Interkommunale Kooperationen – Chancen und Grenzen

Interkommunale Kooperationen – Chancen und Grenzen

Qualitätsverbesserung, Effizienzsteigerung und finanzielle Einsparungen sind die wesentlichen Faktoren für die interkommunale Zusammenarbeit. Voraussetzung ist allerdings, dass eine „Win-win“-Situation die notwendige Vertrauensbasis schafft und Motivatoren in der Person der Bürgermeister das Projekt unterstützen.

Gemeindekooperationen bringen Ausgabenkonsolidierung
Seit einigen Jahren verfolgt der Österreichische Städtebund die Strategie, die Interessen der Städte und Gemeinden nicht nur in Fragen des Finanzausgleichs und damit der Einnahmenerzielung zu vertreten, sondern auch Möglichkeiten zu erschließen, dass Gemeinden auf der Ausgabenseite – ohne Leistungseinschränkung – sparen können. Dies ergibt sich zwingend aus dem geringen Wirtschaftswachstum der letzten Jahre und der Zielsetzung der Regierung, die Abgabenquote zu reduzieren. Als Folge dieser gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen stagnieren die Ertragsanteile der Gemeinden seit 2001, dem letzten Jahr mit einem deutlichen Zuwachs. Besorgniserregend ist weiters, dass auch die Umlagenzahlungen der Gemeinden an die Länder in den letzten Jahren rascher als die Ertragsanteile steigen, sodass gerade für die volkswirtschaftlich so wichtigen Investitionen, aber auch für neue Aufgaben der Gemeinden immer weniger Geld zur Verfügung steht.
Gegenwärtig wird dem Ausbau von gemeindeübergreifenden Kooperationen große Aufmerksamkeit geschenkt. Der Zwang zum Sparen ist evident.
Der Österreichische Städtebund hat in der Vergangenheit bereits eine Reihe von Veranstaltungen durchgeführt, um ausgabenseitige Einsparungspotenziale aufzuzeigen. So gab es Veranstaltungen zu den Themen

- Zins- und Schuldenmanagement,
- Steuerchecks,
- Vertragsmanagement oder zuletzt auch
- Facility Management.

Dem wachsenden Interesse nach einem qualifizierten Erfahrungsaustausch zu Fragen der interkommunalen Kooperation ist der Österreichische Städtebund mit einer Fachtagung, die in enger Zusammenarbeit mit dem KDZ – Zentrum für Verwaltungsforschung entstanden ist, nachgekommen. Über 100 Teilnehmer mit Vertretern der Länder, der Gemeinden und einer interessierten Fachöffentlichkeit haben an der von den Teilnehmern sehr positiv bewerteten Tagung teilgenommen und über aktuelle Entwicklungen und offene Fragen der interkommunalen Zusammenarbeit diskutiert.

Interkommunale Kooperationen erschließen neue Handlungsfelder
Gemeindekooperationen haben in Österreich eine lange Tradition. Bilden bisher Kooperationen im Bereich der investitionsintensiven Bereiche der Ver- und Entsorgung, im Tourismus oder den verpflichtend vorgeschriebenen Sozialverbänden einen besonderen Schwerpunkt der Zusammenarbeit, zeigen aktuelle Studien eine deutliche Verschiebung hin zu Kooperationen im Hoheitsbereich (z. B. im Baurecht – siehe unten), den verwaltungsinternen Systemleistungen (z. B. Personalverwaltung, Beschaffung), gemeinsamen Gewerbegebieten oder bei Bau- und Wirtschaftshöfen.
Wichtige Triebfedern der aktuellen Diskussion in Österreich sind die wachsenden Finanzprobleme der Gemeinden, die erwarteten negativen Folgen des demografischen Wandels, die erweiterten technischen Möglichkeiten (E-Government), eine veränderte Förderkulisse der EU (Regionen), ein langsamer Bewusstseinswandel, wonach größere regionale Einheiten im wachsenden Standortwettbewerb schlagkräftiger sind als kleine lokale Initiativen.
Freiwilligkeit ist ein bestimmendes Moment bei interkommunalen Kooperationen, seitens der Länder werden Kooperationen verstärkt gefördert (siehe unten). Trotz der vielen neuen und sehr positiv zu würdigenden Beispiele ist das Potenzial der Kooperationsmöglichkeiten aber noch lange nicht ausgeschöpft.

