Verwaltungsethik und -kultur im Gemeindedienst

Verwaltungsethik und -kultur im Gemeindedienst

Nachhaltig erfolgreiche Unternehmen haben eine gemeinsame Eigenschaft: Ihre jeweilige Unternehmenskultur wird von allen Mitarbeitern, oben oder unten in der Hierarchie, geteilt und gelebt. Im Rathaus mag die Frage lauten, wie wohl der in der Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft am besten zu dienen ist. Die Verwaltungskultur kann bewirken, dass Führung und Gemeindeangestellte nicht nur „am gleichen Strick ziehen“, sondern dass sogar die Richtung stimmt.

Bürokratie und Privatwirtschaft
Vorweg: Es geht um die Performance der Gemeindeverwaltung. Auf sie hat die Verwaltungskultur entscheidenden Einfluss.
Gibt es die Verwaltungskultur im Gemeindedienst? Muss man nicht vielmehr von Verwaltungskulturen sprechen? Verwaltungskultur ist eine Spielart der Unternehmenskultur, nämlich die in den Gemeindeverwaltungen als Unternehmungen sui generis gepflegte. Die Kulturen verschiedener Gemeinden mögen untereinander ähnlicher sein wie die privatwirtschaftlicher Unternehmen. Es ist aber anzunehmen, dass die Privatunternehmen, die längere Zeit in einem Segment des Marktes Erfolg haben, in ihrer jeweiligen Kultur Ähnlichkeiten aufweisen, wie die Gemeinden untereinander Ähnlichkeiten aufweisen.
John Kenneth Galbraith bestreitet das Bestehen eines grundlegenden Unterschiedes zwischen Korporatismus, also der Art und Weise, wie die großen internationalen Konzerne geführt und verwaltet werden, und staatlicher Bürokratie („The Myth of the Two Sectors“)1. Zum Beweis führt er die zahlreichen Abhängigkeiten, Verflechtungen zwischen sogenannter Privatwirtschaft und staatlichen Einrichtungen und den Konzernen ins Treffen, etwa im Bereich des Militärs und der Landwirtschaft, hier betrifft die Abhängigkeit auch jeden einzelnen Landwirt, man denke an die Marktordnung und Preisstützung. In Österreich wäre besonders das Gesundheitswesen zu erwähnen. Fast alle Menschen sind pflichtversichert und nehmen weit überwiegend öffentliche Gesundheitseinrichtungen in Anspruch, mögen es Spitäler, Vertragsärzte oder Vertragsapotheken sein.
Hielte man den tragenden Säulen der Gemeindeverwaltung, den Gemeindeangestellten vor, ihr berufliches Handeln sei bürokratisch, würde man wohl Proteste ernten, wo so viel Bürgernähe, Effizienz und Dienstleistungsgesinnung als Haupteigenschaft des Verwaltungshandelns gepriesen, wohl auch gelebt wird. Niemand hingegen würde es wagen, einen politischen Funktionär als bürokratisch zu bezeichnen, steht Bürokratie doch für Leerlauf, Ineffizienz, Ritualisierung, Innovationsdefizite und die Technokratisierung der Politik.
Die Sektoren scheinen sich einander anzunähern, zugleich verschwimmen die Grenzen.
Die ordnende, regulierende, gestaltende Kraft der Korporationen, der internationalen Konzerne kann kaum überschätzt werden. Man denke an das Branding, die Erfindung und Etablierung von Marken und Typen, ihre Auswirkungen auf Konsumgewohnheiten und Versorgung der Bevölkerung, etwa den Einfluss der Programmiersprachen von Microsoft und des ICANN – Internet Corporation For Assigned Names and Numbers – auf Kommunikation und Kybernetik. Dennoch erfüllen vor allem die staatlichen Verwaltungen notwendige Ordnungsaufgaben, nämlich die Hoheitsverwaltung. Die Hoheitsverwaltung und die Justiz sind es, die den Rechtsschutz verwirklichen und ohne deren rechtsstaatliche Fundierung weder persönliche Freiheit noch breite wirtschaftliche Prosperität verwirklicht werden könnten.2
Freiheit und Wohlstand, Wohlfahrt sind Werte. Ethik handelt von den Werten, davon, was gut und richtig ist. Organisationen fühlen sich Werten verpflichtet, welchen Nutzen – sozialwissenschaftlich Funktion, altertümlich Dienst – wollen sie stiften?3 Ohne Werte lässt sich keine akzeptable Verwaltungskultur begründen, ohne Werte verkommt die Hoheitsverwaltung zur banalen Herrschaft, zur bloßen Machtausübung. Die Daseinsvorsorgeleistungen der gemeindlichen Privatwirtschaftsverwaltung degenerieren, lieblos erbracht, zum Monopol.

