Europa in den Städten und Gemeinden kommunizieren

Europa in den Städten und Gemeinden kommunizieren

Diskussion, Kommunikation und Information über die Europäische Union durch Mandatare und Vertreter der Städte und Gemeinden – habe ich mich verhört, und wie soll das vor sich gehen? So oder ähnlich mögen viele Reaktionen gewesen sein, als die Zielsetzung, den Bürger unmittelbar zu informieren und ihn in die Gestaltung der Politiken und Entscheidungen über Europa mit einzubeziehen, konkretisiert und verstärkt wurde. Tatsache ist, dass Städte und Gemeinden eine wichtige und die richtige Ebene für die Kommunikation über die EU-Politik sind. Die Europäische Kommission unterstützt sie bei dieser Arbeit.

Dieser Artikel soll drei Fragenkreise abdecken:
- Warum ist es für Städte und Gemeinden sinnvoll und notwendig, sich mit ihren Bürgern zu EU-Fragen auseinanderzusetzen?
- Wie ist es zu einem verstärkten Bewusstsein über eine europäische Kommunikationspolitik gekommen?
- Welche Möglichkeiten können für eine möglichst bürgernahe Informations- und Kommunikationspolitik genutzt werden?

Europa ums Eck
Communicare – teilen, mitteilen, teilnehmen lassen, Anteil nehmen … Brüssel ist eine verregnete, eher unbekannte Stadt, um die 1.000 km weit von der Heimat entfernt und von einer großen Zahl von Beamten bevölkert, die nach komplizierten Regeln an Gesetzestexten werken, die mit der täglichen Wirklichkeit wenig zu tun haben. Was soll man hier mitteilen?
Weit gefehlt: „Brüssel“ sind nicht allein die Beamten der Kommission, die Vorschläge für Rechtsakte (Verordnungen, Richtlinien, Entscheidungen) erarbeiten, sondern fängt bei den österreichischen Regierungsmitgliedern an, die über diese Texte im Rat der Europäischen Union entscheiden, geht weiter über die Abgeordneten zum Nationalrat, denen die Minister und Staatssekretäre in Europafragen rechenschaftspflichtig sind und führt dann zu den österreichischen Mitgliedern des Europäischen Parlaments als Mitentscheider in den Rechtsetzungsverfahren. Hinzu kommen die heimischen Mitglieder des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA) sowie des Ausschusses der Regionen (AdR), die ihre Stellungnahmen zu den Vorschlägen über neue Richtlinien und Verordnungen abgeben, und last but not least die Interessenvertreter aus den Mitgliedsstaaten, die am Sitz der europäischen Institutionen zahlreich vertreten sind. Mit anderen Worten: Europapolitik wird nicht nur in den funktionellen EU-Gebäuden rund um den Schumanplatz und entlang der Rue de la Loi gemacht, sondern ebenso in Eisenstadt und Feldkirch wie in Nikosia oder Helsinki.

Europarecht vor Ort wirksam
Noch wichtiger ist das Faktum, dass Europapolitik auch unmittelbar vor Ort in den einzelnen Gebietskörperschaften angewandt und umgesetzt wird und Teil der täglichen Realität des einzelnen Bürgers ist. Die sachdienliche Etikettierung der Lebensmittel, die Bewusstseinsbildung über die schädlichen Auswirkungen des Tabakkonsums, die einheitlichen und konsumentenfreundlichen Garantiefristen, die Kennzeichnung der Ablauffristen von Kosmetika, zahlreiche Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität, die erhöhte Sicherheit der Kraftfahrzeuge (im übrigen auch für Fußgänger im Falle eines Unfalls), die Vereinfachungen im europaweiten Zahlungsverkehr oder die Regelung der Werbezeiten im Fernsehen sollen hier nur als einige Beispiele dienen, wie uns die Europäische Union von morgens bis abends begleitet. In vielen Fällen sind es Organe der Gemeinde, die mit der Überwachung der Umsetzung von EU-Richtlinien betraut sind, und daher rührt auch ihr ureigenes Interesse, sich mit ihren Bürgern darüber auseinanderzusetzen.