Interkommunale Zusammenarbeit in Deutschland
Auch in Deutschland gehört – ähnlich wie in Österreich – interkommunale Zusammenarbeit schon seit Jahren zu einer weit verbreiteten Form kommunaler Aufgabenerfüllung. Schwerpunkte der Zusammenarbeit finden sich im Bereich der Tourismusförderung und des Regionalmarketings, der Wasserver- und Abwasserentsorgung sowie auf dem Feld der Informationstechnologie. Die bisherige interkommunale Zusammenarbeit wird durch die beteiligten Kommunen als erfolgreich bewertet. So konnten kommunale Aufgaben – trotz wachsender inhaltlicher Komplexität (z. B. Umweltrecht) oder zunehmender Finanznöte – weiterhin in hoher Qualität erbracht werden.
Auch Effizienzsteigerungen sind durch Kooperationen zu verzeichnen. Darüber hinaus sollen weitere Ausgliederungen bzw. die Aufgabe von Leistungserbringungen hintangehalten werden. Mit einer Qualitätssteigerung sowie der „Werbung“ bei Bürgern, öffentliche Leistungen in außerordentlich gutem Umfang zu erbringen, sollen auch Arbeitsplätze geschaffen und der Zuzug von Bürgern gefördert werden.
Zukünftige Felder der Zusammenarbeit werden im Bereich des Einkaufs, der Personaldienstleistungen, des Brandschutzes, im Rettungswesen sowie bei der gemeindeübergreifenden Nutzung der Informationstechnologie gesehen.
Trotz der insgesamt sehr positiven Bewertung der bisherigen interkommunalen Kooperation sieht der Deutsche Städte- und Gemeindebund den weiteren Ausbau von Kooperationen zwischen den Städten und Gemeinden durch die ausgeprägte Fokussierung der EU auf den Schutz des freien Marktes und die darauf bezogene Rechtsprechung des EuGH als bedroht an. Daher fordert er, die in Deutschland verfassungsrechtlich geschützte kommunale Organisationshoheit auch auf die interkommunale Zusammenarbeit auszudehnen und rein interkommunale Aufgabenübertragung als nicht ausschreibungspflichtige Beschaffungsvorgänge am Markt von den Vorgaben des europäischen Wettbewerbs- und Vergaberechts freizustellen (siehe auch Kasten zu den Aktivitäten des Landes Niedersachsen).

EuGH-Entscheidungen nicht kooperationsfreundlich
Insbesondere haben die in den letzten Jahren getroffenen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes zu massiven Einschränkungen bisher freier Gestaltungsbereiche von Kommunen geführt. Es ist dabei auf die Fälle der unzulässigen Vergabe der Abfallentsorgung ohne Ausschreibung durch die Stadt Hinte an einen Verband und auf die spanische Regelung, die durch Gesetz generell Kooperationsvereinbarungen zwischen der allgemeinen Staatsverwaltung mit u. a. den Gebietskörperschaften und deren autonomen Einrichtungen ausgenommen hat und damit den Vergabevorschriften widerspricht, hinzuweisen.

Die Bundesländer fördern aktiv Gemeindekooperationen
Die auf der Tagung präsentierten Förderstrategien der Bundesländer Oberösterreich, Vorarlberg und Kärnten zeigen alle ein ähnliches Muster:

Stadt-Umland-Kooperationen der größeren Städte
Ein klares Bekenntnis zur Kooperation gaben die Städte Villach und Wels auf der Tagung ab. So praktiziert die Stadt Wels seit einigen Jahren eine Reihe von interessanten Kooperationen mit Umlandgemeinden, wie zum Beispiel folgende:

- Zusammenarbeit der Stadt Wels mit den umliegenden regionalen Sozialhilfeträgern (auch Unterstützung bei der Suche nach einem Alten- und Pflegeheimplatz);

