Know-how-Transfer Wels–Tiflis

Know-how-Transfer Wels–Tiflis

Der Aufbau funktionierender kommunaler Einrichtungen und demokratischer Verwaltungsstrukturen in den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion ist für die westlichen Länder ein besonderes Anliegen. Auf Initiative der Stadt Wels und mit Unterstützung des Städtebundes wurde das Projekt „Kommunaler Know-how-Transfer Wels–Tiflis“ gestartet. Zuletzt fanden in der georgischen Hauptstadt sehr erfolgreiche Workshops zu wichtigen Themenbereichen statt.

 

Wels unterstützt Tiflis mit Know-how-Transfer
Seit der Unabhängigkeit im Jahr 1991 kämpft Georgien mit den Folgen des Bürgerkrieges und der Auseinandersetzungen in den Regionen Abchasien und Südossetien, die das Land nahezu ruinierten. In der Amtszeit des ersten Präsidenten Schewardnadse verschärften sich die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Probleme des Landes.
Unter dem Druck der „Samtenen Revolution“ des georgischen Volkes trat Schewardnadse zurück und Michail Saakaschwili wurde bei den Präsidentenwahlen 2004 mit 96% der Stimmen zum Präsidenten gewählt. Mit Präsident Eduard Saakaschwili trat eine stärkere Zuwendung nach Westen und zur Europäischen Union ein und wurde damit der Dialog auch zwischen den kommunalen Einrichtungen möglich oder zumindest leichter. Aus den mittlerweile vielfältigen Kontakten zwischen Georgien und Österreich ist eine spezielle Kooperation zwischen der Hauptstadt Tiflis und Wels entstanden. Im Sinne der neuen Politik der Annäherung an das westliche Europa hat im Sommer letzten Jahres eine Welser Delegation unter der Leitung von Vizebürgermeister Hermann Wimmer und Vizebürgermeister Dr. Bernhard Ploier-Niederschick Tiflis besucht und mit der lokalen politischen Führung erste Initiativen zur Entwicklung und Förderung der gegenseitigen Beziehungen vereinbart.

Deklaration über die Zusammenarbeit Tiflis–Wels
Eine „Deklaration der Zusammenarbeit“ enthält als einen ersten Schritt die Absicht, den Know-how-Austausch im Bereich der kommunalen Verwaltung zwischen beiden Städten zu forcieren und zu fördern. Die Entsendung von österreichischen Lektoren und Experten aus der Welser Stadtverwaltung, die für Führungskräfte der Tifliser Stadtverwaltung und anderer staatlicher Organisationen auf die dringendsten Bedürfnisse abgestimmt Seminare und Workshops abhalten, soll die weitere Entwicklung des öffentlichen Lebens und der öffentlichen Verwaltung in Georgien unterstützen.
In Tiflis leben rund 25% der Einwohner Georgiens, also rund 1,4 Millionen, wobei 60% Georgier sind und etwa 40% anderen Volksgruppen angehören. Das Stadtoberhaupt von Tiflis ist Bürgermeister Gigi Ugulawa, sein Stellvertreter ist der Premier, dem die Stadtverwaltung mit rund 1.700 MitarbeiterInnen in 40 verschiedenen Abteilungen unterstellt ist. Bürgermeister und Premier werden derzeit vom georgischen Präsidenten ernannt, ab 2006 sollen sie vom Stadtrat gewählt werden. Der Stadtrat wird von Bürgern gewählt, hat 49 Mitglieder, tritt alle drei Monate zusammen und kontrolliert Bürgermeister und Premier.
Tiflis wird in zehn Stadtbezirken verwaltet. Jede Bezirksverwaltung wird von einem Bezirkspremier geleitet, der vom Staatspräsidenten berufen wird. Als politische Probleme gelten das überlastete Straßensystem, die illegale Errichtung von Gebäuden, die wirtschaftliche Entwicklung und die Erarbeitung von gesetzlichen Standards in Verwaltung und Justiz.

