Schule und Integration – eine Herausforderung

Schule und Integration – eine Herausforderung

In allen österreichischen Städten ist ein deutlicher Anstieg der Zahl der Kinder mit Migrationshintergrund zu beobachten. Das sprachliche Potenzial vieler dieser Kinder muss anerkannt und gefördert werden. Dafür muss der Bund mehr Personal zur Verfügung stellen und spezifische organisatorische Maßnahmen ergreifen. Eine Verlängerung der Schulpflicht um ein „nulltes“ Schuljahr bietet vor allem für Kinder mit Migrationshintergrund viele Vorteile.

 

Einsprachigkeit ist heilbar
Dieser sehr prägnante Ausspruch geht auf die Überlegungen zur neuen Mehrsprachigkeit Europas von Ulrich Ammon, Klaus Attheier und Peter Nelde zurück. Sprachen sind das wichtigste Kapital in einer zukünftigen Gesellschaft, die durch Globalisierung und weltweite Vernetzung gekennzeichnet ist. Durch Sprachen lassen sich jene völkerverbindenden Elemente konstituieren, die im Zuge der Bildung der Nationalstaaten im Jahrhundert der Aufklärung verlorengegangen sind. Was einst Latein als lingua franca für die Entwicklung eines im Aufbau befindlichen Europa zu leisten imstande war, übernehmen zu Beginn des 21. Jahrhunderts die europäischen Bürger, indem sie ihre Vielsprachigkeit entdecken. Mehrsprachige schulische Angebote, vor allem bilinguale Klassen, sind besonders attraktiv und werden von Eltern immer öfter gewünscht und nachgefragt. So etwa haben rund 1.000 Wiener Volksschüler ein zweisprachiges Angebot Englisch/Deutsch gewählt. Sei es in einer bilingualen Klasse, sei es in einer „Global Education Primary School“. Aber auch andere Sprachen werden in Wien, wenn erforderlich und gewünscht, angeboten. So gibt es im Volksschulbereich 4 Klassen mit Französisch, 4 mit Italienisch und je eine mit Türkisch und Kroatisch.
Es erweist sich als besonders bedauerlich, dass einige europäische Sprachen mit negativem Prestigewert behaftet sind, davon auch solche, die zu den klassischen Muttersprachen jener Bevölkerungsgruppen gehören, die nach Österreich eingewandert sind. „Ich will nicht, dass mein Kind Türkisch lernt. Es soll so schnell wie möglich Deutsch lernen. Da schadet es nur, wenn es den muttersprachlichen Unterricht auch noch besucht“, so stellt eine Mutter anlässlich der Schuleinschreibung für ihr Kind fest.
Die Rolle der Sprache ist für eine gelungene Integration ein ganz besonders wichtiger Parameter. So gut es die Mutter mit ihrem Kind meinen möge, so problematisch kann sich der Verlust der eigenen Muttersprache auswirken. Experten wie Rudolf de Cillia warnen vor den Folgen, wenn der Spracherwerbsprozess der eigenen Muttersprache jäh unterbrochen wird und die schulische Sozialisation ausschließlich nur mehr in der Zweitsprache erfolgt. Das Defizit zeigt sich häufig erst viel später, wenn in der Schule die sogenannten kognitiv-akademischen sprachlichen Fertigkeiten durch die Verwendung von abstrakten sprachlichen Begriffen in den Vordergrund rücken.
Viele namhafte Experten vertreten daher die Meinung, wenn schon die Alphabetisierung nicht in der Muttersprache erfolgen kann, soll zumindest dauerhaft ein muttersprachlicher Unterricht zusätzlich oder integrativ angeboten werden. Aus diesem Grund hat die Stadt Wien seit vielen Jahren muttersprachliche Lehrer im Rahmen des offiziellen Dienstpostenplans beschäftigt. Die Bedeutung dieser Lehrergruppe, die durch ganz besondere Bemühungen durch den Stadtschulrat bzw. die einzelnen Bundesländer trotz der großen Kürzungen durch das Bildungsministerium aufrechterhalten wird, bedeutet für viele Kinder eine ganz besonders wichtige Stützung ihrer Identität in einer noch anfänglich fremden neuen Heimat. Im österreichweiten Bundesländervergleich zeigt die Abbildung 1 die Zahl der eingesetzten muttersprachlichen Lehrer.

