Das „Registerzählungsgesetz 2006“ und seine Konsequenzen für die Städte

Das „Registerzählungsgesetz 2006“ und seine Konsequenzen für die Städte

Die Registerzählung 2010 stellt für die Städte und Gemeinden eine Herausforderung neuer Art dar. Der Schwerpunkt des zu erbringenden Aufwandes verlagert sich vom Stichtag weg zu Aufbau und Wartung der lokalen ZMR- und Adress-/GWR-Daten. Angesichts ungelöster Probleme u. a. bei nichtgemeldeten Wegzügen in das Ausland, mit Türnummern und fehlerhaften Datenaltbeständen ist mit einer erheblichen Fehlerquote bei der Zusammenführung der für die Zählung benötigten Register zum Stichtag 31. Oktober 2010 zu rechnen.

 

Der neue Durchführungsmodus
Das Registerzählungsgesetz („Bundesgesetz über die Durchführung von Volks-, Arbeitsstätten-, Gebäude- und Wohnungszählungen und das Bundesgesetz, mit dem das Postgesetz 1997, das Meldegesetz 1991 und das Bildungsdokumentationsgesetz geändert werden“, BGBl. I Nr. 33/ 2006), wurde am 1. März 2006 beschlossen und am 16. März 2006 kundgemacht. Es trat rückwirkend mit 1. Jänner 2006 in Kraft. Mit diesem Gesetz wurde die Grundlage für eine Registerzählung unter Heranziehung von vorhandenen Verwaltungs- und Registerdaten anstelle der bisher üblichen Befragung sämtlicher Bürgerinnen und Bürger mittels Fragebogen geschaffen. Die Zählung wird von der Bundesanstalt Statistik Austria „an der Wende eines jeden Jahrzehnts“ durchgeführt, erstmals zum Stichtag 31. Oktober 2010. Im Gesetz festgeschrieben und geregelt ist auch die Durchführung einer einmaligen Probezählung mit einer begleitenden Stichprobenerhebung durch Befragung. Für diese zuletzt genannten Erhebungen gilt der 31. Oktober 2006 als Stichtag.
Für die Zählung 2010 und alle folgenden Zählungen gilt, dass neben der registerbezogenen Erhebung ergänzend eine personenbezogene Voll- oder Teilerhebung der Umgangssprache (auch nur in Teilen des Bundesgebiets) sowie eine nicht personenbezogene Erhebung des Religionsbekenntnisses von der zuständigen Bundesministerin/dem zuständigen Bundesminister angeordnet werden kann.
Das BGBl. I Nr. 33/2006 beinhaltet u. a. auch folgende Änderungen bestehender Gesetze: Die Änderung des Postgesetzes regelt die eindeutige Zuordnung der Brieffächer zu jeweils einer Türnummer im Gebäude. Das Meldegesetz wird dahingehend geändert, dass nun bei der Anmeldung an einem neuen Wohnsitz auch der Familienstand anzugeben ist. Das Bildungsdokumentationsgesetz wurde um die Aufnahme von Nostrifizierungen in das Bildungsstandsregister erweitert.
Der Wunsch, künftig keine Großzählungen traditioneller Art durchzuführen, wurde auf politischer Ebene schon im Vorfeld der Zählung 2001 artikuliert. Eine Erhebung mithilfe von Erhebungsbögen, die von Zählorganen direkt an die betroffenen Einwohnerinnen und Einwohner, Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer, Hausverwaltungen sowie Unternehmen ausgeteilt und eingesammelt werden, wurde als anachronistisch empfunden. Das Fehlen der für eine alternative Registerzählung notwendigen Register führte jedoch dazu, dass im Jahr 2001 noch einmal die herkömmliche Zählmethode angewandt wurde. Der Ministerrat beschloss jedoch am 27. Juni 2000, die Großzählung 2001 letztmals als Zählung herkömmlicher Art durchführen zu lassen und in der Folge Volkszählungen in Form von Registerzählungen abzuwickeln.

