„Kommunale Vernetzung der Region ist wichtig“ Leobens Bürgermeister Matthias Konrad im ÖGZ-Interview

„Kommunale Vernetzung der Region ist wichtig“ Leobens Bürgermeister Matthias Konrad im ÖGZ-Interview

Leoben ist wirtschaftlich stark vorangekommen: Einen wesentlichen Beitrag dazu hat der seit elf Jahren amtierende Leobener Bürgermeister Dr. Matthias Konrad geleistet. Denn mit viel Engagement konnte er der Stadt ein völlig neues Gesicht verleihen. Mit der Österreichischen Gemeinde-Zeitung sprach er über sein Erfolgsrezept und die zukünftige Entwicklung von Leoben.

 

Hat die Obersteiermark immer noch das Image einer Krisenregion?
KONRAD: Leoben mit Sicherheit nicht mehr. Man darf nur nicht vergessen, was alles passiert ist: AT&S wollte mit 700 Leuten nach Bochum, wir hatten ein Nachtarbeitsverbot für Frauen, RHI wollte nach Wiesbaden, der Konsum ging 1995 pleite und Gösser kam zur Brauunion. In den letzten zehn Jahren hat sich die Stadt allerdings gut entwickelt, und wenn es so weiter geht, wird die Obersteiermark nicht ausrinnen, wie man es vorausgesagt hat. Wir sind aber klein und müssen um alles raufen.

Was waren die ersten wichtigsten Schritte?
KONRAD: Als ich Bürgermeister geworden bin, haben „Zurufer“ gemeint, dass am Hauptplatz ab 17.00 Uhr die Gehsteige hochgeklappt seien. Heute ist der Hauptplatz Multifunktionsfläche für Ausstellungen, Schanigärten, Konzert- und Theaterbühnen. Besonders wichtig war auch die Gründung eines Citymanagements, denn Tourismusverband, Gemeinde und Stadtmarketing brauchen ein gemeinsames Leitbild: Wir sind eine Montan- und Industriestadt und das werden wir auch bleiben, aber unter besseren Voraussetzungen und mit Lebensqualität.

Welches Konzept hat Leoben zu dieser wirtschaftlich positiven Stimmung verholfen?
KONRAD: Es ist wichtiger, die Kommunen zu vernetzen, anstatt sich gegenseitig mit Grundstückspreisen niederzudumpen. Leoben, Kapfenberg und Bruck an der Mur haben sich zusammengeschlossen, um gemeinsam als Materialregion aufzutreten. Denn neue Werkstoffe – egal ob Holz, Kunststoff oder Stahl – werden neue Wirtschaftsgüter bringen. Aber auch ohne Kultur gibt es keine weitere Wirtschaftsentwicklung. Wir haben etwa das älteste bespielte Theater Österreichs und eines der modernsten Museumscenter. Nächstes Jahr haben wir eine neue Ausstellung mit dem Thema „Welt des Orients“ (1. 4. bis 1. 11. 2006). Bislang haben schon 900.000 Interessierte unsere ethnologischen Ausstellungen in der Kunsthalle Leoben besucht. Wir haben hier einen Trend zur rechten Zeit erkannt.

Wie gelingt es Ihnen, Unternehmer in die Region zu holen und auch zu halten?
KONRAD: Unternehmen holen wir nur mit Wissenschaft und Forschung in die Region und in die Stadt. Die Stadt Leoben finanziert deshalb Projekte der Universität mit, entwickelt einen Uni-Campus, beteiligt sich an Kompetenzzentren wie ZAT, MCL, PCCL und sponsert Veranstaltungen, damit die Universität ihr Wissen mit der Wirtschaft vernetzen kann. AT&S können wir nur halten, wenn sie mit neuen Produkten erfolgreich auf den Markt kommen. Hornbach haben wir in die Obersteiermark geholt, weil wir u. a. eine Brücke über die Mur gebaut haben, die eine Verbindung zur S6 schafft.

