Die Umsetzung der Elektroaltgeräte-Richtlinie aus Perspektive der Gemeinden

Die Umsetzung der Elektroaltgeräte-Richtlinie aus Perspektive der Gemeinden

Die Richtlinie 2002/96/EG über Elektro- und Elektronikaltgeräte verpflichtet die Mitgliedstaaten, spätestens bis zum 31. Dezember 2006 eine Sammelquote von durchschnittlich mindestens 4 kg jährlich bei Elektro- und Elektronikaltgeräten zu erreichen. In den EU-Mitgliedstaaten bestehen große Unterschiede in der Umsetzung. Im internationalen Vergleich schneiden Österreichs Kommunen sehr gut ab, dennoch sehen die Städte noch Verbesserungsbedarf.

 

Kommunales Know-how
Städte und Gemeinden verfügen über Know-how und Erfahrung im Sammeln, Sortieren und Entsorgen von Hausmüll. Daher vertrauen die Regierungen und Herstellerfirmen in vielen Mitgliedstaaten in der Gestaltung bzw. Umsetzung entsprechender nationaler Rechtsvorschriften auf dieses Know-how. Das hat insgesamt zu Bestimmungen und Sammelsystemen geführt, die sich für Städte und Gemeinden als durchaus günstig erweisen. Dennoch verlässt sich die Industrie gelegentlich zu sehr auf die kommunale Ebene: Wenn erkannt wird, dass der Aufbau von Rücknahmesystemen kostenintensiv ist, wird diese Aufgabe einfach den Gemeinden überlassen. Handelt es sich dabei um Teil eines Vertrags oder Übereinkommens, kann dies auch funktionieren. Sind das Sammelsystem und die jeweiligen Pflichten und Verantwortlichkeiten (auch finanzieller Natur) jedoch nicht klar im nationalen Rechtssystem definiert, werden Kosten, die nach der Richtlinie eigentlich von den Herstellern getragen werden sollten, den Gemeinden aufgebürdet.
Wie schaut nun die Situation im Bereich der Elektroaltgeräte in Europa ein Jahr nach Inkrafttreten der Elektrogeräteverordnung in Österreich aus? Wie läuft das Gerätesammeln in anderen EU-Ländern?

Organisation der Sammeltätigkeit
In jenen Mitgliedstaaten, in denen die Übernahme bzw. Umsetzung der Richtlinie verzögert erfolgt (z. B. in Großbritannien) oder das nationale Rechtssystem die unterschiedlichen (auch finanziellen) Verantwortlichkeiten für die Sammeltätigkeit nicht klar definiert, behindert ein Teufelskreis die Einführung des Systems. Die Kommunen sind natürlich nicht willens, getrennte Sammelsysteme für Elektro- und Elektronikaltgeräte aufzubauen, wenn sie sich der Finanzierung durch die Hersteller nicht sicher sein können und umgekehrt.

Beispiel Deutschland
In Deutschland müssen Hersteller den Abfallwirtschaftsbehörden Container für Elektro- und Elektronikaltgeräte an den Sammelstellen zur Verfügung stellen und diese Container rechtzeitig abholen, sobald eine gewisse Quote von Altgeräten erreicht wurde. Die Abfallwirtschaftsbehörden sind weiters für die Sammlung von Elektroaltgeräten aus Privathaushalten verantwortlich. Das Sammelverfahren liegt weitgehend im Ermessen der Kommunen, die jedenfalls sicherstellen müssen, dass die Rückgabe von Elektroaltgeräten für Privathaushalte kostenfrei erfolgt. Die Anzahl der eingerichteten Sammelstellen sowie die Verbindung mit Sammelsystemen soll auf der Bevölkerungsdichte, weiteren lokalen Bedingungen und dem abfallwirtschaftlichen Ziel größtmöglicher Sammelquoten fußen. Kleinere Gemeinden können etwa gemeinsame Sammelstellen einrichten. Städte und Gemeinden können die Sammelkosten durch Abfallgebühren refinanzieren und bewahren außerdem die Elektroaltgeräte, in fünf Produktgruppen (Container) aufgeteilt, bis zur Abholung durch die Hersteller auf. Auch können die Gemeinden die Entsorgung und Behandlung von Elektroaltgeräten selbst organisieren oder Dritte damit beauftragen.
Dennoch berichten deutsche Städte und Landkreise, dass sich bei der tatsächlichen Umsetzung nach nationalem Recht größere Probleme ergeben könnten, da für etliche Ortschaften noch keine offizielle Sammelstelle eingerichtet wurde. Aber auch dort, wo solche Sammelstellen geschaffen wurden, sind Schwierigkeiten zu erwarten. Die logistischen Herausforderungen sind in der Tat massiv: Es wird mindestens 1.400 Sammelstellen mit jeweils wenigstens 5 Containern geben. In großstädtischen Gebieten wird die Anzahl der Container pro Sammelstelle beträchtlich höher sein. Insgesamt wird ihre Anzahl für ganz Deutschland etwa 10.000 ausmachen. Es bestehen jedoch Koordinierungs- und Kooperationsprobleme zwischen Gemeinden, Logistikunternehmen (Abfalltransportfirmen) und der Verrechnungsstelle.

