Die EU-Politik aus der Sicht der Bevölkerung und der BürgermeisterInnen

Die EU-Politik aus der Sicht der Bevölkerung und der BürgermeisterInnen

Die folgenden Daten basieren auf einer bundesweit repräsentativen Bevölkerungsbefragung von 1.000 Personen und auf einer Befragung von 64 BürgermeisterInnen (Städtebund-Mitglieder). Die Erhebungen erfolgten im April und Mai 2006.

 

Was hat die EU gebracht? – Welches Europa ist erwünscht?
Bei der Frage, ob die EU-Mitgliedschaft in Summe eher positive oder eher negative Auswirkungen für unser Land gebracht hat, scheiden sich die Geister. 44% meinen, dass die positiven Effekte für Österreich überwiegen; für rund ebenso viele (43%) stehen eher die Nachteile im Vordergrund.
Bemerkenswert ist, dass die Auswirkungen der EU-Einbindung auf die eigene Gemeinde zumindest per Saldo deutlich positiver gesehen werden. 42% der Befragten gehen davon aus, dass der eigenen Gemeinde daraus Vorteile erwachsen, während nur 23% nachteilige Effekte vermuten. Eher positive Effekte infolge der EU-Mitgliedschaft nimmt man in sämtlichen Gemeindegrößen und Bundesländern an. In überdurchschnittlichem Maße ist dies in Wien der Fall (Vorteile: 50%; Nachteile: 24%).
Diese Frage zur Europäischen Union wurde bereits im Vorjahr gestellt. Gegenüber damals hat sich an den Einstellungsmustern zwar nicht allzu viel verändert, doch zeichnet sich die folgende leicht gegenläufige Tendenz ab: Die Gruppe derer, die Vorteile für Österreich sehen, hat sich innerhalb des letzten Jahres etwas verringert, während jene, die für die eigene Gemeinde positive Effekte wahrnehmen, leicht zugelegt haben.
Die Bevölkerung macht sich auch ein sehr klares Bild darüber, in welchen Bereichen das gemeinsame Europa bisher erfolgreich war und in welchen nicht. Ganz überwiegend positiv wird nicht nur die Friedenssicherung in Europa gesehen (68%), sondern auch die Absicherung der Währungsstabilität (64%) und die Förderung schwächerer Regionen (62%). Darüber hinaus hat man den Eindruck, dass Europa als internationale Wirtschaftsmacht erfolgreich ist (56%).
Nach wie vor große Defizite sieht man hingegen im Arbeitsmarktbereich („nicht erfolgreich“: 64%) und hinsichtlich der sozialen Absicherung der Menschen (60%). Eine deutliche Mehrheit meint auch, dass es im gemeinsamen Europa nicht gelungen ist, mehr soziale Gerechtigkeit zu schaffen (62%). Eher unzufrieden ist man weiters im Bereich der Umweltpolitik: 53% der Befragten haben das Gefühl, dass hier seitens der EU zu wenig gemacht wird.
Auch zu diesen Einstellungswerten gibt es Vergleichsergebnisse aus einer Städtebund-Studie des Vorjahres. Insgesamt gesehen zeichnen sich dabei aber nur marginale Einstellungsveränderungen ab.
Vor dem Hintergrund dieser durchaus kritischen Beurteilung der europäischen Erfolgsbilanz wünscht sich nach wie vor eine breite Mehrheit der Bevölkerung, dass sich die Staatengemeinschaft mehr in Richtung eines „sozialen Europas mit einer stärkeren staatlichen Absicherung und mehr staatlichen Regelungsmöglichkeiten im Wirtschaftsbereich“ hin entwickeln möge. 68% der Befragten votieren für diesen Weg, während rund ein Viertel der Befragten eher für „ein Europa der freien Marktwirtschaft mit weiteren Liberalisierungen und einem weiteren Abbau staatlicher Regelungen“ ist. Dieser nach wie vor breite Konsens zugunsten einer Entwicklung Europas hin zu mehr sozialer Sicherheit und staatlichen Regelungsmöglichkeiten bildet sich in allen statistisch relevanten Bevölkerungssegmenten ab.

Schlechtes Zeugnis für die EU-Politik aus kommunaler Sicht!
Wirklich positiv wird die EU-Politik von den BürgermeisterInnen nur im Bereich der Friedenssicherung in Europa gesehen (Durchschnittsnote: 2,0).
Die derzeitige Unterstützung von EU-Städtepartnerschaften und die Regionalförderung wird mit schon eher mittelmäßigen Noten bedacht (2,5 bzw. 2,7) – in diesen beiden Bereichen sieht man also durchaus noch Verbesserungsbedarf.
Die BürgermeisterInnen haben jedenfalls den Eindruck, das die EU-Politik primär den Interessen der privaten Wirtschaft nützt. Die kommunale Interessenwahrnehmung komme dabei viel zu kurz. Die vergebene Durchschnittsnote von 3,3 ist ganz entschieden im negativen Bereich. Dementsprechend kritisch wird die EU-Politik auch hinsichtlich der Dienstleistungsliberalisierung quittiert.
Ähnlich wie die Bevölkerung schätzen auch die Gemeindevertreter die politischen Prioritäten der Europäischen Union ein. Am vergleichsweise besten wird die allgemeine Wirtschaftspolitik beurteilt (Mittelwert: 2,5). Schon deutlich mehr Vorbehalte gibt es bei der europäischen Umweltpolitik (2,9). Noch größere Defizite sieht man bei der Sozialpolitik der EU (3,1) und insbesondere bei der Beschäftigungspolitik, die von vielen als völlig unzureichend eingeschätzt wird (3,5; knapp die Hälfte der Befragten gab hier die Noten 4 oder 5).
Sehr unzufrieden sind die meisten BürgermeisterInnen auch mit den EU-Richtlinien im Bereich des öffentlichen Beschaffungswesens, hinsichtlich des zunehmenden Verwaltungsaufwandes der Gemeinden und auch in Bezug auf den derzeitigen EU-Verfassungsentwurf. In allen diesen Bereichen liegen die Durchschnittsnoten im klar negativen Skalenbereich (3,2 bis 3,5).
Resümierend kann man also sagen, dass die EU mit ihrer bisherigen, die Kommunen tangierenden Politik die Verantwortlichen in den Gemeinden alles andere als überzeugt hat. In ihrer überaus kritischen Haltung sind sich da auch die BürgermeisterInnen der kleineren und größeren Städte weitgehend einig.

Fehlende Abbildungen finden Sie in der ÖGZ 08/2006!

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