Arbeitskreis 1 „Die junge Stadt – Lebensraum für Kinder und Jugendliche“ Teil 1

Arbeitskreis 1 „Die junge Stadt – Lebensraum für Kinder und Jugendliche“ Teil 1

Tatjana Kaltenbeck-Michl, Stadträtin für Jugend, Familie, Frauen und Soziales der Landeshauptstadt Graz, führte den Vorsitz bei den Beratungen der Arbeitskreises 1.

Demografischer Wandel – Prognosen, Konsequenzen für Städte
Dr. Klaus Wirth, KDZ

„Sie haben gestern wahrscheinlich aufmerksam gelauscht, als Bürgermeister Häupl schon einige Eckpunkte der demografischen Entwicklung präsentiert hat. Österreich wird – so die Prognosen der Statistik Austria, auf die wir uns beziehen – in den kommenden Jahren noch moderat weiterwachsen. Man geht davon aus, dass sich die Einwohnerzahl in den kommenden Jahren langsam in Richtung 9-Millionen-Grenze entwickelt, und das Wesentliche an dieser Entwicklung ist, dass dieser Zuwachs vor allem auf Zuwanderung basiert, weil Geburten- und Sterbefälle so wie derzeit auch in den kommenden Jahren relativ ausgeglichen sein werden.
Das zweite wesentliche Merkmal dieser zukünftigen Entwicklung – also der Zuwachs, Österreich wächst an Einwohnern – ist, dass sich die Altersstruktur in Österreich sehr gravierend verschiebt. Auch das ist vielleicht keine besondere Neuigkeit hier in dieser Runde. Man geht davon aus, dass die größten Rückgänge in der Altersgruppe von Jugendlichen bereits hinter uns liegen und sich diese Altersgruppe der Jugendlichen in den kommenden Jahren relativ stabil halten wird, demgegenüber aber die Gruppe der älteren und der ältesten Einwohner in Österreich deutlich Zuwachs bekommt und deutlich anwachsen wird.
Wenn man die älteste Gruppe nimmt, die über 85-Jährigen, dann gehen die Prognosen im Moment davon aus, dass diese Altersgruppe, die derzeit etwa 133.000 Personen umfasst, in den kommenden 25 Jahren auf zirka 297.000, 300.000 anwachsen wird.
Das Gravierende oder das eigentlich Brisante an dieser Entwicklung ist nicht, dass einerseits die Bevölkerung wächst und sich andererseits diese Altersstruktur teilweise verändert, die große Brisanz der Entwicklung aus der Sicht der Städte ist nach meiner Einschätzung darin zu sehen, dass sie regional sehr, sehr unterschiedlich verläuft.
Wenn man sich die Prognosen auf dieser Karte einmal anschaut, dann spricht dieses Bild eigentlich schon für sich. Man sieht, es gibt Entwicklungsräume in Österreich, die sehr stark rot jetzt hier hervorgehoben sind, die – so die Prognosen der Statistik Austria – in den kommenden 25, 30 Jahren noch deutlich an Bevölkerung zulegen werden, nämlich bis zu 30% gegenüber dem Wert heute, und es gibt eben Regionen in Österreich, die mit merklichen, beinahe drastischen Bevölkerungsrückgängen konfrontiert sind und die auch mit entsprechenden Konsequenzen aus diesem Rückgang zu kämpfen haben.
Diese für die Gesamtbevölkerung relativ brisante Entwicklung, diese Ungleichentwicklung innerhalb Österreichs setzt sich, wenn man sich die Gruppe der Jugendlichen, der unter Zwanzigjährigen, anschaut, weiter fort. Auch dort ist zu erwarten, dass, wenn die Prognosen zutreffen – und Bevölkerungsprognosen sind meist relativ treffgenau –, die Entwicklung regional eben auch sehr unterschiedlich ist.
Und ein wesentliches Merkmal, das man im Moment sieht, ist, dass sich die – wie man es nennen könnte – qualifizierte Jugend eigentlich sehr stark auf die städtischen Räume konzentriert, weshalb in den städtischen Räumen auch noch ein Zuwachs an Jugendlichen zu erwarten ist, während in vielen ländlichen Gebieten die Anzahl der Jugendlichen merklich rückläufig ist.
Man sieht es hier auf dieser Karte sehr schön. Um Wien und in Wien ballt sich sozusagen Jugend, aber auch in den anderen städtischen Räumen, die hier sichtbar sind, wird in den kommenden Jahren ein Zuwachs an Jugendlichen in dieser Altersgruppe zu erwarten sein.
Sie sehen es an der kleinen Grafik sehr gut – Details finden Sie, die Frau Vorsitzende hat darauf hingewiesen, noch in den Unterlagen, die Ihnen aufliegen –, dass die Entwicklung in den einzelnen Bundesländern auch sehr unterschiedlich verläuft.
Wenn man sich nun fragt, ob man überhaupt etwas dagegen tun kann, ob man das jetzt einfach hinnehmen muss oder ob man sich vor dem Hintergrund dieser Entwicklung überlegen könnte, etwas gegen diesen Rückgang bei der Bevölkerungszahl, bei den Kindern zu tun, so wird in der Fachdiskussion meistens mit drei zentralen Handlungsagenden aufgewartet.
Das Erste ist Bewusstseinswandel, weil Kinder und Kinderbekommen immer auch etwas mit Einstellung, mit Verhalten zu tun hat. Also hier ist ein Bewusstseinswandel anzustreben, der Begriff ‚Kinder‘ ist positiv zu besetzen.
Das Zweite, was international sehr häufig diskutiert wird, sind verschiedene finanzielle und rechtliche Hilfen für Eltern, für Familien mit Kindern.
Und das Dritte – dieser Punkt wurde, glaube ich, soeben schon angesprochen: Wie kann ich Eltern im Alltag unterstützen, wie kann ich sie im Alltag entlasten, insbesondere durch Angebote, die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sicherstellen?
Wir haben in dieser Bürgermeisterbefragung auch gefragt, was denn die Gemeinden denken, was helfen könnte, und hier wird zumindest deutlich, dass die Mehrzahl der Gemeinden sagt, sowohl diese finanzielle Förderung als auch die Sachleistungen, wie sie heißen, die Betreuungsleistung sind hier in etwa gleich wichtig.
Eine relativ aktuelle repräsentative Befragung von Einwohnern in Deutschland hat hier ein etwas anderes Bild gezeigt. Dort wird irgendwie sichtbar, dass insbesondere die Betreuungsleistungen – und das ist in erster Linie das Handlungsfeld der Gemeinden – eine ganz besonders herausstechende Rolle bei der Frage, ob man bereit ist, vielleicht Kinder zu bekommen oder mehr Kinder zu bekommen, spielen könnten. Sie sehen es: Bessere Ganztagesbetreuung, kostenlose Kindergartenplätze, das ist zumindest in der Einschätzung der Bevölkerung möglicherweise noch wichtiger als die finanziellen Punkte.
Wenn also diese Betreuungsangebote so wichtig zu sein scheinen bei der Frage, ob vielleicht mehr Kinder in einem Land geboren werden oder nicht, ist die Frage von uns gewesen: Wie schätzen denn die Gemeinden das derzeitige Angebot ein und wie schätzt die Bevölkerung das ein?
Es gibt zwei Untersuchungen, einerseits die Bürgermeisterbefragung, die wir zusammen mit dem IFES im Vorfeld des Städtetages im Auftrag des Städtebundes durchgeführt haben, und zum Zweiten gibt es eine repräsentative Bevölkerungsbefragung des IFES. Wir haben versucht, ähnliche Fragen parallel zu stellen, und es gibt – Sie sehen es an den Ergebnissen – eigentlich eine relativ große Übereinstimmung in der Sicht der Gemeinden und in den Bewertungen, den Einschätzungen, die die Bürger uns mitgegeben haben.
Was das derzeitige Angebot anbelangt im Bereich der Kindergärten, der Tagesmütter, also für die Altersgruppe der Drei- bis Sechsjährigen, sagen die Gemeinden, dass das Angebot ausreichend und recht gut ist. Ähnlich sehen das die Bürger. Sie benoten das insgesamt mit 1,9. Das war die beste Benotung für alle Betreuungseinrichtungen im Bereich der Kindergärten.
Dann sieht man sowohl bei den Gemeinden als auch bei der Bevölkerung, dass es zwei Bereiche gibt, in denen es zumindest Nachholbedarf geben könnte in nächster Zeit, und diese könnten und sollten vielleicht auch Gegenstand der Diskussion hier sein. Das ist einerseits die Betreuung von Kleinkindern, Kleinstkindern in Krippen und die Nachmittagsbetreuung. Hier gibt es eine große Übereinstimmung zwischen Gemeinden und der Bevölkerung.
Vielleicht lohnt sich in diesem Zusammenhang auch der Blick nach Skandinavien. Herr Mag. Kobler, wir haben gestern nur ganz am Rande kurz darüber gesprochen, dass es da wirklich interessante, spannende Dinge gibt, die man sich anschauen könnte, insbesondere deshalb, weil dort ein Spagat geschafft wurde, wie wir gesehen haben: Einerseits konnte man eine sehr hohe Frauenerwerbsquote realisieren, gleichzeitig konnte man eine der höchsten Geburtenraten innerhalb Europas damit verbinden.
