Die „städtische Dimension“ in der EU-Kohäsionspolitik

Die „städtische Dimension“ in der EU-Kohäsionspolitik

Die städtische Dimension – also urbane Themen und städtische Akteure – rückt zunehmend stärker in den Blickwinkel der Europäischen Union. Die EU-Kohäsionspolitik für die Finanzperiode 2007–2013 nimmt darauf entsprechend Rücksicht. Die Europäische Union bestätigt damit: Wachstum und Innovation findet in den Städten statt.

 

Neue EU-Entwicklungsziele
Generell ist eine Umorientierung von EU-Entwicklungszielen von ausgleichsorientierten Ansätzen (Disparitätenabbau, Kohäsionsziele) hin zu Zielen der Stärkung von Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Innovation („Lissabon-Strategie“1) erfolgt. Dieser Wandel hat unter anderem zu einer prominenten Aufnahme dieser Ziele auch in die EU-Kohäsionspolitik 2007–2013 geführt. Mitunter wird auch von der Kohäsionspolitik als Schlüsselinstrument der Lissabon-Strategie gesprochen. Zukünftig wird es im Rahmen der EU-Strukturfonds, den Instrumenten zur Umsetzung der EU-Kohäsionspolitik, daher ein eigenes Ziel „Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung“2 geben. Zudem lenkte das polyzentrische Entwicklungsmodell als Leitbild einer EU-Raumentwicklung3 das Augenmerk – zumindest der Fachdiskussion – auf europäische Städtestrukturen und Städtenetze.
Weiters ist die Rolle der städtischen Ballungsräume als „Triebkräfte“ für Wachstum, Beschäftigung, Innovation, Bildung etc. weitgehend anerkannt, gleichwohl aber werden die Städte auch als „Brennpunkte“ gesellschaftlicher Entwicklungen (soziale Ausgrenzung, Migration und Integration etc.) gesehen. Damit ist genug Anlass für politisches (und mediales) Interesse auch auf der EU-Ebene gegeben.

Zentrale Rolle der Städte
Städtische Themen werden, zum Teil
(mit)initiiert durch gut organisierte städtische Interessenvertretungen auf auch politischer Ebene, von EU-Gremien verstärkt aufgegriffen. Städteminister und Bürgermeister, aber auch Städteorganisationen, werden zunehmend als wichtige politische Governance-Partner für die Umsetzung von EU-Politiken anerkannt. Das Europäische Parlament (EP) war in den Strukturfondsverhandlungen eine „Speerspitze“ für städtische Interessen. Im EP-Ausschuss für regionale Entwicklung sind bis Ende 2006 Anhörungen zu den Themen „the urban dimension after 2007“, „urban riots“ sowie eine Studie „sustainable communities“ und ein Initiativbericht zum Wohnungsbau geplant. Auch im Ausschuss der Regionen (AdR) werden regelmäßig städtische Themen behandelt.
Weiters sind zahlreiche Aktivitäten europäischer und internationaler Städtenetzwerke zu vermerken, die auf EU-Ebene die städtischen Interessen durch eine Vielzahl von unterschiedlichst zusammengesetzten und inhaltlich bzw. politisch positionierten Nichtregierungsorganisationen vertreten.4 Einige von ihnen verfügen dabei durchaus über eine gewisse Mitsprache bei den Schwerpunktsetzungen auf EU-Ebene. In einem dieser Netzwerke, das im Zuge der Umsetzung der Gemeinschaftsinitiative URBAN 2000–20065 eingerichtet wurde, fungiert das deutsch-österreichische URBAN-Netzwerk (mit Wien und Graz) sowohl als Plattform für den (deutschsprachigen) Erfahrungsaustausch unter den URBAN-Städten wie auch als Multiplikator in Richtung Nicht-URBAN-Städte und als „Scharnier“ in Richtung Politik.

