Ökologisierung und Klimaschutz

Ökologisierung und Klimaschutz

Der sensible Umgang mit Natur und Landschaft prägen Wiens Stadtbaugeschichte bereits seit langer Zeit, ja, man kann durchwegs sagen, dass mit Einsetzen der Moderne im späten 19. Jahrhundert auch die Wiener Landschaft eine Neupositionierung erfuhr, die seinerzeit in den bis heute geltenden Schutz des Wald- und Wiesengürtels bei Wien – verabschiedet im Jahr 1905 – mündete. Das war „gestern“. Heute stellt sich die Kommune den vielfältigen ökologischen Herausforderungen von morgen.

 

Nicht nur, dass heute zu Recht von einer weitestgehenden großstädtisch geprägten Wiener Kulturlandschaft gesprochen wird, auch die Diskurse über einen modernen Umweltschutz haben im Schatten von Tschernobyl, Grenzen des Wachstums und Kyoto-Ziel-Vereinbarungen eine neue Qualität und Einsicht in die kommunale Verantwortungsverpflichtung mit sich gebracht.
Der Wiener Weg in Sachen Ökologie zeichnet sich durch ein vielschichtiges Strategiekonzept aus, das neben vielen technisch ambitionierten Leistungen und Lösungen auch die sinnlich-pädagogische bzw. aufklärerische Verpflichtung bei dieser Thematik mit einschließt. Ob Bauträgerwettbewerb, Energieversorgung, in Wandlung begriffene Erholungsansprüche, innovative Abfallvermeidungsstrategien: Die nachhaltige Ökologisierung Wiens hat längst den realen Stadtkörper erreicht. Die traditionelle Unterscheidung zwischen Natur und Stadt ist zugunsten eines neuen Verständnisses von Kreisläufen und Symbiose überwunden.
Urbane Ökologisierung, das meint bauliche Großinvestitionen, wie etwa das Jahrhundertprojekt Donauinsel, welches den Hochwasserschutz Wiens gewährleistet, das Kraftwerk Freudenau, die Untertunnelung des Wienflusses, die vorgenommene Modernisierung der Kläranlage Simmering ebenso wie die immer wieder aufs Neue zu erkämpfende Sensibilisierung der Bevölkerung zugunsten einer nachhaltigen Lebensweise, etwa durch geeignete Informationskampagnen, wie auch die dauerhafte Implementierung ökologisch ausgerichteter Zielvereinbarungen, wie etwa das Wiener Klimaschutzprogramm. Ziel bleibt es, gemessen an einem sparsamen Flächenverbrauch, Schonung von Grünräumen, die Handlungsoptionen der Stadt in Richtung Weiterentwicklung offenzuhalten, ohne dabei die Maxime urban geprägter Nachhaltigkeit in Frage zu stellen. Wissend, dass im internationalen Wettbewerb die naturräumliche Ausstattung einer Stadt auch bei Standortentscheidungen von Betrieben und Unternehmen eine immer größere Bedeutung gewinnt, werden bei sämtlichen Planungs- und Entscheidungsprozessen, die Eingriffe in den urbanen Naturhaushalt mit sich bringen, die ökologischen Interessen hochrangig berücksichtigt und eingebunden.

