Auswirkungen der europäischen Wasserpolitik auf die Kommunen – ein Impuls

Auswirkungen der europäischen Wasserpolitik auf die Kommunen – ein Impuls

Mit der Erlassung der Wasserrahmenrichtlinie (RL/2000/60) hat die Europäische Gemeinschaft eine vollkommene Neuordnung des Gewässerschutzes und der Gewässerbewirtschaftung eingeleitet, welche mit dem Entwurf einer Hochwasserschutzrichtlinie um einen weiteren Baustein ergänzt werden soll. Die praktischen Konsequenzen des neuen Regelwerks werden stark von der innerösterreichischen Umsetzung durch Gesetzgebung und Vollziehung abhängen.

 

Rahmen für eine europäische Wasserwirtschaft
Die Wasserrahmenrichtlinie („WRRL“)

Im Jahr 2000 wurde seitens der Europäischen Union mit der Erlassung der Wasserrahmenrichtlinie ein Rahmenregelwerk geschaffen, welches die künftige europäische Gewässerschutzpolitik auf Jahrzehnte hinaus maßgeblich determinieren soll.
Die Wasserrahmenrichtlinie wird vom Leitsatz der Erreichung einer integrierten europäischen Gewässerpolitik unter Gewährleistung der Nachhaltigkeit dominiert. Großen Raum widmet sie dabei Zielsetzungen im Bereich ökologischer Gewässerstandards.
Als allgemeiner Qualitätsstandard3 wird ein „guter ökologischer Zustand“ (Anh. V WRRL) verlangt, während bei künstlichen oder erheblich veränderten Gewässerkörpern (HMWB) die Erreichung eines qualitativ geringerwertigen „guten ökologischen Potenzials“ (Art. 4 Abs. 3 und Anh. II WRRL) ausreicht. Als unterste Qualitätsschranke ist das „Verschlechterungsverbot“ (Art. 4 Abs. 1 WRRL)4 anzusehen5, welches eine Unterschreitung der bestehenden Gewässerqualität mit wenigen Ausnahmen6 für unzulässig erklärt. Die Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie wurden in Österreich zum größten Teil durch die WRG-Novelle 20037 umgesetzt. Der österreichische Gesetzestext übernimmt dabei den teilweise sehr offen formulierten Wortlaut der Richtlinie zu großen Teilen, sodass den zuständigen Vollzugsbehörden bei der Erstellung von Bewirtschaftungsplänen8 für Flusseinzugsgebiete9 (bis Ende 2008) erheblicher Spielraum für die praktische Umsetzung der Ziele der WRRL eingeräumt wurde. Die Gestaltung dieser Spielräume kann ebenso entscheidenden Einfluss auf die Wahl der Maßnahmen zur Erreichung der Qualitätsziele haben wie auf die künftige Nutzbarkeit von Gewässern und umliegenden Flächen.

Neu: die Hochwasserschutzrichtlinie
Hochwasserereignisse haben in den letzten Jahren in Österreich bzw. in Europa enorme wirtschaftliche Schäden verursacht. Im Zuge der Analyse dieser Ereignisse ist die europaweit unzureichende Bewirtschaftung von gefährdeten Einzugsgebieten in Verbindung mit vermehrter Bautätigkeit in potenziellen Hochwasserrisikogebieten immer mehr ins Blickfeld geraten.10
Eine entsprechende Grundlage für eine gemeinsame, staatenübergreifende Vorgangsweise bildet nunmehr der von der EU-Kommission im Jänner 2006 vorgelegte Vorschlag für eine Hochwasserschutzrichtlinie11. Diese soll auf der im Jahr 2000 verabschiedeten Wasserrahmenrichtlinie aufbauen und die Wasserrahmenrichtlinie um Zielsetzungen im Bereich Hochwasserschutz ergänzen. Durch konzertierte Maßnahmen des Hochwasserrisikomanagements in Form der Bewertung gegenwärtiger und zukünftiger Hochwassergefahren, Erstellung von Hochwasserkarten für Risikogebiete, Ausarbeitung und Umsetzung von Hochwasserrisikomanagementplänen soll eine Verringerung der Auswirkungen der Gefahren von Hochwasser auf Leben, Eigentum und Umwelt erreicht werden. Dabei haben die Mitgliedsstaaten für jene Gebiete, für die im Rahmen der Risikobewertung ein „potenziell signifikantes Hochwasserrisiko“ festgestellt wird, Hochwasserkarten (potenzielle Wiederkehrperioden u. a.) sowie
Hochwasserrisikokarten (Einschätzung potenzieller Schäden für Gesundheit, Eigentum und Umwelt) zu erstellen. Darauf basierend soll in der Folge mit Plänen für das Hochwasserrisikomanagement die Vermeidung von sowie Vorbereitung auf Hochwasser erarbeitet und gemeinsam mit den Maßnahmen der Wasserrahmenrichtlinie umgesetzt werden. Bei grenzüberschreitenden Flusseinzugsgebieten ist zudem eine Koordination der Maßnahmen durch die zuständigen Regierungen vorgesehen.