Förderungsfähige Bereiche
Mit den gerade erst abgeschlossenen Verhandlungen zur neuen Ausrichtung der Kohäsionspolitik 2007–2013 wurde eine verstärkte Ausrichtung auf Wachstum und Beschäftigung unter gleichzeitiger Berücksichtigung von umwelt- und sozialpolitischen Zielen beschlossen. Förderfähige Maßnahmen in dem für Österreich relevanten Ziel „Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung“ sind zukünftig auf die Bereiche

- Innovation und wissensbasierte Wirtschaft,
- Umwelt und Risikovermeidung,
- Zugang zu Verkehrs- und Telekommunikationsdiensten von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse,
- Verbesserung der Beschäftigungs- und Arbeitsmöglichkeiten,
- Förderung einer hohen Beschäftigungsquote sowie
- Schaffung von mehr und besseren Arbeitsplätzen

zu konzentrieren. Die Europäische Union wird diese Agenda nur dann erfolgreich umsetzen können, wenn alle Regionen einen erfolgreichen Beitrag leisten. Den Städten kommt bei der Erreichung dieser Ziele eine große Bedeutung zu. „Städte haben das größte Angebot an Arbeitsplätzen, Unternehmen und höheren Bildungseinrichtungen und sind wichtige Akteure bei der Verwirklichung des sozialen Zusammenhalts. Die Städte stehen im Mittelpunkt jenes Wandels, für den Innovation, unternehmerische Initiative und Unternehmenswachstum die Grundlage bilden.“6

2007–2013 – Urban mainstreaming
In den neuen Gemeinschaftlichen Strategischen Kohäsionsleitlinien7 widmet sich ein eigener Abschnitt dem Beitrag der Städte zu Wachstum und Beschäftigung. Ergänzend dazu hat die Europäische Kommission quasi als Referenzdokument für die mitgliedstaatliche Erstellung der Förderprogramme einen Leitfaden für Maßnahmen in städtischen Gebieten beschlossen.8 Die Mitgliedstaaten sind angehalten, die „städtische Dimension“ im Rahmen ihrer Nationalen Strategischen Rahmenpläne und in den Operationellen Programmen 2007–2013 entsprechend zu berücksichtigen. Dabei ist u. a. auch die Übertragung der Durchführung von Strukturfondsprogrammen bzw. Teilen davon an städtische Behörden zu erwägen.
Zukünftig ist also auch im städtischen Bereich – im Unterschied zu den eher weit gehaltenen Fördertatbeständen im Rahmen der Gemeinschaftsinitiative URBAN 2000–2006 – eine stärkere inhaltliche Schwerpunktsetzung erforderlich, die aus Sicht der Europäischen Kommission folgende Maßnahmenbereiche beinhalten kann9:

- Steigerung der Attraktivität der Städte, um eine hohe Lebensqualität und damit wirtschaftliche Chancen zu erhöhen. Die Herausforderungen sind dabei durchaus von Stadt zu Stadt unterschiedlich, aus Sicht der Europäischen Kommission sind aber jedenfalls folgende Bereiche in Betracht zu ziehen, um die Attraktivität einer Stadt zu erhöhen:
-– Verkehr, Erreichbarkeit und Mobilität,
-– Zugang zu Diensten und Einrichtungen,
-– natürliche und physische Umwelt sowie
-– Kultur.

- Unterstützung für Innovation, unternehmerische Initiative und wissensgestützte Wirtschaft zur Förderung des Wachstums durch geeignete Maßnahmen (insbesondere KMU-Segment)

- Schaffung von mehr und besseren Arbeitsplätzen durch Anstrengungen
-– zur Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit durch Anhebung des allgemeinen und beruflichen Bildungsstandes.

- Soziale Eingliederung und Chancengleichheit
- Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger
- Städtische Verwaltung (governance).

Zur Finanzierung der städtischen Entwicklung und Erneuerung in diesen Bereichen wurden ergänzend zu den Strukturfondsmitteln in Zusammenarbeit mit der Europäischen Investitionsbank neue flexible Finanzierungsinstrumente für städtische Maßnahmen geschaffen (JEREMIE, JESSICA).

2007–2013 – „Europäische territoriale Zusammenarbeit“10
Die bisherigen INTERREG-Programme und zukünftigen Nachfolgeprogramme zur grenzüberschreitenden, transnationalen und interregionalen Zusammenarbeit bieten durchaus (weiterhin) Möglichkeiten zum Aufgreifen städtischer Themen (Städtenetzwerke, Erfahrungsaustausch) bzw. zur Mitwirkung von städtischen Institutionen an Projektpartnerschaften. Für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist neben einer weiten Liste förderfähiger Maßnahmen insbesondere die „Stärkung der Verbindung zwischen städtischen und ländlichen Gebieten“11 als Schwerpunktthema erwähnt.
Im Raumforschungsprogramm ESPON12 behandeln zahlreiche Studien die „städtische Dimension“. ESPON II 2007–2013 wird hier nahtlos fortsetzen.

