Öffentlich-private Partnerschaften und Konzessionen im europäischen Binnenmarkt

Öffentlich-private Partnerschaften und Konzessionen im europäischen Binnenmarkt

Unter diesem Titel veranstaltete der Rat der Gemeinden und Regionen Europas (RGRE) am 26. September 2006 in Brüssel ein Seminar, bei dem Erfahrungen über Kooperationen von Gemeinden mit Privaten ausgetauscht wurden. Über 50 Vertreter aus 15 Ländern, überwiegend Repräsentanten der Mitgliedsverbände, der Privatwirtschaft und der europäischen Institutionen, nahmen an der Veranstaltung teil.

 

Öffentlich-private Partnerschaften
Hintergrund der Veranstaltung war die Mitteilung der Europäischen Kommission vom 15. November 2005, in der sie ihre Schlussfolgerungen zur Konsultation zum Grünbuch über die Anwendung der Vorschriften zum öffentlichen Auftragswesen auf öffentlich-private Partnerschaften (ÖPPs) und Konzessionen publizierte. Diese hatte ergeben, dass die große Mehrzahl der Antworten sich gegen einen Rechtsrahmen aussprach, der festlegte, wie die Auswahl eines privaten Partners zur Gründung eines gemischtwirtschaftlichen Unternehmens (sogenannte Institutionalisierte ÖPPs; IÖPPs) erfolgen sollte. Daraufhin hatte die Kommission angekündigt, mit dem Instrument einer interpretativen Mitteilung vor Ende des Jahres 2006 darzulegen, wie sie gedenkt, die in Artikel 43 und 49 des EG-Vertrags verankerten Prinzipien (Transparenz und Nicht-Diskriminierung, Verhältnismäßigkeit und gegenseitige Anerkennung) auf ÖPPs anzuwen-
den.
Nicht zuletzt mehrere Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in jüngster Zeit haben den Wunsch nach Klarheit auf Seiten der Kommunen verstärkt. Der EuGH legt sogenannte „In-house“-Vergaben an Unternehmen mit Beteiligung privater Kapitalgeber sehr restriktiv aus und hält die Anwendung der Vergaberichtlinien in diesen Fällen für erforderlich.

Interkommunale Zusammenarbeit
Gewissermaßen als „Nebenprodukt“ ist die interkommunale Zusammenarbeit ebenfalls in das Blickfeld der Europäischen Kommission geraten. Auch hierzu hat der RGRE – und zwar bereits im September 2005 – in Brüssel ein Seminar durchgeführt. Die Kommission unterscheidet dabei zwischen der Delegation und der (vollständigen) Übertragung einer Aufgabe und vertritt die Auffassung, dass die Delegierung einer Aufgabe von einer Kommune an eine andere eine Auftragsvergabe (Kriterium: Dienstleistung gegen Bezahlung) darstellt und daher eine öffentliche Ausschreibung zu erfolgen habe.
Bei der vollständigen Übertragung einer Aufgabe an eine andere Kommune oder an eine selbständige Einheit (z. B. an einen Zweckverband) scheint die EU-Kommission hingegen bereit zu sein, diese unter bestimmten Bedingungen als Organisationsform zu akzeptieren, für deren Beauftragung keine Ausschreibung erforderlich ist.

Konzessionen
Zu Konzessionen hatte die Grünbuch-Konsultation ergeben, dass sich eine Mehrheit der Betroffenen für mehr Rechtssicherheit aussprach. Dienstleistungskonzessionen (Übertragung einer Aufgabe samt den damit verbundenen Ausgaben und Einnahmen, bei denen der Auftragnehmer das volle wirtschaftliche Risiko trägt) sind vom Anwendungsbereich der Richtlinien zum öffentlichen Auftragswesen ausgenommen, unterliegen jedoch ebenfalls den Grundsätzen des EG-Vertrages.
Die von der Kommission im Jahr 2000 veröffentlichte Mitteilung (Amtsblatt C 121 vom 29. 4. 2000) hatte nicht die beabsichtigte Wirkung erzielt.
Die Europäische Kommission kam zu der Feststellung, dass derzeit kein Bewusstsein vorhanden ist, dass Dienstleistungskonzessionen nach geltendem Gemeinschaftsrecht öffentlich ausgeschrieben werden müssen. Daher kommt sie zu dem Schluss, dass eine gesetzgeberische Initiative die beste Lösung darstelle. Allerdings lässt sie das Vorgehen bis zum Jahresende 2006 durch eine umfassende Analyse klären.