Beispiel Belgien (Flandern)
In Flandern (Belgien) haben Gerätehersteller und -importeure ein Gemeinschaftssystem für die Sammlung und Wiederverwertung von Elektroaltgeräten etabliert („Recupel“), das am 1. Juli 2001 in Kraft trat. Heute können Konsumentinnen und Kosumenten in Flandern ihre Altgeräte an drei Stellen abgeben: Kommunale Abfallplätze, Wiederverwertungszentren und Geschäfte. Etwa 50% der Elektroaltgeräte werden in Flandern von kommunalen Abfallplätzen gesammelt.

Beispiel Finnland
In Finnland besteht kein nationales Sammel- oder Koordinierungssystem. Die Hersteller haben drei verschiedene Sammelsysteme eingerichtet. Die Gemeinden schließen selbständig Verträge mit den Herstellern ab.

Beispiel Österreich
In Österreich wurde die Elektroaltgeräte-Koordinierungsstelle Austria GmbH (EAK) geschaffen. Die Bundesländer verfügen über weitreichende umweltpolitische Kompetenzen. Es steht ihnen im Falle des Abfallwirtschaftsrechts frei, die nationalen Bestimmungen nach Bedarf zu ergänzen (Subsidiärrecht). Interessanterweise hat die Erfahrung gezeigt, dass das Altgeräte-Sammelsystem am besten in jenen Bundesländern funktioniert, in denen die Städte und Gemeinden von Anfang an in die Erarbeitung und Einrichtung des Systems eingebunden waren.
Den österreichischen Gemeinden stehen zwei Möglichkeiten offen:

- Sie können die EAK beauftragen, ihre Elektro- und Elektronik-Altgeräte zu sammeln, oder aber

- einen bilateralen Vertrag mit den Herstellern abschließen.

Bislang weisen Erfahrungen darauf hin, dass Möglichkeit B zu besseren Ergebnissen führt. Außerdem übernimmt bei dieser Lösung die Industrie die Kosten der erforderlichen kommunalen Infrastruktur für die Sammlung von Elektro- und Elektronik-Altgeräten (bei Lösung A sind dies nur 75%).
In vielen Ländern berichten die Gemeinden über Probleme im Umgang mit Abfällen kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU). Dies gilt natürlich auch für Elektro- und Elektronik-Altgeräte. Die Gemeinden stehen unter dem Druck, kommunale Abfallplätze für KMU freizugeben, oder sammeln KMU-Abfälle, ohne es zu wissen, da diese oft nur schwer von Hausmüll zu unterscheiden sind. Dennoch tragen Städte und Gemeinden und damit völlig ungerechtfertigterweise die Allgemeinheit die entstehenden Kosten.

Auslegung der Richtlinie
Die Richtlinie wird teilweise von den diversen Akteuren auch verschieden ausgelegt, insbesondere hinsichtlich der finanziellen Verantwortlichkeit der Hersteller. Manche Hersteller meinen, dass ihre finanzielle Verantwortlichkeit erst mit der Abholung von Elektro- und Elektronik-Altgeräten von den Abfall- oder Sammelstellen beginnt.
Der RGRE (Rat der Gemeinden und Regionen Europas, dem der Österreichische Städtebund angehört) betont hingegen, dass sich gemäß Artikel 8 (1) der Richtlinie die finanzielle Verantwortlichkeit des Herstellers auf die gesamte Sammelkette für Altgeräte erstreckt, d. h. so bald das Produkt vom Konsumenten nicht mehr benötigt und damit zu Abfall wird, was meist im Haushalt geschieht. Daher sind die Kosten für die Abholung von Elektroaltgeräten von den Haushalten, ihre Sortierung, Lagerung und Verbringung zu Abfall- oder Sammelstellen von den Herstellern zu tragen.
Beispiel Tschechische Republik: Dort bemängeln die Kommunen, dass Elektro- und Elektronik-Altgeräte im nationalen Rechtsrahmen ungenau definiert sind, was dazu führt, das die Hersteller keine Verantwortung für Produkte übernehmen, die ihrer Meinung nach keine Elektro- und Elektronik-Altgeräte darstellen.
Die Kosten für die Entsorgung dieser Elektroaltgeräte fallen – Sie vermuten richtig – wie so oft auf die Gemeinden zurück.

