E-Government-Referenzarchitektur für Städte und Gemeinden

E-Government-Referenzarchitektur für Städte und Gemeinden

E-Government steht an jenem Punkt, an dem die rechtlichen und technischen Grundlagen erprobt vorliegen. Nunmehr stünde eine möglichst breite Umsetzung an. In der Praxis schaut es jedoch anders aus: Verwaltungsseitig blockieren hohe Kosten, komplexe technische Anforderungen und teils unklare Einsatzmöglichkeiten eine Implementierung; bei den Bürgern und der Wirtschaft hält sich das Interesse aufgrund fehlender attraktiver Anwendungsmöglichkeiten und teilweise vorhandener technischer Hürden in Grenzen. Gefragt sind somit E-Government-Anwendungen, die mit möglichst geringem Kosten- und Implementierungsaufwand einen hohen Nutzen für Verwaltung wie auch Kunden bringen.

 

Vor diesem Hintergrund entstand im Kreis des Fachausschusses für IT des Österreichischen Städtebundes die Idee, im Rahmen einer breit angelegten interkommunalen Kooperation die Anforderungen und auch das Wissen aus der kommunalen Verwaltungspraxis zu bündeln und gemeinsam möglichst universell einsetzbare Module für E-Government-Anwendungen zu konzipieren und allen Städten und Gemeinden zur Verfügung zu stellen. Da die österreichische Niederlassung von Microsoft als weltweit größter Softwarehersteller zur gleichen Zeit plante, einen E-Government-Impuls im deutschsprachigen Raum zu setzen, fanden sich hier sehr rasch die Interessen, die schließlich zur Initiative von „egora“ führten. Das Wortspiel „egora“ steht nicht nur für „E-Government-Referenzarchitektur“, sondern soll bewusst eine Assoziation zwischen der „agora“ – dem „Marktplatz“ in der griechischen Antike – und der modernen elektronischen Welt herstellen. Schließlich liegt auch „egora“ der Gedanke des „Austausches“ zugrunde, werden doch die im Auftrag von Microsoft erstellten egora-Komponenten und -Module kostenlos in Form von „shared source“ an die öffentliche Verwaltung abgegeben. Seitens Microsoft erwartet man sich überdies eine rege Weiterentwicklung von E-Government-Anwendungen auf Basis und unter Einsatz der erwähnten Komponenten und Module durch Softwarehersteller und IT-Dienstleister. Da es sich hiebei ausschließlich um Österreich-spezifische E-Government-Ausprägungen handelt, ist darüber hinaus zu erwarten, dass ein Großteil der Wertschöpfung im Umfeld von egora auch in Österreich anfallen wird.

Anforderungen
Mögen die organisatorischen und teilweise auch technischen Rahmenbedingungen von Verwaltung zu Verwaltung unterschiedlich sein, in Zusammenhang mit E-Government bleiben die Grundanforderungen im Prinzip immer die gleichen:

- Leistungsansprüche oder Anliegen elektronisch bei der zuständigen Verwaltungsstelle geltend machen (elektronische Einbringung);

- eindeutige Identifikation von Personen, um Missbrauch zu verhindern (Authentifizierung);

- gesicherte und nachweisliche Zustellung behördlicher Erledigungen (auch bei elektronischer Zustellung);

- elektronische Bezahlung von Forderungen bzw. elektronische Überweisung von Ansprüchen;

- Vereinfachung und Verkürzung von Verfahren durch bessere Interaktion zwischen Behörden (die Bandbreite reicht von Verfahrensvernetzung über einen Verbund von Portalen bis hin zu verschiedensten zentralen Registern);

- behördenseitige Reduktion von Verfahrenskosten bei gleichzeitiger Steigerung der Servicequalität.

