Das Wiener „Städtische Energieeffizienz-Programm“

Das Wiener „Städtische Energieeffizienz-Programm“

SEP steht für „Städtisches Energieeffizienz-Programm“ und soll bis 2015 in Wien den prognostizierten Anstieg des Energieverbrauchs von 12 auf 7% senken. Nachdem im Wiener Magistrat beim Energiesparen bereits eine Vielzahl an Erfolgen verbucht werden konnten, wurde mit SEP nun das erste umfassende Energieeffizienzprogramm gestartet, unter dessen Mantel mehr als hundert Energieeffizienz- und Energiesparmaßnahmen koordiniert werden.

 

Energiesparen in Wien
Das Städtische Energieeffizienz-Programm (SEP) ist ein Meilenstein in der Energiepolitik der Stadt Wien. Eine intelligente nachhaltige Energiepolitik ist Umweltschutzpolitik, Wirtschafts-, Innovations- und Sozialpolitik gleichzeitig. Sie bietet große Chancen, die notwendigen Maßnahmen zum Schutz des Klimas mit neuen technologischen und wirtschaftlichen Aktivitäten und neuen, zukunftsorientierten Arbeitsplätzen zusammenzubringen. Die Ziele des Kyoto-Protokolls und die Lissabon-Strategie, Europa bis 2010 „zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten, innovativsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu machen“, ergänzen sich. Mit einer effizienteren Nutzung der Energie wird Wien insbesondere bei steigenden Energiepreisen wettbewerbsfähiger. Davon profitieren alle, denn Energieeinsparung ist immer auch Kosteneinsparung!
Die Herausforderung besteht nun darin, dem Trend des unaufhaltsam weiter steigenden Energieverbrauchs Einhalt zu gebieten, ohne dabei Einbußen in der Lebensqualität hinzunehmen. Einerseits kann dies durch eine Verbesserung der Endenergieeffizienz erreicht werden, andererseits durch eine Veränderung des Verhaltens der Energiekonsumenten.
„Energieeffizienz-technische Maßnahmen“ und „verhaltensbeeinflussende Maßnahmen“ bilden den Kern des Programms. „Energieeffizienz-technische“ Maßnahmen umfassen solche, bei denen – wie der Name schon sagt – durch technische Verbesserungen Energieeffizienzsteigerungen erzielt werden, die dazu beitragen, dass für einen gewissen Servicebedarf weniger Energieinput aufgebracht werden muss.

Energie-Input senken
Wenn aber der Servicebedarf zunimmt – zum Beispiel durch eine vermehrte Inanspruchnahme eines Services oder durch Hinzukommen von neuen Services –, führt das im Allgemeinen dazu, dass der Energiebedarf trotz energieeffizienz-technischer Maßnahmen steigt.
Beim Servicebedarf setzten nun die „verhaltensbeeinflussenden“ Maßnahmen an. Dabei wird versucht, auf das Verhalten gewisser Nutzergruppen so einzuwirken, dass Anreize für ein energiesparendes Verhalten geschaffen werden. Nur wenn beide Maßnahmenbereiche gemeinsam erfasst werden, können Energiesparpotenziale optimal ausgeschöpft werden.

Sektorenspezifische Entwicklung
Die Maßnahmen des SEP wurden für die Sektoren Haushalte, private Dienstleistungen, öffentliche Dienstleistungen, Industrie und produzierendes Gewerbe spezifisch entwickelt. Landwirtschaft ist ein kleiner unbedeutender Teil in dem Ganzen. Der energietechnisch wichtige Bereich Verkehr wird in diesem Programm nur gestreift, steht doch mit dem Masterplan Verkehr der Stadt Wien bereits ein umfangreiches Instrumentarium zur Verfügung.
Diese Struktur bringt es mit sich, dass in den einzelnen Sektoren durchaus gleichlautende Maßnahmen behandelt werden können, die sich jedoch in der Umsetzung und den Zuständigkeiten je nach Sektor deutlich voneinander unterscheiden. So ist zum Beispiel die Forcierung der energetischen Sanierung von Gebäuden in zahlreichen Sektoren ein wichtiges Thema, deren Umsetzung aber in jedem Sektor einer anderen Strategie und Ausrichtung bedarf (Abbildung 1).
Für Energieeffizienz sprechen folgende Faktoren:

- Wirtschaftlichkeit: z. B. geringere Energiebezugskosten, Wertsteigerung für Realitäten, langfristiger Wettbewerbsvorteil aufgrund von bestehendem Know-how – Wien in Vorreiterrolle
- Ökologie: z. B. geringerer Ressourcenverbrauch, Klimarelevanz, Luftgüte
- Werbewirksamkeit: z. B. Umweltmusterstadt Wien
- Soziale Gerechtigkeit: Durch Energieeffizienz wird ein Beitrag geleistet, damit alle Gruppen Zugang zu den Energiedienstleistungen behalten.

Analyse
Im Zuge der Erarbeitung des SEP wurde eine Analyse der Energiesituation in Wien durchgeführt und Einsparpotenziale erhoben. Im Jahr 2003 betrug der energetische Endverbrauch 135.040 TJ (37.511 GWh). Betrachtet man die Energieträger einzeln, so entfällt der Hauptanteil mit mehr als einem Drittel auf Öl (38%), gefolgt von Gas mit 23% und elektrischer Energie mit 22%. Fernwärme trägt mit 15% zur Endenergieversorgung bei. In Summe stieg der energetische Endverbrauch von 1993 bis zum Jahr 2003 auf 135.040 TJ (37.511 GWh) an. Dies entspricht einem Anstieg von 24%. Während Kohle in der letzten Dekade fast zur Gänze eliminiert wurde, verzeichnen alle anderen Energieträger in dieser Periode einen kontinuierlichen Zuwachs. Prozentuell ergab sich bei den erneuerbaren Energieträgern der stärkste Anstieg. Allerdings sind die erneuerbaren Energieträger mengenmäßig (noch) wenig bedeutend. Der energetische Endverbrauch teilt sich auf die einzelnen Sektoren wie folgt auf:
- 34% private Haushalte mit 46.436 TJ
- 31% Verkehr mit 41.495 TJ
- 24% öffentliche und private Dienstleistungen mit 32.068 TJ
- 12% produzierender Bereich und Landwirtschaft mit 15.040 TJ

Hinsichtlich der mengenmäßigen Verbrauchszuwächse seit dem Jahr 1993 zeigt sich, dass der Bedarf in allen Bereichen gestiegen ist. Dominant sind die Sektoren Verkehr mit +34% und private Haushalte mit +28% (vgl. Abbildung 2). Mit 17% ist die Steigerungsrate bei den öffentlichen und privaten Dienstleistungen auch noch beträchtlich.

Prognose
Um den Effekt bzw. die Auswirkungen verschiedener Maßnahmen auf den Energieverbrauch bis 2015 abschätzen zu können, wurden ein „business-as-usual“ (BAU-) Szenario und ein SPAR-Szenario erstellt. Dazu wurde von der Technischen Universität Wien ein Modell entwickelt, welches für jedes Jahr bis 2015 den Energieverbrauch in Abhängigkeit von technischen und ökonomischen Parametern abbildet. Für das BAU-Szenario wurde angenommen, dass bis 2015 keine zusätzlichen energiepolitischen Maßnahmen realisiert werden. Somit ergibt sich für den untersuchten Zeitraum von 2003 bis 2015 ein Anstieg des Endenergieverbrauchs von +12% gesamt (ca. 1% pro Jahr). Der höchste Zuwachs wird im Bereich Verkehr erzielt, dieser ist jedoch nicht Gegenstand dieses Konzeptes, sondern wird im Masterplan Verkehr separat behandelt. Der Gesamtverbrauch der privaten Haushalte steigt von 2003 bis 2015 um +3%. Davon werden im Jahr 2015 ca. 83% der Endenergie für Raumheizung, Warmwasser und Kochen verbraucht.
Der Sektor der privaten Dienstleistungen verzeichnet mit +21% von 2003 bis 2015 nach dem Verkehr den höchsten Verbrauchszuwachs. In allen Sektoren fällt auf, dass der Anwendungsbereich Raumwärme von besonderer Relevanz ist; hier steigt der Verbrauch von 2003 bis 2015 um +3%.
Durch die im Maßnahmenkatalog beschriebenen Verbesserungen wird der Endenergieverbrauchszuwachs von +12% im BAU-Szenario auf +7% im SPAR-Szenario reduziert. Dies entspricht einer jährlichen Einsparung von 640 TJ (180 GWh) gegenüber dem BAU-Szenario für den Zeitraum 2003 bis 2015 (Abbildung 3).