Zusammenführung von Daten
Die Durchführung einer Registerzählung beruht auf der Zusammenführung von Daten aus „Basisregistern“ und dem ergänzenden Abgleich mit statistischen Merkmalen aus anderen, explizit definierten Registern. Im Fall von Dateninkonsistenzen sowie bei dem Verdacht, dass sich eine Person mit aufrechter Meldung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält, sieht das Gesetz eine Kontaktaufnahme und letztlich eine „Befragung“ der betroffenen Person durch die Statistik Austria vor.
Die Basisdaten zur Volks-, Arbeitsstätten-, Gebäude- und Wohnungszählung werden unter Verwendung sogenannter bereichsspezifischer Personenkennzeichen (bPKs) aus folgenden Datenquellen erhoben: Verwaltungsdaten der Meldebehörden (Melderegister), der Sozialversicherungsträger, der Krankenfürsorgeanstalten der Länder und Gemeinden, der Kammern der freien Berufe und des Arbeitsmarktservice Österreich; ebenso aus der Schul- und Hochschulstatistik, dem Bildungsstandregister, dem Steuerregister, dem Unternehmensregister und dem Gebäude- und Wohnungsregister (GWR).
Zur Qualitätssicherung der Basisdaten wird für statistische Merkmale, die bei der Zählung erhoben werden, ein Vergleich mit den jeweils anderen in Frage kommenden Basisregistern sowie weiteren Registern vorgenommen. Diese Register sind: Zentrale Zulassungsevidenz, Familienbeihilfenregister, Zentrales Fremdenregister, Personaldaten der Dienstbehörden und der die Dienstgeberfunktion wahrnehmenden Verwaltungsstellen des Bundes und der Länder, Verwaltungsdaten der Sozialhilfeträger der Länder sowie des Bundesministeriums für Landesverteidigung und des Bundesministeriums für Inneres.

Entlastende Faktoren für die Städte
Aus Sicht der Städte lassen sich im Vergleich zu den vorangegangenen Erhebungen bei der geplanten Durchführung der Registerzählung 2010 entlastende und – was häufig von Vertretern des Bundes ignoriert wird – belastende Faktoren benennen.

Als Entlastungen sind anzuführen:
- keine „ZählerInnenbetreuung und -bezahlung“ mehr (der Ersatz durch den Bund war bekanntlich bei weitem nicht kostendeckend),
- keine „BürgerInnenbetreuung“ mehr.

Diesen Entlastungen stehen jedoch Belastungen gegenüber:
- Aufbau und Führung des lokalen Melde-, Adress-, Gebäude- und Wohnungsregisters
- Eventuell: Zusatzerhebungen (Umgangssprache, Religionsbekenntnis)

Die entlastenden Faktoren beziehen sich ausschließlich auf den Zeitraum rund um den Zählungsstichtag. Es lässt sich in erster Linie festhalten, dass der persönliche Kontakt mit den Bürgerinnen und Bürgern weder beim Zählungsvorgang an sich noch bei Nacherhebungen oder bei Beschwerden über Zählungsorgane anfallen wird. Entfallen wird auch die ZählerInnenorganisation und ZählerInnenentschädigung, da keine Zählorgane im Auftrag der Städte für die Erhebung tätig sein werden. Diese Entlastung wird allerdings durch die Bestimmung im § 1 Zi 3 des Registerzählungsgesetzes relativiert, die die Anordnung einer personenbezogenen Zusatzerhebung zum Thema „Umgangssprache“ durch den/die zuständigen Bundesminister/in erlaubt. In einem solchen Fall wäre eine traditionelle Erhebung der Umgangssprache mit Zählungsbögen durchzuführen, wobei das Gesetz ungeklärt lässt, wie in einem solchen Fall die anfallenden Kosten den Städten und Gemeinden abzugelten wären.