- Beteiligung der Stadt Wels beim Bezirks-Alten- und Pflegeheim Thalheim (Zuweisungsrecht der Stadt Wels für 30 Personen);

- Abwicklung des Winterdienstes mit den Umlandgemeinden Thalheim, Weißkirchen und Marchtrenk;

- Versorgung der Umlandgemeinden Thalheim, Steinhaus und Neukirchen durch den Welser Bücherbus sowie

- Zusammenarbeit auf dem Arbeitsmarktbereich in der Regionalstiftung Wels (Qualifizierung und Wiedereingliederung von Menschen, die aufgrund von Insolvenzen oder Outplacement ihren Arbeitsplatz verloren haben).

Die Zusammenarbeit basiert meist auf privatrechtlichen Vereinbarungen. Die öffentlich-rechtliche Form eines Gemeindeverbandes, der durch Beschluss der Gemeindevertretungen oder durch Gesetz eingerichtet werden kann, wurde bis jetzt nicht genutzt. Verwaltungsgemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit zur gemeinsamen Führung der Geschäfte sind in Oberösterreich nur zwischen Gemeinden desselben politischen Bezirks möglich.
Hier wird von Seiten der Landesregierung eine gesetzliche Anpassung ebenso erhofft wie für eine Rechtsanpassung, wonach die Zusammenarbeit zwischen einer Statutarstadt und Gemeinden der umliegenden Bezirke möglich werden sollte.
Auch in Villach wurden in den vergangenen Jahren verschiedene Stadt-Umland-Kooperationen realisiert, darunter sind folgende besonders interessant:

- Aufbau einer zentralen Beschaffungsplattform (Einsparungen in einem Einzelfall sogar 75%);

- Führung eines Gemeindekindergartens in einer Nachbargemeinde (gegen Ersatz der Personalkosten; es besteht trotz höherem Qualitätsstandard Kostenneutralität);

- Erweiterung der Bestattungs- und Friedhofsleistungen auf andere Gemeinden (Übernahme von Organisation und administrativen Abwicklungen von Bestattungsleistungen);

- fachliche Unterstützungsleistungen im Bereich der EDV, des Internets oder der Bau- und Wirtschaftshöfe.

Und obgleich die bisherigen Erfahrungen der Gemeinden sehr deutlich zeigen konnten, dass sich Kooperationen für die beteiligten Gemeinden – vor allem aber für die kleineren Partner – wirtschaftlich lohnen, bleibt – so die Einschätzungen der Bürgermeister der Städte – letztlich die Angst der kleinen Gemeinden vor den übermächtigen großen Städten. Für die Großen bedeutet dies daher, vor allem in den Aufbau der Vertrauensbasis zu investieren. Besondere Bedeutung erlangt damit ein gemeinsam gezogener Nutzen, der für die gleichberechtigten Partner zu einer „win-win“-Situation führt.

Parallelstrukturen überwinden, die Region stärken
Gemeindekooperationen zu praktizieren bedeutet oftmals auch, dass viele parallele Verwaltungs- und Entscheidungsstrukturen entstehen, was sich nachteilig auf die Wirtschaftlichkeit der Kooperation auswirkt. Dies war auch der Grund dafür, weshalb 9 Gemeinden des Lavanttales den Versuch gestartet haben, das Nebeneinander von 7 Verbänden zu reorganisieren und gleichzeitig die Region im überregionalen Wettbewerb (um Arbeitsplätze, aber vor allem auch um Fördermittel) besser zu positionieren und letztlich gemeinsam als „Region“ aufzutreten. Der Weg zur Reduktion der Parallelstrukturen konzentriert sich gegenwärtig vor allem auf eine Zusammenführung der administrativen Strukturen in einer neu zu schaffenden privatwirtschaftlichen Gesellschaft. Großes Diskussionspotential bietet dabei die Verteilung der Stimmgewichtung für wichtige Entscheidungen; dabei verzichten die größeren Gemeinden zugunsten der kleineren auf Stimmen und auch das Beschlussquorum wurde zugunsten Letzterer erhöht. Mit dieser Gesellschaft soll nicht nur wirtschaftlicher agiert, sondern die politischen Entscheidungsträger auch zeitlich entlastet werden. Einer Zusammenführung der verschiedenen Verbände – etwa in der Form eines „Mehrzweckverbandes“ – stehen gegenwärtig noch rechtliche Hürden im Weg.

