Ergebnisorientierte Steuerung in der Gemeinde Engerwitzdorf

Ergebnisorientierte Steuerung in der Gemeinde Engerwitzdorf

Engerwitzdorf ist eine dynamisch wachsende Wohngemeinde am Stadtrand von Linz. Die Gemeinde hat als zentralen Baustein im laufenden Reformprozess die ergebnisorientierte Steuerung umgesetzt. Diese Maßnahme hat die Qualität der Entscheidungen von Politik und Verwaltung grundlegend verändert, d. h. verbessert. Für das Projekt „POS – Produktorientierte Steuerung“ wurde die Gemeinde Engerwitzdorf beim Speyerer Qualitätswettbewerb für öffentliche Verwaltungen 2005 mit einem Anerkennungspreis ausgezeichnet.

 

Vom Verwalten …
Das traditionelle System der Verwaltungsführung ist durch Inputorientierung gekennzeichnet. Die Steuerung des Verwaltungshandelns basiert primär auf der Bereitstellung von Ressourcen, das sind in erster Linie Personal und Geld. In großer Detaillierung wird im Haushalt festgelegt, wie viel Geld die Verwaltung wofür ausgeben darf.
Nicht anders war auch in der Vergangenheit die Situation in der Gemeinde Engerwitzdorf – die Verwaltung wurde budgetseitig gesteuert, klare Ziele fehlten bzw. waren nur sehr allgemein formuliert, und über den tatsächlichen Ressourcenverbrauch wussten weder politische Entscheidungsträger noch Verwaltung Bescheid.

... zum Management von Dienstleistungen
Um diese strukturellen Steuerungsdefizite zu überwinden, ist der Übergang von einer input- zu einer output-/ergebnisorientierten Steuerung der zentrale Aspekt modernen Verwaltungsmanagements. Danach soll mit der Zurverfügungstellung von Ressourcen (Input) auch möglichst genau festgelegt werden, welche Leistungen bzw. Produkte in welcher Menge und Qualität mit welcher angestrebten Kundenzufriedenheit und zu welchen Kosten erbracht werden sollen.
Je besser dies gelingt, umso mehr können Befugnisse und Verantwortung für die Leistungserstellung delegiert werden und die traditionelle Steuerung über Einzelanweisungen und Detailvorgaben kann durch eine Steuerung über Ziele und Leistungsabsprachen ersetzt werden.
Als erster Schritt sind folgende neue Managementinstrumente und -verfahren einzuführen:

- Produkte, das sind die bereitgestellten Güter und erbrachten Dienstleistungen einer Verwaltung, werden aus Kundensicht definiert;

- konkrete Ziele für diese Produkte und aussagekräftige Kennzahlen zur Messung der Zielerreichung;

- eine Kosten- und Leistungsrechnung, die die Ergebnisse, also den Output, den zur Verfügung stehenden Ressourcen gegenüberstellt;

- Befragungen zur Erfassung und Messung der Kundenzufriedenheit;

- Zielvereinbarungen (auch Kontraktmanagement1 genannt) und

- ein ergebnisorientiertes Berichtswesen, das regelmäßig Informationen über die Zielerreichung liefert.

Die ergebnisorientierte Steuerung ist jedoch mehr als der Einsatz neuer Instrumente und Verfahren, ihre Umsetzung erfordert auch eine Veränderung der Organisationskultur und ermöglicht eine neue Qualität des Handelns und des Entscheidens.2
Sie erfordert eine Kultur des Vertrauens statt einer Misstrauenskultur. Diese Kulturveränderung ist verbunden mit neuen Organisationsprinzipien wie verstärkter Delegation und operativ eigenverantwortlich handelnden Organisationseinheiten.
Politik und Verwaltungsmanagement können dann auf Grundlage der Produkte und der erzielten Ergebnisse, die alle Dimensionen des Verwaltungshandelns wie Kundenzufriedenheit, Qualität, Wirtschaftlichkeit und Erfüllung des Leistungsauftrags umfassen, die Qualität ihrer Entscheidungen deutlich steigern. Es können dann leichter Prioritäten gesetzt werden, bestimmte Produkte forciert und andere zurückgenommen werden, kurz gesagt, Quantität und Qualität der öffentlichen Dienstleistungen bewusst(er) gestaltet werden.