2007–2013 – URBACT II13
Das Städtenetzwerkprogramm URBACT soll auch in Zukunft weitergeführt werden. URBACT II wird den Ansatz thematischer Netzwerkprojekte auf europäischer Ebene fortführen, wobei als Ziel insgesamt 40 Projekte angestrebt werden. Die thematische Auswahl soll bottom-up und top-down erfolgen, d. h. dass sowohl die Europäische Kommission eine „starke“ Stimme haben wird, gleichzeitig aber auch die beteiligten Städte selbst in die Themenauswahl miteinbezogen werden sollen. Inhaltlich soll sich URBACT II verstärkt in Richtung Anwendungsorientierung weiterentwickeln (capitalisation and dissemination).

Mehr EU-Fördermittel für Stadtprojekte
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass insbesondere mit der verstärkten Zielausrichtung auf Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Innovation die Städte verstärkt in den Blickwinkel der europäischen Raum- und Regionalentwicklungspolitik gerückt sind. Es werden tendenziell mehr EU-Mittel für Projekte in Städten verwendet werden, auch wenn damit nicht notwendigerweise höhere Fördergelder für die Stadtverwaltungen selbst verbunden sind. Für städtische Akteure bedarf es in Zukunft daher sicherlich einer stärkeren Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten und Zielen nicht nur der EU-Strukturfondspolitik, sondern auch mit den Zielen des Nationalen Strategischen Rahmenplans bzw. der einzelnen Operationellen Programmen. Zudem bedarf es des Aufbaus von Kompetenzen im Umgang mit den Strukturfondsinstrumenten sowie insbesondere einer aktiven Netzwerk- und Kooperationskultur zwischen den Städten im nationalen und europäischen Kontext, um bestmöglich Synergien mit der Strukturfondspolitik 2007–2013 zu nutzen.

Fußnoten:
1 Die Lissabon-Strategie (auch Lissabon-Prozess oder Lissabon-Agenda) ist ein auf einem Sondergipfel der europäischen Staats- und Regierungschefs im März 2000 in Lissabon verabschiedetes Programm, das zum Ziel hat, die EU zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten Wirtschaftsraum der Welt zu machen. Mit dieser Strategie will die EU „im Rahmen des globalen Ziels der nachhaltigen Entwicklung ein Vorbild für den wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Fortschritt in der Welt sein“.

2 Das Ziel „Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung“ ersetzt das „Ziel 2“ der laufenden Strukturfondsperiode 2000–2006.

3 iehe www.espon.eu, www.espon.at.

4 Nichtregierungsorganisationen und Netzwerke, die städtische Themen auf EU-Ebene vertreten, sind u. a. EUROCITIES, METREX, FESU, QeC-ERAN, Polis, Telecities, Urban Netzwerk etc. Als Dachverband der Kommunen und Regionen ist der RGRE (Rat der Gemeinden und Regionen Europas) zu nennen.

5 Siehe www.urban-link.at und www.urban.wien.at. Die Gemeinschaftsinitiative URBAN wird zukünftig nicht weitergeführt, stattdessen werden die städtischen Themen und Akteure zukünftig in dem neuen Ziel „Konvergenz“ (Nachfolge von „Ziel 1“) und Ziel „Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung“ (Nachfolge von Ziel 2) berücksichtigt (mainstreaming). Siehe www.bka.gv.at/regionalpolitik und www.oerok.gv.at > EU Regionalpolitik in Österreich.

6 Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament. „Die Kohäsionspolitik und die Städte: Der Beitrag der Städte zu Wachstum und Beschäftigung in den Regionen“ (SEC [206] 928), KOM (2006) 385 endg., Brüssel, 13. 7. 2006.

7 „Strategische Kohäsionsleitlinien der Gemeinschaft“. Derzeit noch in abschließenden Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament. Mit einer Beschlussfassung durch die Mitgliedstaaten ist im September 2006 zu rechnen.

8 Siehe Fußnote 5.
9 Siehe Fußnote 6.
10 Siehe www.interreg.at.

11 Artikel 6 (1) lit c) VO 1080/2006 (L 210/1 vom 31. 7. 2006)

12 Siehe www.espon.at.

13 URBACT wurde Anfang 2003 gegründet, um den Erfahrungsaustausch zwischen Städten, die eine Förderungen im Rahmen des URBAN-Programms erhalten, zu organisieren, um aus der Umsetzung der Projekte zu lernen und das Wissen und Know-how breiter zu streuen, siehe www.urbact.org.

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