Migration ist Tatsache
Migration ist ein Phänomen, das in einer vernetzten und globalisierten Welt stark zugenommen hat. Darunter versteht man Menschen, die ihre bisherigen Lebens- und Arbeitsplätze verlassen haben und an einem anderen Ort eine neue Existenz gründen. Meist geschieht das zunächst in der Absicht auf eine begrenzte Zeitdauer. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass oftmals die neuen Orte auch zu einer neuen Heimat werden. Da Menschen dabei vielfach nicht nur Staatsgrenzen, sondern auch Kulturräume überschreiten, stehen nicht nur sie, sondern auch die Einwanderungsländer, und hier vor allem die betroffenen Städte, vor besonderen Herausforderungen. Eine der zentralen Herausforderungen für Immigranten ist das Erlernen der zunächst fremden Sprache, ein anderer der Erwerb von Wissen, das landestypische Chancen auf eine erfolgreiche Zukunft in Ausbildung und Beruf ermöglicht.
In allen österreichischen Städten ist ein deutlicher Anstieg von Kindern mit Migrationshintergrund zu beobachten. Das ist im Zuge der europäischen Bemühungen um einen modernen flexiblen und dynamischen Wirtschaftsraum auch beabsichtigt. Am Beispiel Wien ergibt sich das typische Bild einer europäischen Großstadt. Im Schuljahr 2005/06 gibt es in Wien 2.586 Volksschulklassen mit insgesamt 61.803 Volksschülern. Davon haben 28.712 einen Migrationshintergrund, das sind 46,5% der Gesamtschülerzahl. In Abbildung 2 ist ersichtlich, dass eine Zunahme dieser Zahl (bei relativ konstanten Gesamtschülerzahlen) innerhalb der letzten Jahre langsam, aber konstant erfolgt ist.
Vergleicht man die Wiener Zahlen mit Vergleichswerten aus deutschen Bundesländern, so zeigt sich ein ähnlicher Trend: Für das Jahr 2003 haben in Bremen und Hamburg rund 35% der Schüler Migrationshintergrund, in Berlin rund 26% (Quelle: PISA-Konsortium Deutschland 2003; S. 272) angegeben. An deutschen Verhältnissen zeigt sich erschwerend, dass eine größere (nicht genau messbare) Anzahl von Jugendlichen, deren Eltern bereits in Deutschland geboren sind und daher nicht mehr als Migranten zählen, dennoch nur geringe Kenntnisse und Fertigkeiten in der deutschen Sprache aufweisen.
Die Gruppe der Kinder mit Migrationshintergrund ist aber nicht mit jener Gruppe an Kindern gleichzusetzen, die aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse dem Unterricht nicht folgen können. Das trifft nur auf einen Teil dieser Kinder zu. Als Faustregel gilt, dass in etwa jedes vierte Kind in Wien eine begrenzte Zeit lang zu geringe deutsche Sprachfertigkeiten aufweist und daher auf die maximale Dauer von 2 Jahren einen besonderen Status als außerordentlicher Schüler erhält. In diesem Zeitraum erwirbt in der Regel das Kind ausreichende Sprachkompetenz, um am Unterricht teilnehmen zu können.
Bei den Muttersprachen von Wiener Schulkindern mit Migrationshintergrund in Volks- und Hauptschulen stellen die Schüler aus dem ehemaligen Jugoslawien die größte Populationsgruppe dar, knapp vor der Türkei.