Wenn Sie Interesse an dieser Thematik haben, Sie finden in den Unterlagen noch einige Hinweise.
Wir haben weiterhin gefragt, was denn die Städte und Gemeinden denken, was so auf sie zukommen könnte in diesem Bereich Kinder und Jugend. Einerseits ist das die demografische Entwicklung. Hier haben viele schon begonnen, sich damit auseinanderzusetzen, haben erste strategische Überlegungen angestellt, haben Strategien entwickelt.
Wir haben gefragt: Was denken denn die Städte, was wird an Entwicklung auf sie zukommen? Im Bereich der Kinderbetreuung meinen zumindest 84% der antwortenden Gemeinden, dass sie eigentlich davon ausgehen, dass im Kinderbetreuungsbereich diese sprachliche Frühförderung zunehmende Bedeutung gewinnen wird und gleichzeitig auch die Kindergärten zunehmend mit einem Bildungsauftrag konfrontiert sein werden.
Dieses Thema wird die Frau Vizebürgermeisterin Ihnen, glaube ich, anschließend in ihrem Referat noch sehr detailliert nahebringen. Also Sie sehen, die Gemeinden erwarten, dass hier eine Veränderung kommt.
Ein dritter Punkt, der sozusagen als Erwartung im Raum steht, ist, dass die Anforderungen an die Betreuungszeiten in den Kinderbetreuungseinrichtungen weiter zunehmen werden.
Was sehen die Städte im Bereich der Jugend und der Betreuung weiterhin auf sich zukommen?
Wenig überraschend ist auch hier die Erwartung, dass eigentlich die Förderung von Aktivitäten für Kinder, für Jugendliche in den Städten zunehmen wird.
Allerdings im Moment in der Bedeutung vielleicht noch nicht so herausragend wie die Kinderbetreuungseinrichtungen sind zwei Aspekte, die ich hier noch kurz ansprechen möchte. Der eine Punkt ist die Erwartung in Bezug auf einen Mehrbedarf, der sich durch eine politische Teilhabe von Jugendlichen ergeben könnte. Der zweite Punkt ist die Frage, inwieweit aus Sicht der Gemeinden elternunterstützende Beratungsleistung an Bedeutung gewinnen könnte. Aber möglicherweise wird sich dieses Bild noch ändern, spätestens wenn Frau Mag. Balic-Benzing Ihnen in ihrem Referat skizziert, welche Möglichkeiten, welchen Bedarf es gibt, elternberatend tätig zu sein, und der Vizebürgermeister Pfeiler aus Villach Ihnen das Erfolgsmodell der politischen Teilhabe in Villach präsentiert hat.
Was folgt jetzt aus dieser Entwicklung? Ich sehe insbesondere zwei Punkte, die vielleicht bedeutsam sind und die gleichzeitig auch die Situation etwas erschweren. Es gibt angesichts dieser sehr unterschiedlichen demografischen Entwicklung innerhalb von Österreich einerseits eben Wachstumsregionen, die mit einer Mehrfachbelastung insbesondere durch Zuwanderung konfrontiert sind. Wir verzeichnen also hier zum einen mehr Menschen, zum anderen – was auch Gegenstand des Arbeitskreises 2 ist – durch die Zuwanderung bedingten verstärkten Bedarf an Integrations-, aber auch Bildungs- und Sprachförderungsmaßnahmen. Das betrifft insbesondere die städtischen Regionen in Österreich. Andererseits gibt es Regionen, die eher mit Stagnation, vielleicht aber auch mit rückläufiger Entwicklung zu tun haben.
In diesem ambivalenten Verhältnis fällt es natürlich sehr schwer, einheitliche und für alle gleiche Lösungsansätze zu finden. Es bleibt ein stückweit nur, sich mit diesen Entwicklungen sehr konstruktiv und konsequent auseinanderzusetzen. Bevölkerungsprognosen sind relativ treffsicher. Man kann nicht zuwarten und sagen, das wird schon anders kommen. Vielleicht ist es im Idealfall nicht so gravierend, wie die Statistik Austria es jetzt im Moment prognostiziert, aber es lohnt sich in jedem Fall, sich frühzeitig darauf einzustellen.
Das Zweite, wie man das vielleicht aktiv aufgreifen kann – dazu haben wir heute Vormittag ja auch noch ein Referat von der Frau Vorsitzenden zum Thema einer integrierten Jugend- und Familienpolitik als Standortfaktor: Möglicherweise muss man sich, insbesondere in den Regionen, die mit Rückgängen bei der Bevölkerung bei der Jugend und den Familien zu rechnen haben, stärker aktiv positionieren, vielleicht muss man in den Regionen, die mit rückläufiger Entwicklung zu tun haben, regionale Versorgungsstrukturen aufbauen.
Man muss sich also die Situation anschauen und sich aus der heraus überlegen, wie eine konsequente Entwicklung aussieht.
Zweiter großer Punkt: Wenn wir schon erkennen, dass ein Mehrbedarf an Betreuungseinrichtungen sinnvoll und notwendig wäre, insbesondere auch im internationalen Vergleich, wenn es richtig ist, dass der Mehrbedarf in diesem Bereich vielleicht sogar hilfreich ist, die Kinderzahl noch zu steigern, dann stellt sich letztlich auch die Frage, wie man das finanziell realisieren kann, insbesondere in den beiden Bereichen, die jetzt diskutiert wurden. Der Krippenbereich ist einer der aufwändigsten, was den Betreuungsaufwand anbelangt, zum Zweiten ist der Bereich der Nachmittagsbetreuung ein derzeit, glaube ich – ich habe das hier als verwirrendes System bezeichnet –, in Bewegung befindlicher Bereich, von dem man nicht so genau weiß, wohin das führen wird. Da setze ich ein wenig auf Herrn Mag. Kobler, der uns dann die Situation in Linz beschreiben wird und vielleicht auch einige Hinweise zu dem Thema geben kann.“

Kinder- und Jugendbetreuung als Bildungsaufgabe
Vizebürgermeisterin Grete Laska, Wien

„Erlauben Sie mir zwei persönliche Anmerkungen, bevor ich mit meinen Ausführungen beginne.
Meine persönliche bildungspolitische Orientierung habe ich als Studierende der Pädagogischen Akademie in den Jahren 1969 bis 1971 erfahren, das heißt in jener Zeit, in der Österreich bildungspolitisch gerade in einer sehr starken Aufbruchsphase war und gerade in diesen Jahren unendlich viel an Veränderung begonnen hat. Ich war sehr froh, damals die Entscheidung getroffen zu haben, nicht außerhalb des öffentlichen Bildungssystems meine Vorstellungen gemeinsam mit vielen anderen Freundinnen und Freunden realisieren zu können, sondern den Entschluss gefasst zu haben, ins Bildungssystem hineinzugehen und von innen heraus Veränderungen in Angriff zu nehmen. Das ist auch, wie ich meine, bis zum Jahr 2000 sehr gut gelungen.
Zum Zweiten – diese Bemerkung muss mir auch erlaubt sein: Wir haben heute einen besonderen Tag in Wien. Heute vor 30 Jahren hat in Wien die Arena-Besetzung stattgefunden. Die Arena ist, glaube ich, allgemein ein Begriff, ist ein Begriff für selbstverwaltete, selbstorientierte Jugendkultur und Jugendarbeit. Vor 30 Jahren habe ich mit meinen Schülerinnen und Schülern selbst die Arena besetzt. Draußen vorne waren unter anderem jene, die in den zwölf Jahren, seitdem ich nun Vizebürgermeisterin und Jugendstadträtin in Wien sein darf, dafür gesorgt haben, dass die Arena renoviert wurde und heute wie damals ein selbstverwaltetes Jugendzentrum in dieser Stadt ist. Auch das ist prägend, jugendpolitisch prägend für unsere Stadt. Der Herr Bürgermeister und ich sind der Meinung, dass das damals eine ganz wichtige Entscheidung war, die heute noch richtig ist.
Nun aber in medias res. Ich werde sehr rasch über die Bevölkerungsstatistik drübergehen, denn dankenswerterweise ist das ja schon erwähnt worden. Wien wächst. Wir haben auch eine positive Bevölkerungsstatistik und sind sehr froh darüber. Aber wir haben natürlich darauf zu reagieren und zu überlegen, wie wir damit umgehen. Die Bevölkerungsprognose ist weiter steigend, und egal aus welchen Gründen das so ist, es gibt wesentliche Antworten, die wir darauf zu geben haben.
Ganz im Mittelpunkt steht für mich der Bildungsbegriff, und zwar ein sehr weiter Bildungsbegriff, ein Bildungsbegriff, der sich darauf versteht, dass Bildung beginnt, wenn Kinder zur Welt kommen, wobei sofort die Frage zu stellen ist, in welchem Umfeld sie sich befinden. Daher ist, wenn man bei einem solchen Bildungsbegriff ansetzt, davon auszugehen, dass Bildung sich nicht auf ein Ressort beschränken kann, sondern eine Querschnittsmaterie ist, die davon abhängig ist, in welcher Umgebung, mit welchen Qualitäten von Arbeit, mit welchen Qualitäten von Wohlfühlen und Lebensqualität sich Menschen befinden, die sich entscheiden, Kinder zu bekommen, und wie können sie dann in weiterer Folge mit diesen Voraussetzungen umgehen.