Auswirkungen auf die Kommunen
So positiv die Zielsetzungen des genannten europäischen Rechtsrahmens im Bereich „Wasser“ auch sein mögen, so gebietet die Unsicherheit über die praktischen Auswirkungen des neuen europäischen Rechtsrahmens doch Vorsicht.

Wasserrahmenrichtlinie
Hinkünftig werden sämtliche wasserwirtschaftlich relevanten Maßnahmen an den Gewässergütestandards der Wasserrahmenrichtlinie zu messen sein. Klar ist, dass insbesondere energiewirtschaftlich bedeutsame Phänomene wie Schwall- und Restwasserproblematiken sowie die Gewährleistung der Durchgängigkeit von Gewässern (z. B. für Fische) aus rechtlicher Sicht erhebliche Schwierigkeiten bei der Erfüllung der genannten Kriterien verursachen können. Diesem Umstand ist somit in jedem Einzelfall bereits bei der Projektplanung Rechnung zu tragen.
Im Juli 2005 wurden seitens der TU Graz erstmals in einer wissenschaftlichen Studie energiewirtschaftliche und ökonomische Konsequenzen der Wasserrahmenrichtlinie untersucht.12 Die vorliegende Studie kommt zum Ergebnis, dass der österreichischen Energiewirtschaft durch die Umsetzung der WRRL Verluste und Kosten13 von mehreren hundert Millionen Euro entstehen könnten.
Auffällig ist dabei, dass insbesondere Kleinwasserkraftwerke (KlWK unter 10 MW) auf kommunaler Ebene mangels ausreichender Restwassermengen und Fischdurchgängigkeit besonders stark von den Auswirkungen betroffen sind. In einer aus Sicht der Autoren eher vorsichtigen Schätzung wird davon ausgegangen, dass mit Erzeugungsverlusten zwischen 10 und 32% (16 bis 49 Millionen Euro gemäß Ökostromtarif) zu rechnen ist und die Errichtung von Fischaufstiegshilfen bei allen Anlagen rund 90 Millionen Euro kosten könnte.
Noch nicht eingerechnet in diese Abschätzung sind Fragen nach der Möglichkeit, neue energiewirtschaftliche Anlagen zu errichten, bzw. nach der Erhöhung der Errichtungskosten zur Erreichung der geforderten Gewässergütestandards. Hier wird nach der – auch verfassungsrechtlich – bedenklich offen gestalteten Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie im WRG 1959 erst die künftige Vollziehung des neuen wasserrechtlichen Regimes zeigen, welche rechtlichen und finanziellen Barrieren in der konkreten Projektumsetzung auf die Projektwerber zukommen werden.

