Stadtentwicklung nach kybernetischem Muster

Stadtentwicklung nach kybernetischem Muster

„Was müssen wir tun, um unsere Stadt für Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und Gäste dauerhaft attraktiv zu machen?“ Die deutsche Stadt Werl ist im Jänner dieses Jahres einen ungewöhnlichen Weg gegangen, um diese Frage zu beantworten. Und erlebt seitdem eine völlig neue Dimension bürgerschaftlichen Engagements.

 

„Ich freue mich auf die Mitgestaltung der Zukunft unserer Stadt und werde ab heute mit anderen Augen durch Werl gehen!“ – „Ich bin fasziniert, dass so viele Projekte entstanden sind. Ich bin überrascht, in was für einer tollen Stadt wir leben!“ – „Ich bin begeistert, dass Menschen aus so vielen unterschiedlichen Bereichen und Generationen zusammen die Stadtentwicklung gestalten können. Ich habe meine Stärken erkannt, die ich nun für Werl einsetzen werde!“
Diese Zitate entstammen nicht den Tagträumereien eines Bürgermeisters zum Thema gesellschaftliches Engagement, sondern sind in Werl Wirklichkeit geworden. 41 Bürgerinnen und Bürger haben dort im Jänner während drei Tagen gemeinsam die Strategie der Stadt entwickelt und sind seitdem mit Fleiß und Begeisterung an der Umsetzung der gemeinsam beschlossenen Projekte.

Initiative von unten
Was für Unternehmen gilt, ist auch für Städte und Gemeinden relevant: Wenn echte Veränderung stattfinden soll, dann geht das nicht per Befehl von oben, sondern nur unter Einbezug der relevanten Schlüsselpersonen. Und zwar nicht nur aus Politik und Verwaltung. Sondern vielmehr aus allen gesellschaftlichen Bereichen und Gruppierungen. All denen, die an der Entwicklung und Positionierung einer Kommune mitarbeiten können und wollen.

„Das funktioniert nicht!“
Aber wie macht man das? Wie überzeugt man allen Unkenrufen und Kritikern zum Trotz dreißig, vierzig oder gar noch mehr Bürger davon, ein verlängertes Wochenende freiwillig und unbezahlt auf die Entwicklung der Stadtstrategie zu verwenden? Wie bündelt man das Wissen von Bürgermeister, Verwaltungsvertretern, Stadträten, Unternehmern, Schuldirektoren, Stadtplanern, der Frauenbeauftragten und dem Pastor derart, dass nach drei Tagen ganz konkrete Maßnahmen und Projekte entstehen, die dann vom Umsetzungswillen der Beteiligten weitergetragen werden? Und schließlich: wer bezahlt das alles?

Sponsoring 2.0
Wie für die meisten Kommunen in Deutschland ist auch für Jürgen Grossmann, den Bürgermeister der nordrhein-westfälischen Stadt Werl, der Begriff Haushaltskonsolidierung kein Fremdwort. Anstatt aber die Not zu beklagen, ist man in der rund 35.000 Einwohner zählenden Stadt ein „Joint Venture“ der ganz besonderen Art eingegangen. Auf Initiative der örtlichen Sparkasse wurde das renommierte Schweizer Beratungshaus Malik Management Zentrum St. Gallen nach Werl geholt, um Wissensvernetzung und Konsensbildung mithilfe der Methode Syntegration® zu ermöglichen. Die Sparkasse bezahlte auch das Seminarhotel für die Teilnehmenden und stellte aus den eigenen Reihen kompetente Moderatoren. „Wir haben das durchaus auch in unserem eigenen Interesse getan“, so der Vorstandsvorsitzende der Sparkasse, Joachim Gerenkamp: „Denn wenn es der Stadt gut geht, dann geht es auch der Bank gut!“

Synergie + Integration
Wenn 41 Personen in drei Tagen einen Konsens erreichen und umsetzbare Maßnahmen festlegen wollen, dann setzt dies einen strukturierten Prozess voraus. Die Syntegration stellt dafür eine dreidimensionale Kommunikationsarchitektur zur Verfügung. Am Anfang steht nur eine Eröffnungsfrage: „Was müssen wir tun, um unsere Stadt für Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und Gäste dauerhaft attraktiv zu machen?“ Daraus leiten dann die Teilnehmenden im sogenannten Relevanzfilter zwölf Teilthemen ab. Eine spezielle Software ordnet die Personen diesen Themen stärkenorientiert zu. Im weiteren Verlauf der Syntegration (Syn-ergie + In-tegration) wird dann jedes dieser Teilthemen je dreimal während einer Stunde bearbeitet. Und weil die Akteure dabei als Teammitglied, Kritiker und Beobachter auch noch drei unterschiedliche Rollen einnehmen, entstehen Kreativität, Dynamik und Begeisterung ganz von selbst.

65 Projekte
Um ein Netzwerk zwischen Wirtschaft, Kultur und Bildung ging es in der Syntegration, um Infrastruktur, Soziales, Familienfreundlichkeit und die eigene Identität. Auch die Finanzen waren ein Thema, genauso wie die Innovationskraft der Stadt und die Attraktivität der Stadt als Wirtschaftsstandort. 65 konkrete Projekte, Aktionen und Initiativen sind es in Summe geworden. Für die Umsetzung hat man sich ambitionierte Termine gesetzt, hinter jeder Maßnahmen steht einer der Beteiligten als „Kümmerer“. Über die Fraktionsgrenzen hinaus haben sich die Teilnehmenden mit den für die Stadt zentralen Fragen auseinandergesetzt, haben mit großem Engagement diskutiert, haben alte Konflikte beigelegt und Missverständnisse beseitigt.

„Das Feuer weitertragen!“
In der Verwaltung wurde eine Controllinggruppe eingerichtet, die die Nachverfolgung der Maßnahmen unterstützt und deren Umsetzung sicherstellt. Ein „Beirat“, bestehend aus Verwaltungsspitze und Sparkassenvorstand trifft sich regelmäßig zur Bestandsaufnahme. Die lokale Presse stellt mit nahezu täglicher Berichterstattung die Kommunikation in die Stadt sicher. Im Herbst werden sich alle Teilnehmenden wieder treffen, um die Umsetzung der Maßnahmen und den erfolgreichen Abschluss dieses ehrgeizigen Projektes zu feiern. „Wir haben uns tolle Ziele gesteckt“, so das Feedback einer Teilnehmerin am Ende der Syntegration. „Jetzt müssen wir das Feuer in unseren Herzen aufrechterhalten und weitertragen.“

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