Ein zweiter ganz wichtiger Punkt meines Bildungsbegriffes ist, dass wir dafür zu sorgen haben, dass Bildung ohne Hindernisse funktionieren kann, das heißt unter der Prämisse von Chancengleichheit und unter der Prämisse eines fördernden Begriffes und nicht einer Selektion.
Wir haben in Österreich zurzeit ein selektives Bildungssystem. Das ist der gravierende Unterschied zu allen skandinavischen Modellen, die auf Förderung setzen und nicht auf Selektion. Daher haben wir, wenn wir uns einem solchen ganzheitlichen Bildungsbegriff nähern wollen – und aus meiner Sicht müssen wir das tun –, genau dort anzusetzen und zu fördern statt zu selektieren.
Der dritte Punkt, der unendlich wichtig ist, ist, dass Bildung mehr ist als Wissensvermittlung. Das ist eine Diskussion, die wir zurzeit sehr heftig führen, sicherlich vor dem Hintergrund, dass sich natürlich mit der Einschränkung oder mit der Ausweitung eines Bildungsbegriffes die Frage der Ressourcen stellt, und in nächster Folge natürlich sofort die Frage kommt: Wer stellt welche Ressourcen zur Verfügung? Wenn man einen Bildungsbegriff auf die Wissensvermittlung eingrenzt, dann tun sich jene Rechenbeispiele auf, die sagen: Vor fünf Jahren, nämlich 2001, hat der Finanzausgleich Verhältniszahlen festgelegt, die sich nach einem Schüler-Lehrer-Verhältnis orientieren, und daher müssen so viele Lehrer zur Verfügung stehen, die Wissen vermitteln, und wir bereinigen alles, was mit Beratung, mit Psychologie, mit Integration und Förderung von verschiedensten Defizitbereichen zu tun hat. Wir schieben das alles der Jugendwohlfahrt zu und stellen damit fest, dass wir sowieso genügend Lehrerinnen und Lehrer in diesem Land haben.
Dass das nicht stimmt, weiß jeder, der zumindest den Zielparagraphen des österreichischen Schulgesetzes kennt, der genau von einem anderen Bildungsbegriff spricht, nämlich von einem Bildungsbegriff, der die Persönlichkeitsbildung inkludiert. Damit kann man die erste Rechnung schon wieder zusammenknüllen und in den Mistkübel werfen.
Der vierte Punkt ist: Bildung hört nie auf. Wir verstehen uns zum Begriff des lebenslangen Lernens. Das inkludiert einerseits natürlich die Bildung nach der Schule, also die berufliche Bildung, das inkludiert natürlich eine hohe Verantwortung des Zusammenspiels von Wirtschaft und Bildung, und das beruht natürlich auch auf dem Begriff des zweiten, dritten, vierten und fünften Bildungsweges in der Zwischenzeit, weil kein Mensch davon ausgehen kann, dass das, was er in seiner Primärausbildung erlernt hat, das ist, mit dem er in Pension gehen wird. Je später wir in Pension gehen, umso mehr werden wir uns auf unterschiedliche Bildungsgänge einstellen müssen.
Der fünfte Satz, der hier natürlich als Conclusio dazugehört, ist: Bildung kostet Geld. Und die Entscheidung eines Staates ist es: Wie viel Geld bin ich bereit, in Bildung zu investieren, um zu erreichen, dass das garantiert ist, was meine feste Überzeugung ist, nämlich Bildung, die die Zukunft einer demokratischen Gesellschaft garantiert, einer demokratischen Gesellschaft, die sich gemeinsam weiterentwickelt und nicht gekennzeichnet ist von selektiven Maßnahmen, die dann eben auch zu unterschiedlichen Gesellschaftskategorien führen.
Ganz kurz gehe ich noch einmal darauf ein: Bildung heißt Bildung von Anfang an. Die erste Beziehung zwischen Eltern und Kindern ist ganz wichtig. Dazu gehören auch die Umgebung, die Beziehungen, die Erlebnisse und die Sprache. Das heißt, die ersten Lebensjahre sind bildungsprägend, keine Frage, und die Umgebung, in der sie stattfinden, ist entscheidend.
Der zweite Punkt, der unendlich wichtig ist – er ist schon mehrfach angesprochen worden –, ist das nächste Sozialisationsumfeld, in das Kinder kommen, ist der Kindergarten. Wir haben in Wien eine Situation, in der wir nicht mehr über Betreuungsdichte, über Betreuungszeiten und Sperrzeiten reden, denn wir haben in Wien im Bereich der Drei- bis Sechsjährigen eine nahezu hundertprozentige Versorgung, und zwar eine Versorgung, die sich ganzjährig und ganztägig versteht. Das heißt, wir sprechen von elf und mehr Stunden Betreuungsangebot, Bildungsangebot, wir sprechen von maximal zehn Schließtagen pro Jahr – in städtischen Einrichtungen ist es maximal eine Woche, und nicht einmal mehr die –, und wir reden davon, dass, wie gesagt, bei den Drei- bis Sechsjährigen de facto eine hundertprozentige Versorgung besteht.
Wir haben in Wien in den letzten zwölf Jahren bei den Null- bis Dreijährigen von rund 10% vor zwölf Jahren auf rund 50% bei den Ein- bis Dreijährigen angehoben und auch dort eine ganztägige Betreuung, und wir haben im Bereich der schulpflichtigen Kinder, also bei den Sechs- bis Fünfzehnjährigen, vornehmlich bei den Sechs- bis Zehnjährigen, eine Betreuungsdichte, die den Notwendigkeiten entspricht. Das ist für mich noch nicht zufriedenstellend, weil ich gerade im schulischen Bereich ein anderes Modell bevorzuge, ein tatsächlich verschränktes ganztägiges Modell, das innerschulische und außerschulische Freizeitbetreuung und Bildungsangebote in sich vereint.
Wir tun aber etwas anderes. Wir bemühen
uns um die wichtigen Aufgaben des Kindergartens, nämlich die sozialen Außenkontakte, die Persönlichkeitsbildung, die Kreativität, die Bewegung, die Sprachkompetenz, und diese Bemühungen mündeten in die Entwicklung eines Bildungsplanes. Wir haben voriges Jahr begonnen, diesen auszuarbeiten. Wir haben ihn fertig, er ist im Moment in einem sehr breiten Begutachtungsverfahren, und dieser Bildungsplan ist aus meiner Sicht der Meilenstein für die Zukunft.
Der Kindergarten ist eine Bildungseinrichtung. Darüber brauchen wir nicht zu diskutieren. Worüber wir diskutieren müssen, ist, dass Bildung im Kindergarten anders ist und ein Bildungsplan im Kindergarten nicht zu vergleichen ist mit einem Lehrplan der Schule. Es geht hier nicht um das kleine Einmaleins und Rechtschreibübungen, sondern da geht es vielfach um andere Punkte.
Beim Punkt Sprachkompetenz etwa geht es nicht darum, nur Kinder mit Migrationshintergrund zu betrachten, sondern Sprachkompetenz ist die Zukunftstendenz für alle. Und wir erleben zunehmend – ich nehme an, Sie haben das bei der jetzigen Überprüfung der Sprachkompetenz beim Eintritt in die Schule auch erlebt –, dass es keineswegs nur Kinder mit Migrationshintergrund sind, die Sprachprobleme haben, ganz im Gegenteil, rund 50% der Kinder, die wir mit diesem System herausgefiltert haben, haben keinen Migrationshintergrund und sind auch sprachlos – im wahrsten Sinne des Wortes. Daher ist Sprachkompetenz die Grundvoraussetzung auch für die Bildungschancen und vor allem für die Berufschancen in einem sich verändernden Europa. Österreich ist noch immer sprachresistent, und das haben wir als verantwortliche Bildungspolitiker zu verändern.
Der nächste Schritt ist die Schule. Bei der Schule ist die Organisation und die Information wichtig, die Frage, welche Pädagogik und welche Inhalte verfolgen wir. Der Zusammenhang zwischen Schule und Gesellschaft ist nicht zu verkennen, und die Schule muss – das habe ich eingangs gesagt – fördern und nicht selektieren.
Wir stehen aus meiner Sicht, so wie das ja in dem Reformpaket nach PISA I und dem damals erlittenen Schock vorgesehen war, vor einem Bündel von Maßnahmen, die die Zukunftskonferenz zusammengefasst hat, von denen derzeit ein Zwölftel umgesetzt ist, und es wird wichtig sein, hier weiterzutun.
Ich meine, dass gerade im Bereich der Schule über die Organisationsform und damit auch über die Betreuung zu reden ist. Ich meine – der Herr Bürgermeister hat das gestern angesprochen –, dass der derzeitige Vorschlag, nämlich pro Tag eine Stunde vom Bildungssystem Österreichs zur Betreuung zur Verfügung zu stellen, der falsche Ansatz ist.
Ich will auch nicht – und ich sage das ganz bewusst – die finanzielle Belastung dem Bund zuschieben, das wäre eine viel zu einfache Variante, sondern wir müssen gemeinsam in den Systemen, die zwischen Bund, Ländern und Gemeinden existieren, nämlich im Finanzausgleich, darüber reden, wie viel Geld ins österreichische Bildungssystem gehen muss, und dann darüber reden, wie wir die Belastungen aufteilen.