Standards für Sprachbeherrschung
Die Beherrschung der Sprache, die in einem Staat mehrheitlich gesprochen wird, ist entscheidend für eine erfolgreiche Teilnahme am sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben. Daher stehen die einwandernden Menschen vor der großen Herausforderung, hinreichende Sprachkenntnisse erlernen zu müssen. Im Zuge der neuen Gesetze zum Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft sind Deutschkenntnisse verpflichtender Bestandteil eines erfolgreichen Einbürgerungsprozesses. Aber auch staatliche Institutionen sind gefordert, geeignete Hilfestellungen und Integrationsprogramme anzubieten.
Mit Hilfe des sogenannten „Europäischen Referenzrahmens“ lässt sich messen, in welcher Qualität eine fremde Sprache beherrscht wird bzw. wie weit der Sprachlernprozess fortgeschritten ist. Der „Europäische Referenzrahmen“ ist auf europäischer Ebene zu einem universalen Standard geworden. Lesen, Schreiben, Hören und Sprechen (Verstehen) sind dabei jene vier Säulen, an denen der Spracherwerb gemessen wird. Drei Kompetenzstufen, A, B und C, lassen sich in einer groben Einteilung unterscheiden. Diese können in weiteren Zwischenstufen (A1; A2; B1 usw.) aufgesplittet werden, für die vorliegenden Überlegungen genügt jedoch die einfache dreistufige Aufteilung.
In Abbildung 3 wird der jeweiligen Kompetenzstufe eine allgemeine Beschreibung des Könnens des Lernenden zugeordnet, die Konsequenzen für den schulischen Unterricht erläutert und in kursiver Schrift jene schulische Maßnahme gegenübergestellt, die bei ausreichenden Personalressourcen geleistet werden sollte.
Als pädagogisches Ziel gilt, alle Schüler mit nichtdeutscher Muttersprache in die Kompetenzstufe C zu begleiten. Ab dieser Stufe kann davon ausgegangen werden, dass ein Schüler zumindest hinsichtlich der sprachlichen Fähigkeiten dem Unterricht folgen kann. In der Regel dauert dieser Lernprozess zwei Jahre. Je später jedoch Schüler in das österreichische Schulsystem einsteigen, umso mühsamer kann sich vor allem für leistungsschwächere Schüler dieser Sprachlernprozess gestalten. Das Voranschreiten der fachspezifischen Unterrichtssprache in den einzelnen Unterrichtsgegenständen bereitet zugewanderten Schülern besondere Schwierigkeiten. Daher ist es umso notwendiger, ab dem 10. Lebensjahr besonders intensive Seiteneinsteigerkurse, wie es der Lehrplan vorsieht, im Ausmaß von 11 Stunden anzubieten.

Außerordentliche Schüler
Zugewanderte Schüler aus dem nichtdeutschsprachigen Ausland sind in der Regel ohne ausreichende Sprachkenntnisse, fallen daher in die niedrigste Kompetenzstufe „A“. Weil angenommen werden kann, dass innerhalb von 2 Jahren genügend Sprachkompetenz erworben werden dürfte, um dem deutschsprachigen Unterricht folgen zu können, sieht das Schulgesetz einen gewissen Schonraum durch die Zuordnung des „außerordentlichen Status“ vor: Schulunterrichtsgesetz § 4 Abs. 2a „… wenn ihre Aufnahme als ordentlicher Schüler wegen mangelnder Kenntnis der Unterrichtssprache nicht zulässig ist“. Der außerordentliche Status wird in der Regel vom Direktor im Zuge der Schüleraufnahme vergeben. In der Praxis bedeutet das für den Schüler, dass er erstmals nach 2 Jahren ein reguläres (Noten-)Zeugnis erhält und in dieser Zeit auch keinen Schullaufbahnverlust durch Klassenwiederholung erleidet.
Aber auch Kinder, die in Österreich geboren sind und in einer fremdsprachigen Umgebung aufwachsen, können einen außerordentlichen Status erhalten, wenn es notwendig ist. Daher ist zu Beginn der Schullaufbahn in der ersten Schulstufe eine deutlich erhöhte Anzahl von Kindern mit außerordentlichem Status feststellbar.
Die Anzahl der Kinder mit außerordentlichem Status gibt ein sehr treffendes Bild der Verhältnisse wieder und zeigt, in welchen Regionen ein besonderer Bedarf an Integrationsleistungen besteht.