Die Pause zum Nachdenken
Wiewohl die europäischen Institutionen, insbesondere die Kommission, seit jeher ihr Augenmerk auf Information und Medienarbeit gelegt haben, wurde im Jahr 2005 deutlich, dass Art und Weise der Kommunikation einer gründlichen Überprüfung und Neuausrichtung bedürfen. Anlass hierzu waren die Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden über den „Vertrag über eine Verfassung für Europa“, bei denen sich die Wähler mit Mehrheit gegen den vom EU-Konvent erarbeiteten und von den Vertretern der Regierungen der Mitgliedsstaaten angenommenen Vorschlag ausgesprochen haben. Die Gründe für die Ablehnung waren vielfach, erwähnt werden soll hier aber, dass in den Niederlanden der Mangel an Information an dritter Stelle für die Ursachen des Neins rangierte.
Die Europäische Kommission hat daraufhin Meinungsumfragen in jenen Mitgliedsstaaten durchgeführt, in denen noch Referenden über die Verfassung angesetzt waren – diese zeigten in allen untersuchten Ländern eine rasche und klare Zunahme der Ablehnung des Verfassungsprojektes, wobei in Dänemark, Tschechien und Großbritannien die Gegenstimmen über jenen der Befürworter lagen. Es erschien der Kommission daher nicht zielführend, in welcher Art und Weise auch immer – der Einfallsreichtum, wie die Verfassung doch noch kurzfristig „gerettet“ werden könnte, kannte kaum Grenzen – auf eine sofortige Annahme der Verfassung hinzuarbeiten. Vielmehr hat sie sich entschlossen, durch eine Veränderung des politischen Kontextes die Annahme eines Verfassungstextes – wie immer er dann aussehen wird – in mittelbarer Zukunft zu erleichtern.

Vertrauen in die EU stärken
Zum einen ist die Kommission dabei, durch konkrete politische Schritte und Weichenstellungen, die dem Bürger einen unmittelbaren und klar erkennbaren Nutzen bringen, das Vertrauen in die Union zu stärken. Das konsequente Vorantreiben der Strategie für Wachstum und Beschäftigung, das Einleiten einer gemeinsamen Energiestrategie, die die bürgerlichen Freiheitsrechte respektierende Politik zur inneren Sicherheit oder der neue Entwurf zur Dienstleistungsrichtlinie sind hier als Beispiele zu nennen, ebenso die Initiative, den Bestand des Europarechts dahingehend durchzusehen, ob nicht einige Richtlinien, die sich in der Praxis nicht bewährt haben, aufgehoben oder vereinfacht werden können.
Zum anderen verabschiedete die Kommission am 13. Oktober des Vorjahres den Plan D (Demokratie, Dialog und Diskussion), mit dem Ziel, die europäische Demokratie neu zu beleben und einen Beitrag zum Entstehen einer europäischen Öffentlichkeit zu leisten. Anders gesagt: Es geht der Kommission darum, eine öffentliche Debatte anzuregen, die über institutionelle Fragen und die Verfassung hinausgeht und bei der nach einer angemessenen Zeit des Nachdenkens ein Konzept für wesentliche Fragen zur Europapolitik entwickelt werden kann. Um welche Themen geht es hier? Vorerst sind es insbesondere die wirtschaftliche und soziale Entwicklung Europas einschließlich der notwendigen Reformen im Hinblick auf den weltweiten Wettbewerb, die Frage, wie die Bürger Europa wahrnehmen und was sie von der Union erwarten bzw. wie die politischen Aufgaben verteilt werden sollen, ebenso die Grenzen Europas und seine Rolle in der Welt, also Themen zur Erweiterung, zur Aufnahmefähigkeit der Union, zur Sicherheitspolitik und zum Einfluss der Union auf das Weltgeschehen.

Mitarbeiten – mitgestalten
Diese Debatte kann nicht allein von der Kommission geführt werden, sondern sie bedarf der starken und engagierten Mitwirkung jener Gestalter des öffentlichen Lebens, die unmittelbaren Kontakt zum Bürger haben, also der lokalen Mandatare und der Beamten der Städte und Gemeinden. Es ist also wichtig, dass in den Kommunen über Europa diskutiert wird, und zwar mit jenen Verantwortungsträgern, die den Einwohnern vom täglichen Leben her bekannt sind, in die sie Vertrauen setzen und die auch die konkrete Interessenlage vor Ort kennen und auf sie eingehen können.
Um die Ergebnisse dieser Diskussionen in die Entscheidungsprozesse einfließen lassen zu können, ist es jedoch unabdingbar, dass sie anhand einer klaren Themenstellung (siehe oben) geführt werden und dass es einen konkreten und auswertbaren Rückfluss der gewonnenen Erkenntnisse und erzielten Ergebnisse an die Kommission gibt. In der Praxis sieht das so aus, dass eine Stadt/Gemeinde, die Diskussionen zu Europathemen gestalten will, sich bereits zu Beginn ihrer Überlegungen mit der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich in Verbindung setzt und mit ihr gemeinsam festlegt, welche Themen sie in welcher Art und Weise für welche Zielgruppe aufgreifen will. Die Vertretung wird dann gemeinsam mit den sachkompetenten zentralen Dienststellen die erforderlichen Unterlagen in geeigneter Form erarbeiten und zur Verfügung stellen. Gestaltung der Diskussion und Vorbereitung der Auswertung bedeuten einen nicht unerheblichen Aufwand für alle Beteiligten, daher ist es zweckmäßig, dass die interessierte Stadt/Gemeinde eine Serie von Diskussionen durchführt, um so einen ausreichenden Nutzen aus ihrer Investition ziehen zu können.
Unmittelbare Ansprechpartner für Informationsprojekte stellen auch die elf Informationsstellen des Europe-direct-Netzwerkes und deren Zweigniederlassungen dar, die in jedem Bundesland vertreten sind. Veranstalter, die einen erfahrenen Sprecher und Diskussionspartner suchen, können sich auch des Team-Europe-Netzwerkes bedienen. In Österreich stehen insgesamt 30 Experten für die wichtigsten EU-Themen zur Verfügung.