Wir müssen auch darüber reden, wie wir die Nahtstelle zwischen Kindergarten und Schule, also das fünfte bis siebente Lebensjahr, neu gestalten. Wir werden uns darüber unterhalten müssen, ob die Schulpflicht tatsächlich richtigerweise mit dem sechsten Lebensjahr punktuell festgesetzt beginnen soll, ob tatsächlich der Griff über den Kopf zum Ohr etwas darüber aussagt, ob ein Kind schulreif ist oder nicht, und wir werden uns dann danach orientieren und sagen müssen: Die richtige Antwort ist eine flexible Schuleingangsphase zwischen dem fünften und siebenten Lebensjahr in Kooperation der Bildungseinrichtung Kindergarten und der Bildungseinrichtung Schule. Nur dann werden wir weiterkommen, und dann gibt es auch die richtigen Lösungen auf die Frage: Welches Angebot machen wir an Betreuung? Wie vernetzen wir schulische Bildung und außerschulische Bildungsangebote in einem System? Hier können wir viel von anderen Städten, von anderen Ländern lernen.
Ganz kurz zum Thema Bildung, Ausbildung und Wirtschaft. Ich denke mir, dass die wichtige Frage nach den Berufschancen ganz andere Antworten erfordert, als wir sie bisher geben. Hier wird auch die Frage der Reform von Oberstufenmodellen ganz im Vordergrund stehen. Wir wissen, dass es kaum mehr Industriearbeitsplätze gibt, dass die Chancen der Zukunft ganz woanders liegen und daher das Kooperationsmodell zwischen Bildung und Wirtschaft ein neues sein muss, dass Bildung und Flexibilität eine Frage ist und dass wir daher von dieser Bildungspartnerschaft auch mit der Wirtschaft ausgehen müssen.
Ich überspringe das lebensbegleitende Lernen, das habe ich schon erwähnt.
Ich halte es für unendlich wichtig, dass wir uns im Bereich der außerschulischen Bildung aufbauen auf dem, was wir bereits haben. Wir haben in Wien in den letzten zehn Jahren die Ausgaben für außerschulische Jugendarbeit mehr als verdoppelt; wir geben zurzeit ungefähr 30 Millionen Euro pro Jahr für diese außerschulischen Angebote aus, und ich halte das für dringend notwendig. Wir haben hier gravierende Systemveränderungen vorgenommen, vor allem im Bereich der aufsuchenden Jugendarbeit.
All das sind Punkte, die sehr stark auch mit der Frage Migration zu tun haben und mit den Erkenntnissen, die wir daraus gewonnen haben.
Alles in allem kann man zusammenfassend sagen, dass es nur gelingen wird, diese unsere Jugend fit für die Zukunft zu machen, wenn man sie erstens ernst nimmt, wenn man tatsächlich Partizipation und Partnerschaftlichkeit zum politisches Prinzip erhebt und mit den Jugendlichen gemeinsam, beim Wahlrecht beginnend und endend, dazwischen aber in einer wirklich ernst gemeinten Palette der Kooperation die Zukunft gestaltet. Basierend auf einer wirklich umfassenden Bildung, die Chancengleichheit und Chancengerechtigkeit garantiert und damit die optimalen Voraussetzungen für die Zukunft schafft, wird in Wirklichkeit damit erreicht, dass in einer Gesellschaft, die so stark medienorientiert ist, die von einer Informationsfülle gekennzeichnet ist, dass man sie fast nicht mehr bewältigen kann, die uns neue Technologien mitgibt, von denen wir feststellen müssen, dass wir Bildung so aufbauen müssen, dass Menschen sie gebrauchen können und nicht sie uns gebrauchen, Voraussetzungen für eine Bildungspolitik geschaffen werden, die – und das habe ich eingangs gesagt, und damit möchte ich schließen – den Fortbestand einer partnerschaftlichen und demokratischen Gesellschaft garantiert. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.“

Zusammenarbeit mit Kindergärten, Schule, Hort und Eltern; Qualität und Kosten verschiedener Betreuungsformen
Direktor Mag. Josef Kobler, Linz

„Es geht hier darum, soziale Dienstleistungen kurz darzustellen, die von den Gemeinden und von den Familien als wesentlich erlebt werden und, wie wir von Herrn Wirth gehört haben, auch von den Familien selbst als substanziell wesentlich für die Größe der Familie betrachtet werden.
Die Kommunen stehen einerseits vor dem Problem, diesen berechtigten Bedarf bedienen zu wollen, andererseits vor sinkenden Budgets, kleiner werdenden Einnahmen und einer relativ dynamischen Ausgabenseite, was zu Umverteilungskämpfen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden führt, ein Kampf, der Ihnen ja bestens vertraut sein wird.
Ich versuche jetzt, über die Überschriften ‚Ziele, Maßnahmen und Kostenstruktur‘ einen knappen Überblick zu geben und dann noch auf Wunsch des Städtebundes ein paar Worte zum Schulrechtspaket 1 zu verlieren, zur Verpflichtung für Schulerhalter, Nachmittagsbetreuung anzubieten.
Ein wesentliches Ziel – das ist heute schon angesprochen worden – ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wir glauben, dass diese Vereinbarkeit nur erreicht werden kann, wenn auch Öffnungszeiten so gestaltet werden, dass sie abgestimmt sind auf die Arbeitssituation von Familien. Ein ganz wesentlicher Faktor ist auch die Leistbarkeit. Wir müssen vor allem bei Frauen in Teilzeitbeschäftigung schauen, dass hier die Grenzkosten nicht überschritten werden.
Zweites wesentliches Ziel ist es, den Wirtschaftsstandort zu sichern und auszubauen. Die Prosperität jeder Stadt, jeder Kommune hängt natürlich auch von der Wirtschaftskraft der Kommune ab.
Wir haben in Linz Ende der achtziger Jahre bis etwa Mitte der neunziger Jahre begonnen, die Vollversorgung im Bereich der Drei- bis Sechsjährigen und der Sechs- bis Vierzehnjährigen auszubauen und eine Versorgungsquote bei den unter Dreijährigen auf 85 bis 90% hinaufzuschrauben. Wenn wir heute rückblickend schauen, wie sich die Arbeitsplatzsituation zwischen 1985 und 2006 verändert hat, so sehen wir einen Zuwachs von 18.000 Arbeitsplätzen, wobei es sich ausschließlich um Frauenarbeitsplätze handelt. Wir meinen, dass das sehr wesentlich auch auf das erweiterte und auf die Arbeitssituation von Familien abgestimmte Kinderbetreuungsangebot zurückgeführt werden kann.
Ein weiteres Ziel ist es, die Bildungschancen zu verbessern. Wir haben aus PISA II jedenfalls die Konsequenz ziehen müssen – ebenso wie drei Jahre vor uns die Bundesrepublik –, dass im Kindergartenbereich ein Wandel zur vorschulischen Bildungseinrichtung stattzufinden hat, dass soziale und/oder ethnische Bildungsbarrieren abgebaut werden müssen, wobei wir immer stärker den Eindruck gewinnen, dass es nicht die ethnischen Barrieren sind, die uns Schwierigkeiten machen, sondern vielmehr die sozialen. Wichtig ist auch eine hohe Besuchsquote. Es gelingt uns in Linz, nahezu 100% der Fünfjährigen in das letzte Kindergartenjahr zu bringen, was sich auf die Einschulungssituation vor allem bei Kindern mit Migrationshintergrund oder Kindern aus sozial benachteiligten Familien sehr positiv auswirkt.
Was tun wir, um diese Ziele zu erreichen? Wir bieten eine Vollversorgung, und zwar immer gemeinsam mit privaten Anbietern. Wir sind in Linz bewusst den Weg gegangen, private Anbieter nicht hinauszudrängen. Wir wollten Eltern die Wahlfreiheit geben zwischen unterschiedlichen Betreibern und Anbietern und haben über den Subventionsweg dafür gesorgt, dass die Tarifstruktur zwischen privaten und öffentlichen Anbietern sehr stark angeglichen werden kann. Wir führen also Krabbelstuben, Kindergärten und Horte und Ganztagsschulen im Hauptschulbereich.
Weitere Maßnahmen vor allem im Bildungsbereich: Die Schulvorbereitung im Kindergarten hat eine neue Dimension bekommen. Wir bekennen uns stärker als früher zu einem kompensatorischen Ansatz, also dazu, wirklich ganz gezielt auf die Kinder zuzugehen, die Defizite haben, bei denen zu befürchten ist, dass sie mit dem Einstieg in die Schule große Schwierigkeiten haben werden.
Generell ist es uns, glaube ich, gelungen, in den letzten beiden Jahren den Wechsel von einer angebotsorientierten Pädagogik hin zu einer ergebnisorientierten Pädagogik zu vollziehen, wo es weniger darum geht, was den Kindern angeboten wird, sondern viel stärker darum, was am Ende des Tages dabei herauskommt.