Flexibilisierung des österreichischen Wasserrechtsregimes
Die Zielsetzungen der Europäischen Wasserpolitik im Bereich Gewässergütestandards wurden durch die Wasserrahmenrichtlinie auf ein neues Niveau gehoben und sollen nunmehr durch zusätzliche Facetten im Bereich des Hochwasserschutzes ergänzt werden. Diese Entwicklungen sind aufgrund der Akkordierung von europäischen Standards grundsätzlich als positiv einzuschätzen.
Nicht außer Acht gelassen werden darf aber, dass die Umsetzung der teilweise sehr unbestimmt gehaltenen europäischen Regelwerke erhebliche Auswirkungen und Risiken für kommunal relevante Themenbereiche in sich birgt. Die Wasserrahmenrichtlinie und Hochwasserschutzrichtlinie gemeinsam haben dabei etwa erheblichen Einfluss auf kommunalwirtschaftlich relevante Leistungen wie etwa den Betrieb von KlWK ebenso wie bau- und raumplanerische Fragestellungen.
Die Kommunen und ihre Interessenvertretungen sind daher aufgefordert, auf eine den praktischen Anforderungen der kommunalen Wirklichkeit entsprechende Umsetzung europäischer Regelungsgegenstände zu drängen. Sollte das gelingen, bieten die neuen europäischen Regelwerke im Bereich „Wasser“ große Möglichkeiten für die innovative Gestaltung des Gewässermanagements sowie zur Modernisierung und Flexibilisierung des bestehenden österreichischen Wasserrechtsregimes.

Fußnoten:
1 Assistent der Geschäftsführung der Energy Balancing GmbH in Wien, zuständig für Rechts- und Berichtswesen sowie Investor Relations.

2 Zuletzt als Rechsanwaltsanwärter im Bereich Umwelt- und Anlagenrecht tätig. Seit vergangenem Jahr bei einem österreichischen Bauträger u. a. mit dem Bereich Raumordnungsrecht befasst.

3 Die Qualitätsstandards werden durch biologische, chemisch-physikalische und hydromorphologische Parameter definiert; vgl. § 30 Abs. 3 iVm Anh. C WRG 1959.

4 Vgl. §§ 30 Abs. 1 Z 3, 30a Abs. 1, 30c Abs. 1 WRG 1959 ua.

5 Gepaart mit dem „Verursacherprinzip“, das eine Zurechnung von Gewässerverunreinigungen und deren Kosten an den konkreten Verursacher vorsieht (Art. 9 Abs. 1 WRRL).

6 Art. 4 Abs. 6 WRRL; § 30 f. WRG 1959.
7 BGBl I Nr. 82/2003.
8 §§ 55 ff. WRG 1959.

9 „Einzugsgebiete“ sind Gewässerkörper, welche den natürlichen Gegebenheiten entsprechend auch (grenzüberschreitend) definiert und bewirtschaftet werden sollen; vgl. dazu auch BMLFUW, Eine Leitlinie für unser Wasser (2006) 6 ff.

10 Vgl. die am 18. und 19. Mai 2006 in Wien stattfindende EU-Hochwasserkonferenz.

11 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bewertung und Bekämpfung von Hochwasser (HochwasserschutzRL) KOM (2006) 15.

12 Technische Universität Graz – Erzherzog-Johann-Universität, Energiewirtschaftliche und ökonomische Bewertung möglicher Auswirkungen der Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie auf die Wasserkraft, Juli 2005.

13 Hauptsächlich bauliche Maßnahmen sowie Ausfälle aus der Energieerzeugung.

14 Z. B. § 5 Stmk BauG 1995, wonach die für die Erteilung einer Baubewilligung erforderliche Bauplatzeignung nur dann vorliegt, wenn unter anderem „Gefährdungen durch Lawinen, Hochwasser, Grundwasser, Vermurungen, Steinschlag, Rutschungen u. dgl. nicht zu erwarten sind“; ähnlich auch § 3 Abs. 2 TBO 2001.

15 § 22 Abs. 2 NÖ ROG 1976 idgF.

16 Plattform Hochwasser, Ereignisdokumentation – Hochwasser August 2002, Februar 2003.

17 Z. B. als Argument im Sinne des § 30e Abs. 2 WRG 1959.

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