Themen des Know-how-Transfers
Das Justizausbildungszentrum Georgiens hat in Zusammenarbeit mit den Vertretern der Stadt Wels ein Trainings- und Schulungsprogramm erstellt, das vor allem auf die beschriebene Situation in Tiflis Bezug nimmt. Im November letzten Jahres wurden vier dreitägige Workshops zu den Themen Öffentliche Ordnung, Öffentlicher Personennahverkehr, Städtetourismus und Wirtschaftliches Denken und Handeln in der Verwaltung abgehalten. Jeder der 4 Workshops wurde von 2 österreichischen Experten vorbereitet, durchgeführt und von einem Dolmetscher begleitet. Die österreichische Delegation wurde von mir geleitet.
Im Workshop „Öffentliche Ordnung“, begleitet vom Welser Feuerwehrkommandanten Ing. Franz Humer und vom Baudirektor der Stadt Wels, Herrn Dipl.-Ing. Karl Pany, wurde am Welser Beispiel die österreichische Zusammenarbeit der Einsatzorganisationen demonstriert, über den Katastrophenschutz in Österreich referiert und das Welser System der Parkraumbewirtschaftung vorgestellt, wobei das Parkraumbewirtschaftungsmodell für die Teilnehmer von besonderem Interesse war.
Der Workshop „Öffentlicher Personennahverkehr“, geleitet von Friedrich Schultes vom Welser Linienverkehr und Rudolf Stögermüller, Leiter der Dienststelle Verkehrsrecht des Welser Magistrates, befasste sich mit den rechtlichen, wirtschaftlichen und politischen Grundlagen bzw. Voraussetzungen für einen funktionierenden öffentlichen Verkehr. Im Mittelpunkt dieses Workshops standen die technische Machbarkeit und die logistische Abwicklung des Busverkehrs und dessen wirtschaftlicher Nutzen. Auf besonderes Interesse stießen die dafür notwendigen Investitionen in die Infrastruktur.
Die Möglichkeiten und Chancen des Städtetourismus waren wesentliches Thema des dritten Workshops, in dem Dr. Karl Schweiger, Welser Magistratsdirektor, und Peter Jungreithmair, Direktor der Stadtmarketing Wels GmbH, gemeinsam mit den Workshopteilnehmern Modellansätze für einen Städtetourismus in Tiflis erarbeiteten, der über den geschäftlichen Tourismus hinausgeht.
Der vierte Workshop hatte das Ziel, wirtschaftliches Denken und Handeln der Verwaltung in Österreich zu präsentieren und anhand von Rollenspielen wirtschaftliches Planen, Analysieren, Entscheiden und die Möglichkeiten der Kontrolle der erzielten Ergebnisse zu lernen und zu üben. Unter der Leitung von Mag. Herbert Schlair vom Justizausbildungszentrum Georgien und Dr. Ulrich Törek, Leiter der Welser Magistratsdirektion, konnten die Lehrgangsteilnehmer unternehmerisches Denken und Handeln üben und die Grundzüge der österreichischen Verwaltung kennen lernen.

Städtebundförderung des kommunalen Know-how-Transfers Wels–Tiflis
Das Know-how-Transfer-Center des Österreichischen Städtebundes hat dieses Projekt im Sinne der Förderung der Beziehungen zwischen den Reformländern und Österreich durch einen wesentlichen Beitrag finanziell unterstützt und so einen Teil der entstandenen Kosten bestritten. Der Erfolg dieses Projektes wird durch das beiderseitige Bekenntnis, die Zusammenarbeit fortsetzen zu wollen, dokumentiert. Die weiteren Schritte wurden mit Vertretern der Tifliser Politik erst kürzlich in Wels vereinbart und auf spezielle Interessen und Bedürfnisse der georgischen Partner ausgerichtet. Dazu zählen beispielsweise Hotelmanagement in mittleren und kleinen Hotels, Aufbau und Management von Tourismusorganisationen sowie Personalentwicklung in der öffentlichen Verwaltung.

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