Wir definieren Leistungsstandards gemeinsam mit der Pädagogischen Hochschule und der Übungsvolksschule in den unterschiedlichen Bildungsbereichen, um sicherzustellen, dass Kinder, die den Kindergarten absolviert haben, in diesen Bildungsbereichen tatsächlich Standards erreichen, die für die Schule eine Einstiegsvoraussetzung sind, und wir evaluieren diese Zielerreichung auch durch standardisierte Beobachtungsbögen und Ähnliches.
Auch der Hort hat in Linz von der inhaltlichen Ausrichtung her in den letzten beiden Jahren einen sehr starken Wandel durchgemacht. War der Hort früher im Wesentlichen eine Freizeiteinrichtung mit Hausübungsbetreuung, so ist der Hort heute wesentlich stärker eine Lerneinrichtung mit Freizeitangebot. Das heißt, es geht nicht mehr nur darum, Kinder beim Hausübungsmachen zu unterstützen und zu begleiten, sondern ganz wesentlich auch darum, individuelle Lernprobleme und Lerndefizite in Zusammenarbeit mit der Schule zu erkennen und gezielte Förderangebote zu machen, wobei die Zusammenarbeit mit der Schule – darauf komme ich später noch zu sprechen – nicht immer ganz friktionsfrei abläuft.
Wir bieten – das ist schon angesprochen worden – interkulturelle Projekte. Wir nehmen zur Kenntnis, dass wir etwa 40% der Kinder in städtischen Kinderbetreuungseinrichtungen mit Migrationshintergrund haben, sehr ungleich verteilt auf die einzelnen Stadtteile. Wir haben auch Einrichtungen mit einem Anteil von über 90%. Da sind eigene pädagogische Konzepte entwickelt worden, die wir auch über standardisierte Formen laufend evaluieren und wo wir durchaus positive Erfolge haben.
Ich möchte bestätigen, was meine Vorrednerin auch angedeutet hat: Sprachförderung ist ja nicht nur eine Herausforderung für Kinder mit Migrationshintergrund, sondern ganz wesentlich auch für Kinder aus sozial benachteiligten Familien. Wir erleben jetzt in diesen Kindergärten über diese standardisierte Form der Evaluierung, dass die Kinder im untersten sprachlichen Leistungssegment sehr häufig die österreichischen Kinder sind, während die Sprachentwicklung bei Kindern mit Migrationshintergrund über weite Strecken sehr, sehr gut verläuft.
Die sozial gestaffelten Tarife sind eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass wirklich auch alle Kinder, vor allem die Kinder sozial Benachteiligter, diese Einrichtungen besuchen. Und die Vollversorgung ist eine Voraussetzung.
Maßnahmen in Bezug auf die Schnittstellenoptierung: Die Zusammenarbeit zwischen Schule und Kindergarten funktioniert, glaube ich, in den meisten Gemeinden recht gut. Der Kindergarten wird als vorschulische pädagogische Einrichtung seitens der Schule ernst genommen, wahrgenommen, und hier gibt es auch einen sehr regen Austausch, was die unterschiedlichen Erwartungshaltungen und den Bedarf betrifft.
Die Vernetzung zwischen Schule und Hort gestaltet sich teilweise schwieriger, weil sie zu wenig strukturell organisiert ist. Das heißt, die Schule nimmt den Hort gerne als Zuleister in Anspruch, an den bestimmte Aufgaben delegiert werden, die aus meiner Sicht in Wirklichkeit Schulaufgaben sind. Andererseits gibt es Schulstandorte, wo wir mit Lehrerinnen und Lehrern eine Zusammenarbeit gefunden haben, die tatsächlich wechselseitig befruchtend ist, wo die Schule aufgreift, was wir im Hort an Erkenntnissen sammeln, und umgekehrt, aber es gibt natürlich auch das gegenteilige Phänomen.
Zur Kostenstruktur ganz kurz. Wir geben insgesamt für städtische Einrichtungen und für private Einrichtungen knapp 14 Millionen Euro aus. Wenn man das ein bisschen aufschlüsselt, so finanzieren wir die Krabbelstuben mit 1,87 Millionen Euro, die Kindergärten mit 7,06 Millionen Euro, die Horte mit 3,47 Millionen Euro und die Ganztagsschulen mit 160.000 Euro.
Subventionen darüber hinaus gibt es in einer Größenordnung von 1,22 Millionen Euro.
Schulische Nachmittagsbetreuung: Ich weiß nicht, wie es Ihnen dabei geht in den Städten. Für uns ist das eine durchaus veritable Herausforderung in den letzten Wochen und Monaten. Im Schulrechtspaket 1 ist festgelegt worden, dass ab dem kommenden Schuljahr bei 15 angemeldeten Kindern jedenfalls schulische Nachmittagsbetreuung anzubieten ist, sofern geeignete Räume und geeignetes Personal vorhanden sind – so heißt es im Grundsatzgesetz – und keine anderen Betreuungsangebote gegeben sind.
Wir hatten – um es an einem Beispiel klarzumachen – bisher alle Kinder, die für einen Hort angemeldet waren, auch mit einem Hortplatz versorgen können. Nichtsdestotrotz haben bei der Frage der Schulen, ob jemand Interesse an schulischer Nachmittagsbetreuung hätte, rund 500 Eltern zusätzlichen Bedarfs angemeldet. Wir interpretieren das sehr wesentlich als einen Bedarf an Teilzeit, Betreuung nicht die ganze Woche, nicht den gesamten Nachmittag.
Die schulische Nachmittagsbetreuung, wie sie immer genannt wird – und das geht in diesem Schulrechtspaket ein bisschen unter, was mir nachvollziehbar ist –, ist in Wirklichkeit natürlich eine Ganztagsschule, auch wenn das für die Regierung etwas unpopulär ist, das so zu formulieren, mit allen rechtlichen Konsequenzen, auch für die Schulerhalter, was die Kostentragung betrifft. Die Ausführungsgesetzgebung liegt bei den Ländern. Nicht alle Länder sind so schnell wie Niederösterreich. In Oberösterreich haben wir heute, 1. Juni, immer noch kein Ausführungsgesetz, wir sollen aber mit September schulische Nachmittagsbetreuung anbieten. Und es wird zu einer massiven finanziellen Mehrbelastung für die Kommunen kommen, egal, ob Sie die bestehenden Systeme und Netze ausbauen oder schulische Nachmittagsbetreuung erfinden, erweitern, ausbauen.
In Oberösterreich ist es so, dass im Entwurf für das Ausführungsgesetz, von dem man ausgehen darf, dass er in dieser Form im Juni beschlossen wird, 15 Kinder pro Schulstandort vorgesehen sind. Das heißt, in Oberösterreich geht man auf Landesebene eher einen Schritt zurück und sagt: Wenn nicht pro Schulstandort 15 Kinder angemeldet sind, braucht man nichts zu eröffnen, man braucht einzelne Standorte nicht zusammenzuzählen; man kann, aber man muss nicht.
Das ist, glaube ich, auch ein oberösterreichisches Spezifikum: Man kann schulische Nachmittagsbetreuung auch disloziert anbieten, das heißt, in einem Kindergarten, der Nachmittag leersteht oder was auch immer. Alle anderen Betreuungsformen sind zulässig. Das sieht auch das Grundgesetz so vor. In Oberösterreich wird es keine finanzielle Beteiligung durch das Land Oberösterreich geben. Uns hat das Land vorgerechnet, dass das ohnehin nichts kostet, auch wenn wir es immer noch nicht glauben wollen und können. Es gibt lediglich eine Bereitschaft, in zwei Jahren einmal gemeinsam mit dem Landeshauptmann die Kosten zu evaluieren und dann darüber zu reden, ob man Verhandlungen aufnehmen möchte, in denen man dann klärt, ob das Land sich an den Kosten beteiligt.
Wir dürfen schulische Betreuung nicht schultypenübergreifend anbieten, und der Landesschulrat stellt die Lehrer zur Verfügung, aber nur, solange der Vorrat reicht. Das heißt, wenn keine Lehrer zur Verfügung stehen, hat der Schulerhalter selbst die Mitarbeiter zu beschäftigen, was zu dienstrechtlichen Problemen führt, weil sie einerseits dem Schulleiter, dem Leiter der Nachmittagsbetreuung unterstehen und andererseits der Gemeinde und es in Oberösterreich eine Vereinbarung zwischen Lehrergewerkschaft und Landesschulrat gibt, die diese Lehrerstunden mit 35 Euro pro Stunde, inklusive Dienstgeberbeiträgen, sehr teuer macht.
Ein Problem ist auch, dass es keine Betreuung an den schulfreien Tagen gibt.
Wir fordern daher, dass es keine Mehrkosten für die Kommunen geben darf – der Städtebund hat ja den Konsultationsmechanismus auf Bundesebene nicht aufgehoben – und dass bei der Ganztagsschule eine Kostenübernahme durch den Bund zu erfolgen hat, weil es unserer Auffassung nach Schule ist und nicht Kinderbetreuung.
Und konstruktiv sollte man vorschlagen, überhaupt ein neues Modell zu entwickeln, das eine Mischform aus ganztägiger Schulform und Hort ist, um auch das Problem der Betreuung an schulfreien Tagen in den Griff zu bekommen.
