„Maßgeschneiderter“ Winterdienst spart Streumittel, schont die Umwelt

„Maßgeschneiderter“ Winterdienst spart Streumittel, schont die Umwelt

Der nächste Winter kommt bestimmt – und die Wirtschaftsbetriebe der Stadt Graz gehen alternative Wege, um der Schneemengen Herr zu werden. Mit dem Pilotprojekt „Differenzierter Winterdienst mit Nullstreuung“ wird ab dem kommenden Winter bereits auf rund einem Drittel der Grazer Straßen kein Splitt mehr gestreut werden!

 

Die gesetzliche Festlegung von „Grenzwerten“ für Tagesmittelwerte und Jahresbelastung durch Feinstaub (PM10) im Jahr 2001 löste in vielen österreichischen Kommunen, auch in Graz, intensive Diskussionen über die Feinstaubbelastung der Bürgerinnen und Bürger aus. Im Mittelpunkt des Meinungsaustausches stand speziell die Frage nach dem Woher der Belastung – und es wurden auch sofort einige „Schuldige” gefunden. Als ein Hauptverursacher der Grenzwertüberschreitungen wurde unter anderem der Fahrzeugverkehr festgemacht: Nicht nur wegen der direkten Belastung durch die Abgase, sondern auch wegen der Sekundärbelastung durch Hochwirbelung von Schmutz und (Fein-)Staub.
Wie die Praxis der letzten Jahre zeigt, treten die PM10-Grenzwertüberschreitungen primär in den Wintermonaten auf. Daher lag die Vermutung nahe, dass insbesondere eine wichtige Maßnahme für die Sicherheit der Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer, nämlich der Winterdienst mit Streusplitt, ein beträchtliches „Aufwirbelungspotenzial” darstellt.
Zwar liegen bis dato noch keine wissenschaftlich untermauerten Ergebnisse über die tatsächliche Rolle der Streumittel vor, und auch im Herbst in Graz gemessene Grenzwertüberschreitungen – also zu einer Zeit, in der noch keine Streumittel ausgebracht wurden – relativieren die Rolle des Winterdienstes im „Fall PM10”. Allerdings sagt die Logik: Nicht ausgebrachte Streumittel können vom Autoverkehr auch nicht feinst zermahlen und aufgewirbelt werden. Weniger Splitt bedeutet also eine Reduzierung des Aufwirbelungspotenzials und der Feinstaubbelastung. Somit scheint es eine durchaus lohnende Maßnahme zu sein, aufmahlende durch härtere Streumittel zu ersetzen und die gesamt ausgebrachte Menge möglichst zu minimieren.

Differenzierter Winterdienst mit Nullstreuung
Die Wirtschaftsbetriebe der Stadt Graz arbeiteten auf Basis dieser Überlegungen ein Konzept aus, wie in der Murmetropole die Feinstaubbelastung durch Streusplitt verringert werden kann. Die Grazer Antwort auf PM10 heißt – unter anderem – „Differenzierter Winterdienst mit Nullstreuung”; das Maßnahmenpaket wurde im Oktober 2005 vom Gemeinderat einstimmig beschlossen. Das Konzept sieht drei Stufen des Winterdienstes vor:

- Stufe 1
Untergeordnetes Verkehrsnetz, Strecken mit starker Steigung (Bergstraßen), verkehrsberuhigte Zonen, Gehwege, Parkwege und Gehsteige: Auf diesen Verkehrsflächen kommt – wie schon auch bisher – auch weiterhin ausschließlich Basaltsplitt zum Einsatz.

- Stufe 2
Untergeordnetes Verkehrsnetz für Fließverkehr (also Gemeindestraßen ohne Steigung und neuralgische Punkte, keine Unfallhäufigkeitsstellen): Verstärkter Einsatz der Räumung. Nach Maßgabe der Möglichkeiten Schwarzräumung, Nullstreuung, wenn erforderlich ergänzender Einsatz von Feuchtsalz.