Praktische Erfahrungen mit PPPs
Erfahrungen mit vertraglichen öffentlich-privaten Partnerschaften wurden von drei verschiedenen Seiten vorgestellt.

Großbritannien
Die Situation im Vereinigten Königreich wurde von Rob Hann präsentiert. Er ist Direktor von 4ps, einer Einrichtung, die speziell Kommunen bei der Finanzierung, Entwicklung, Ausschreibung und Durchführung von öffentlich-privaten Partnerschaften, komplexen Projekten und Vorhaben berät (www.4ps.gov.uk). Seine Ausführungen konzentrierten sich auf „PFIs“: privat finanzierte lokale Projekte, die in den vergangenen Jahren von der britischen Regierung initiiert wurden. Derzeit werden 150 Projekte umgesetzt, die mit einem Volumen von rund 412 Millionen Euro Infrastrukturmaßnahmen und Freizeiteinrichtungen (rund 30 Millionen Euro) durchführen. Generell seien die Erfahrungen positiv und die Kommunen mit den Ergebnissen zufrieden. Verbesserungen seien jedoch in den Bereichen der Vertragsausgestaltung, der Zahlungsmechanismen, des Vertragsmanagements, der Bewertung und des Benchmarks durchaus noch möglich. 4ps arbeitet daran, standardisierte Verfahren zu entwickeln und die verschiedenen Bereiche (Finanzierung, Rechtsberatung, technische Beratung etc.) zusammenzufassen. Das Programm der britischen Regierung zur Steigerung der Effizienz werde den Druck auf die Kommunen verstärken, sich nach kostengünstigen Dienstleistungen umzusehen.

Lettland
Die Erfahrungen in Lettland mit ÖPPs und Konzessionen sind noch sehr jung, wie Mudite Priede, Finanz- und Wirtschaftsberaterin des lettischen Kommunal- und Regionalverbandes, berichtete. Die nationale Regierung befürwortet die Gründung von ÖPPs und plant eine Reihe von unterstützenden Maßnahmen. So wird z. B. eine Vorstudie erstellt, die potenzielle ÖPPs hinsichtlich ihrer Ausgestaltung und Finanzierung überprüfen sowie ein Modell für das Management von ÖPPs und Standardverträgen erarbeiten soll. Zu Konzessionen wurde ein Gesetz verabschiedet, das sich weitgehend an der Mitteilung der Kommission aus dem Jahr 2000 orientiert.

Privater Sektor
Jean-Claude Banon von der Veolia Umweltgruppe betonte, dass es stets die Kommunen seien, die entscheiden, ob sie eine Dienstleistung selber oder im Rahmen eines gemischt-wirtschaftlichen Unternehmens erbringen wollen oder ob sie es an einen Dritten vergeben möchten. Vor der Einrichtung einer ÖPP müsste die Kommune genau ihre Bedürfnisse definieren und den privaten Partner im Rahmen eines transparenten und wettbewerblichen Verfahrens auswählen. Für die Zukunft der ÖPPs in Europa hält Herr Banon eine Klärung des Rechtsrahmens für erforderlich und plädierte für einen pragmatischen Ansatz, der die Besonderheiten von Konzessionen berücksichtigen müsse.

Deutschland
In Deutschland – so Andrea Max-Haemel, Abteilungsleiterin „Beteiligungsmanagement“ der Stadt Heidelberg – waren nach einer Umfrage im Jahr 2003 Private an ca. 28% der kommunalen Unternehmen beteiligt, und diese Beteiligungen erstrecken sich auf sämtliche Bereiche der kommunalen Aufgaben. Neben den bekannten Vorteilen von ÖPPs – flexible Aufgabenerledigung, strategische Partnerschaften, Einbringen von Know-how, Steigerung der Effizienz – seien jedoch die Risiken nicht zu unterschätzen. Diese lägen vor allem in den hohen Transaktionskosten, der Einschränkung der Inhouse-Vergabe und der Anpassung an Veränderungen. In der Praxis habe sich auch gezeigt, dass die Abstimmung der Partner manchmal schwierig ist und am besten frühzeitig ein Verfahren zum Konfliktmanagement vereinbart wird. Auch auf Seiten des öffentlichen Partners müssen Anpassungen in der Verwaltung vorgenommen werden.