Für die Zukunft wünschen wir uns eine gerechte leistungsbezogene Transferzahlung durch die Länder. In Oberösterreich ist es so, dass alle Kindergärten gleich gefördert werden, unabhängig davon, wie lange sie offen haben, also egal, welche Tagesöffnungszeit, welche Jahresöffnungszeit sie haben, unabhängig davon, welche Schwerpunkte und Herausforderungen sie zu erfüllen haben.
Wir wünschen uns den Kindergarten als Teil des Bildungssystems und damit natürlich auch eine Kostenbeteiligung des Bundes, auch über den Umweg der Finanzausgleichsverhandlungen.
Wir wünschen uns außerdem eine Kostentragung bei den Ganztagsschulen durch den Bund und/oder die Länder, weil nicht einzusehen ist, dass diese Aufgabe vom Land jetzt ohne entsprechende Unterstützung zur Gänze an die Städte, an die Kommunen delegiert wird, wie es zumindest in Oberösterreich geschieht.“

Jugendbeteiligung als Modell für eine zukunftsorientierte Kommunalpolitik
Vizebürgermeister Richard Pfeiler, Villach

„Ich wurde gebeten, heute hier über ein konkretes Projekt zu berichten, das nunmehr in unserer Stadt, in Villach, zehn Jahre funktioniert, gut funktioniert, wir haben gute Erfahrungen damit gemacht, nämlich über Jugendbeteiligung aus der Sicht einer mittelgroßen österreichischen Stadt mit zirka 60.000 Einwohnern.
Ich möchte am Beginn meines kurzen Impulsreferates zu diesem Thema, welches auch schriftlich vorliegt, vielleicht noch drei Aspekte einbringen, vor deren Hintergrund Sie meine Ausführungen besser verstehen sollen.
Das eine ist einmal: Wenn wir heute die aktuellen Pressemeldungen, die Zeitungen genau studieren, dann können wir zum Beispiel im ‚Standard‘ lesen, dass man in Frankreich wieder Angst hat vor einem neuen Flächenbrand.
Nun ist das prinzipiell und grundsätzlich nicht vergleichbar mit den österreichischen Verhältnissen, aber trotzdem sollten wir tendenziell diese Sache genau beobachten, denn die Jugendunruhen in Frankreich haben ihre Ursache auch im Unvermögen von Kommunalpolitikern, die Jugend in ihrer Stadt, in ihrer Gemeinde zu integrieren. Negativstes Beispiel ist der Bürgermeister von Montvernier, der die Ansammlung von mehr als drei Jugendlichen in der Stadt verboten hat. Also hier kann es ja nur heißen: Integration, politische Teilhabe statt letztendlich die Jugend auszugrenzen und ins Out zu drängen. Hier, glaube ich, hat die Kommunalpolitik vor Ort eine große Verantwortung.
Damit meine Ausführungen nicht allzu illusionistisch klingen, möchte ich vorausschicken, dass mir sehr wohl bewusst ist, dass diese Form der politischen Teilhabe von Jugendlichen in einer Kommune, in einer Stadt ja nur ein Mosaikstein sein kann im gesamten kommunalen Bemühen um die Kinder und Jugendlichen einer Gemeinde, aber ein Mosaikstein, bei dem es sich – und davon sind wir in Villach überzeugt – lohnt, ihn anzugehen und auch umzusetzen.
Das Zweite, das heute schon mehrfach angesprochen wurde – auch das ist, glaube ich, am Beginn zu sagen: Mir ist bewusst, dass hier zusätzliche Aufgaben auf die Kommunen zukommen, die natürlich zum auch Teil finanzielle Belastungen mit sich bringen. Auch das ist sicherlich zu erwähnen, um mit dem Thema korrekt umzugehen, weil sich ja die Länder, vor allem aber meiner Meinung nach auch der Bund aus dieser Verantwortung sehr häufig verabschieden, obwohl die sozialen Ursachen, die gesellschaftlichen Ursachen von den Gemeinden sehr häufig nicht zu beeinflussen sind.
Trotzdem habe ich mich entschlossen, eine etwas anmaßende Überschrift zu nehmen, nämlich Jugendbeteiligung als Modell für eine zukunftsorientierte Kommunalpolitik. Die Ausgangslage ist ja allen, die mit offenen Augen durch die Gesellschaft gehen, bekannt. Es hat in den letzten Jahren eine radikale Veränderung der gesellschaftlichen Strukturen gegeben, und diese Veränderungen haben natürlich auch vor Familien, vor Jugend- und Kindererziehung nicht Halt gemacht, haben die Bedingungen für die Erziehung und Entwicklung junger Menschen deutlich schwieriger gemacht. Wir erleben, dass Beziehungslosigkeit, ‚No-future‘-Einstellungen, Perspektivenlosigkeit, vielfach der Wertezerfall einer konsumorientierten Welt Eltern und auch staatliche Erziehungseinrichtungen immer häufiger überfordern und zu steigendem Drogenmissbrauch, steigender Aggressionsbereitschaft, vermehrten sozialen Konflikten und schließlich auch zu Demokratie- und Politikverdrossenheit führen.
Es ist dies eine komplexe Problemstellung, der nur mit komplexen Programmen und einer komplexen Herangehensweise begegnet werden kann, und ich glaube, gerade die Kommunen sind hier gefordert, vor Ort gezielt Maßnahmen zu ergreifen, junge Menschen möglichst früh – und das ist, glaube ich, der entscheidende Punkt – in ein soziales Netz einzubinden und mit adäquaten Mitteln ihr Interesse an ihrer unmittelbaren Umgebung, ihrem Wohnviertel der Gemeinde und der Stadt zu wecken.
Vielleicht noch ganz kurz eine Rückschau, wie unser Projekt in Villach entstanden ist, das wir heuer bereits zehn Jahre erfolgreich ausführen. Um auf diese von mir bereits erwähnten dramatischen Veränderungen zu reagieren, hat der Villacher Bürgermeister Helmut Manzenreiter das Jahr 1996 zum ‚Jahr der Jugend‘ ausgerufen und damit diese Bevölkerungsgruppe, ihre Interessen und Anliegen für ein Jahr in den Mittelpunkt des kommunalen Geschehens gestellt.
Im Rahmen dieses Jahres haben die Jugendlichen – zwar moderiert, aber selbstbestimmt – ihre Rolle und ihre Bedürfnisse in der Stadt definiert und formuliert. Das Ergebnis war eine realistische Bestandsaufnahme und ein kommunales Jugendprogramm, das nachhaltig noch bis heute wirkt.
Dieses von der Jugend selbst geforderte, inzwischen realisierte Programm sah unter anderem die Schaffung eines Jugendbüros mit einem Jugendbeauftragten, die Einrichtung eines städtischen Jugendzentrums als Treffpunkt und Anlaufstelle für die jungen Menschen unserer Stadt, konkrete Förderungsmaßnahmen für die Jugendkultur in unserer Stadt, Integrationsprogramme und als einen wesentlichen Kernpunkt die Umsetzung eines Jugendmitbestimmungsmodells vor.
So kann Jugendbeteiligung erfolgreich funktionieren: Bei der Entwicklung einer Jugendbeteiligung war Grundvoraussetzung – und das wurde ja heute auch schon von Kollegin Laska angesprochen –, die Jugend als gleichberechtigten Partner zu akzeptieren und ihre demokratisch gewählten Vertreter mit Rechten und Pflichten statutengemäß an die Stadtpolitik anzubinden.
Die gewählten Jugendvertreter in Villach werden Jugendräte genannt. Die Wahlordnung ist ein Beschluss des Gemeinderates. Die Jugendräte haben nach dem Villacher Stadtrecht den Statuts von sachverständigen Personen und nehmen mit beratender Stimme an den Sitzungen des Gemeinderatsausschusses für Jugend, Kultur und Frauen teil. Die Jugendräte gelten als sachkundige Auskunftspersonen und werden im Bedarfsfalle oder über eigenen Wunsch zu Sitzungen des Gemeinderates zugezogen und haben dort ein Rederecht zu allen jugendrelevanten Fragen. – Das ist sozusagen der statutarische Hintergrund.
Inzwischen hat dieser Jugendrat ein wünschenswertes reges Eigenleben, eine Eigendynamik entfaltet. Der Jugendrat und seine Angebote für die Villacher Jugend firmieren unter der Dachmarke ‚Take free – Jugend in Villach‘. Innerhalb der zweijährigen Funktionsperiode gibt es ein sogenanntes Aktivitätenschema, welches eine kontinuierliche Kommunikation zwischen den Jugendräten untereinander, der offiziellen Politik und schließlich der Jugend der Stadt gewährleistet.
Dazu gehören im Wesentlichen eine Jugendforum-Wahlparty, wo sich die Kandidaten und Kandidatinnen für den Jugendrat präsentieren, und die nach der Wahl stattfindende Klausurtagung, bei der der Jugendrat sein Programm erstellt und abschließend der Stadtpolitik, also dem Bürgermeister, dem Jugendreferenten und letztlich dem Gemeinderat präsentiert.
Um den Kontakt zur Jugend zu halten, gibt es jährlich eine sogenannte ‚Part(y)cipation‘. Das Jugend-Online-Magazin ‚Wirr‘, eine wöchentlich stattfindende Sitzung des Jugendrates und unzählige Veranstaltungen nach den jeweiligen Bedürfnissen der Villacher Jugendrates bieten eine ständige Kommunikations- und Diskussionsplattform für die Jugend. Dazu gehört auch – und das ist, glaube ich, ein wesentlicher Punkt – ein alljährlich stattfindendes ‚Interkulturelles Straßenfest‘, bei dem wir die Migranten unserer Stadt einladen, sich dort auch kulturell zu präsentieren.