Höchstes Einsparpotenzial im Privathaushalt
Das höchste Einsparpotenzial ist beim Sektor private Haushalte gegeben. Der Gesamtverbrauch sinkt um –6% von 2003 bis 2015 (im BAU-Szenario steigt der Verbrauch im gleichen Zeitraum um +3%). Im Bereich Raumwärme können durch die geplanten Verbesserungen jährlich 300 TJ (82 GWh) eingespart werden.
Für den Sektor private Dienstleistungen sind mit 200 TJ (55 GWh) mengenmäßig die zweithöchsten Einsparungen vorgesehen. Auch bei den privaten Dienstleistungen liegt das Hauptaugenmerk der Einsparungen bei der Raumwärme. Hier betragen die Einsparungen über 50% der Gesamteinsparungen dieses Sektors.
Der Verbrauchsrückgang bei den öffentlichen Dienstleistungen wird von –2% im BAU-Szenario noch auf –11% im SPAR-Szenario erhöht. Beim produzierenden Bereich wird der Verbrauchsrückgang von –6% im BAU-Szenario auf –12% im SPAR-Szenario verdoppelt.
Im Querschnittsbereich Raumwärme kann durch gezielte Maßnahmen die Zunahme von +3% im BAU-Szenario auf –7% für den Zeitraum 2003 bis 2015 reduziert werden. Dies entspricht einer jährlichen Einsparung von 450 TJ (126 GWh) gegenüber dem BAU-Szenario. Das bedeutet, dass im Bereich der Raumwärme mehr als zwei Drittel der geplanten Einsparungen möglich sind (Abbildung 4).

Effizienzsteigerung der Heizsysteme
Mithilfe eines systemanalytischen Optimierungsmodells wurden verschiedene mögliche Entwicklungen des Wiener Haushaltssektors vertiefend untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass zur Erzielung einer jährlichen Mehreinsparung in der Größenordnung von 320 TJ (88 GWh) Anstrengungen in allen Bereichen sinnvoll sind. Die Sanierung von Bestandsgebäuden wird auf jeden Fall eine große Rolle spielen. Wesentlich ist hier, welcher Teil des vorhandenen technisch-wirtschaftlichen Potenzials auch tatsächlich umgesetzt werden kann. Effizienzsteigerungen im Bereich des Neubaus sind sinnvoll und können die Einsparungen im Bestand unterstützen, das absolute Potenzial des Bestandes ist jedoch deutlich höher. In allen Fällen kommt auch der Effizienzsteigerung der Heizungssysteme eine wesentliche Bedeutung zu. Einsparungen im Bereich von Beleuchtung und Standmotoren sind in vielen Fällen sehr wirtschaftlich, hier sollten verstärkte Anstrengungen unternommen werden, um den Haushalten Wiens die Ausnutzung dieses technisch-wirtschaftlichen Potenzials nahezubringen.