EIB – Erfahrungen mit ÖPPs
Erfahrungen durch die Finanzierung von großen ÖPPs hat auch die Europäische Investitionsbank (EIB), wie Nicholas Jennet vom „structured finance & advisory department“ der EIB vorstellte. Vor allem große Infrastrukturprojekte, aber auch Investitionen in den Bereichen Umweltschutz, Gesundheit und Bildung finanziert die EIB durch ihre besonders günstigen Konditionen. Die strenge und umfassende Prüfung eines geplanten ÖPPs böte den Investoren Sicherheit und Aussicht auf Erfolg.

Öffentlich-öffentliche Partnerschaften
Zwei Beiträge widmeten sich den öffentlich-öffentlichen Partnerschaften (ÖÖPs): Norbert Portz, Beigeordneter des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB), stellte die interkommunale Zusammenarbeit als Hauptform der ÖÖP vor, und Britt Vonger, Hauptberaterin des Verbandes der dänischen Kommunen und Vorsitzende der RGRE Arbeitsgruppe „public services and procurement“, präsentierte Formen der öffentlichen Kooperation in Dänemark.

Deutschland und Dänemark
Wie in vielen europäischen Ländern, so gibt es in Deutschland eine lange Tradition gemeindlicher Zusammenarbeit, und in Zukunft sei mit einem Bedeutungszuwachs zu rechnen. Die finanzielle Situation der Kommunen und die demografische Entwicklung fördere Zusammenarbeit und ein Erschließen von Preiseinsparungen. Zunehmend geraten die verschiedenen rechtlichen Formen der interkommunalen Zusammenarbeit in Deutschland durch die europäische und nationale Rechtsprechung unter Druck, was die Unsicherheit bei den Kommunen erhöht. Daher fordern die deutschen kommunalen Spitzenverbände eine rechtlich verbindliche Lösung auf europäischer Ebene, wonach interkommunale Zusammenarbeit als reine kommunale Aufgaben- und Zuständigkeitsübertragung und als verwaltungsinterner Organisationsakt anerkannt und vom Anwendungsbereich des Vergaberechts ausgenommen wird. Die zu erfüllenden Voraussetzungen hierfür seien, dass keine Privaten beteiligt sind oder eine Öffnung für Private beabsichtigt wird, die Aufgaben ausschließlich mit eigenen personellen und sachlichen Mitteln erbracht werden und die Aufgaben im Wesentlichen für die Kommunen erbracht werden, die ihre Aufgabe bzw. Zuständigkeiten übertragen haben. Die Gründe und die Formen der kommunalen Zusammenarbeit sind in Dänemark ähnlich wie in Deutschland. Allerdings gibt es eine staatliche Regulierungsbehörde, die den Zusammenschluss genehmigen muss. Voraussetzung ist die Übertragung eines Teils der Kompetenzen der Kommune, wobei bestimmte Zuständigkeiten davon ausgenommen sind.

Österreich
Friedrich Slovak zeichnete ein umfassenderes Bild und stellte ÖPPs und Konzessionen in den Kontext des gemeinsamen Binnenmarkts und der Liberalisierung bestimmter Sektoren. Mit dem Hinweis auf das Subsidiaritätsprinzip und die lokale Selbstverwaltung plädierte er für die Gestaltungsfreiheit der Kommunen, die – unter Einhaltung des Örtlichkeitsprinzips – sich auch wirtschaftlich betätigen können. Allerdings hätten sich die Rahmenbedingungen für die Kommunen in den letzten 15 Jahren sehr verschärft, seitdem nämlich die Verwirklichung des Binnenmarktes und der freie und ungehinderte Wettbewerb primäres Ziel der EU sind. Dadurch würden die öffentlichen Unternehmen grundsätzlich den privaten Unternehmen gleichgestellt und den Wettbewerbsregeln unterworfen, und hier beginne das Problem für die Gemeinden, die zwischen den Anforderungen nach Wirtschaftlichkeit und Transparenz bei sinkenden Steuereinnahmen aufgerieben würden.
Die am stärksten betroffenen Bereiche seien in Österreich die kommunalen Ver- und Entsorgungsbereiche wie Müllabfuhr, Wasserver- und Abwasserentsorgung. Die Gemeinden sind ständig gefordert, sich den veränderten Rahmenbedingungen anzupassen. Zunächst wurden gemischtwirtschaftliche Unternehmen gegründet, was jedoch zu den bekannten Vertragsverletzungsverfahren geführt und eine Zurückhaltung in den letzten Jahren zur Folge gehabt habe. Infolgedessen stieg das Ausmaß der interkommunalen Zusammenarbeit unter verschiedenen vertraglichen Formen.
Im Hinblick auf die von der Kommission aufgeworfenen Fragen zur Anwendung des Vergaberechts auf die Gestaltung von ÖPPs und Konzessionen seien die Erfahrungen mit dem wettbewerblichen Dialog noch nicht ausreichend, um feststellen zu können, ob dieser ein geeignetes Verfahren bietet, den privaten Partner zu finden. Generell müsse eine europäische Regelung ausreichende Flexibilität vorsehen, um den Vertragspartnern Gestaltungs- und Handlungsspielraum zu lassen.