Das heißt, ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist es, die Jugend in der Tat ernst zu nehmen. Allein die bereits erwähnte ernsthafte Einbindung der Jugendräte in die Kommunalpolitik und das Bemühen um Kontinuität der Arbeit des Jugendrates garantieren, dass die Jugendbeteiligung in Villach nicht zur Alibiaktion verkommen ist.
Wesentlich ist es aber vor allem, dass die reiflich diskutierten, auf ihre Realisierungsreife überprüften Wünsche und Programme des Jugendrates auch tatsächlich verwirklicht werden. Im Laufe der letzten Jahre ist die Liste der umgesetzten Forderungen und Projekte der Jugendräte beachtlich
angewachsen. Dazu gehörte die Einrichtung von Band-Probenräumen, der Bau von Trendsportanlagen, die Schaffung der Villacher Jugendcard, einer Karte, die viele Vorteile und Vergünstigungen bietet, bis hin zu kleineren Anliegen wie die Errichtung von Zebrastreifen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit.
Der Jugendrat kann zum Zwecke der Realisierung von konkret vereinbarten Projekten auch auf die Fachleute des Rathauses, des Magistrats zurückgreifen, wenn er zum Beispiel zur Schaffung von Jugendtreffpunkten Bautechniker braucht.
Grundsätzlich ist anzumerken, dass dieser Weg der Jugendbeteiligung zwar ein lohnender, aber nicht immer ein einfacher ist und unbedingt von qualifizierten Jugendbetreuern und Jugendbetreuerinnen zu begleiten beziehungsweise zu lenken ist.
Der nächste große Effekt, den wir mit dieser Jugendbeteiligung erzielt haben, ist der pädagogische Ansatz. Durch die gruppendynamischen Erfahrungen allein innerhalb des Jugendrates lernen Jugendliche Verantwortung zu übernehmen, unterschiedliche Meinungen sachlich und objektiv zu beurteilen und tragfähige Kompromisse zu suchen beziehungsweise einzugehen. Darüber hinaus – und das ist, glaube ich, auch für die Jugend eine wichtige Erfahrung – müssen gruppenegoistische Anliegen erkannt werden, um den Schwierigkeiten des jugendpolitischen Alltages mit Beharrlichkeit und nicht mit Frustration zu begegnen. Wertvolle Erfahrungen also, die den Jugendrat zu etwas wie eine ‚Gehschule der Demokratie‘ gemacht haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe es bereits mehrmals erwähnt: Der Erfolg gibt diesem Modell, das natürlich auf die Villacher Verhältnisse zugeschnitten ist, Recht. Das bestätigen Studien, die wir erstellen haben lassen. 72% der Villacher Jugendlichen gaben an, sich in Villach wohl zu fühlen, 86% der im Jugendrat tätigen jungen Menschen gaben an, dass ihre Zeit im Jugendrat für sie persönlich und für ihre Persönlichkeitsbildung von hohem Nutzen war.
Im Übrigen – und das ist auch ein wesentlicher Punkt – kann festgestellt werden, dass es ein ungestörtes Gesprächsklima zwischen der Jugend der Stadt und den Stadtverantwortlichen gibt, dass man Konfliktpunkte, die es natürlich auch gibt, mit und in der Jugendszene, mit den Jugendräten und der offiziellen Stadtpolitik einvernehmlich bearbeitet und löst.
Bereits von mir angesprochen: Ich bin der festen Überzeugung, dass Zeit und Geld – es ist auch sehr viel Zeitaufwand erforderlich – in die Jugend zu investieren, auch eine Investition in die Zukunft ist. Ohne Aufwand gibt es keinen Erfolg. Unsere Jugendräte sind über den Jugendreferenten der Stadt und den Bürgermeister an die offizielle Stadtpolitik angebunden. Der Jugendreferent – das ist meine Funktion – nimmt über Wunsch der Jugendräte sporadisch an Sitzungen des Jugendrates, an der Ergebnispräsentation von Klausurtagungen, an Veranstaltungen des Jugendrates teil. Das Jugendforum, die ‚Part(y)cipation‘ und allfällige ‚Live-Chats‘ sind die Plattform, über die der Bürgermeister direkt mit den Jugendlichen der Stadt intensiv in Kontakt tritt.
Ich darf abschließend sagen, dass es sich lohnt, dass sich der Zeitaufwand, aber auch der finanzielle Aufwand lohnen. Für unsere Verhältnisse ist der finanzielle Aufwand kein geringer Betrag. Insgesamt ist das Jugendreferat, das Jugendbüro in diesen zehn Jahren auf ein Budget von 400.000 Euro angewachsen. Unmittelbar für die Arbeit des Jugendrates werden dem Jugendrat jährlich 5.000 Euro zur Verfügung gestellt; das ist aber ohne die einzelnen Projekte, die dann natürlich gesondert budgetiert werden.
Vielleicht noch ein paar statistische Daten: Die Funktionsperiode des Jugendrates beträgt zwei Jahre; das ist altersspezifisch bedingt. Der Jugendrat besteht aus 17 Mitgliedern. Das aktive und das passive Wahlrecht ist von 14 bis 19 Jahren. Bei den alle zwei Jahre stattfindenden Wahlen gibt es Wahllokale in allen Schulen der Stadt und im Jugendzentrum. Ein Erfolgsparameter: Die Wahlbeteiligung ist von 1997 mit 270 Jugendlichen auf 980 im Jahr 2005 angestiegen. Ein weiteres Positivum ist, dass in zehn Jahren 77 Jugendliche in den Jugendräten tätig waren.
Ich darf zum Schluss noch sagen: Es geht darum – wie von mir erwähnt –, dass die Jugend ernst genommen wird und dass man ihr auch einen Erfolg gönnt. Wir haben viele, viele Projekte über Wunsch des Jugendrates umgesetzt. Der Jugendrat hat sich das selbst erarbeitet.
Ich darf ein Beispiel aus einem Projekt erwähnen. Der Villacher Jugendrat hat sich ein spezifisches Taxi vorgestellt. Die Stadt Villach hat die Mittel bereitgestellt. Sämtliche Verhandlungen und die Vertragsabschlüsse wurden von den Jugendlichen selbst vorbereitet. Sie sehen hier zwei stolze Villacher Jugendräte, wie sie aus der ‚Kleinen Zeitung‘ lachen, um mitzuteilen, dass sie einen politischen Erfolg zu verbuchen haben.“

Erziehungskompetenz der Eltern stärken
Mag. Renate Balic-Benzing, Wien

„Der Gesetzgeber verpflichtet den Jugendwohlfahrtsträger dazu, Schwangeren und jungen Eltern Informationen, Beratung und Hilfestellung in Form von sozialen Diensten anzubieten. Es handelt sich dabei in jedem Fall um Angebote, die von den Familien angenommen werden können, aber nicht müssen. Unser Ehrgeiz besteht darin, die Informationen möglichst früh zu geben und die Angebote möglichst gezielt zu setzen und diese Angebote so attraktiv zu gestalten, dass sie möglichst viele annehmen.
Unter Berücksichtigung dieser Informationspflicht und des Verhältnismäßigkeitsgebotes des Jugendwohlfahrtsgesetzes, das heißt auch unter Wahrung des Rechtes der Familie auf ein ungestörtes Privat- und Familienleben, haben wir nach Mitteln und Wegen gesucht, wie wir diese Angebote gut positionieren können. Wir bedienen uns dabei verschiedenster Methoden, einerseits persönliche Kontaktgespräche und andererseits auch einer Vielzahl von Informationen und Broschüren, die wir persönlich übergeben oder auch mit bestimmten Geschenken an die Zielgruppe bringen.
Unser erster Schritt führt uns zusammen mit dem Gesundheitsamt dazu, dass das Wiener Gesundheitsamt jedem Mutter-Kind-Pass einen Folder beipackt, der die Schwangeren darüber informiert, dass die MAG ELF besondere Angebote hat und dass man sich möglichst rasch, das heißt ab der zweiten Untersuchung, ab der 16. Schwangerschaftswoche, für das Wiener Geschenk an alle Neugeborenen anmelden kann, das Wiener Wäschepaket, das ja – wie manche von Ihnen vielleicht wissen – schon eine sehr lange Tradition hat und auf eine Initiative von Stadtrat Julius Tandler zurückgeht, der seinerzeit in einer großen Notzeit jedem Wiener Kind eine Windel und Säuglingsausstattung garantiert hat. Diese Tradition führen wir fort mit einem großzügigen Angebot an Kinderbekleidung und verschiedenen Utensilien. Wir geben diese Utensilien in einem Wiener Wickelrucksack weiter, der mittlerweile schon ein Markenzeichen ist. Wir transportieren mit diesem Wickelrucksack auch verschiedenste Informationen.