Vor dem Hintergrund dieser Grundanforderungen und dem Umstand, dass die meisten davon auf konzeptiver (Empfehlungen und Konventionen) wie auch basistechnologischer Ebene (MOA-Module, Datenstruktur- und Schnittstellendefinitionen) dank des Engagements des Bundes und eines visionären Chief Information Officers für E-Government in Person von Univ.-Prof. Dr. Posch mit Auslaufen der IKT-Strategie des Bundes auch tatsächlich Ende 2005 weitgehend aufgearbeitet vorlagen, entstand das Konzept von „egora“ als österreichische E-Government-Referenzarchitektur: Egora stellt im Wesentlichen eine modular aufgebaute Applikationsplattform (aus Anwendersicht) und eine Sammlung von sogenannten „Klassenbibliotheken“ (aus Entwicklersicht) dar. Während Letztere in Form ausgereifter „Komponenten“ eine universelle Basis für die rasche und vergleichsweise einfache Entwicklung von E-Government-Anwendungen darstellt und daher auch in anderen Branchen und Ländern einsetzbar ist, werden die Module exakt an die spezifischen österreichischen E-Government-Anforderungen angepasst.
Um den Bedarf der kommunalen Ebene beim Aufbau der Rahmenarchitektur möglichst optimal zu erfassen, wurde eine Arbeitsgruppe mit Vertretern größerer österreichischer Städte gebildet, deren Aufgabe es sein wird, notwendige Adaptierungen von „egora“ zu initiieren und deren Umsetzung zu evaluieren. Um die Interessen der Städte und Gemeinden bei dieser Entwicklung angemessen wahren zu können und um auch eine vollständige Konformität mit der Österreichischen E-Government-Strategie gewährleisten zu können, hat sich der Österreichische Städtebund bereit erklärt, bei diesem Projekt eine Beiratsfunktion zu übernehmen.
Wesentliche Basiskomponenten der Rahmenarchitektur stehen bereits zur Verfügung, sodass ein Aufbau der ersten E-Government-Module relativ rasch erfolgt sein sollte. Mit einem operativen Betrieb wird bereits im zweiten Halbjahr 2006 gerechnet.

egora-Basisbausteine
Hinter „egora“ steht eine duale Philosophie: Einerseits liefert egora Basiskomponenten in Form von Programmbibliotheken, die eine Erstellung von Anwendungen wesentlich erleichtern und beschleunigen, andererseits werden im Rahmen von egora unter Einsatz ebendieser Basiskomponenten E-Government-Module erstellt, die spezifisch auf die österreichischen Anforderungen angepasst sind. Durch die Verwendung des egora-Frameworks werden viele technische Herausforderungen aus dem Bereich der Anwendungsentwicklung eliminiert, indem es eine solide Basisarchitektur mit vielen oft benötigten Funktionen bietet und somit das Überladen von Anwendungen mit technisch bedingtem Programmcode verhindert. Die Entwicklung der einzelnen Anwendungen beschränkt sich damit weitestgehend auf die Entwicklung von Geschäftslogik und das Design der Benutzeroberfläche. Die Befreiung des Programmcodes von technischen Details erleichtert die Entwicklung sowie Wiederverwendung und Weitergabe der erstellten Lösungen. Darüber hinaus gewährleistet die Verwendung von Standardkomponenten, dass die Anwendungen einen hohen Grad an Skalierbarkeit und Administrierbarkeit aufweisen.
Beispiele für solche Basiskomponenten sind ein sogenanntes „Persistence Framework“ (das den Aufbau von Objektmodellen und Geschäftslogik im Zuge der Anwendungsprogrammierung unterstützt) oder eine „Web Execution Engine“ (die ein sauberes Ausführen von Anwendungen in einem Browser unterstützt). Diese Sammlung von Komponenten ist ausschließlich für Anwendungsprogrammierer gedacht, die E-Government-Anwendungen für oder im Auftrag von Städten und Gemeinden erstellen.
Unter Zuhilfenahme dieser Basiskomponenten werden im Rahmen des Projekts „egora“ weiters einige konkrete E-Government-Module entwickelt, die den eingangs beschriebenen Querschnittsanforderungen der österreichischen E-Government-Strategie (wie z. B. eine Signaturprüfung, Signaturerstellung, Registerabfragen, elektronisches Bezahlen, elektronische Zustellung etc.) entsprechen.