Von den Werten in der Verwaltung
Die Gemeindeverwaltung hat es besonders einfach

1. mit der ethischen Begründung ihrer Existenz (Frage: Welchen Werten fühlt sich die Gemeinde als Organisation verpflichtet? Welchen Nutzen will die Gemeinde verwirklichen?),

2. mit den Normen und Regeln, an denen sie ihr Tun und Lassen ausrichtet, und schließlich

3. mit der Beantwortung der Frage, nach welchen sittlichen Qualitäten werden die Führungspositionen und alle übrigen Positionen, durch Wahl oder Ernennung, besetzt.4

Werte
Die Demokratie setzt moralische Grundwerte voraus, die sie selbst nicht bereitzustellen vermag (Moritz Leuenberger). Sie baut nach allgemeinem Verständnis auf gemeinsamen Grundwerten auf. Nur dort, wo sich Politik und Gesellschaft über diese Grundwerte verständigen, bleibt sie stabil. Sie finden ihren Ausdruck im Grundrechtskatalog des Grundgesetzes und in den Rechten des Menschen, wie sie die Verfassung beschreibt. Daher ist die Gemeindeverwaltung idealerweise eingebettet in die Zivilgesellschaft, die als freiheitliches Gegenbild zur Tyrannei vier republikanische Ziele zusammenfasst: den Schutz des Individuums vor dem Staat (Locke), die Herrschaft des Gesetzes und die Teilung der Gewalten (Montesquieu), die Schulung der Bürger und die Rekrutierung politischer Eliten (Tocqueville) und (neuerdings) die Nutzung des öffentlichen Raumes als Medium demokratischer Selbstreflexion (Jürgen Habermas).
Die verfassungsmäßigen und einfachgesetzlichen Aufgaben, die von der Gemeinde zu erfüllen (und nicht zu hinterfragen) sind, bilden – bei wirkungsorientierter Verwaltung – einen Nutzen für die durch die Gemeinde repräsentierte Gemeinschaft, in Wahrheit natürlich für möglichst viele Einzelpersonen. Selbst bei den freiwilligen Aufgaben liegen gesetzliche Ermächtigungen vor.
Diese Werteverbundenheit des Verwaltungshandelns wird heute vielfach mit dem Begriff der Good Governance, des konstruktiven Zusammenwirkens der öffentlichen Verwaltung mit wichtigen Akteuren und Organisationen, um die Lebensqualität vor Ort zu verbessern,5 beschrieben.

Normen und Regeln
Die Normen und Regeln, an denen die Gemeindeverwaltung ihr Tun und Lassen ausrichtet, sozusagen die Handlungsmaßstäbe der Gemeindeverwaltung, können aus Rechtsvorschriften teils direkt entnommen, teils abgeleitet werden.
Das Verwaltungshandeln soll sein:

- Rechtmäßig – Artikel 18 Abs. 1 BVG: Die gesamte Verwaltung darf nur aufgrund der Gesetze ausgeübt werden, „Anwendungsvorrang“ des unmittelbar anzuwendenden Gemeinschaftsrechtes.

- Sachgerecht: Vgl. Ermittlungsverfahren nach AVG, Grundsatz der materiellen Wahrheit.

