„Man muss Städte und Gemeinden an der guten Wirtschaftslage teilhaben lassen“

„Man muss Städte und Gemeinden an der guten Wirtschaftslage teilhaben lassen“

2002 ist Hilde Zach dem heutigen Tiroler Landeshauptmann Herwig van Staa als Bürgermeisterin von Innsbruck nachgefolgt. Im ÖGZ-Gespräch thematisiert die Vorsitzende der Liste „Für Innsbruck“ die budgetäre Situation der Tiroler Landeshauptstadt, die großen anstehenden Kommunalprojekte (Kaufhaus Tyrol, Regionalbahn, Messe Innsbruck) und bricht eine Lanze für gelebte Integration.

 

ÖGZ: Frau Bürgermeisterin, wir befinden uns derzeit in ganz Österreich in der heißen Phase der Stadt- und Gemeindebudgeterstellung. Was sind Ihre Ziele bei der Budgeterstellung für die Stadt?

Bürgermeisterin Hilde Zach: Prinzipiell zum Budget kann ich sagen, mein Eintritt in die Politik vor 13 Jahren war eng mit der Sanierung des Innsbrucker Stadtbudgets verbunden, weil nichts ist fader für einen Politiker, wenn er Schulden verwalten muss. Ein aktuelles Beispiel zur Illustration: Freiburg im Breisgau, eine der ältesten Innsbrucker Städtepartnerschaften – Bürgermeister-Kollege Dieter Salomon von den Grünen hat die Stadtregierung übernommen und musste feststellen, dass die Stadt zwar an sich ganz gut aufgestellt ist, aber nur wenige Reserven hat und unter Kuratel gestellt ist. Das heißt, man kann jedes Jahr lediglich darauf abzielen, dass man die Zinsen für die Kommunaldarlehen aufbringt, aber gestalten kann man nicht. Jetzt wurde in Freiburg der Vorschlag gemacht – mit einer großen Mehrheit im Gemeinderat –, das Letzte zu verkaufen, was die Stadt an Vermögenswerten aufzuweisen hat, nämlich 8.000 kommunale Wohnungen. Aufgrund des Drucks aus der Bevölkerung wird nun ein Volksentscheid verlangt. Kollege Salomon hat mir gesagt, dass er bei einem negativen Volksentscheid gegen den Gemeinderatsbeschluss abtritt. Worauf will ich hinaus? Als Innsbrucker Finanzreferentin bin ich bei der jetzigen Budgeterstellung ganz energisch darauf bedacht, dass wir keine Neuverschuldung machen. Wenn wir eine Verschuldung machen, muss das im Budget angekündigt werden – immer mit dem Hintergedanken, dass wir es nicht haben, sondern dass es sozusagen wie ein Menetekel über unseren Köpfen schwebt. Es geht darum, sparsam zu wirtschaften und zu schauen, ob nicht doch die Einnahmen höher sind als vorgesehen bzw. sich die Ausgaben niedriger als vorgesehen entwickeln. Auf diese Weise ist es bis jetzt auch ganz gut gegangen.

ÖGZ: Die Kommunalbudgets können zumindest seitens des Ertragsanteileaufkommens derzeit etwas entlastet werden.

Zach: Ja, es geht auch darum, dass wir mit Hilfe des Städtebundes schauen, dass die Städte und Gemeinden bei der allgemeinen besseren wirtschaftlichen Lage nicht auf der Strecke bleiben, sondern daran partizipieren. Es wird immer wieder als Killerargument ins Treffen geführt: „Was wollt ihr, es geht ohnehin allen besser, aber bei euch bleibt weniger.“ Ja, in den Städten bleibt an zu finanzierenden Aufgaben mehr, an Geld weniger. Die alte Stoßrichtung für eine bessere Finanzausstattung der Kommunen, die wir immer mit dem Generalsekretär verfolgt haben, die muss aber auch bei diesen veränderten Umständen in jeder Art und Weise erhalten bleiben. Wir gehen in der Landesgruppe Tirol des Städtebundes damit auch mit dem Gemeindeverband d’accord, wir gehen hier ganz energisch vor. Ich hoffe, dass wir das Schauspiel vermeiden können, dass uns der Bund in der Arena kämpfen lässt. Vielmehr müssen wir bei den Finanzen im Finanzausgleich wieder gemeinsam antreten und in einer zweiten Runde unter uns die Aufteilung ausdividieren.

ÖGZ: Wenn Sie in das Innsbrucker Stadtbudget schauen, welcher Bereich macht Ihnen Sorgen?