Internationale Einbindung/Toronto-Ziel/Kyoto/Aalborg
Ebenso relevant ist auch die internationale Einbettung der Wiener Umweltpolitik. Nicht zuletzt der menschlich verursachten Katastrophe von Tschernobyl vom April 1986 verdankt sich die Einsicht, dass eine erfolgreiche Umweltpolitik nur durch internationale Einbettung dauerhaft machbar ist. Besonders deutlich wird die internationale Verbundenheit der Wiener Umweltpolitik im Klimaschutzprogramm (KliP), welches 1999 vom Wiener Gemeinderat beschlossen wurde und insgesamt 36 Maßnahmenpakete bis 2010 vorsieht. Ziel ist es, bis zum Jahr 2010 eine Reduktion der CO2-Emissionen um 14% im Vergleich zum Jahr 1990 zu erreichen.1 Bereits 1995 wurde mit den Vorbereitungsarbeiten für ein Wiener Klimaschutzprogramm begonnen, welches wiederum auf den ökologischen Verpflichtungen Wiens mit Beitritt zum „Klimabündnis“ aus dem Jahr 1991 bzw. der Unterzeichnung der „Charta von Aalborg“, einem Willensakt europäischer Städte und Gemeinden auf dem Weg zur nachhaltigen Zukunftsfähigkeit aus dem Jahr 1996, fußt.
Für die Wiener Verwaltung bedeuteten die 90er Jahre vor allem eine gewaltige logistische wie auch intellektuell-politische Kraftanstrengung, den ambitionierten Zielen von zukünftiger CO2-Ersparnis, Energiesenkung bzw. -dämmung, Abfallvermeidung und Altlastensanierung oder der Förderung alternativer Energiequellen nicht nur rhetorische und mediale Aufmerksamkeit einzuräumen – Wien hielt insbesondere in den 90er Jahren diesbezüglich wichtige internationale Kongresse ab bzw. nahm an ebensolchen internationalen Kongressen aktiv teil2 –, sondern darüber hinaus ein glaubwürdiges, weil praxisrelevantes Aktionsprogramm entgegenzusetzen.

Klimaschutzprogramm („KliP“)
Um sämtliche Maßnahmen im Bereich des Klimaschutzes für Wien zu koordinieren, wurde im November 2000 in der Magistratsdirektion eine eigene Klimaschutzkoordinationsstelle eingerichtet. „Die Kernaufgabe der Klimaschutzkoordinationsstelle besteht in der Aktivierung, Planung, Koordination und Unterstützung der Umsetzung der im Klimaschutzprogramm beschlossenen Maßnahmen. Die Klimaschutzkoordinationsstelle setzt sich aus einer Stabsstelle, der Magistratsdirektion-Klimaschutzkoordinationsstelle (MD-KLI) sowie einem Expertennetzwerk zu den klimarelevanten Bereichen Energie, Beschaffung und Mobilität zusammen.“3 Fasst man die 36 KliP-Projekte zusammen, so kann festgestellt werden, dass diese ressortübergreifend und flächendeckend sämtliche wesentlichen Aspekte städtischen Lebens umfassen.