Einführung der ergebnisorientierten Steuerung
Das Projekt „Produktorientierte Steuerung“ wurde (nach eineinhalbjähriger Vorbereitungszeit) mit Beginn des Jahres 2004 umgesetzt. Auslöser für die Durchführung dieses Projektes war vor allem die Erkenntnis, häufig gestellte Fragen zu Qualität, Kosten und Kundenzufriedenheit bei wichtigen, von der Gemeinde erbrachten Dienstleistungen nicht zufriedenstellend beantworten zu können. Wichtige Impulse erhielt die Gemeinde auch durch die Teilnahme an einem interkommunalen Vergleichsring.3
Die Gestaltung des Einführungsprozesses orientierte sich an folgenden Prinzipien, die sich auch als entscheidend für die erfolgreiche Umsetzung erwiesen haben:

- Vorrangig war eine umfassende Qualifizierung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, um Bewusstsein und Verständnis für dieses neue Managementkonzept zu entwickeln.

- Möglichst alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollten in die Erarbeitung der neuen Managementinstrumente eingebunden werden.

- Eine umfassende EDV-Unterstützung sollte sicherstellen, dass alle erforderlichen Informationen möglichst einfach ermittelbar sind und rasch zur Verfügung stehen.

- Wichtig war auch eine enge Verknüpfung mit anderen Reformfeldern.4 So sollte beispielsweise die ergebnisorientierte Steuerung die Daten für Zielvereinbarungen beim jährlichen Mitarbeitergespräch liefern und damit die Effizienz dieses Managementinstruments steigern.

Gestartet wurde das Projekt mit einem Workshop mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Dabei wurde sowohl umfassend über das neue Managementkonzept informiert als auch bereits mit der Erarbeitung der erforderlichen Managementinstrumente begonnen.

112 Produkte im Produktkatalog
Zunächst wurden alle Produkte im Detail beschrieben, das heißt, es wurden strategische und operative Ziele formuliert und Kennzahlen definiert, sowie für alle Produkte Produktverantwortliche bestimmt (siehe dazu Übersicht 3). Aktuell umfasst der Produktkatalog der Gemeinde Engerwitzdorf 112 Produkte.
Entsprechend dem 5-Ziele-System (siehe Übersicht 2) wurde angestrebt, zu möglichst allen Zieldimensionen Ziele und Kennzahlen5 zu definieren. Alle diese Zieldimensionen wurden als gleichwertig bewertet.
Eine flächendeckende Kosten- und Leistungsrechnung gibt Aufschluss über die tatsächlichen Kosten und Erträge. Die Ausgaben für Personal stellen – wie für einen Dienstleistungsbetrieb typisch – den größten Kostenfaktor dar. Für eine wirklichkeitsgetreue Ermittlung der Produktkosten ist somit eine möglichst verursachungsgerechte Zuordnung der geleisteten Arbeitszeiten und damit der angefallenen Personalkosten zu den einzelnen Produkten entscheidend. Dazu zeichnen alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre geleistete Arbeitszeit produktbezogen auf. Zur Messung der Kundenzufriedenheit werden schriftliche bzw. telefonische Bürger- und Kundenbefragungen durchgeführt.
Der gewählte Projektablauf mit umfassender Qualifizierung und frühzeitiger Einbindung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter war zwar zeitaufwendig, hat aber wesentlich dazu beigetragen, dass letztlich alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Projekt – trotz der damit verbundenen Mehrarbeit – aktiv mitgetragen haben. Der Zeitaufwand für das Projekt wird auf zirka zwei Wochen je Mitarbeiterin/Mitarbeiter geschätzt. Für den Amtsleiter und den Leiter der Finanzabteilung bedeutete dieses Projekt eine Bindung für ein Jahr.

Steuern mit Zielen und Kennzahlen
Mit Jahresende 2004 lagen erstmals konkrete Daten vor, die Auskunft über den Erfolg des Verwaltungshandelns gaben. Viele Ziele konnten erst jetzt konkretisiert und quantifiziert werden. Dies erfolgte entweder durch die politischen Entscheidungsträger in den Gemeinderatsausschüssen oder es wurden verwaltungsintern im Rahmen der jährlichen Mitarbeitergespräche Zielvereinbarungen mit den einzelnen Produktverantwortlichen getroffen (z. B. Sichtkontrollen durch Bauhof bei öffentlichen Spielplätzen wöchentlich statt bisher 1- bis 2-mal pro Monat).
In deren Verantwortungsbereich lag es im Weiteren, Maßnahmen zur Zielerreichung zu entwickeln, gegebenenfalls die erforderliche Zustimmung der politischen Organe einzuholen und diese Maßnahmen dann umzusetzen.
Die Produktverantwortlichen sind nun in der Lage, die kommunalen Dienstleistungen ganzheitlich zu gestalten. Dabei werden die zahnradähnlichen Verbindungen der einzelnen Zieldimensionen deutlich. Dazu folgende Beispiele:

- Baubehördliche Genehmigungen:
Eine erste Kundenbefragung hatte eine relativ schlechte Bewertung der Verfahrensdauer ergeben (Wert von 2,5 nach dem Schulnotensystem). Eine Änderung des Verfahrensablaufes – Termine des Amtssachverständigen in kürzeren Abständen – führte zu einer Verkürzung der Verfahrensdauer von neun Wochen auf sechs Wochen und mit einer Durchschnittsnote von 1,2 zu einer deutlich besseren Bewertung bei der nächsten Befragung.