Gemeindeübergreifendes Bauamt
Unter diesem Motto haben die 11 in ihrer Größe sehr unterschiedlichen Vorarlberger Gemeinden der Region Vorderland (von 380 bis 12.000 Einwohner) begonnen, ein gemeindeübergreifendes „Bauamt“ zu verwirklichen. Dabei wurde von Anfang an als Prämisse festgelegt, die Gemeindeautonomie zu erhalten, die politische Steuerungsfunktion ebenfalls in den Gemeinden zu belassen, jedoch strukturierte Prozesse zu übertragen.
Die Gemeinden waren sich von Anfang an darüber einig, dass Autonomie nicht zwangsläufig bedeutet, alles selbst machen zu müssen, wohl aber, selbst entscheiden zu können. Mit Blick auf einen optimalen Service für die Bürger sollte die Wohnortgemeinde jedenfalls als erster Ansprechpartner erhalten bleiben, gleichzeitig aber durch die Bündelung der Bearbeitung von Bauagenden die Bürgermeister von baurechtlichen Belangen entlastet werden. Damit dies funktionieren konnte, musste sich auch die Politik ändern und als Voraussetzung für eine dezentrale Bearbeitung von Bauanträgen verbindliche Planungsgrundlagen schaffen. Per Ende November 2005 werden die durchschnittlich 320 jährlich anfallenden Bauverfahren von einem Juristen, einem Bautechniker und einem Administrator erledigt. Nachdem der Start bestens gelungen zu sein scheint, werden neue Kooperationsfelder vorbereitet (in der Diskussion ist die Schaffung eines überregionalen Bauhofes sowie eines Wertstoffhofes).

Fazit einer insgesamt sehr gelungenen Veranstaltung
Die Tagung konnte einmal mehr sehr eindringlich belegen, dass Gemeindekooperationen – trotz vieler nicht zu leugnender rechtlicher Hürden – machbar und für die Gemeinden von teilweise erheblichem wirtschaftlichem Nutzen sind. Alle Experten waren sich einig, dass der Bedarf nach weiteren Gemeindekooperationen zunehmen wird. Ungeachtet der im Rahmen der Tagung erörterten rechtlichen und organisatorischen Sachfragen einer Kooperation
darf nicht vergessen werden, dass Gemeindekooperationen immer auch die Überwindung von Vorbehalten und Ängsten (z. B. Identitäts- oder auch Autonomieverluste) bei den handelnden Personen in den Gemeinden bedeutet und diese gerade nicht als Nebensächlichkeit abgetan werden dürfen. Denn erst wenn es gelingt, für alle Partner einen positiven Nutzen der Kooperation sichtbar zu machen, und wenn bestehende Vorbehalte dauerhaft ausgeräumt sind, stellt sich erst die Frage nach der geeigneten Organisationsform.
Damit zukünftig noch viele erfolgreiche gemeindeübergreifende Kooperationen entstehen können, bedarf es weiterhin der aktiven Unterstützung und Motivation durch die Bundesländer. Dass diese Gemeindekooperationen schon jetzt als eine wichtige strategische Aufgabe sehen, konnten nicht zuletzt die Referate auf der Tagung deutlich belegen.
Die Tagung vermittelte einen guten Einblick in die aktuelle Diskussion und konnte gleichzeitg neue Impulse für die weitere Fachdiskussion setzen. Die Tagungsergebnisse werden – wie auch die Diskussionsimpulse – in einer vom KDZ demnächst herausgegebenen Publikation zur interkommunalen Kooperation aufgegriffen und weitergeführt. Die einzelnen Referate stehen Interessierten auf der Homepage des Städtebundes (www.staedtebund.gv.at) und des KDZ (www.kdz.or.at) zum Download zur Verfügung.

OEGZ

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