Innovativer Wohnbau
Besonders anschaulich, auch im Sinne von „best practice“, kann der Wohnbereich gelten. Bereits seit Jahren setzt hier Wien auf die Forcierung des ökologischen Bauens. Im Neubau ist seit Jahren Niedrigenergiestandard verpflichtend, derzeit sind mehrere großvolumige Passivhausprojekte in Bau. Ebenso bedeutsam für Wien ist aber auch der Sanierungsbereich, speziell die thermisch-energetische Wohnhaussanierung („Thewosan“). Insgesamt investierte die Stadt in den letzten sechs Jahren rund 156 Millionen Euro in diesen auch für den Klimaschutz so wirkungsrelevanten Bereich mit dem Effekt, dass seit Einführung dieser Förderungsschiene im Jahr 2000 583 Wohnhäuser mit knapp 52.000 Wohneinheiten saniert wurden bzw. sich gerade in Sanierung befinden. Parallel zu diesen Maßnahmen unterstützt die Stadt auch via diverser Förderungen – im Bereich der Solarförderung gilt Wien österreichweit als führend; 2005 wurden 440.000 Euro Förderungsvolumen innerhalb von 154 Anträgen verteilt – die Errichtung von Wärmepumpen (Fördervolumen von 360.000 Euro), Solaranlagen, Anschluss an das Fernwärmenetz (derzeitiger Stand: 251.000 Wohnungen; bis 2010 sollen weitere 94.000 Wohnungen hinzukommen) und die Errichtung von Niedrigenergie- und Passivhäusern. Fasst man all die unterschiedlichen Klimaschutzmaßnahmen der letzten Dekade im Wiener Wohnbereich zusammen, so darf eine Einsparung von 190.000 Tonnen CO2 bilanziert werden. Besonderes Know-how floss auch seitens der Kommune in den letzten Jahren ins Projekt „RUMBA“ (Umweltfreundliche Baustelle) ein, welches 2001 gestartet wurde. Kofinanziert von der EU wurden bis zum Jahr 2004 gemeinsam mit Wissenschaftlern und Bauträgern sämtliche Möglichkeiten der Staub-, Lärm- und Lkw-Fahrten-Vermeidung sowie die Wiederverwertung von Baustellenabfällen getestet. Das doch recht überraschende Resultat: Lkw-Fahrten können um bis zu 90% verringert werden, das getrennte Sammeln von Bauresten erhöht die Verwertungsquote um 20 bis 40%, die Staubbelastung kann durch ein ganzes Package an Maßnahmen (Reduktion des Lkw-Verkehrs, Abdeckung von Mulden, Einsatz von Schuttsaugern) um mehr als 60% gedrückt werden. Ebenso kann neben der Minderung des Baustellenlärms auch die Feinstaubbelastung bei entsprechenden Schritten um bis 90% gesenkt werden. In diesem Sinne kommt auch dem Wohnbauprojekt des Kabelwerks in Wien-Meidling (13 Bauplätze, Schaffung von 930 Wohnungen, Büros, einem Hotel, Errichtung von Grünanlagen, Gesamtfläche: 80.000 Quadratmeter) eine besondere Bedeutung zu, wurden bzw. werden doch hier all diese Erkenntnisse erstmals großflächig angewandt. Ein Resultat an dieser Stelle, welches nachdrücklich unterstreicht, wie sehr Veränderungen möglich sind: Durch entsprechende Vorbereitungen konnten 170.000 Tonnen Bauabfall mit der Bahn abtransportiert werden, was zur Konsequenz hat, dass dem Süden Wiens dabei etwa 14.000 Lkw-Fahrten erspart blieben.

Modernes und effizientes Energiemanagement
der Kommune

Um den zwei Eckpfeilern jeder erfolgreichen Klimaschutzstrategie gerecht zu werden – nämlich den Energiebedarf und die Schadstoffemissionen zu senken –, wird aktuell seitens der MA 27 (EU-Strategie und Wirtschaftsentwicklung) für den gesamten Magistrat – auch die Bereiche Wiener Wohnen und der Krankenanstaltenverbund sind hierbei berücksichtigt – ein Energiedatensystem aufgebaut. Bereits jetzt schon erfolgreich kann das Prinzip des Energie-Contractings gelten. Als besonders gutes Beispiel hierfür gelten die Blumengärten Hirschstetten, wo die 66 bestehenden Gewächshäuser derart umgerüstet wurden, dass die Energiekosten im Jahr 2005 um rund 20% gesenkt werden konnten. Ebenso erfolgreich können auch Beispiele aus dem Bereich der Wiener Bäder zitiert werden: Durch bauliche Maßnahmen, wie etwa der Wärmerückgewinnung oder der Errichtung von Solaranlagen, konnten allein schon im Jahr 2004 nahezu 7.000 Megawattstunden Strom und 79.000 Kubikmeter Wasser eingespart werden. Insgesamt wurden in den letzten 10 Jahren an insgesamt 55 Objekten entsprechende Energieeinsparungsprojekte durchgezogen.