Sprachförderkurse in Volksschulen
Für das Schuljahr 2006/07 wurde beschlossen, zusätzliche Lehrer für Sprachförderkurse zum Erlernen der deutschen Unterrichtssprache bereitzustellen. Dabei wurde als Kriterium für die Zuteilung an die einzelnen Bundesländer die Zahl der außerordentlichen Schüler herangezogen. Diese Maßnahme der Sprachförderkurse durch zusätzliche Lehrer ist zunächst einmal auf 2 Jahre begrenzt und wird, so wie es für jede Lehrerplanstelle üblich ist, vom Bund finanziert. Ein entsprechender Nachweis für einen zweckentsprechenden Personaleinsatz ist obligatorisch vorgeschrieben.
Es hat sich jedoch gezeigt, dass das zahlenmäßige Ausmaß von zusätzlichen 449 Lehrern nicht ausreicht, um jene Vorgaben zu erfüllen, die im Lehrplan vorgesehen sind. Der Lehrplan regelt auf der Basis einer Verordnung sowohl das Ausmaß als auch den Inhalt (Lehrstoff) des gesamten Schulunterrichts.
Dabei wird für den Sprachförderkurs ein Ausmaß bis zu 11 Stunden für Gruppen zu je 8 Schülern vorgesehen. Für diesen Zweck würden aber für Gesamtösterreich (siehe Abb. 6) 1.191 – an Stelle der 449 vorgesehenen – zusätzliche Lehrer benötigt.

Verteilung der außerordentlichen Schüler
An den Daten zur Wiener Pflichtschule lassen sich zwei deutliche Problemzonen erkennen, die erste und die achte Schulstufe. In diesen Schulstufen befinden sich besonders viele Kinder mit außerordentlichem Status.
In der ersten Schulstufe sind alle Kinder erfasst, die deutliche sprachliche Defizite aufgrund ihres Migrationshintergrundes (nicht aufgrund mangelnder Schulreife!) erkennen lassen. Für diese Kinder ist zu erwarten, dass sie dem lehrplanmäßigen Unterricht nicht folgen können. Zu dieser Gruppe gehören nicht nur zugewanderte Kinder, sondern auch Kinder, die bereits in Österreich geboren sind.
Ab der 3. Schulstufe sind alle Kinder, die einen außerordentlichen Status aufweisen, ausschließlich neu zugewandert. Es lässt sich beobachten, dass die Anzahl der Zuwanderungen gegen das Ende der Pflichtschulzeit ansteigt. Familienzusammenführung spielt hier eine besondere Rolle. Das ist insofern besonders problematisch, als zum einen die Dauer der zu erwartenden Schulzeit nur mehr sehr begrenzt ist, andererseits hohe Anstrengungen für den einzelnen Schüler notwendig sind, um dem fortgeschrittenen Fachunterricht in der Schule folgen zu können. Daher ist eine schulische Intensivierung der Förderangebote notwendig, um möglichst rasch eine sprachliche Integration zu ermöglichen. Mit jedem Lebensjahr, das später zugewandert wird, ist jedoch der Schulerfolg umso schwieriger zu erreichen. Wenn sozialer Status, geringe sprachliche Kompetenzen und geringe Erwartungshaltung an Bildung zusammenfallen, dann sind kommunale Einrichtungen besonders gefordert, um nicht soziale Randgruppen mit geringen Chancen am Arbeitsmarkt entstehen zu lassen. Hier ist die Schule als Stätte der Integration in höchstem Ausmaß gefordert und kann diese Aufgaben nur dann entsprechend bewältigen, wenn ausreichend Lehrerplanstellen zur Verfügung stehen.

Migration und Schulleistung
Familien aus der Türkei und dem ehemaligen Jugoslawien sind im Zuge der Arbeitsmigration oder Flüchtlingssituation in viele europäische Staaten, darunter auch alle drei deutschsprachigen, eingewandert. In der OECD-Studie PISA 2003 ergeben sich Erkenntnisse über die Schülerleistungen von Schülern mit Migrationshintergrund (vgl. PISA 2003, deutsches PISA-Konsortium, S. 268):

- Allen drei deutschsprachigen hochselektiven Schulsystemen, die bereits ab dem 10. Lebensjahr Schüler nach Leistungen in starre Schultypen (Hauptschule, Gymnasium) aussortieren, gelingt es nicht ausreichend, ausgleichende Bedingungen für alle Schüler zu schaffen.

- Der sozioökonomische Status der Schüler mit Migrationshintergrund ist in der Regel niedrig. Dennoch können die hohen Unterschiede in der Schülerleistung nur zu einem Teil auf den geringen sozioökonomischen Faktor zurückgeführt werden.

- Die Population der türkischsprachigen Schüler erzielen im Durchschnitt die geringsten Schülerleistungen.