- Stufe 3
Hauptverkehrsstraßen, Straßen mit öffentlichen Verkehrsmitteln, Radwege: ausschließlicher Einsatz von Feuchtsalz.

Streumittel minimieren, Umstellen auf Feuchtsalz
Folgende wesentliche Ziele werden mit dem „Differenzierten Winterdienst“ verfolgt:

- Generelle Reduktion der Ausbringung von Streumitteln auf ein Minimum durch technische und organisatorische Maßnahmen.

- Umstellung der Streuung von Splitt auf Feuchtsalz, wo es sinnvoll ist. Dadurch kommt es zu wesentlichen Verbesserungen für Logistik und Verkehrssicherheit.

- Umsetzung einer „Nullstreuung” bei gleichzeitig verstärkter Räumung (Schwarzräumung) in einem Testgebiet.

Nullstreuung – geht das?
Eines vorweg: Wirklich null Gramm, das heißt den gesamten Winter überhaupt kein Streumittel einzusetzen, ist im Sinne der Verkehrssicherheit sehr bedenklich und nicht realisierbar. Sehr wohl ist es aber möglich, durch wesentlich verstärktes Pflügen und den ergänzenden Einsatz minimaler Mengen an Feuchtsalz eine drastische Reduktion der Streumittelmengen zu erreichen – ein Pilotprojekt des „Differenzierten Winterdienstes” im Süden von Graz hat dies klar gezeigt.
Von der betroffenen Bevölkerung ist das Projekt übrigens sehr zustimmend zur Kenntnis genommen worden. Erfreulich ist auch, dass das Kuratorium für Verkehrssicherheit keine Steigerung der Unfallhäufigkeit feststellen konnte.
Schwierigkeiten gab es allerdings mit der sogenannten Anrainerverpflichtung nach § 93 StVO (siehe Infokasten unten). Da bisher immer große Mengen Splitt ausgebracht wurden, erledigten die Wirtschaftsbetriebe die Anrainerverpflichtung automatisch mit. Jetzt wurden viele Liegenschaftseigentümerinnen und Liegenschaftseigentürmer erst durch eine detaillierte Bürgerinnen- und Bürgerinformation über das Pilotprojekt auf ihre Verpflichtung aufmerksam gemacht.

Reduziertes Einkehren
Die Minimierung der ausgebrachten Splittmenge bringt einen weiteren Vorteil: Auf die traditionelle „Frühjahrseinkehr“ vor Ostern kann weitgehend verzichtet, sondern die Straßen können – entsprechende Temperaturen vorausgesetzt – sofort „gewaschen“ werden. Dadurch steigt das subjektive Sauberkeitsgefühl der Bürger und Bürgerinnen wesentlich.

Ausdehnung der Projekte
Basierend auf den 2005/06 gesammelten Erfahrungen wird die neue Winterdienststrategie der Stadt Graz schrittweise auf das gesamte Stadtgebiet ausgedehnt. Zu diesem mehrjährigen Projekt laufen parallel Begleitmaßnahmen wie

- Investitionen in neue Streuaufsätze und Fahrzeuge,
- Schulungen von Fahrern,
- neue Routenplanungen,
- Schaffung von Lagerkapazitäten,
- Einsatz von GPS und Optimierungssoftware.

Insbesondere in der angespannten finanziellen Situation der Stadt Graz stellt dies für die Wirtschaftsbetriebe der Stadt Graz einen erheblichen Kraftakt dar. Die Ergebnisse des Projekts sind jedenfalls äußerst ermutigend: Die Qualität der Straßenräumung wird verbessert (dank leistungsfähigerer Streutechnik), der Fahrzeugeinsatz und auch der „Kontrollaufwand” kann mittelfristig reduziert werden, da die Fahrbahnen schneller „auftrocknen“. Und nicht zuletzt steigt auch die Zufriedenheit der Bürger und Bürgerinnen. Inwieweit sich diese neue Form des Winterdienstes positiv auf die Feinstaubbelastung auswirkt, wird die Zukunft zeigen.

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