeinde gelegen ist. Anders als bei der Ad-hoc-Kooperation werden in diesen Fällen zwei Aufträge erteilt; und zwar zunächst ein Auftrag durch die kommunale Beschaffungsstelle im Zuge eines EU-weiten Vergabeverfahrens und danach der Auftrag der Gemeinde an die zentrale Beschaffungsstelle ohne Durchführung eines weiteren Vergabeverfahrens. Die zweite Auftragserteilung der Gemeinde an die zentrale Beschaffungsstelle erfolgt in Form einer Direktvergabe außerhalb des Anwendungsbereichs des Vergabegesetzes. Diese Direktvergabe der Gemeinde an eine kommunale Beschaffungsstelle, an der sie beteiligt ist, kann mit den Ausnahmebestimmungen der In-house-Vergabe und der zentralen Beschaffungsstellen argumentiert werden.29

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