Kommunalspezifische Szenarien zur Bewältigung demografischer Trends

Kommunalspezifische Szenarien zur Bewältigung demografischer Trends

Für die konkreten Angebote „vor Ort“ in der Kinder- und Jugendlichenbetreuung, im Pflichtschulsystem, in der SeniorInnenbetreuung und über die örtliche Raumordnung zeichnen wesentlich die Kommunen verantwortlich. Die Kommunalpolitiker, die die Konsequenzen der demografischen Entwicklung nicht bloß erwarten, sondern sie möglichst frühzeitig und treffsicher berücksichtigen wollen, brauchen valide Prognosen bzw. daraus abgeleitete Trenddarstellungen. Der Aufwand dafür ist beträchtlich. Ihm steht allerdings gegenüber, dass ein darauf ausgerichtetes Angebot an kommunalen Dienst- und Versorgungsleistungen laufend effizient und effektiv gestaltet werden kann und die Zufriedenheit der BürgerInnen daher dementsprechend hoch ist. In der Folge wird skizziert, wie im Magistrat der Landeshauptstadt Linz versucht wird, dieses Szenario zu realisieren.

 

Seit den achtziger Jahren hat sich im Magistrat der Landeshauptstadt Linz das damalige Amt für Statistik zur Stadtforschung Linz weiterentwickelt. Diese Dienststelle erarbeitet Linz-spezifische Bevölkerungsprognosen bzw. Szenarien, aus denen dann u. a. Konsequenzen für zentrale Bereiche des kommunalen Produktportfolios abgeleitet werden. Es braucht wohl nicht näher begründet zu werden, dass die Nachfrage nach Kinder- und Jugendlichen-betreuung, im Bereich Pflichtschulen und im Bereich SeniorInnenbetreuung in hohem Maße vom Umfang und der Struktur der als Zielgruppen in Betracht kommenden Altersgruppen der (lokalen) Bevölkerung mitbestimmt wird. (Diese These gilt umso mehr, je mehr das kommunale Angebot dazu den Erwartungen der potenziellen Kunden an Qualität und individuelle Leistbarkeit entspricht.)

Faktoren der demografischen Entwicklung
Die entscheidenden Faktoren der Bevölkerungsentwicklung, also

- Fertilitätsrate,
- Lebenserwartung,
- Saldo Geburten/Sterbefälle und
- Wanderungsbewegungen

sind regional, mitunter auch lokal unterschiedlich ausgeprägt. Für Linz etwa ist zu berücksichtigen, dass die Fertilitätsrate hier seit Beginn der eigenen Berechnungen im Jahr 1981 immer unter dem gesamtösterreichischen Vergleichswert lag und liegt (dieser lag und liegt seinerseits unter dem Vergleichswert für Oberösterreich).
Seit drei Jahrzehnten zeigt die Lebenserwartung in Österreich einen beachtlichen Aufwärtstrend – bis 2002 stieg sie für Frauen um 8,3 Jahre auf 81,7 Jahre, für Männer um 9,4 Jahre auf 75,8 Jahre. Diese Entwicklung verlief in Oberösterreich nahezu identisch dazu. (Spezielle Werte für Linz sind wegen der zu geringen Fallzahl nicht verwendbar.) Wien hingegen liegt seit Beginn der achtziger Jahre ständig unter den gesamtösterreichischen Werten, seit 1985 für beide Geschlechter im Durchschnitt etwa 10,5 Monate darunter.
Bis 1969 überwogen in Linz die Geburten die Sterbefälle (noch in der ersten Hälfte der sechziger Jahre um bis zu 40% bei 2.000 bis 2.200 Sterbefällen); seit 1972 gab es jedes Jahr weniger Geburten (durchschnittlich 1.600 bis 1.800) als Sterbefälle, seit 2001 mit einer Differenz von rund 250 jährlich (Abb. 1).

Entwicklung von Wanderungsszenarien
Die Wanderungsbewegungen nach Linz und aus Linz weg unterliegen erheblichen Schwankungen – vor allem die Zuwanderungen (Abb. 2). Dem versucht die Stadtforschung Linz einerseits durch unterschiedliche Szenarien Rechnung zu tragen: Mit der Annahme einer jährlich ausgeglichenen Wanderungsbilanz, eines Wanderungsgewinns von jährlich 500 Personen (entspricht der Entwicklung im Zeitraum 1996 bis 2003) bzw. eines Wanderungsgewinns von jährlich 1.000 Personen (Entwicklung im Zeitraum 1999 bis 2003); andererseits werden durch regelmäßige Prognose-Updates (zumindest alle 3 bis 5 Jahre) neueste Erkenntnisse bzw. Entwicklungen einbezogen.
Wesentlich für die demografische Entwicklung ist dabei auch die Altersstruktur der zu- und wegwandernden Personen. In Linz etwa ist der Großteil von ihnen zwischen 18 und 40 Jahre alt und das Durchschnittsalter der zuwandernden Personen ist tendenziell jünger als das der Wegziehenden (28,9 Jahre gegenüber 30,1 Jahre). Selbst bei ausgeglichener Wanderungsbilanz ist ein Verjüngungseffekt bei der Linzer Bevölkerung die Konsequenz. Von Bedeutung für das kommunale Produktportfolio sind weiters Differenzierungen dahingehend, woher die Personen nach Linz ziehen.