Die EU-Kommission vor Ort
Abgesehen von der Unterstützung von Informationsveranstaltungen unternimmt die Kommission selbst mehrere Maßnahmen, um die Diskussion über Europa anzuregen. Dies geschieht zum einen durch eine Zunahme der Besuche der Mitglieder der Kommission in den Mitgliedsstaaten, bei denen sie mit Vertretern der Zivilgesellschaft, der regionalen und kommunalen Behörden und der Medien sowie mit der breiten Öffentlichkeit zusammentreffen. Ebenso stehen die Kommissare den nationalen Parlamenten verstärkt zur Verfügung, um ihnen die Politik der EU-Kommission zu erläutern.
Zum anderen intensivieren die Vertretungen der Kommission in den Mitgliedsstaaten ihre Bürgersprechstunden, nicht nur in der jeweiligen Hauptstadt, sondern auch vor Ort, insbesondere in den Europe-direct-Zentren, um direkt für Fragen und Anregungen der Bürger zur Verfügung zu stehen. Auf längere Sicht sind die „Botschafter des guten Willens“ zu erwähnen, Persönlichkeiten aus weiten Bereichen der Gesellschaft, insbesondere aus Sport, Wissenschaft und Kultur, die aus dem Blickwinkel ihrer Tätigkeit heraus Europa erklären und näherbringen.
Den Kommunikationsformen der heutigen Zeit entsprechend, bietet die Kommission auch die Möglichkeit an, seine Meinung über das Internet zu äußern. Über das Onlineforum „Europadebatte“ möchten wir erfahren, was sich die Europäer von der Union erwarten und was ihnen Sorge bereitet.
Um den interessierten Teilnehmern das Beschaffen der Information für ihre Meinungsbildung zu erleichtern, finden sie auf der Webseite des Forums eine Reihe von nützlichen Dokumenten über Politiken und Initiativen der Europäischen Union. Die erhaltenen Beiträge werden in einen Bericht der Kommission über die Nachdenkphase eingehen.

Von Anfang an dabei sein
Die Bürgerbeteiligung wird auch ganz konkret in der täglichen Arbeit der Kommission gefördert. Bei allen politischen Initiativen werden nun die entsprechenden Grün- und Weißbücher der Öffentlichkeit via Internet zur Verfügung gestellt, die somit die Möglichkeit hat, ihren Standpunkt bereits in diesem frühen Stadium des Rechtssetzungsverfahrens der Kommission mitzuteilen und somit unmittelbar einfließen zu lassen.

Dazugehören und aktiv teilnehmen
Städte und Gemeinden, die sich der Kommunikation über europäische Themen verstärkt annehmen wollen, sollten auch eine Mitwirkung im Rahmen des EU-Programms „Bürger für Europa“ in Erwägung ziehen.
Dies ist ein noch heuer von Parlament und Rat zu beschließendes Paket von Maßnahmen für den Zeitraum 2007–2013, die den Austausch zwischen Bürgern verschiedener Länder, Veranstaltungen mit großer Öffentlichkeitswirkung und Einrichtungen, die neue Ideen und Überlegungen zu europäischen Themen beisteuern, fördert. Ausgehend von der Idee der „aktiven Bürgerschaft“, die sich auf ein Gefühl der Zugehörigkeit und auf Werte einer gemeinsamen Geschichte stützt, soll den Bürgern die Möglichkeit gegeben werden, direkt an der Konstruktion Europas mitzuwirken und das wechselseitige Verständnis für die Unterschiede der einzelnen Kulturen verstärkt werden, sodass durch direkte Kontakte und durch aktive Mitarbeit Europa greifbarer und verständlicher wird.

Bürgernahe Informationsarbeit wird unterstützt
Um es in wenigen Worten zusammenzufassen: Europa findet in jeder österreichischen Stadt und Gemeinde statt, sowohl in seiner Gestaltung als auch in seiner Auswirkung.
Der Bürger hat einen Anspruch darauf, über diese vielfältige und nicht immer unmittelbar verständliche Materie informiert zu sein und an ihr mitzuwirken. Städte und Gemeinden sind die idealen Ansprechpartner für den interessierten Bürger, sowohl durch ihre Kenntnisse in Verwaltung und Politik als auch durch ihre unmittelbare Nähe zum Bürger und ihr Verständnis für seine Anliegen. Die Europäische Kommission ist bereit, sie dabei zu unterstützen.

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