- egora-Posteingang (Übernahme von Daten in verschiedenen Datenformaten und aus verschiedenen Quellen, Erstverarbeitung und Weitergabe an die entsprechende Zielanwendung – Funktion quasi einer Clearingstelle). Demoanwendung wurde seitens des Magistrats Villach bereits erstellt und wird im Rahmen des egora-Konzepts zur Verfügung gestellt.

- egora-Postausgang (Umsetzung des Konzepts der dualen Zustellung, Übernahme von elektronischen Erledigungen und Weiterleitung an einen Zustellkopf sowie Übernahme der elektronischen Zustellbestätigungen [entspricht Rückschein] sowie sonstiger Rückmeldungen [z. B. bei unzustellbaren Sendungen]).

- egora-Multiregisterabfrage (Abfragemöglichkeit mehrerer relevanter Register, z. B. ZMR, GWR, Vereinsregister etc.) mit dem Ziel, dem Bearbeiter in der Verwaltung die Einzelabfrage mehrerer Register zu ersparen.

- egora-Stammportal (Modul für die Bereitstellung eines Stammportals für die Authentifizierung von Mitarbeitern im Portalverbund).

- egora-payment (Umsetzung eines Moduls, das verschiedene e-payment-Funktionen zur Verfügung stellt).

- egora-Signatur (Umsetzung des österreichischen Signaturkonzepts mit Bürgerkartensignatur [für Eingangsdokumente/Anträge] und Amtssignatur [für ausgehende Dokumente der öffentlichen Verwaltung]).

Vorgangsbearbeitung als erste egora-Anwendung
Bei allen genannten egora-Modulen handelt es sich um Querschnittsfunktionen, die unabhängig von Verfahrensspezifika (d. h. egal ob z. B. Bauverfahren oder Sozialhilfeantrag) für eine elektronische Verfahrensabwicklung im Sinne von E-Government benötigt werden. Um die Leistungsfähigkeit dieser egora-Module unter Beweis zu stellen, wird im Rahmen des Projekts weiters eine erste egora-Anwendung, also ein konkretes Programm für bestimmte Aufgaben der Verwaltung, erstellt. Die Wahl fiel aus folgenden Gründen auf den Bereich der „Vorgangsbearbeitung“, also ein System zur elektronischen Erfassung, Protokollierung, Weiterleitung, Bearbeitung und strukturierten Ablage von Akten, Geschäftsfällen und Geschäftsstücken:

- Bei dieser Software werden im Prinzip alle E-Government-Funktionen benötigt und es soll damit die Leistungsfähigkeit der egora-Module und -Komponenten demonstriert werden.

- Ein Vorgangsbearbeitungssystem gestaltet sich idealerweise möglichst universell (unabhängig von städte- oder länderspezifischen Verfahrensausprägungen).

- Es besteht Bedarf an einer derartigen IT-Lösung, die auf die öffentliche Verwaltung maßgeschneidert ist.

- Der Fokus richtet sich auf eine breite Zielgruppe innerhalb der öffentlichen Verwaltung.

egora-Entwicklungsteams
Einige größere Städte und Gemeinden haben sich auch schon bereit erklärt, an der Entwicklung und Evaluierung der egora-Komponenten und -Module aktiv mitzuwirken. Sie besetzen zwei Entwicklungsteams, wobei sich eines den verschiedenen E-Government-Modulen widmet, während sich das zweite Team verstärkt auf das Thema „Vorgangsbearbeitung“ konzentriert.
Bei vielen weiteren Städten und Gemeinden besteht ebenfalls großes Interesse an der egora-E-Government-Referenzarchitektur, sodass die anlässlich der offiziellen Projektpräsentation im Rahmen eines Pressegesprächs am 19. April 2006 von Generalsekretär Dr. Erich Pramböck geäußerte Zielvorgabe von „50 bis 70 Städten und Gemeinden als egora-Nutzer bis Ende des Jahres“ zwar als sehr ambitioniert, jedoch nicht unerreichbar erscheint.

Ansprechpartner:
Dr. Ronald Sallmann
PuMa – Public Management Consulting
(Koordination, Moderation)
sallmann@public-management.at

Städtebund-Linktipp:
www.egora.at

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