Prognose der demografischen Zielgruppenentwicklung
Betrachtet man die Anteile der in der Bevölkerungsstatistik gebräuchlichen drei breiten Altersgruppen 0 bis 19 Jahre, 20 bis 59 Jahre, 60 Jahre und älter, dann ergeben sich für Linz je nach angenommenem Saldo der Wanderungsbewegung folgende Szenarien (Abb. 3, S. 8).
Allerdings: Als Aspekt der Planung des kommunalen Angebots an Kinderbetreuungseinrichtungen, an Pflichtschulen und an mobiler bzw. stationärer SeniorInnenbetreuung muss die demografische Entwicklung der breiten Altersgruppen erheblich differenzierter geschichtet werden.
So ist für das bedarfsorientierte Angebot an Betreuungsplätzen in Kindergärten die Gruppe der 0- bis 5-Jährigen wesentlich (in Linz 2004: 9.892, d. s. 5,3% der Gesamtbevölkerung). Aktuell kann davon ausgegangen werden, dass die explizite Garantie der Stadt Linz, allen 3-, 4- und 5-Jährigen den Besuch eines Kindergartens zu gewährleisten, erfüllt wird; durch 3.445 Plätze in städtischen Kindergärten und 1.911 Plätze in Kindergärten privater Anbieter. Obwohl aus heutiger Sicht bei der Gruppe der 0- bis 5-Jährigen für Linz nur geringe Veränderungen in den Jahren bis 2015 prognostiziert werden (ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung veränderte sich auf 9.234/5,1% bis 10.197/5,3% je nach angenommener Wanderungsbilanz), kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Bedarfsdeckung bestehen bleibt.

Differenzierende Bedarfsprognosen für kommunale Angebote
Die gesamtstädtische Entwicklung der Gruppe der 0- bis 5-Jährigen bietet nämlich – für sich betrachtet – ungenügende Informationen zur Vorhersage der Bedarfs- bzw. Nachfrageentwicklung. So unterscheiden sich die Besuchsquoten der 3-, 4- oder 5-Jährigen erheblich und sind darüber hinaus noch von der Siedlungs- und Sozialstruktur des jeweiligen Einzugsgebietes abhängig. Durch Bautätigkeit und soziale Veränderungen ausgelöste innerstädtische Wanderungsströme beeinflussen die Bedarfssituation in den einzelnen Stadtteilen mitunter gleichfalls massiv. Trotz rechnerischer gesamtstädtischer Vollversorgung kann es so in einzelnen Stadtgebieten zu einem Überangebot kommen, in anderen wiederum zu ungedeckten Bedarfen. Die Stadtforschung Linz hat daher ein Prognoseinstrument entwickelt, das weit über die herkömmlichen Bevölkerungsprognosen hinausgeht. Es gestattet, räumlich fein strukturierte Prognosen zu erstellen und so brauchbare Grundlagen für die mittelfristige Angebotsplanung zu liefern.

Schwerpunkt Kinder- und Altenbetreuung
Das Linzer Stadtgebiet wird in 14 Kindergarten-Planungsgebiete untergliedert, deren unterschiedliche Versorgungsbedarfe in der Folge jeweils differenziert prognostiziert werden. So wurde als Konsequenz einer längerfristigen Prognose für ein homogenes Neubaugebiet im Planungsgebiet 14 („solarCity“ – 1.300 Wohneinheiten, rund 2.900 Bewohner) ein dynamisches Baukonzept für öffentliche Infrastruktur entwickelt – mit variabler Nutzung der Räume durch Kindergärten, Schulen und Hort. Dadurch kann der unterschiedliche Raumbedarf auch dann befriedigt werden, wenn er je und je im Höchstausmaß besteht – erhebliche Einsparungen bei den Bauinvestitionen sind die Folge (Abb. 4).
Die Prognose des Bedarfs an Plätzen zur stationären Betreuung von Seniorinnen und Senioren braucht weniger kleinräumig strukturiert zu sein. Sie muss neben der steigenden Lebenserwartung aber andererseits auch individuell unterschiedliche private Netzwerke und Betreuungsphilosophien berücksichtigen. Ein dementsprechend spezielles Prognoseinstrument, das der Stadt Linz ein rechtzeitiges Reagieren auf Veränderungen bei diesen Einflussfaktoren gestattet, kommt daher zum Einsatz.

Demografische Daten für Angebotsgestaltung
Die frühzeitige Einbeziehung der vorhersehbaren demografischen Entwicklung in die Gestaltung des Angebots an kommunalen Dienst- und Versorgungsleistungen erfordert somit leistungsspezifisch differenzierende und daher aufwändige Prognosen und Trenddarstellungen. Mit ihnen als Grundlage kann das Angebot laufend effizient und effektiv gestaltet und hohe Akzeptanz durch die BürgerInnen erreicht werden.

Städtebund-Linktipp:
www.linz.at

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