- Unparteilich: Handeln nach objektiven Kriterien. Vgl. Vergabe-Rechtsvorschriften, Befangenheitsbestimmungen in den Gemeindeorganisationsvorschriften und § 7 AVG.

- Rational.

- Sparsam, wirtschaftlich und zweckmäßig (§ 3 Gemeindegesetz Vorarlberg, GG). Auf den Schutz der Umwelt bedacht (§ 3 GG).

- Vermögenserhaltend und ertragsorientiert, nutzbringend (§ 71 GG).

- Sonderbestimmungen für wirtschaftliche Unternehmungen: Wirtschaftlichkeitsgrundsatz, Bedarfsprüfung, Subsidiarität, Proportionalität.

- Fiskalgeltung der Grundrechte: Die Grundrechte binden auch die nicht hoheitlich handelnde Gemeinde. Insbesondere der Gleichheitsgrundsatz (Art. 7 BVG).

Das Weißbuch der Europäischen Union „Gutes Regieren“ nennt fünf Kriterien von Good Governance, die darüber noch weit hinausgehen:6

- Transparenz: Entscheidungsprozesse und öffentliche Institutionen sollen transparent sein.

- Partizipation: Umfassende Beteiligung ergänzend zur Politik führt zu erhöhtem Vertrauen und besserer Prozessqualität.

- Verantwortung für die Qualität der Leistungen und Effizienz gegenüber allen gesellschaftlichen Gruppen („Stakeholdern“).

- Effektivität: Bedarfe müssen effektiv erfüllt werden, basierend auf Objektivität und Evaluierung.

- Kohärenz: Politik und Handlungen müssen zusammenpassen und verständlich sein.

Die Normen und Regeln, die sich an den Verband, den Rechtsträger, die Behörde richten, werden durch konkrete Verhaltensregeln für die Organwalter ergänzt:
Die Gemeindevertreter haben zu geloben, diese Werte und Handlungsmaßstäbe nach besten Kräften einzuhalten (§ 37 GG). Von den Gemeindeangestellten wird erwartet, dass sie „mit Sorgfalt, Fleiß, Unparteilichkeit und Treue mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem“ arbeiten, dass sie „ihre Vorgesetzten unterstützen und gegenüber den Mitarbeitern und den Kunden den gebotenen Anstand wahren, dass sie niemand diskriminieren und die Kunden der Gemeinde unterstützen und informieren“ (§ 14 Gemeindeangestelltengesetz)7 und „keine Geschenke annehmen“ (§ 15 leg. cit). Die vorgesetzten Gemeindeangestellten haben ihren Mitarbeitern Aufgaben zur verantwortlichen Erledigung zu übertragen, die Mitarbeiter in ihrer beruflichen Aus- und Fortbildung fördern. Vorgesetzte sollen Anerkennung für gute Arbeitsergebnisse aussprechen und durch sachliche Kritik helfen, Fehler zu vermeiden. Sie haben die Zusammenarbeit zwischen den Mitarbeitern zu fördern und ausreichend zu informieren. Wenn Konflikte auftreten, haben Vorgesetzte auf eine gerechte Schlichtung hinzuwirken. Sie sollen ihrerseits die Berechtigung sachlicher Kritik anerkennen (§ 16 leg. cit.).

Wie werden die Führungspositionen besetzt?
„Menschen und nicht Gesetze sind es, auf denen die Ordnung beruht“ (Xsun Tsi, chinesischer Philosoph, ca. 310 v. Chr.).
Die Wähler entscheiden über die personelle Besetzung von Führungsfunktionen in den Gemeindeorganen. Die Kandidaten werden ihnen von den Parteien vorgeschlagen. Demokratiepolitisch gesehen mag die von den Parteien getroffene, in manchen Wahlrechten rigide Vorauswahl der wählbaren Kandidaten den Wähler über Gebühr bevormunden. Zahlreiche Studien sprechen von der Effizienz und Überlegenheit direktdemokratischer Systeme.8
Die Gemeindeangestellten werden ernannt oder mit privatrechtlichem Vertrag angestellt; bei leitenden Funktionen sind Ausschreibungen und formalisierte Auswahlverfahren nur ausnahmsweise, etwa im Spitalbereich, oder nach Ausschreibungsgesetzen vorgeschrieben, aber weithin üblich.