Neue Belastungen für Städte
Trotz dieser Entlastungen ist mit einer Belastung der zuständigen registerführenden Ämter in den Städten im letzten Quartal des Jahres 2010 und in den ersten drei Quartalen des Jahres 2011 zu rechnen. Diese Belastung bezieht sich vor allem auf die im Gesetz vorgesehenen „qualitätssichernden Maßnahmen“. Im Gegensatz zu den traditionellen Zählungen besitzt die Statistik Austria bei der Aufarbeitung der Daten aus den Basisregistern verschlüsselte Personendatensätze ohne Namen der Betroffenen. Zur Qualitätssicherung ist sie verpflichtet, diese Datensätze mit Vergleichsdaten aus anderen Registern zu vergleichen. Bei Unvollständigkeit oder Widersprüchlichkeit der Daten hat sie mit den Inhabern der Verwaltungsdaten Kontakt aufzunehmen und allenfalls betroffene Personen zu befragen. Dazu benötigt die Statistik Austria allerdings Name und Adresse der betroffenen Personen aus dem Zentralen Melderegister (ZMR). Zu diesem Zweck hat sie die bPK der fraglichen Personen an das ZMR zu übermitteln. Dort werden die bPK entschlüsselt und Namen und Adressen der entsprechenden Personen an die Statistik Austria übermittelt. Dafür sieht das Gesetz eine Antwortzeit von maximal zwei Wochen vor. Bei Ungereimtheiten kann es zu Rückfragen seitens des Ministeriums bei der lokalen ZMR-Einheit kommen. Das wird aller Wahrscheinlichkeit bei Personen, deren Aufenthalt im Bundesgebiet überhaupt fraglich ist, häufiger der Fall sein. Abgesehen von diesen Rückfragen bei den lokalen Meldebehörden ist eine Einbeziehung der betroffenen Gemeinde in das darauffolgende Verfahren, das jeweils zu einer Anerkennung oder Streichung der Person führt, im Gesetz nicht explizit vorgesehen. Die Statistik Austria hat bei Unklarheiten die Person zu kontaktieren, d. h. wohl in erster Linie anzuschreiben. Festgehalten wird im Gesetz lediglich, dass Personen, die in einer bestimmten Gemeinde mit Hauptwohnsitz gemeldet sind, im Fall der Zählung in einer anderen Gemeinde oder deren Nichtzählung für jeden einzelnen Fall einer Begründung bedürfen, die der betroffenen Gemeinde seitens Statistik Austria mitgeteilt werden muss. Die Sachlage lässt allerdings ein Mitwirken der Städte als sinnvoll und notwendig erscheinen, da gerade bei Personen mit unklarem Aufenthalt (z. B.: Wohnungslose, nicht berufstätige ausländische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, Personen, die aufgrund von gesetzlichen Zahlungsverpflichtungen an einer behördlichen Unkenntnis ihres Aufenthaltsortes Interesse haben u. Ä. m.) der Wissensstand lokaler Behörden von zentraler Bedeutung sein kann. Das konkrete Vorgehen wird jedenfalls in einer geplanten Arbeitsgruppe, die von der Statistik Austria eingerichtet wird, zu klären sein.

Hauptwohnsitzfeststellung
Das bei den vorangegangenen Zählungen mit großem Aufwand betriebene Reklamationsverfahren soll es bei der Registerzählung 2010 nicht mehr geben. Dazu dienen die Bestimmungen des § 7 des Gesetzes. Demnach sind Personen, die vor dem Stichtag ihren Hauptwohnsitz verlegen und diesen nach dem Stichtag in ihre frühere Hauptsitzgemeinde zurückverlegen, in der früheren Gemeinde zu zählen, wenn sie den Hauptwohnsitz nicht zumindest 180 Tage (bei Zuzügen aus dem Inland) bzw. 90 Tage (bei Zuzügen aus dem Ausland) in der Stichtagsgemeinde hatten. Städte und Gemeinden sind also bei anstehenden Reklamationsfällen im Sinn des Meldegesetzes auf eigene Aktivitäten in den kommenden Jahren – grob gesprochen vor dem Jahr 2010 – verwiesen.
Ohne Zweifel steckt jedoch der größte Aufwand für Städte und Gemeinden im Aufbau und in der Führung des lokalen Melde-, Adress- und Gebäude-/Wohnungsregisters. Am schwierigsten erscheint vor allem die Situation beim GWR.
Zum einen sind die Nachbefüllung der das GWR betreffenden Wohnbauten, die nach dem 31. Dezember 2003 errichtet wurden – bis dahin wurden die Daten aus den Ergebnissen der Gebäude- und Wohnungszählung 2001 und der herkömmlichen Wohnbaustatistik in die Applikation eingespielt –, zu nennen und die Nacherhebung der Nichtwohngebäude, die nach dem 15. Mai 2001 errichtet wurden. Eine bedeutende Erleichterung für die Nacherhebungen könnten elektronisch eingespielte Daten darstellen. Dazu ist allerdings eine Adaptierung der XML-Schnittstelle der Adress-GWR-Online-Applikation der Statistik Austria notwendig. Diese Schnittstelle entspricht derzeit nicht den Standards, die in vielen Städten (z. B. Klagenfurt, Salzburg, Wien) Verwendung finden.