Zach: Die Sorgen sind zum Beispiel bei der Verkehrsentwicklung gegeben. Hier ist Innsbruck ja in einer besonderen Situation. Die Schwelle der Bereitschaft Verkehrsbelästigung zu ertragen sinkt. Und der Verkehr nimmt ständig zu. Wir haben derzeit zwei kritische Positionen. Zum einen mit der ÖBB in der sogenannten Konzert-Kurve, wo durch nicht sachgerechte Maßnahmen der ÖBB der Lärmpegel gestiegen ist, während das Gegenteil beabsichtigt war. Jetzt ist die Reparatur sehr viel teurer, schwieriger und politisch mit sehr vielen Ärgernissen verbunden. Ich denke weiters an die schwierige Situation in Zusammenhang mit der ASFINAG im Bereich von Amras, weil dort über Jahre de facto übersehen wurde, dass hier ein nicht unerheblicher Teil des dörflichen Kerns sehr nahe an der Inntalautobahn liegt. Das vorgeschlagene Lärmschutzprojekt würde eine Investition von 10 Millionen Euro bedeuten, die natürlich nicht die ASFINAG tragen will, dazu kommt die Kompetenzzersplitterung bei der ASFINAG, die eine Problemlösung erschwert. Das sind einmal zwei Dinge, die uns lokal derzeit bewegen, mit entsprechenden budgetären Folgen.

ÖGZ: Öffentlicher Verkehr und die Innenstadtentwicklung sind landauf, landab kommunale Dauerbrenner. Wie sieht es damit in Innsbruck aus?

Zach: Tatsächlich, der öffentliche Verkehr ist auf Schiene, im wahrsten Sinn des Wortes. Hier bin ich im Gemeinderat breit unterstützt worden. Es gibt noch eine Schwierigkeit mit der damit verknüpften Regionalbahn, wo jetzt die Umlandgemeinden gefordert sind, die zwar schon eine Regionalbahn wollen, aber nichts dafür zahlen möchten. Hier muss aber das Land den Ausgleich schaffen, wie es dies immer tut. Ansonsten sind wir derzeit mit dem „Innenstadtprojekt der Zukunft“ beschäftigt, das noch nicht fertig, sondern in Planung ist und jetzt die Akzeptanz der Bevölkerung finden muss. Es ist das „Kaufhaus Tyrol“, das sich über 6 bis 7 Objekte erstreckt, die derzeit in bester Innenstadtlage brachliegen. Es war mit langer Vorbereitung und Studien verbunden, wie man hier zusätzliche Käuferströme auslöst. Denn es muss etwas Zusätzliches sein, sonst wird ja nur der vorhandene Kuchen neu verteilt, das kann es nicht sein. Das hat dann seine Auswirkung in der Fassadengestaltung in der Maria-Theresien-Straße. Wo die Wogen relativ hoch gehen, denn das Siegerprojekt ist schon vom Volksmund als Schweizerkäse bezeichnet worden. Darauf muss man eingehen, es ist alles zu erklären. Architektur ist in unserer Stadt eine Qualitätsmerkmal erster Güte geworden, wodurch wir uns auszeichnen. Beim Kaufhaus Tyrol sollen an die 700 Arbeitsplätze neu entstehen, mit einem Investitionsvolumen von 120 Millionen Euro. Der Wirtschaftsstandort ist wichtig, damit wir den sozialen Standard wahren können. Das ist immer mein Credo gewesen, weil die einen immer mehr vom Sozialen reden und die anderen mehr von der Wirtschaft. Im Grunde genommen hängt aber beides eng zusammen. Wenn wir das nicht erwirtschaften, können wir all das, was sich die Bürgerinnen und Bürger wünschen und was auch erforderlich ist, nicht umsetzen.

ÖGZ: Die Innsbrucker Herbstmesse ist gerade zu Ende gegangen. Wie geht es dort weiter?

