„Mir hat die Arbeit für Österreichs Städte Freude gemacht!“

„Mir hat die Arbeit für Österreichs Städte Freude gemacht!“

GS a.D. Dkfm. Dr. Erich Pramböck

 

40 Jahre arbeitete ich im Dienst einer umfassenden Stadtentwicklung, am Anfang mit den Schwerpunkten Wirtschaft, Arbeitsmarkt, Wohnen und Stadterneuerung in der Wiener Stadtverwaltung. Zuletzt war ich 19 Jahre als Generalsekretär des Österreichischen Städtebundes tätig – eine umfassende und herausfordernde Aufgabe.

Städtische Renaissance
Städte galten in den sechziger Jahren als fast hoffnungslose Sanierungsfälle, die der Abwanderung ins Umland praktisch ohne Gegenmaßnahmen ausgesetzt waren. Die Stadtkerne drohten zu veröden. In den siebziger und achtziger Jahren setzten kräftige Gegenbewegungen ein, getragen von massiven Infrastrukturinvestitionen in die öffentlichen Verkehrsmittel, der Erschließung von neuen Betriebsbaugebieten und Wohnflächen, der Erneuerung der vorhandenen Bausubstanz oder der Errichtung von Fußgeherzonen bei gleichzeitiger Förderung des Städtetourismus sowie nicht zuletzt durch den Ausbau der Universitäten und des Gesundheitswesens. Durch alle diese Maßnahmen haben die Städte wesentliche Impulse erhalten, sodass wir mit voller Berechtigung von einer städtischen Renaissance sprechen können. Die städtische Renaissance bezieht sich nicht nur auf die Großstädte, sondern umfasst heute praktisch alle zentralen Orte.

Positive Stadtentwicklung kein Zufall
Stadtentwicklung und Stadterneuerung sind keine Zufälle, sondern eine Kombination vieler Maßnahmen, wobei der Österreichische Städtebund durch den Erfahrungsaustausch in den Fachausschüssen, durch seine Publikationen, seine internationalen Verflechtungen – etwa mit dem Europarat, der OECD, dem Rat der Gemeinden und Regionen Europas (RGRE) oder dem Weltverband der Städte – sowie durch die Zusammenarbeit mit Forschungsinstituten, wie etwa dem WIFO oder dem KDZ, zu diesem Ergebnis beigetragen hat. Eine ganz zentrale Rolle spielt der Finanzausgleich, bei dem der Städtebund fast durchwegs positive Ergebnisse erzielen konnte.

Neue europäische Rahmenbedingungen
Die letzten zwei Jahrzehnte brachten für Österreichs Städte eine enorme Dynamik in den Rahmenbedingungen für ihre Entwicklung, nicht zuletzt durch die Ostöffnung und den EU-Beitritt.

Verankerung der Interessenvertretungen in der österreichischen Bundesverfassung
Das nach außen hin zunächst wenig sichtbare, aber unendlich wichtige Ereignis war ganz zu Beginn meiner Tätigkeit als Generalsekretär die Verankerung des Österreichischen Städtebundes und des Österreichischen Gemeindebundes in der Österreichischen Bundesverfassung (Artikel 115 Absatz 3 B-VG), wodurch eine europaweit nach wie vor einmalige Situation geschaffen wurde, dass Städte und Gemeinden gehört werden und ein anerkanntes Sprachrohr haben. Besonders wichtig ist, dass damit Städtebund und Gemeindebund als Partner in die Verhandlungen über den Finanzausgleich und alle wichtigen europäischen Fragen einbezogen werden.

Europaweit einmalige Rechtsstellung im Hinblick auf den EU-Beitritt
Die Bemühungen der österreichischen Bundesregierung, einen breiten Konsens für den Beitritt zur Europäischen Union zu erhalten, haben Anfang der neunziger Jahre dazu geführt, über Vorschlag des Österreichischen Städtebundes umfangreiche Informations-, Stellungnahme- und Nominierungsrechte für die beiden Bünde in die Bundesverfassung aufzunehmen (Artikel 23c und d B-VG). Gleichzeitig ist es gelungen, mit dem Bund eine Vereinbarung zu schließen, dass die beiden Bünde in der Ständigen Vertretung Österreichs bei der Europäischen Union verankert sind und damit direkten Zugang zu den EU-Institutionen haben.

Europäische Währungsunion
Ein weiterer wichtiger Schritt in der österreichischen kommunalen Erfolgsgeschichte war zweifellos die Einrichtung des sogenannten „Konsultationsmechanismus“, durch den übermäßige finanzielle Auswirkungen von neuen Bundes- und Landesgesetzen auf die Gemeinden vermieden werden sollen.