Türnummernproblematik
Zum anderen und vor allem aber erweist sich die Datenqualität im Datenaltbestand als teilweise äußerst fragwürdig. Die Angaben aus der Gebäude- und Wohnungszählung 2001 stammen zum Teil von den Hausverwaltungen oder aus Ersatzausfüllungen und besitzen des Öfteren nicht die erforderliche Qualität. Dies trifft auch auf jene Fälle zu, bei denen landesgesetzliche Gebäudedefinitionen nicht jenen des GWR-Gesetzes (BGBl. I Nr. 9/2004) bzw. der Gebäude- und Wohnungszählung 2001 entsprechen. Ein Problem stellen auch uneindeutige Adressen (… Straße 31–33, 31, 33 usw.) und falsche Geokodierungen dar. Schließlich erweisen sich die Türnummern als gravierendes, bis heute nicht gelöstes Problem. Das Adress-GWR-Online verlangt die Eingabe von Türnummern, Topnummern, einer automatischen Laufnummer oder einer Lagebeschreibung. Die Vergabe dieser Nummern ist derzeit lediglich in den Bauordnungen des Burgenlandes und Wiens geregelt. Zudem ist bei der Eingabe von neuen Bauvorhaben in das Adress-GWR-Online zum Zeitpunkt des Baubeginns nicht gewährleistet, dass die Wohnungsnummerierung laut Bauplan auch die Realität nach Bauende korrekt abbildet, da im Zuge des Baufortschritts sehr häufig die Baupläne geändert werden. Eine Korrektur dieser Angaben ist zwar nach Bauende möglich, aber für den Meldevorgang im Zentralen Melderegister zu spät, da sich Personen schon häufig noch während der Bauphase anmelden wollen und die Bauendmeldung zumeist auch noch verspätet erfolgt.

Die Proberegisterzählung 2006
Bereits recht nahe gerückt ist die Proberegisterzählung. Wie bei einer echten Registerzählung werden zunächst die Basisregister zusammengeführt. In weiterer Folge werden zur Qualitätssicherung Daten aus anderen Registern dazugespielt und ein Abgleich vorgenommen. Schließlich dient der Beurteilung der Datenqualität auch eine Parallelerhebung, in der österreichweit etwa 10.000 Haushalte bzw. 25.000 Personen wie bei traditionellen Großzählungen befragt werden. Die Auswahl erfolgt in Form einer flächendeckenden Klumpenstichprobe. Das heißt, es werden von der Statistik Austria 100 Erhebungszonen mit jeweils rund 100 Haushalten für die Stichprobe ausgewählt.
Die Parallelerhebung wird zwar ausschließlich von Zählorganen der Statistik Austria durchgeführt, im Gefolge der Vor-Ort-Erhebungen kann es jedoch zu Anfragen der Statistik Austria beim ZMR und via ZMR bei den lokalen Meldebehörden kommen. Diese betreffen allerdings nur die in die Stichprobe einbezogenen Adressen.
Unklar ist derzeit noch, ob und in welchem Ausmaß die Statistik Austria das Procedere der Registerzählung bei der Probezählung bis zum letzten Schritt durchspielt. In erster Linie gilt das für die Behandlung von Personen mit uneindeutigen Daten und unklarem Aufenthalt. Nach dem heutigen Wissensstand ist jedoch davon auszugehen, dass zumindest für einen kleineren Teil der Fälle bei uneindeutigen Registerdaten bPKs von Statistik Austria an das ZMR übermittelt werden und dieses in der Folge – nach Entschlüsselung der Personencodes – Name und Adresse der Betroffenen an Statistik Austria zu übermitteln haben. Inwieweit die daran anschließenden Recherchen der Statistik Austria bei den betroffenen Personen gehen werden, ist offen.

Fazit
Die Entscheidung, in Zukunft Großzählungen (Volkszählungen) nur noch in Form von Registerzählungen durchzuführen, wurde im Wesentlichen mit der damit verbundenen Entlastung der Bürgerinnen und Bürger und Kostenersparnissen begründet. Hinsichtlich der Kosten geht die Statistik Austria von etwa einem Zehntel der Kosten einer traditionellen Zählung aus. In dieser Rechnung unberücksichtigt bleiben jedoch die erheblichen Kosten, die den Städten und Gemeinden für den Aufbau und die Führung lokaler Register entstehen. Dabei erweisen sich vor allem die Bereinigungen des Altdatenbestandes als sehr aufwendig. Ebenso zu rechnen ist mit einem Aufwand seitens der registerführenden kommunalen Stellen im Rahmen qualitätssichernder Maßnahmen bei der Durchführung der Registerzählung. Erste Aufschlüsse über die Dimension dieser Belastungen sind aus der Durchführung der Proberegisterzählung 2006 zu erwarten.

Städtebund-Linktipp:
www.statistik.wien.at

OEGZ

ÖGZ Download