Zach: Wir planen für nächstes Jahr den Ausbau der Messe. Und zwar am innerstädtischen Standort. Das war auch lang die Frage, ob man die Messe vom Standort her auslagern soll. Ich habe mich immer vehement dagegen gewehrt. Mit diesem Ausbau wird ja nichts anderes getan, als die Belastungen, die diese Messe im innerstädtischen Bereich bringt, abzufangen. Durch die Schaffung neuer Parkplätze in einer Quartiersgarage, wo im Untergeschoß ebenfalls ein innerstädtisches Problem, nämlich der Campingbus-Tourismus, geregelt wird. Das ist mir sehr wichtig, weil diese Campingbusse derzeit ein eher wildes Dasein in der Innenstadt führen – mit allen Belastungen. Aber das ist gerade ein Teil des Tourismus, der bei einer älteren Bevölkerung beliebt ist, das sind durchaus zahlungskräftige und interessante Gäste in der Innenstadt. Diese Gäste würden wir damit auch abdecken, sie finden dann Waschräume oder sanitäre Angelegenheiten gegen entsprechende Gebühren vor. Dieses Geld für das Innenstadtprojekt Messe nehmen wird in die Hand, das sind fast 30 Millionen Euro, die hier Messe, Land und Stadt verbauen. Was weiter eine Abrundung unseres Wirtschaftsstandortes ist, weil der Städtetourismus natürlich die Wirtschaftskraft stärkt. Das brauchen wir in der Zukunft. Wir brauchen nicht jammern, wir werden die Veränderungen „packen“. Wir müssen nur schauen, dass nichts aus dem Ruder läuft.

ÖGZ: Wie haben Sie in Innsbruck die Debatten zur Nationalratswahl erlebt?

Zach: Es ist mir bei der ganzen Wahlauseinandersetzung vor allem dieses Auseinanderdividieren der Menschen, die zu uns zuwandern, negativ aufgefallen. Da muss man differenzieren. Es gibt Menschen, die aus welchen Gründen auch immer kein Bleiberecht haben, und Menschen, die hier arbeiten und die hierbleiben wollen, die hier eine Familie gründen wollen, die ihre Kinder zu uns schicken. Es geht darum, dass wir diese Aufgabe mit den nötigen Begleitmaßnahmen unaufgeregt erledigen. Was ich nicht will, ist dieses Theater rund um Menschen mit einem anderen Religionsbekenntnis als jenem der Mehrheitsbevölkerung. Wir müssen darauf aus sein, dass gegenseitig hier keine Animositäten geweckt werden, sondern vielmehr Verständnis. Wir müssen darauf abzielen, dass in der Gesellschaft Ängste abgebaut werden. Wir brauchen diese Menschen. Die hier arbeiten und die sich anständig verhalten, so wie sich alle unsere Bürgerinnen und Bürger vernünftig benehmen müssen. Da müssen wir gemeinsam vorgehen und diese Menschen auch so gemeinsam behandeln.
Ich möchte ein Beispiel für den interreligiösen Dialog ansprechen. Ich habe eine Kirche in Innsbruck, deren Kloster aufgelöst wurde und neu gebaut wurde. Es ist die einzige Klostergründung seit vielen Jahren in Österreich. Die Kirche, die an sich gut in Schuss war, aber von den Schwestern aufgelassen wurde, weil sie eine andere haben. Dort habe ich mich für den Erhalt des Gebäudes eingesetzt. Ich habe mit den anderen Religionsgemeinschaften geredet und siehe da: Die Kirche wird von den Griechisch-Orthodoxen und den Russisch-Orthodoxen genützt. Die muslimische Gemeinde hat dort einen Gebetskreis. Die geben sich gegenseitig den Schlüssel in die Hand. Sie haben in den Räumlichkeiten alles entfernt, was religionsspezifisch ist. Nach außen ist es eine christliche Kirche, nach innen wird sie interreligiös genützt. Wer meint, dass das eine Gefahr ist, muss nur selber dafür sorgen, dass seine Glaubensgemeinschaft entsprechend vertreten ist und nicht groß über die anderen reden.

ÖGZ: Ich habe noch zwei wichtige Punkte, nämlich die schulische Nachmittagsbetreuung und den Bereich der Pflege und Altenbetreuung.