Mit welchen wirtschaftlichen Referenzen kann Leoben heute aufwarten?
KONRAD: Wir haben Global Player wie die voestalpine, die in Leoben-Donawitz die längste Schiene der Welt produziert, die Stammwerke der AT&S, die Forschungszentrale der RHI, die Gösser-Brauerei, oder Mayr-Melnhof, der hier sein Headquarter in Leoben errichtet hat. Weiters befindet sich in Leoben ein LogistikCenter, mittlerweile auch ein Logistiklehrstuhl an der MUL. Der schwedische Maschinenbaukonzern Sandvik wird in Leoben 50 Ingenieure beschäftigen und in der Folge hier die Europazentrale für Forschung und Entwicklung ansiedeln. Der Standort Leoben hat sich hier deutlich gegen Schweden durchsetzen können.

Unsere Gesellschaft wird zunehmend älter. Wie geht Leoben mit dieser Entwicklung um?
KONRAD: Wir haben im Herbst z. B. das neue Volkshilfe-Seniorenzentrum in Leoben-Donawitz eröffnet. Es bietet nunmehr 77 BewohnerInnen in 39 Einbettzimmern und 19 Zweibettzimmern Platz. Der Stadtgemeinde ist die optimale Versorgung der älteren Menschen in unserer Stadt ein wichtiges Anliegen. Wir müssen uns sicherlich in den nächsten Jahren in den Städten noch intensiver mit den Themen Demografie, Alten- und Kinderbetreuung sowie Pflege beschäftigen.

Leoben ist finanziell gesehen „pumperlgsund“. Wie schafft das eine Stadt in konjunkturell schwierigen Zeiten?
KONRAD: Der Rechnungsabschluss 2004 zeigt es ganz deutlich: Der sehr geringe Verschuldungsgrad von 0,4% spricht eine mehr als deutliche Sprache – bei einem Budget von 73 Mio. Euro im Jahr 2004.
Dies gelingt natürlich nur durch ständige Aufgabenkritik im Innenverhältnis, die zu Kosteneinsparungen führt, alternative Finanzierungsinstrumente für Großprojekte und durch ständiges Engagement für neue Betriebsansiedlungen, die zusätzliche Kommunalsteuererträge gewährleisten. Im Gegenzug hat die Stadt im Jahr 1998 letztmalig ein Darlehen aufgenommen, das den Haushalt direkt belastet.

Die Stadtverwaltung hat sich in den vergangenen Jahren einem weitreichenden Veränderungsprozess unterzogen.
KONRAD: Stadtverwaltung und Bewohner kooperieren in Leoben sehr gut, darum kann bei uns intensiv gearbeitet werden. Die Stadtverwaltung Leoben hat sich in den letzten fünf Jahren grundlegend verändert. Unsere Verwaltungsreform wurde in gewohnt konsequenter Manier umgesetzt. Wir haben von 35 Ämtern auf 26 Referate abgespeckt. Veränderungen mit dem Hintergrund des Spargedankens hat es aber nicht nur in der Verwaltung gegeben. Auch politisch ist der Spargedanke umgesetzt worden. Dies zeigt sich in der geringeren Anzahl an Ausschüssen.

Welche Schwerpunkte wollen Sie in nächster Zeit setzen?
KONRAD: Wir haben genug Wohnraum, aber er ist nicht modernisiert. Deshalb haben wir eine Europacity angedacht, wo bis zu 1.000 Einheiten Platz greifen könnten. Das Projekt Europacity soll dazu beitragen, in Zukunft das Stadtteilnebenzentrum Mühltal/ Lerchenfeld zu stärken und innerstädtisch hochrangige Flächen einer bestmöglichen Nutzung zuzuführen. Damit wollen wir auch dem Trend, der zu einer Ausdehnung des Speckgürtels rund um die Städte führt, entgegentreten.
Im Moment sind wir dabei, das Au-Projekt – ein Wellnessprojekt – zu realisieren. Bis 2007 soll das innerstädtische Einkaufzentrum fertig sein. Wir müssen aber auch weiterhin über den Kirchturm hinaus schauen, weil sich Kapfenberg, Bruck an der Mur und Leoben weiter verdichten werden. Diese Vernetzung soll mit Hilfe der Universität, der Wirtschaft und einer Infrastruktur für Lebensqualität zum zweiten wichtigen steirischen Wirtschaftsstandort neben Graz werden.

Städtebund-Linktipp:
www.leoben.at

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