Die Verwaltungskultur bestimmt das Engagement der Mitarbeiter
Werte, Normen und Verhaltensregeln, von der Führungsspitze verabschiedet, abgedruckt in einer Hochglanzbroschüre und ausgestellt auf der Homepage bewirken nichts in einer Organisation – eher im Gegenteil, wenn die hehren Ziele erkennbar verfehlt werden.
Ein Dienstleistungsunternehmen kann nur durch die Gewinnung und Heranbildung und dauerhafte Bindung sittlich reifer, fähiger Personen im Personalstand erfolgreich sein.
In einer viel beachteten Studie hat die Gallup Organisation nachgewiesen, dass die Performance von Unternehmen maßgeblich vom Engagement der Mitarbeiter und das Engagement von der emotionalen Bindung der Arbeitnehmer zum Arbeitsplatz abhängt. Und es ist die Verwaltungskultur, die die emotionale Bindung beeinflusst.9

- Arbeitnehmer mit hoher emotionaler Bindung zum Arbeitsplatz sind ihrem Arbeitsplatz emotional verpflichtet (u. a. loyal, produktiv, geringere Fehltage, geringere Fluktuation, niedrigerer Schwund).

- Arbeitnehmer mit geringer emotionaler Bindung zum Arbeitsplatz leisten „Dienst nach Vorschrift“; sind zwar produktiv, aber dem Unternehmen nur eingeschränkt emotional verpflichtet (u. a. mehr Fehltage, höhere Fluktuation).

- Arbeitnehmer ohne emotionale Bindung zum Arbeitsplatz arbeiten aktiv gegen die Interessen des Unternehmens, haben vielleicht auch schon die innere Kündigung vollzogen (physisch präsent, psychisch jedoch nicht); sind mit ihrer Arbeitssituation unglücklich und lassen die Kollegen und Kolleginnen dies wissen.

Mitarbeiterzufriedenheit ist entscheidend
Die emotionale Bindung von Mitarbeitern kann für unsere Zwecke mit Mitarbeiterzufriedenheit gleichgesetzt werden. Die Auswirkungen einer Verbesserung der Mitarbeiterzufriedenheit sind eine signifikante Senkung der Krankenstände, bei Banken und Handelsbetrieben der Mitarbeiterrentabilität und zugleich des Rohertrages. Die Ergebnisse sind zweifellos auf den Dienstleistungsbetrieb Gemeindeverwaltung übertragbar. Daraus ergibt sich die Schlussfolgerung, dass die hohe Kundenzufriedenheit mit der Gemeindeverwaltung, wie sie aus der vom Städtebund beauftragten Studie des Ifes vom Mai 200310 hervorgeht, wohl auch mit einer besonders hohen Mitarbeiterzufriedenheit korreliert, was einer vergleichenden Untersuchung mit Bundes- und Landesdienststellen Wert wäre.
Die Mitarbeiterzufriedenheit ist messbar, bestimmbar. Als Methode bietet sich die (zumeist in anonymisierter Form) durchgeführte Mitarbeiterbefragung an, wozu beispielsweise die erwähnte Gallup Organisation und Eucusa (www.gallup.com und www.eucusa.org) qualifiziert sind.