Maastricht-Ergebnis
Die österreichischen Städte halten – wenngleich unter beachtlichen Opfern im Bereich der kommunalen Investitionen – das von ihnen verlangte Maastricht-Nulldefizit durchaus ein. Sie sind die Einzigen in den letzten Jahren, die ihre Zielsetzung stets voll erfüllt haben. Dies zeugt vom hohen Verantwortungsbewusstsein der Entscheidungsträger in den österreichischen Städten und Gemeinden für gesamtwirtschaftliche Ziele.

Beitritt zur Europäischen Union
Der Beitritt Österreichs mit 66% Zustimmung erfolgte als Ergebnis einer guten Vorbereitung und dem Bemühen der österreichischen Bundesregierung, eine faire Partnerschaft zwischen Bund, Ländern und Gemeinden unter Einbeziehung der Sozialpartner umzusetzen.

Problemfall Getränkesteuer
Für eine böse Überraschung sorgte das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom März 2000 zur Getränkesteuer, das trotz vorangegangener Zusicherungen der Europäischen Kommission zu einer Abschaffung sowohl der Besteuerung alkoholischer als auch nicht-alkoholischer Getränke führte.
In der Zwischenzeit hat der Europäische Gerichtshof klargestellt, dass die Getränkesteuer auf alkoholische Getränke in der Gastronomie nie gemeinschaftsrechtswidrig war. Die Gemeinden wurden in dieser Hinsicht das Opfer einer zweimaligen Missinterpretation.

Gelebte Nachbarschaftspolitik
Die Öffnung der Ostgrenzen im Jahr 1989/1990 hat Österreich neue Chancen und Aufgaben gebracht. Der Österreichische Städtebund hat ab 1990 durch die Unterstützung der Städte und Gemeinden und ihrer Verbände in den Reformstaaten im Demokratisierungsprozess durch einen Know-how-Transfer wesentlich dazu beigetragen, dass auch der Beitritt unserer näheren und ferneren Nachbarn zur Europäischen Union wesentlich erleichtert wurde. Insgesamt haben mehr als 3.000 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie 20.000 Expertinnen und Experten österreichisches Kommunal-Know-how bei Besuchen in Österreich, bei Seminaren oder durch Beratungen vor Ort kennengelernt. LOGON war ein von 1998 bis 2004 durchgeführtes europaweit einmaliges Projekt, das gesamte Wissen über die Auswirkungen des EU-Beitritts den Kommunalverbänden in den neuen Mitgliedstaaten zur Verfügung zu stellen.

Europaweite Anerkennung der österreichischen Städte
Die Leistungen des Österreichischen Städtebundes und seiner Mitglieder sind europaweit anerkannt und haben in der Wahl von Bürgermeister Herwig Van Staa zum Präsidenten des Kongresses der Gemeinden und Regionen Europas beim Europarat in Straßburg und in der Wahl des Städtebund-Präsidenten Bürgermeister Michael Häupl zum Präsidenten des Rates der Gemeinden und Regionen Europas ihren Ausdruck gefunden.

Europäischer Verfassungsvertrag
Sollte – was zu wünschen ist – die Europäische Verfassung Wirklichkeit werden, so finden sich darin wesentliche Elemente der österreichischen Gemeindeselbstverwaltung mit umfangreichen Konsultationsrechten, die nicht zuletzt aufgrund des österreichischen Vorbilds auf europäischer Ebene verankert wurden.

Innerösterreichischer Erfahrungsaustausch, Publikationen
Der Österreichische Städtebund ist in den letzten Jahren in zunehmendem Maße dazu übergegangen, neben der regelmäßigen Erfahrungsaustauschtätigkeit in den rund 30 Fachausschüssen Sonderveranstaltungen zu Einzelthemen, wie etwa Vergabewesen, E-Government, interkommunale Zusammenarbeit oder Finanzierungsfragen, abzuhalten. Gleichzeitig ist die Österreichische Gemeinde-Zeitung (ÖGZ) zu einem umfassenden Städte-Magazin geworden. Wichtige Informationen werden auch über das Internet verbreitet.

Schwerpunkt Finanzen
Nach einer Durststrecke besonderer Art in der ersten Hälfte dieses Jahrzehnts ist es im Finanzausgleich 2005 gelungen, wieder mehr Mittel für die Städte und Gemeinden auszuverhandeln. Die Größenordnung von 100 Millionen Euro durch erhöhte Ertragsanteile und Finanzzuweisungen sowie durch Entlastungen im Spitalsbereich von etwa 150 Millionen Euro lässt sich auch mit den respektablen Ergebnissen der späten achtziger und frühen neunziger Jahre durchaus messen.

Neuer Generalsekretär Weninger aber 1. Dezember 2006
Den österreichischen Städten wünsche ich mit dem neuen Generalsekretär, Thomas Weninger, eine weitere erfolgreiche Entwicklung.
Mein persönliches Ziel für die nächste Zeit ist es, die Städte, für die ich mit Begeisterung gearbeitet habe, in ihrer Lebensqualität zu genießen.

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