Zach: Wir sind in Innsbruck im Bereich Nachmittagsbetreuung und Pflege eigentlich vorbildlich. Ich war lange genug für diese Ressorts politisch verantwortlich. Das Land Tirol hat bei der Nachmittagsbetreuung wirklich ein Problem, weil sie in vielen Gemeinden nicht gewünscht wird oder es schlicht zu wenige angemeldete Kinder gibt. Für die Stadt Innsbruck kann ich sagen, dass die Nachmittagsbetreuung äußerst qualitätsvoll unter der Ressortverantwortung von Stadträtin Oppitz-Plörer angeboten wird. Wir haben eigene Räume zur Verfügung gestellt, das ist wichtig, nicht die Schulräume! Andere Räume, die farblich fröhlich sind, wo es Spielmöglichkeiten gibt, eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung in der beaufsichtigten Hausaufgabenzeit. Es gibt viele Kinder, die das für sich ganz alleine machen. Mit dem Mittagstisch, den wir überall anbieten, und mit der Jause nachmittags. Die Kinder erleben in Betreuung die Gemeinschaft, in eigenen Räumen, meistens mit einem Garten dabei. Die Eltern empfangen die Kinder dann mit der fertigen Aufgabe zu Hause, zudem wird für die Verpflegung Sorge getragen.
Durch die Beiträge werden 40% der Kosten abgedeckt. Bei jenen, die es sich leisten können, gehen wir in Richtung einer größeren Kostenbeteiligung, wodurch es möglich ist, dass wir auf der anderen Seite bis auf Null gehen. Damit ist die soziale Treffsicherheit gewährleistet. Da lege ich einfach großen Wert darauf. Das ginge meiner Meinung nach bei den Studiengebühren auch so. Man kann nicht alles über einen Kamm scheren. Das möchte ich auch bei den Kindergärten, über 40% zahlen ja überhaupt nichts durch die Kindergartenstaffel.

ÖGZ: Die Frage der Leistbarkeit steht auch bei der Pflegedebatte im Vordergrund.

Zach: Bei der Pflege habe ich Sorge, ob wir diese Qualitätsstandards aufrechterhalten können, wie wir sie in Innsbruck erreicht haben. Ich nenne als Beispiel das Heim St. Joseph, mit 25 neuen Betten und der Infrastruktur dazu. Mit neuer Wäscherei, neuer Küche, das hat schon einmal an die 6 Millionen Euro gekostet und das ist wohl in Zukunft in dieser Art und Weise nicht zu finanzieren. Ich bin deshalb für diese Pflegediskussion sehr dankbar gewesen. Auch für die Bezugnahme auf die Betreuung durch illegal beschäftigte Kräfte. Ich würde sagen, das hat sich der Markt, sprich die Menschen, selber geregelt. Und solange jene, die betreuen, so zufrieden sind, weil es wesentlich besser ist als das, was sie für die gleiche Arbeit in ihren Herkunftsländern bekommen, und jene, die sie anstellen, weil sie sich das gerade noch leisten können, solange also beide Teile damit zufrieden sind, soll sich die Bundespolitik gefälligst etwas einfallen lassen, ohne die einen wie die anderen zu diskriminieren. Oder wir haben eine Regelung, wo wir sagen, unsere bestausgebildeten Leute sind leistbar für unsere Menschen. Das sehe ich aber nicht. Ehrlich gesagt: Was die Menschen bei diesen Pflegerinnen am meisten schätzen und was erwartet wird, das ist ja nicht eine ausgebildete Pflegequalifikation, sondern das ist die Präsenz. Es geht darum, dass jemand da ist, der etwa mit der Mutter einkaufen oder spazieren geht oder in das Kaffeehaus oder mit ihr zu Hause sitzt und irgendetwas unternimmt. Das ist den Menschen sehr viel wert. Ich spreche hier aus eigener Erfahrung. Für das andere haben wir Sozialsprengel, wo die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr gut ausgebildet sind. Vizebürgermeister Eugen Sprenger hat schon frühzeitig auf diese Entwicklung hingewiesen und daher haben wir sehr viele Mittel dort bereitgestellt. Mittel aktiv verwenden, nachdem ein so großer Bedarf auf uns zukommt, wird dahingehend umgesetzt werden müssen, dass wir das Ganze leistbarer machen für sehr viel mehr Menschen. Die Senioren- und Altersheime von früher sind jetzt ausgesprochene Pflegeheime. Man muss das Älterwerden organisatorisch begleiten und das bedingt natürlich auch einen größeren Aufwand, der geleistet werden muss. Auch der alte Mensch, der alternde Mensch muss Anspruch auf Operationen haben, die ihm diesen letzten Lebensabschnitt erleichtern, der ohnehin schwierig genug ist. Es ist ein Abschiednehmen in jeder Beziehung. Also nicht so wie in England, wo es heißt: „Was, sie sind 70 Jahre alt und wollen eine neue Hüfte? Die können sie selber zahlen.“ Das ist eine Denkweise, die uns gänzlich fremd ist. Mir geht es um das Aktivieren der älteren Menschen, die viele wertvolle Leistungen für die Gemeinschaft erbringen können.

ÖGZ: Frau Bürgermeisterin, wir danken für das Gespräch.

Städtebund-Linktipp:
www.innsbruck.at

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