Ist Mitarbeiterzufriedenheit nur eine Führungsaufgabe?
Das Selbstbild des Gemeindeangestellten
Berufsbild und Selbstverständnis auch der Mitarbeiter in den „Kernverwaltungen“ der Gemeinden haben sich – wohl gleichzeitig mit der Neuinterpretation der Gemeinden als Verwaltungsdienstleister statt bloß hoheitlich anordnende Behörden – erheblich gewandelt. Die Abschaffung des Berufsbeamtentums in einzelnen Gemeindedienstrechten ist deutlicher Ausdruck dieses veränderten Status. Sie war meines Erachtens weder notwendig noch ausreichend, um ein „productivity miracle“ auszulösen, den Gemeindedienst als Bestandteil des Dienstleistungssektors ebenfalls in einen „Motor europäischen Wirtschaftswachstums“ zu verwandeln und die Beschäftigungslücke zwischen den USA und der EU zu schließen.11
Der Gemeindeangestellte sieht sich jedenfalls längst nicht mehr als mit einem Amt beliehen. Sein Verständnis ist eher das eines „knowledge workers“, eines professionellen, kaufmännisch, organisatorisch, technisch und juristisch gebildeten Verwaltungsfachmannes. Für diese „professionals“ zählen Wertschätzung, berufliche Herausforderungen, Abwechslung, Teamarbeit, menschliche Begegnungen gleich viel wie finanzielle Anreize.

Management ist die Transformation von Wissen in Nutzen
Wenn es die Aufgabe eines modernen Dienstleistungsunternehmens ist, das Wissen und die Fähigkeiten der Mitarbeiter nutzbar zu machen, daraus Resultate zu erzielen, stellt sich die Frage, wie muss die Arbeitsumgebung, die Organisation beschaffen sein, in der die Arbeitsproduktivität des Verwaltungsfachmannes, der Verwaltungsfachfrau gesteigert werden kann? Anders als in der industriellen Produktion fehlen Maßstäbe, Methoden und Grundregeln dafür: „Exactly how to improve knowledge-work productivity is one of the most important economic issues of our time.“12
In der im Februar 2006 erschienenen Untersuchung „The company“ nennt der „Economist“ drei Hauptmerkmale förderlicher Arbeitsbedingungen: Führung, Talent und Kultur.13
Sollen die Gemeindeangestellten selbst motiviert und selbst bestimmend sein, will die Gemeinde Talente gewinnen, entwickeln und dauerhaft halten, dürfen die Mitarbeiter nicht an der kurzen Leine geführt werden. „Jeder Arbeiter, gleich viel wie weit unten in der Produktionslinie, wird ermutigt, sich als Wissensarbeiter zu verstehen und kreativ über die Verbesserung seiner jeweiligen Aufgabe nachzudenken.14 Möglicherweise könnte die Gemeindeverwaltung noch mehr von Toyota, dem heute weltweit erfolgreichsten Automobilerzeuger, lernen. Toyotas Unternehmenskultur hat fünf Elemente:

- Kaizen, der bekannte Prozess kontinuierlicher Verbesserung,

- Gerchi genbutsu, geh zur Quelle, finde die Fakten und verlasse dich nicht auf das Hörensagen. Vor allem geh zur Ursache des Problems. Definiere das Problem sorgfältig, bevor du Lösungen vorschlägst.

- Challenge, „Mögest du in interessanten Zeiten leben“ (chin. Sprichwort). Herausforderungen sind nicht unerwünschte Störungen, sondern Möglichkeiten der Verbesserung.

- Teamwork: Das Interesse des Unternehmens soll vor dem des Einzelnen stehen, Wissen soll im Team verteilt, zur Verfügung gestellt werden.

- Respekt für den anderen, nicht nur für die Menschen, sondern auch für ihre Fähigkeiten und ihr spezielles Wissen, das sie im Unternehmen erworben haben. Wenn zwei Menschen immer übereinstimmen, ist einer von ihnen überflüssig. Abweichende Meinungen müssen respektvoll artikuliert werden.