Die Anmeldung für diesen Wickelrucksack ist an zwei Stellen möglich. Einerseits haben wir Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, die in den Geburtsspitälern sozusagen einen Vorposten von uns besetzen. Rund um die Routine in den geburtshilflichen Ambulanzen bieten wir die ersten Gespräche an, und es haben im Jahr 2005 zirka 11.700 Frauen von diesem Angebot Gebrauch gemacht und die Wartezeit für die Anmeldung für den Wickelrucksack und das Wäschepaket beziehungsweise für ein Erstgespräch genutzt.
Es gibt aber auch die Möglichkeit, diese Anmeldung in einem unserer neun Eltern-Kind-Zentren durchzuführen. Diese Eltern-Kind-Zentren sind wochentags ganztägig geöffnet. Zirka 5.000 Frauen haben die Möglichkeit genutzt, sich gleich im Eltern-Kind-Zentrum für diesen Wickelrucksack anzumelden. Wir informieren anlässlich dieses Gesprächs über die Angebote der Eltern-Kind-Zentren, und wir nutzen erstmals die Chance, mit der Schwangeren ihre psychosoziale Situation zu besprechen, um dort, wo es notwendig und gewünscht ist, bedarfsgerechte ziel- und lösungsorientierte Ressourcen zu eröffnen und auf verschiedenste Beratungsangebote und Hilfestellungen, die die Stadt im Rahmen des Wiener Jugendamtes, aber natürlich auch in anderen Einrichtungen bietet, hinzuweisen.
Seit einiger Zeit, konkret seit zwei Jahren, händigen wir anlässlich dieses Gesprächs auch einen speziellen Folder aus. Dieser Folder mit dem Slogan ‚… eigentlich sollte ich glücklich sein …‘ nimmt Bezug auf das Phänomen der sogenannten postportalen Depression. Das ist eine Erkrankung oder eine psychische Beeinträchtigung, die zirka 10 bis 15% der Frauen nach der Geburt erleiden. Es ist erwiesen – und wir haben das auch in einem großen Pilotprojekt im Jahr 2003 flächendeckend gewissermaßen abgetestet –, dass diese postportale Depression nicht nur und ausschließlich hormonelle Gründe hat, sondern oft auch eine Reaktion auf Partnerprobleme, auf wirtschaftliche und finanzielle Sorgen ist und an eine spezielle Entwicklung in der eigenen Kindheit andockt.
Es gibt bei diesem Erstgespräch seit einiger Zeit auch die Wiener Dokumentenmappe. Ich glaube, das ist ein Produkt, das in mehreren Bundesländern in ähnlicher Form bereitgestellt wird. Auch diese Dokumentenmappe nützen wir, um verschiedene Informationen zu geben, um verschiedene Behördenwege zu erklären und den jungen Eltern nahezubringen. Nach diesem Muster hat unter anderem auch die MA 20, das ist die Magistratsabteilung, die für die Erteilung der Niederlassungsbewilligungen zuständig ist, eine eigene Willkommensmappe für Migrantinnen und Migranten konzipiert, in der wir auch in entsprechenden muttersprachlichen Erläuterungen die verschiedensten Verweise auf Behördenwege, auf Anmeldungen rund um die Geburt geben: Wie komme ich zum Meldezettel? Wie komme ich zur Familienbeihilfe? Wie und wann mache ich mich auf den Weg, um mich für einen Krippenplatz oder einen Kindergartenplatz anzumelden? All diese Informationen tauschen wir in der Stadt auch mit den verschiedenen Abteilungen aus und nehmen so untereinander auf unsere Angebote Bezug.
In der letzten Phase der Schwangerschaft versuchen wir, die Frauen, aber auch ihre Partner in unsere Elternrunden zu bekommen, und wir haben in den Eltern-Kind-Zentren verschiedene Angebote. Man kann jederzeit einsteigen, es wird auch am Abend angeboten, um auch den berufstätigen Vätern die Möglichkeit zur Teilnahme zu bieten. Im Rahmen dieser Gespräche wird zum Teil Wissen vermittelt, etwa von Hebammen, von KinderpsychologInnen, unter anderem auch von Konsumentenschützern, die die Familien auf die besonderen Fallen rund um die Geburt und die Anschaffungen und die möglichen Verschuldungen hinweisen. Es gibt aber auch den Frauen und den Paaren die Möglichkeit, sich untereinander auszutauschen und über ihre Befindlichkeiten und über ihre Sorgen zu sprechen.
Wenn das Baby dann glücklich angekommen ist, gibt es in der Entbindungsstation, wieder von unseren Sozialarbeiterinnen durchgeführt, dann die Überreichung dieses Wäschepakets. Dieses Wäschepaket wird gemeinsam mit einem Glückwunschschreiben unseres Bürgermeisters überreicht. Auch hier gibt es wieder die Möglichkeit zu einem Gespräch. Manches, was man sich vorher in irgendeiner Weise zurechtgelegt hat, ist dann vielleicht in der konkreten Situation ein bisschen anders, und da können wir dann rasch Hilfestellungen anbieten. Wenn es zum Beispiel eine Geburt mit Komplikationen war oder auch wenn es Betreuungsüberforderungen gibt, kann die Sozialarbeiterin dann etwa die in Zusammenarbeit mit der Caritas bereitgestellte Familienhilfe zum Einsatz bringen.
In dieser Situation findet sozusagen erstmals die offizielle Information des Jugendwohlfahrtsträgers über die Geburt eines Kindes statt. Hätten wir also diese dargestellten Möglichkeiten vorweg nicht, würden wir als Jugendwohlfahrtsträger erst jetzt von der Geburt eines Kindes erfahren, und zwar passiert dies in Form dieser Meldung einer Geburt, die die Hebamme schon direkt im Kreißsaal ausfüllen muss. Ein Durchschlag dieses Papiers ergeht an das Standesamt. Dort wird alles vorbereitet, um die Registrierung des Kindes im Geburtenbuch vorzusehen, aber ein Durchschlag geht eben auch an den Jugendwohlfahrtsträger, an das Jugendamt. Das ist für uns wieder eine Gelegenheit, mit einem Glückwunschschreiben an die Eltern heranzutreten und die nun folgenden Angebote noch einmal in Erinnerung zu bringen.
Das umfangreichste und beliebteste Angebot, das wir hier haben, sind unsere 34 Elternberatungsstellen. Da liegt der Schwerpunkt auf der gesundheitlichen und körperlichen Entwicklung des Kindes. Es sind hier KinderärztInnen, KinderpflegerInnen, SozialpädagogInnen und SozialarbeiterInnen tätig, und an den Standorten, wo wir viele Kundinnen mit Migrationshintergrund haben, kommen in diesen Elternberatungsstellen auch regelmäßig ÜbersetzerInnen zum Einsatz.
Im Jahr 2005 haben wir an zirka 2.500 Beratungstagen 37.700 Beratungen durchgeführt. Wir wissen aus unseren Statistiken, dass unsere Elternberatungsstellen im Durchschnitt zehnmal besucht werden. Das gibt uns die Möglichkeit, in einen kontinuierlichen Austausch mit den Eltern, mit den Müttern zu treten, um auch allfällige Entwicklungsverzögerungen oder Problematiken zu besprechen, zu begleiten und gegebenenfalls auch zu intervenieren.
Ein besonders schönes und geradezu gestürmtes Angebot sind unsere neun Eltern-Kind-Zentren, die, wie gesagt, ganztägig den Eltern zur Verfügung stehen. Es sind einerseits Fachleute vor Ort – SozialarbeiterInnen, SozialpädagogInnen, PsychologInnen –, die auf Fragen reagieren. Wir haben aber immer wieder auch Gruppenangebote. Diese werden auch deswegen gerne genutzt, weil wir eine sehr große und zunehmend größere Anzahl von Einzelkindern haben. Es ist dies für Kinder bis zum zweiten oder dritten Lebensjahr, bis zum Eintritt in den Kindergarten, immer wieder die Möglichkeit, sich mit anderen Kindern in einer sozialen Situation zu bewähren, sich auch durchzusetzen.
Wir bieten in Einzelfällen auch Hausbesuche von SozialpädagogInnen und SozialarbeiterInnen an.
Ein besonderes Augenmerk legen wir auf die Betreuung von minderjährigen Schwangeren und minderjährigen Müttern. Dazu verpflichtet uns auch das Gesetz in ganz besonderer Weise, weil ja der Jugendwohlfahrtsträger vom Gesetz her die Obsorge für die Kinder minderjähriger Mütter innehat.
Ein in letzter Zeit auch aufgrund der neuen technischen Entwicklungen entstandenes Angebot ist die Videointeraktionanalyse. Hier filmen KinderpsychologInnen Eltern in bestimmten Situationen mit ihren Kindern – in Spielsituationen, manchmal aber auch in Konfliktsituationen – und werten dann zusammen mit den Eltern das Gesehene aus. Das ist eine sehr anschauliche Art der Korrektur von Erziehungsverhalten. In – ich möchte sagen – pervertierter Form haben wir das in diesen ‚Supernanny‘-Beiträgen gesehen, aber das ist eine Form, die ausschließlich nur zwischen Psychologin, Mutter und dem Kind stattfindet und natürlich nicht einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.
In den letzten Jahren haben wir dankenswerterweise eine besondere Initiative gehabt, unsere Standorte auszustatten. Wir haben Renovierungen durchgeführt, wir haben auch neue Standorte dazubekommen. Das macht ein sehr freundliches Bild und hat sicher

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