- Winterdienst:
Der Ausfall eines externen Dienstleisters erforderte entweder die Suche nach einem Ersatz oder die Aufteilung des Räumbereichs auf die verbleibenden Einsatzfahrzeuge. Eine Aufteilung des Räumbereichs bedeutete eine Verlängerung der Umlaufzeit von 4 auf 4,5 Stunden und damit eine Verschlechterung der Kennzahl für die Qualität bei gleichzeitiger Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der Aufgabenerledigung. Trotz der Gefahr negativer Auswirkungen auf die bisher sehr hohe Kundenzufriedenheit entschied sich der Gemeinderatsausschuss für diese Variante. Die konkreten Auswirkungen auf die Kundenzufriedenheit wird die nächste Befragung zeigen.

- Beschwerdemanagement:
Befragungen zeigten Handlungsbedarf bei der Reaktion auf Beschwerden. Das war Anlass für die Gemeinde, das Projekt „Bürgerstimme – das strukturierte Beschwerdemanagement“ zu starten. Dabei wurden u. a. Vorgaben für den Zeitpunkt der Rückmeldung an den Beschwerdeführer (innerhalb von 3 Tagen) und für die Erledigung festgelegt. Bereits die nächste Befragung ergab eine sehr hohe Kundenzufriedenheit.

- Bereitstellung von Schulplätzen:
Ein Vergleich mit anderen Schulen ergab überdurchschnittlich hohe Personalkosten im Bereich der Reinigung. Dies war Auslöser für eine Neuorganisation mit flexibleren Arbeitszeiten.

Neues Denken und Handeln
Nach über zwei Jahren Erfahrung mit der Umsetzung der ergebnisorientierten Steuerung wird deutlich, in welchem Ausmaß sich die Qualität der Entscheidungen verbessert und das Bewusstsein der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verändert haben.
Für die Entscheidungsträger ergibt sich eine neue Qualität des Entscheidungsprozesses. Jetzt ist es möglich, Entscheidungen auf Basis der ermittelten Kennzahlen zu treffen. Das Leistungsangebot kann besser an die konkreten Bedürfnisse der jeweiligen Kunden angepasst werden. Für viele Produkte wurden auch erstmals Qualitätsstandards definiert (z. B. Schülerausspeisung – Anzahl der Fertigprodukte maximal 40%). Die Politik beschäftigt sich intensiv(er) mit Zielen und der Frage, welche Wirkungen bzw. welcher Kundennutzen mit dem jeweiligen Produkt erzielt werden sollen (z. B. Engerwitzdorfer Sammeltaxi – Ausmaß der Inanspruchnahme). Kurzum – Ziel- und Wirkungsorientierung sind zu den vorrangigen Kriterien in der Diskussion und für die Entscheidungsfindung geworden.
Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Produktverantwortung – und das sind fast alle Beschäftigten der Verwaltung – ist die Delegation von Verantwortung mit zusätzlicher Arbeit verbunden. Sie/er hat sich intensiver mit dem Aufgabengebiet zu befassen und eigenständig bei Problemen oder Zielabweichungen nach Lösungen zu suchen.

Neue Motivation beim Personal
Die bisherigen Erfahrungen haben in einem überraschend hohen Ausmaß gezeigt, welchen Motivationsschub die Übertragung von Verantwortung auslösen kann. Es ist eben einfach „spannender“, zielorientiert zu arbeiten und anhand der ermittelten Kennzahlen die Ergebnisse der Arbeit „rückgemeldet“ zu bekommen.
Im Zuge der Einführung der ergebnisorientierten Steuerung haben die Beschäftigten Verantwortung für die erzielten Ergebnisse übernommen und eine ganzheitliche Betrachtung entwickelt. Ihnen ist bewusst, dass jede Veränderung bei einer Zieldimension unweigerlich Auswirkungen auf die Zielerreichung bei den anderen Dimensionen hat.
Aus „zuständigen“ Sachbearbeiterinnen/ Sacharbeitern wurden so Produktverantwortliche, denen es ein persönliches Anliegen geworden ist, ihren jeweiligen „Kundenkreis“ zufriedenzustellen. Sie sind daher bestrebt, „ihre“ Produkte laufend weiterzuentwickeln. Auch unter ungünstigeren Rahmenbedingungen wie knappen Budgetmitteln wollen sie „ihre“ Produkte weiterhin in möglichst hoher Qualität erstellen, damit sich die Kennzahl „Kundenzufriedenheit“ nicht verschlechtert.