Diese fünf Elemente führen Mitarbeiter von Toyota im Laufe der Zeit zu einer emotionalen Stärke, welche ihr Verhalten mit der Unternehmenskultur und den unternehmerischen Werten übereinstimmt.15
„Die Unternehmenskultur ist es, die entscheidet, wie sich die Leute verhalten, wenn niemand sie beobachtet.“16

Unternehmenskultur als Aufgabe jedes Mitarbeiters
Die Mitarbeiter von Gemeindeverwaltungen bilden soziologisch betrachtet Gesellschaften, Gruppen, Gemeinschaften. Neben der offiziellen, modernerweise möglichst flachen Hierarchie gibt es informelle Rangordnungen. Die Schwierigkeiten, solche Gemeinschaften zusammenzulegen, bilden einen Hauptgrund für das Scheitern von Fusionen. In diesen Gemeinschaften trägt jedes Mitglied zur Stimmung, zum Klima, zur Unternehmenskultur bei. Die Mitglieder dieser Gemeinschaften können gestützt oder ausgegrenzt, bestärkt oder fallengelassen werden. Geführt wird von jedem Einzelnen nach allen Seiten, nicht nur nach unten, durchaus auch nach oben. Zu führen sind zuerst wir selbst.
Dazu könnten wir uns in diesem Zusammenhang vier Fragen stellen: Wie ich mich besser fühle. Wie ich mit wachsender Komplexität besser umgehe. Wie ich ein Klima der Leistung der Verantwortung schaffe. Wie ich die künftigen Aufgaben kompetenter, effizienter und effektiver ausführe.
Reinhold Sprenger sagt: „Ich träume am Schreibtisch von Hawaii? Dann bin ich weder hier noch in Hawaii … Der Chef ist nicht auf der Welt, um mich glücklich zu machen, damit ich motiviert bin.“ Jeder Mitarbeiter sollte von sich selbst aus psychischer Hygiene das Commitment verlangen: Ich mach es (meine Arbeit) ganz und mit Hingabe oder gar nicht. „Die Krankheit der Moderne ist der Mangel an biographischer Entschiedenheit.“
Unternehmenskultur wird von der Sorte von Menschen beeinflusst, die ein Unternehmen anstellt. Den größten einzelnen Einfluss auf eine Unternehmenskultur hat der Firmenchef. Die Mitarbeiter richten ihr Verhalten nach dem Mann oder der Frau an der Spitze. Kritische Verstöße, Fehlverhalten verbreiten sich über die Organisationskultur wie eine Infektion. „Once you as CEO go over the line, then people think it is okay to go over the line themselves.”17

Tools: Maßnahmen, Methoden, Techniken
Mit der Erkenntnis, dass die Verwaltungskultur das Mitarbeiter-Engagement und damit den Erfolg bestimmt, ist schon viel gewonnen. Es kommt darauf an, die Elemente der Verwaltungskultur zu beeinflussen, nämlich Kommunikation, Sprache, Bekleidung, Auftritt und Aussehen, Essen und Essgewohnheiten, Zeit und Zeitbewusstsein, Beziehungen, Werte und Normen, Glauben und Einstellungen, Mentale Prozesse und Ausbildung, Arbeitsgewohnheiten und Verfahren.
Diesem Ziel widmen sich traditionell (wieder) Personalauswahlverfahren, Ausbildung und Fortbildung. In besonders umfassender Form wird die Beeinflussbarkeit der Unternehmenskultur in der Theorie der Corporate Identity (CI) beschrieben, die hier nur in Schlagworten angedeutet werden kann: Dazu zählen Unternehmensidentität, Unternehmenskultur, Unternehmensphilosophie, Unternehmensgestaltung, Erscheinungsbild, Unternehmensbild, Unternehmensleitbild, Unternehmenspersönlichkeit, Unternehmensverhalten, Unternehmenskompetenz.
Corporate Identity stellt, wenn man das unterschiedliche Verständnis untersucht, einmal ein Ziel dar, ein andermal eine Summe von Aktivitäten, ein Instrument oder deren Wirkung. Corporate Identity wird sowohl der Unternehmensphilosophie übergeordnet, mit dieser gleichgesetzt als auch zur Grundlage zur Formulierung einer Unternehmensphilosophie herangezogen.18
Es müssen sich die Mitarbeiter nicht nur eins fühlen mit der Philosophie der Firma, sondern das innere Verständnis und der äußere Auftritt sollen deckungsgleich sein. Kritiker bezeichnen die CI als billigen Weg, um die Leute auf Zielkurs zu halten.
Ähnlich, wie es eine Verwaltungskultur gibt, mag es eine Verwaltungsunkultur geben. Sie zeichnet sich, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, aus durch die Verwaltungssprache, eine Geheimsprache, die nur der Eingeweihte versteht, durch Mobbing, Bossing, Argumentieren mit List und Tücke, durch Seilschaften (moderner „Netzwerke“ genannt) und vor allem durch die Marke „Ich“ oder gar „Ich-AG“.
Natürlich kann es nicht gelingen, aus den unzähligen Führungs- und Managementtheorien auf einer Seite ein Rezept zur Verbesserung der Mitarbeiterzufriedenheit zu destillieren. Ich beschränke mich auf einige respektvolle Zitate, frei nach Drucker, Malik, Sprenger:

1. Die richtigen Leute anstellen: Sorgfältig auswählen, Probezeit vereinbaren, anfangs befristetes Dienstverhältnis, Erfolgskriterien definieren.

2. Geben Sie den Menschen das zu tun, was sie gerne machen. Wer am Arbeitsplatz unglücklich ist, sollte etwas anderes suchen.

3. Zusammenarbeit wird durch Aufgaben begründet, die nur gemeinsam lösbar sind („Ich werde hier gebraucht“).

4. Individuelle Zurechnung von Erfolg ist weder möglich noch wünschenswert. Unter Wettbewerbsbedingungen bin ich am Scheitern des Teams interessiert.

5. Strategien: In der Realität stellt eine klare strategische Ausrichtung den stärksten Antrieb für Firmentreue dar.

6. Laden Sie zu Konfrontation ein. Konfrontation führt zur Wahrheit.

Fußnoten:
1 John Kenneth Galbraith, The Economics of Innocent Fraud, London 2004, S. 47.

2 David Landes, The Wealth and Poverty of Nations, 1998 New York.

3 Karl Berkel, Führungsethik, in: Gerhard Blickle (Hrsg.), Ethik in Organisationen, 1998.

4 Ebendort, S. 122 ff.

5 Definition von Governance International, London, www.govint.org.

6 Europäisches Regieren, Brüssel 2001.

7 LGBl (Vbg) Nr. 19/2005.

8 Bruno Frey und Alois Stutzer, Happiness and Economics, Zürich 2002.

9 Quelle: Gallup Deutschland GmbH, Potsdam, Engagement-Index 2004.
Klaus Risch, Konzernpersonalchef Hilti, in: Die Zeit, 18. 9. 2003, S. 29.

10 ÖGZ, Nr. 8/2003, S. 7 ff.

11 Bericht der Europäischen Kommission: Beschäftigung in Europa 2004.

12 Thomas Davenport, Thinking for a living.

13 Economist Feb 25th 2006, Survey: The Company.

14 Thakis Athanasopoulos, CEO Toyota Europe, in Economist Jan 19th 2006, Thinking for a living.

15 Economist Feb 25th 2006, Survey: The Company, Inculcating Culture.

16 Tom Tierney in Economist Jul 25th 2002, The best defence against “infectious greed” is a healthy corporate culture.

17 Lawrence Weinbach, CEO Unisys, ebendort.

18 Literaturhinweise:
Achterholt, G.: Corporate Identity. In zehn Arbeitsschritten die eigene Identität finden und umsetzen. 2., überarbeitete Aufl., Wiesbaden 1991.
Ahrens, R./Scherer, H./Zerfaß, A. (Hrsg.): Integriertes Kommunikationsmanagement. Frankfurt/M. 1995.
Antonoff, R.: Corporate Identity. Frankfurt/M. 1983.
Antonoff, R.: Die Identität des Unternehmens. Ein Wegbegleiter zur Corporate Identity. Frankfurt: Frankfurter Zeitung, Blick durch die Wirtschaft, 1987.
Kleinfeld, K.: Corporate Identity und strategische Unternehmensführung 1992.

OEGZ

ÖGZ Download