Maßnahmen
Für die Erreichung der im Sparszenario besprochenen Effekte wird im SEP ein umfassendes Maßnahmenbündel zur Verfügung gestellt, das unter der Leitung von Edgar Hauer in einem breit angelegten, kooperativen Prozess erarbeitet wurde, in den alle politischen Parteien des Gemeinderates und die relevanten Abteilungen des Magistrats eingebunden waren.
Neben den wichtigen energiewirksamen Maßnahmen für Haushalte, private Dienstleistungsunternehmen und die Industrie beinhaltet das SEP Maßnahmen, die die Stadt Wien als öffentliches Dienstleistungsunternehmen selbst betreffen. Energiemanagement wird für die Objekte der Stadt Wien zukünftig eine große Rolle spielen. Durch den Aufbau einer Energiebuchhaltung werden die Veränderungen in den Verbräuchen transparent gemacht.
Die Sektoren Haushalte, öffentliche und private Dienstleistungen sowie Industrie und produzierendes Gewerbe liefern die größten Beiträge zur Steigerung der Energieeffizienz. Weitere Sektoren sind die Landwirtschaft und der Verkehr, wobei bei letzterem in Bezug auf Maßnahmen und Instrumente insbesondere auf den Masterplan Verkehr verwiesen wird.
Zur Effizienzsteigerung ist der Einsatz besonderer Technologien notwendig. Etwa bei der Neuerrichtung oder Sanierung von Gebäuden, wobei das Augenmerk stets auf der Minimierung der volkswirtschaftlichen Gesamtkosten des Systems liegt. Das Verhalten der Energiekonsumenten kann durch Bewusstseinsbildung positiv beeinflusst werden. Sowohl beim Kauf als auch bei der Nutzung von Geräten können Veränderungen im Energiekonsumentenverhalten große Effekte nach sich ziehen. Das SEP der Stadt Wien hat beide Strategien zur Grundlage: die Erhöhung der Endenergieeffizienz und die Aufklärung der Verbraucher.

Gezielte Förderpolitik
Maßnahmen hinsichtlich der energetischen Verbesserung der Gebäudegüte beim Neubau und hinsichtlich der Steigerung der Sanierungsqualität sind in allen Sektoren von zentraler Bedeutung. Dabei ist sicherzustellen, dass die Bauvorschriften kontinuierlich dem aktuellen Stand der Technik angepasst werden. Der Umsetzung der EU-Gebäuderichtlinie kommt eine wichtige Rolle zu, da darin entscheidende Impulse für die Steigerung der Energieeffizienz im Gebäudebereich gesetzt werden müssen. Von zentraler Bedeutung ist es, die Anzahl der Sanierungen weiter zu steigern; mit der THEWOSAN-Förderschiene für die thermisch-energetische Wohnhaussanierung hat die Stadt Wien ein sehr erfolgreiches Instrument ins Leben gerufen, wobei es in einem nächsten Schritt notwendig ist, eine Ausweitung und weitere Verbreitung der THEWOSAN-Förderschiene voranzutreiben.

Genaue Energiedatenerfassung
Ein weiterer Schwerpunkt liegt bei der Effizienzsteigerung in der Heiz- und Kühltechnik sowie bei der Steigerung der Marktdurchdringung von energieeffizienten Anwendungen, sowohl Heizsystemen als auch elektrischen Geräten.
Durch Energiemanagement im privaten und öffentlichen Dienstleistungsbereich soll eine Grundlage gebildet werden, um gezielte Einsparmaßnahmen entwickeln zu können. Dazu braucht es auf jeden Fall eine genaue Energiedatenerfassung bzw. exakte Energiebuchhaltung, um den Energieverbrauch besonders im öffentlichen Bereich transparent zu machen.
Ein weiterer sektorenübergreifender Schwerpunkt zielt darauf ab, die Energiekonsumenten aufzuklären, Energie schonend einzusetzen.
Interessenten können das Städtische Energieeffizienz-Programm der Stadt Wien aus dem Internet downloaden oder in gedruckter Form bei Jasmin Rentenberger, MA 27, Tel.: +43(0)1/4000-27007, beziehen.

Fehlende Abbildungen finden Sie in der ÖGZ 09/06!

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