Optimierung des „Produktionsprozesses“
Die Produktverantwortlichen sind für alle Leistungen, die zur Erstellung des Produktes erforderlich sind, verantwortlich, also auch für solche, die von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern anderer Abteilungen zu erbringen sind. Sie sind somit bestrebt, den gesamten „Produktionsprozess“ zu optimieren. So kümmert sich die Verantwortliche für das Produkt „Schülerausspeisung“ auch um die Verrechnung, eine Leistung, die von der Finanzabteilung erbracht wird.
Das Bestreben nach Sicherung bzw. Verbesserung der Qualität führte dazu, dass bei einer Reihe von Produkten die Prozesse untersucht und optimiert wurden. Die Einführung der ergebnisorientierten Steuerung ermöglicht neue Formen der Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger bei der Gestaltung des kommunalen Leistungsangebotes. Da für jedes externe Produkt in regelmäßigen Abständen Befragungen durchgeführt werden, haben die Nutzerinnen und Nutzer die Möglichkeit, die verschiedenen Produkte zu bewerten und Änderungswünsche zu formulieren. Die Bevölkerung weiß, dass ihre Bewertung und ihre Anregungen eine wesentliche Grundlage für politische Entscheidungen sind.

Resümee und Ausblick
Die Gemeinde Engerwitzdorf hat mit der Einführung der ergebnisorientierten Steuerung den bislang tiefgreifendsten Reformschritt gesetzt. Politik und Verwaltung haben heute einen umfassenden Überblick über die erstellten Leistungen und die erzielten Ergebnisse und können so ihre Leistungen wirkungsorientiert steuern.
Die dazu erforderlichen betriebswirtschaftlichen Daten für die einzelnen Produkte müssen derzeit ergänzend zum finanzwirtschaftlich orientierten Rechnungswesen ermittelt werden. Dies bedeutet einen nicht unerheblichen Mehraufwand für die Gemeinde. Unsere Erfahrungen zeigen die Notwendigkeit des schon seit Jahren geforderten reformierten Haushaltswesens, das betriebswirtschaftliche und finanzwirtschaftliche Informationen verbindet und den Produktansatz mit dem Haushalt verknüpft.6 Bis dahin sollte für Gemeinden, die innovative Konzepte des Finanzmanagements umsetzen, die Möglichkeit geschaffen werden, einschlägige haushaltsrechtliche Bestimmungen nicht anwenden zu müssen, um Zweigleisigkeiten zu vermeiden (z. B. Produktbudget ersetzt die Verpflichtung zur herkömmlichen Budgetierung).

Fußnoten:
1 Unter Kontrakten versteht man das Ergebnis eines Aushandlungsprozesses, an dessen Ende zwischen den Kontraktpartnern (Politik und Verwaltungsführung, Verwaltungsführung und Abteilungen) Absprachen über die in einem bestimmten Zeitraum zu erbringenden Leistungen und die dafür notwendigen Mitteln getroffen werden.

2 Siehe u. a. Biwald: Wege zur ergebnisorientierten Steuerung, in: Bauer/Biwald/Dearing (Hrsg.), Öffentliches Management in Österreich, Wien 2003.

3 Siehe Preslmaier/Schauer, Gemeinden lernen durch Benchmarking – ein Erfahrungsbericht, in: ÖGZ 11/2003, S. 28–30.

4 Die ersten Schritte zu einem ganzheitlichen Entwicklungsprozess in der Gemeinde Engerwitzdorf wurden vor ca. 10 Jahren mit einer Ausbildungsoffensive und einer Organisationsreform gesetzt.

5 Um zu vermeiden, im Zuge der produktorientierten Steuerung neue „Zahlenfriedhöfe“ zu produzieren, wurden Kennzahlen nur dann festgelegt, wenn sie als steuerungsrelevant bewertet wurden und der Aufwand für deren Erhebung in einem angemessenen Verhältnis zum Nutzen steht.

6 Siehe u. a. Bauer: Reformen des öffentlichen Finanzmanagements in Österreich als Beitrag zu Good Governance, in: Bauer/Biwald/Dearing (Hrsg.), Public Governance – Öffentliche Aufgaben gemeinsam erfüllen und effektiv steuern, Wien und Graz 2005.

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