- Schüler aus dem ehemaligen Jugoslawien, die in Österreich bereits geboren sind, erzielen keine besseren Leistungen als zugewanderte Schüler (aus dem ehemaligen Jugoslawien).

Sprachliche Frühförderung in Wien
Die Schülereinschreibung für die ersten Klassen der Volksschulen für das Schuljahr 2006/07 wurde in Wien um rund 6 Wochen auf den Jänner 2006 vorgezogen. Damit wurde die Möglichkeit geschaffen, im gesamten Sommersemester sogenannte Sprachförderkurse abhalten zu können. Diese Kurse ersetzen die bislang im Wiener Raum abgehaltenen schulischen Vorlaufgruppen, die in der Vergangenheit rund 1.000 freiwillige junge Teilnehmer jährlich angesprochen hatten. Im Gegensatz zu den schulischen Vorlaufgruppen finden diese Sprachförderkurse in vorschulischen Einrichtungen wie Kindergärten statt und werden von speziell ausgebildetem pädagogischem Personal durchgeführt.
Im Zuge der Schülereinschreibung führt jeder Volksschuldirektor ein standardisiertes Beobachtungs- und Testverfahren durch. Jene Schüler mit nichtdeutscher Muttersprache, deren Sprachkompetenzen für einen erfolgreichen Schulstart nicht ausreichen, erhalten ein sogenanntes „Sprachticket“. Dieses Sprachticket wird in den öffentlichen und privaten Kindergärten eingelöst. Für Kinder, die bereits einen Kindergarten besuchen und dennoch ein solches Ticket erhalten haben, gibt es besondere zusätzliche pädagogische Angebote innerhalb des Kindergartens, die durch beigestelltes Personal geleistet werden. Jene Kinder, die keinen Kindergarten besuchen, erhalten eine Einladung, einen Sprachkurs in einem städtischen Kindergarten zu besuchen, der mehrfach pro Woche stattfindet und von März bis Juni dauert.
In Wien haben rund 2.500 Kinder ein Sprachticket erhalten. Für jene 359 Kinder davon, die nicht den Kindergarten besuchen, wurden Einladungen zu einem Sprachkurs verschickt. Dabei hat sich gezeigt, dass mehr als zwei Drittel dieses Angebot sehr positiv angenommen haben und ihren Kindern den Besuch ermöglichen.

Sprachförderkurse
Leider gibt es aber eine Gruppe weiterer Schüler, die erst unmittelbar vor Schulbeginn in der Schule angemeldet werden und daher durch keine vorschulische Maßnahme erfasst werden können. Diese Schüler, deren Zahl in Wien etwa zwischen 400 und 800 beträgt (bis zu 5% der Altersgruppe), können jedoch nur mit einer generellen Vorziehung der Schulpflicht (verpflichtendes nulltes Schuljahr) erreicht werden. Die längst überholte Vorstellung, hier Kindergartenpädagogik im Sinne einer Betreuung und Beaufsichtigung, dort Schulpädagogik mit Lernen und Leistung, ist in dieser Spannweite an der Nahtstelle Kindergarten/Volksschule nicht mehr aufrechtzuerhalten. Längst empfiehlt es sich, den kindheitlichen Lern- und Entwicklungsprozess ganzheitlich pädagogisch zu sehen und möglichst frühzeitig Bildungspläne zu entwerfen, die eine individuelle Entfaltung in jedem Lebensabschnitt fördern. Die Bildungspläne, die derzeit an Wiener Kindergärten entwickelt und angewandt werden, sind beispielhaft dafür.
Jeder Sprachförderkurs wird mit geeigneten Objektivierungsmaßnahmen begleitet. Es müssen am Anfang und am Ende der Sprachförderung Erhebungsbögen von den Pädagogen ausgefüllt werden, in denen der Sprachstand des Kindes und seine Entwicklung dargestellt werden. Auf Basis dieser Information kann eine laufende Evaluation dieser Maßnahme sichergestellt werden. Jedes Sprachticket wird vom Bildungsministerium mit jeweils 80 Euro gefördert, jedoch übersteigen die tatsächlichen Gesamtkosten diesen Betrag um ein Vielfaches.
Durch das Anlaufen der Sprachförderkurse kann erwartet werden, dass die Dauer des Status als außerordentlicher Schüler etwas gesenkt werden kann und bereits vermehrt Kinder gegen Ende der 2. Schulstufe ein reguläres Zeugnis erhalten werden. Auf jeden Fall wird sich der pädagogische Alltag in den Anfangsphasen der 1. Klassen deutlich entlasten, da die meisten Kinder bereits mit einer sprachlichen Vorbildung in Deutsch in die Schule kommen werden.