Wiener Luftgütemessnetz
Im Vergleich zu anderen europäischen Städten bereits sehr früh begann die Stadt Wien Ende der 60er Jahre mit dem konsequenten Aufbau eines Luftmessnetzes, mithilfe dessen die Schadstoffbelastung im Stadtgebiet überprüft und mittels 17 stationärer Luftmessstellen via Internet transparent gemacht wird. Mehr als die Hälfte der Messungspunkte befinden sich an verkehrsexponierter Lage. Ein Messpunkt beschreibt die Luftsituation im Umkreis von jeweils 2 Kilometern.
Weiters sind sämtliche Messstellen mit Messgeräten für Schwefeldioxid, Staub und Stickoxide ausgerüstet. An verkehrsbelasteten Standorten wird zusätzlich auch noch Kohlenmonoxid gemessen. Fünf Messstellen sind darüber hinaus auch mit Ozon-Messgeräten ausgestattet. Ebenso sind gegenwärtig sechs Messstellen bereits in der Lage, Daten über die aktuelle Feinstaubkonzentration zu liefern. An vier Standorten erfassen meteorologische Sensoren Windgeschwindigkeit, Windrichtung und die aktuelle Lufttemperatur. Darüber hinaus steht der MA 22 (Umweltschutz), die seit Beginn an das Luftmessnetz betreut, ein stationärer Luftmess-Bus zur Verfügung, der an sämtlichen Standorten Wiens zum Einsatz kommen kann. Sämtliche Daten werden zentral erfasst und in der Messnetzzentrale in der MA 22 laufend ausgewertet.

Transparente, aktuelle Umweltinformationen
Die Veröffentlichung der aktuellen Ergebnisse erfolgt über Internet wie auch über regelmäßige Information an sämtliche Medien. Parallel dazu wurde auch ein eigenes Telefon eingerichtet, über dessen Nummer man sich aktuell informieren kann. Auch große Anzeigetafeln im gesamten Stadtgebiet informieren die Bevölkerung detailreich und nachvollziehbar über den Status quo. Mittels der Daten des Wiener Luftmessnetzes können auch die Verbesserungen der Wiener Luft deutlich belegt werden. So ist es etwa gelungen, seit den 70er Jahren den Schwefeldioxidanteil um mehr als 85% zu senken.

Zukunft stellt neue ökologische Anforderungen
Soweit einige Beispiele aus den aktuellen Bemühungen der Stadt Wien, den städtischen, urbanen Raum entsprechend attraktiv zu gestalten wie auch verantwortungsvoll mit dem Potenzial „Stadt“ für zukünftige Generationen umzugehen. Als Fazit bleibt: Ein moderner Klimaschutz wird auch in Zukunft eines der wichtigsten Umweltthemen bleiben.
Die Herausforderungen sind sowohl global wie auch lokal – um in Wien zu bleiben, also im städtischen Bereich – anzugehen. Wie formulierte es erst kürzlich in Wien der weltweit bekannte US-Ökonom und Autor der seinerzeit wirkungsmächtigen Studie „Die Grenzen des Wachstums“ (1972), Dennis Meadows:
„Viel wichtiger ist noch, dass uns die nächsten 50 Jahre mit der Notwendigkeit konfrontieren, unsere Erwartungen, Ziele, Ethik (…) zu ändern. (…) Wir werden die Natur deshalb wertschätzen müssen, weil sie für unsere Spezies wichtig ist, nicht, weil wir mit ihr Geld machen können. (…) Überlegungen zur Lebensqualität werden sich verlagern: von der Frage danach, wie man mehr bekommt, auf die Frage, wie man Besseres bekommt.“4

Fußnoten:
1 Nach aktuellen Berechnungen ergibt sich für Wien gegenüber 1990 eine CO2-Reduktion von aktuell 3 %.

2 So etwa an der von der UNO ausgerichteten Habitat-II-Konferenz im Juni 1996 in Istanbul, wo Wien insgesamt fünf Best-Practice-Beispiele (Sanfte Stadterneuerung, die "Frauen-Werk-Stadt", den Stufenplan der Stadt Wien zur Reintegration von Obdachlosen, das Wiener Luftmessnetz und die Müllverbrennungsanlage Spittelau) einbrachte, die von insgesamt 600 eingereichten Projekten unter die besten 100 kamen.

3 Wiener Umweltbericht.
4 In: Die Presse, vom 22.4.2006.

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