Herstellerverantwortlichkeit
In Finnland sind die Hersteller gesetzlich verpflichtet, die Sammlung von Elektro- und Elektronik-Altgeräten zur Gänze zu finanzieren.
In Deutschland müssen alle Hersteller von Elektro- und Elektronik-Altgeräten registriert werden und außerdem garantieren, dass eine gesicherte Finanzierung für die Entsorgung jener Elektroaltgeräte besteht, welche nach dem 13. August 2005 in Verkehr gebracht wurden und in Privathaushalten verwendet werden können. Diese Garantieverpflichtung soll die Hersteller daran hindern, Geräte in wettbewerbsfeindlicher Manier auf den Markt zu bringen, ohne später ihre Rücknahme- und Behandlungspflicht wahrzunehmen („Trittbrettfahrer“).
In Flandern (Belgien) sind Importeure, Hersteller und Einzelhändler gesetzlich verpflichtet, die Kosten für die Sammlung, Demontage und Behandlung von Elektroaltgeräten zu übernehmen. Wenn Hersteller also die Infrastruktur einer anderen Organisation oder Einrichtung zur Bündelung ihrer Abfallflüsse nützen wollen, müssen sie für die Nutzung dieser Infrastruktur eine Gebühr entrichten. Derzeit decken die von den Gemeinden eingenommenen Nutzungsgebühren nicht die ihnen bei der Sammlung von Elektroaltgeräten entstehenden Gesamtkosten ab. Um also die Nutzungsgebühr für die Gemeinden korrekt berechnen zu können, hat das RGRE-Mitglied „VVSG“ (Vereinigung flämischer Kommunen) ein Kostenberechnungsmodell für kommunale Abfallplätze entwickelt1. Dieses Modell ermöglicht es den Gemeinden, die Kosten für den Umgang mit Elektroaltgeräten (sowie anderen Abfallflüssen) auf kommunalen Abfallplätzen zu kalkulieren, um diese den Herstellern in Rechnung stellen zu können.
Die österreichischen Städte melden eine relativ erfolgreiche Umsetzung der Herstellerverantwortlichkeit in ihrem Land. Ihrer Ansicht nach wird zum ersten Mal in der Umsetzung des Abfallrechts die Herstellerverantwortlichkeit eindeutig geregelt und damit ein gutes Vorzeichen für die weitere Entwicklung der Herstellerverantwortlichkeit darstellt. Dennoch ist der Österreichische Städtebund der Ansicht, dass die Auflagen für die elektronische Meldung von Elektro- und Elektronik-Altgerätequoten (an Umweltministerium, EAK und Hersteller) zu bürokratisch sind und verbessert werden müssen.

Conclusio
Es wäre sinnvoll, die Schaffung einer europäischen Verrechnungsstelle oder wenigstens eines Koordinierungsbüros auf EU-Ebene zu erwägen, um die verschiedenen Systeme anzugleichen oder zu koordinieren und die Herstellerregistrierung auf europäischer Ebene zu harmonisieren. Dies würde die Konflikte mit dem Binnenmarkt mildern und den Herstellern die Wahrnehmung ihrer Verpflichtungen erleichtern.
Neben ihrem Beitrag zur Erzielung befriedigender Sammel- und Verwertungsquoten für Elektroaltgeräte ist die wichtigste Frage für die Gemeinden die effiziente und problemlose Sicherstellung der finanziellen Verantwortlichkeit der Hersteller für die Gerätesammlung. Der Erfolg der Richtlinie ist in hohem Ausmaß von diesem Aspekt abhängig: Je besser die Herstellerverantwortlichkeit funktioniert, umso besser werden die Gemeinden ihre Rolle als Altgerätesammler wahrnehmen können.
Die Herstellerverantwortlichkeit ist ein abfallwirtschaftlicher Grundsatz, der immer größere Bedeutung gewinnt und den der Österreichische Städtebund (ebenso wie der RGRE in Brüssel) stets klar vertreten hat. Nämlich indem die Industrie direkt für die Entsorgung und Behandlung ihrer Produkte verantwortlich gemacht wird, sobald diese zu Abfall werden, fördert dieser Grundsatz eine Gesamtbetrachtung des Produkt-Lebenszyklus sowie ökologische Gestaltungsprinzipien bei der Produktherstellung. Außerdem ist dieses System gerechter, da die abfallwirtschaftlichen Kosten vom Produktkonsumenten getragen werden und nicht vom Steuerzahlenden. Darüber hinaus zieht die Industrie auch Vorteile aus den Gewinnen, die ihr bei der Verwertung ihrer Abfallprodukte und schließlich auch durch rationelleren Rohstoffeinsatz entstehen.
Alle Akteure einschließlich der nationalen Regierungen müssen sicherstellen, dass die Bestimmungen der EAG-Richtlinie hinsichtlich der Herstellerverantwortlichkeit umfassend und effizient wirksam werden: Die Umsetzung der Richtlinie soll als Beispiel für zukünftige Entwicklungen im Bereich der Herstellerverantwortlichkeit dienen.

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