Fehlende Planstellen
Die Bereitstellung und Finanzierung von Lehrerpersonal ist eine klare Angelegenheit des Bundes, festgeschrieben durch die Verfassung, vertreten durch das Bildungsministerium in enger Absprache mit dem Finanzministerium. Die jährlich veröffentlichten Stellenplanrichtlinien für die Vorgabe der Personalressourcen für die allgemeinen Pflichtschulen (Volks-, Haupt-, Sonder- und Polytechnische Schulen), die als Vollzug des Finanzausgleichsgesetzes anzusehen sind, sind ein Gradmesser für den Stellenwert und die Bedeutung der Bildung in der politischen Umsetzung. Die großen Einschnitte durch Planstellenverluste in den Kürzungen des Jahres 2001 nach dem Finanzausgleichsgesetz 2000 sind in mühsamen Verhandlungen reduziert worden. Dennoch fehlen in regionalen Problemzonen, dazu gehören vor allem die österreichischen Städte, zahlreiche Lehrerplanstellen im Bereich der Integration und der schulischen ganztägigen Betreuung.
Durch Verhandlungen der Länder konnte erreicht werden, dass zusätzliche 328 Planstellen ab dem Schuljahr 2006/07 auf die Dauer von zwei Jahren für den zweckentsprechenden Lehrereinsatz für Deutschkurse in österreichischen Volksschulen zur Verfügung gestellt werden. Um jedoch den Lehrplan im vollen Ausmaß zu erfüllen, bedarf es weiterer zusätzlicher Lehrer. Die aufgestellte Forderung der österreichischen Landeshauptleutekonferenz im Jahr 2005 nach zusätzlichen 700 Lehrern für ganz Österreich wird mit dem kommenden Schuljahr zu etwa 50% erfüllt. Eine volle Erfüllung der Forderung wäre angesichts der Herausforderungen in diesem Bereich angebracht, denn jede einzelne Unterrichtsstunde kommt direkt Kindern mit Migrationshintergrund zugute.
Migration ist Tatsache. Das sprachliche Potenzial vieler Kinder mit Migrationshintergrund liegt zur Förderung und Anerkennung bereit. Ohne umfangreichen zusätzlichen Personaleinsatz, vor allem im Bereich der muttersprachlichen Lehrer, können weder Programme zur zweisprachigen oder zur muttersprachlichen Alphabetisierung in jenem Ausmaß vorgenommen werden, wie es dem Leistungspotenzial der Kinder entsprechen würde.

Nulltes Schuljahr schafft Chancengleichheit
Eine Verlängerung der Schulpflicht um ein nulltes Schuljahr schafft Chancengleichheit, bringt optimale Förderung für Schüler mit Migrationshintergrund und stellt für leistungsstärkere Kinder deutliche leistungsorientierte Anreize. In allen Staaten, in denen die Schulpflicht oder zumindest gleichwertige Angebote auf nationaler Ebene bereits für das 5. Lebensjahr kostenlos bereitgestellt werden, werden diese zu fast 100% angenommen. Die Maßnahme der Sprachförderkurse in den vorschulischen Einrichtungen ist ein richtiger Schritt in die richtige Richtung, es sollte jedoch an die optimale Förderung der gesamten Altersgruppe gedacht werden und dabei die große umfassende Lösung der Verlängerung der Schulpflicht beschlossen werden.
Integration ist DIE Herausforderung auf die großen Migrationsströme der Gegenwart. Das Zusammenwachsen der europäischen Gemeinschaft, die Aufnahme neuer Mitgliedsländer, die Notwendigkeit zur friedlichen und produktionsfördernden Koexistenz von Menschen verschiedenster Herkunftsgruppen – all das erweitert die Funktion moderner Städte auf dem Weg in das 21. Jahrhundert. Schule wird unter anderem eine zentrale Aufgabe übernehmen und auf Vielsprachigkeit und gegenseitiges Verständnis das größte Augenmerk legen.

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