Keine Marktsituation
Dieser Meinung schlossen sich auch die Teilnehmer der Podiumsdiskussion an, die im abschließenden Teil der Veranstaltung erörterten, wie es nun auf europäischer Ebene weitergehen könnte. Jeremy Smith, Generalsekretär des RGRE, unterstrich, dass sich die Kommunen mit ihren Dienstleistungen nicht in einer Marktsituation befänden, sondern ihre Aufgaben gegenüber den Bürgern erbrächten. Der Generalsekretär des europäischen Verbandes öffentlicher Unternehmen (CEEP), Rainer Plassmann, plädierte für einen europäischen Rechtsrahmen für Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, in dem auch die Anwendung der Binnenmarktregeln auf ÖPPs, interkommunale Zusammenarbeit, Konzessionen und Inhouse-Vergabe geregelt werden sollte.

Kontrollverlust vermeiden
Chantal Duchène, Direktorin des Verbandes der öffentlichen Verkehrsdienste in Frankreich, verwies auf die langjährige Erfahrung mit ÖPPs im Verkehrssektor in ihrem Land. Sie hielt es für absolut notwendig, dass die öffentlichen Partner die Aufgaben klar definierten und die Kontrolle über die Dienste behielten. Andernfalls sei das Risiko zu groß, dass das Know-how verloren geht und die Einnahmen nicht für Investitionen genützt würden, sondern als Gewinn an die Anteilseigner ausgeschüttet würde. Es sollte verhindert werden, dass öffentliche Monopole durch private Monopole einiger internationaler Unternehmen ersetzt würden. Claude Banon, der sich als Vertreter des europäischen Unternehmerverbandes UNICE an der Diskussion beteiligte, stimmte den Vorrednern zu, dass eine Klärung erforderlich sei, allerdings müsse dies nicht durch ein Gesetz erfolgen. Die Situation in den Mitgliedstaaten sei so unterschiedlich und es müsste eine gewisse Flexibilität bei der Umsetzung in den Ländern möglich sein, die auch Entwicklungen einer ÖPP oder einer Konzession über viele Jahre hinweg berücksichtigen könne.

Mitteilung zu institutionalisierten ÖPPs
Florian Ermacora von der Generaldirektion Binnenmarkt der Europäischen Kommission erläuterte zum Abschluss die Auffassung seiner Dienststelle, die gegenwärtig eine Mitteilung zu institutionalisierten ÖPPs erarbeitet und darin darstellen wird, wie die Prinzipien des EG-Vertrages anzuwenden seien. Die Mitteilung werde sich inhaltlich an den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs orientieren. Hinsichtlich der Konzessionen befürworte die Kommission eine Gesetzesinitiative, warte aber die Prüfung ab, die derzeit erstellt wird. Mit einer Kommissionsentscheidung sei Mitte des kommenden Jahres zu rechnen und allenfalls mit einem Gesetzesvorschlag Ende 2007. Zu den öffentlich-öffentlichen Kooperationen wird sich die Kommission um eine ausgewogene Lösung bemühen und diese eventuell in der Mitteilung zu den IÖPPs klären.
Die Vertreter der Mitgliedsverbände des RGRE waren sich einig in der Auffassung, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Mitteilung der Kommission zu IÖPPs und die Prüfung hinsichtlich einer Lösung für Konzessionen abgewartet werden soll. Man sei hinsichtlich der Konzessionen nicht für eine Gesetzesinitiative, allerdings – wenn die Kommission einen Vorschlag erarbeiten werde – müsse dieser den Erfordernissen der Praxis gerecht werden.

Städtebund-Linktipp:
www.ccre.org

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