Turn on! Schalt dich ein! Der Salzburger Jugendkongress im Fokus

Turn on! Schalt dich ein! Der Salzburger Jugendkongress im Fokus

Das Klischee: Jugendliche haben keinen Bock auf Politik … Über 450 interessierte „Youngsters“ bewiesen beim 3. Jugendkongress am 25. Oktober im Salzburger Kongresshaus das Gegenteil. Sie ließen sich die Gelegenheit nicht entgehen, Bürgermeister Heinz Schaden ihre Wünsche für mehr Beteiligung und eine jugendgerechte Mozartstadt zu präsentieren.

 

„Mitsprache und Mitbestimmung“
Derzeit leben rund 4.185 Mädchen und 5.248 Burschen im Alter zwischen 13 und 18 Jahren in der Stadt Salzburg. Für die Stadt ist es wichtig zu erfahren, wie die Jugendlichen ihre Stadt wahrnehmen und welche Ideen sie für Salzburg haben. Seit 2002 finden daher im Zweijahresrhythmus Jugendkongresse statt. Der erste JUKO stand unter dem Motto „Take off“ und etablierte den Kongress als breite Partizipationsplattform für junge Menschen, der zweite JUKO verfolgte das Thema „feel your city“. Konkrete Beispiele für Ergebnisse aus den ersten beiden Kongressen sind:

- Eine intensive Reinigung und Gestaltung der Salzachböschungen, die von jungen Leuten gerade im Sommer gerne als Treffpunkt (Chill-Out-Area) genutzt werden.
- Der Ausbau von mehr als zehn Beachvolleyball-Plätzen in Parks und Freibädern.
- Die Aktion „Sommerspaß“ ist eine flexible Form der Betreuung in den Sommerferien in der Stadt Salzburg.
- Im Rahmen der Skate Nights stehen die Straßen Salzburgs auf einer festgelegten Route Inlineskatern, Boardern, Radlern – eben jede und jeder, die/der Rollen an den Beinen hat – offen!
- Etablierung eines eigenen Jugendbereiches auf der Homepage der Stadt Salzburg.

Der 3. Jugendkongress der Stadtgemeinde Salzburg stand unter dem Motto „Mitsprache und Mitbestimmung“. Auf diese zwei Säulen stützt sich eine funktionierende Demokratie. Die Erfahrungen aus den ersten beiden Jugendkongressen zeigten, dass dieses Thema einen sehr hohen Stellenwert bei den Jugendlichen einnimmt, denn sie wollen aktiv an der Gesellschaft teilnehmen, in der sie leben. Im Bundesland Salzburg wagte man daher einen mutigen, aber richtigen Schritt: Das Wahlalter wurde auf Landes- und Kommunalebene auf 16 Jahre gesenkt, damit wurde einer Forderung der Jugendlichen nachgekommen. Dies ist ein starkes und eindeutiges Zeichen für mehr politische Mitbestimmung in Salzburg.

Mehr Mitsprache?
Jugendliche wünschen sich mehrheitlich mehr Mitspracherechte bei allen Aspekten ihres täglichen Lebens, wie z. B. Familie, Schule, Arbeit, Gruppenaktivitäten, Wohnviertel. Sie bringen damit zum Ausdruck, dass sie zu allen Fragen gehört werden wollen. Die Erfahrung zeigt zwar, dass die Beteiligung der unter 25-Jährigen bei Wahlen eher gering ist, es gibt jedoch zahlreiche Hinweise, dass Jugendliche ein lebhaftes Interesse am öffentlichen Leben haben. Eine Erklärung für diese Kluft zwischen den Erwartungen und der gelebten, demokratischen Praxis ist der Wunsch und das Bedürfnis nach verstärkter Einbeziehung.

Partizipation ist Lernprozess
Wenn Jugendliche sich beteiligen wollen, müssen sie auch bereit sein, bestimmte Schritte zu vollziehen. Sie müssen erkennen, dass gerade auf lokaler Ebene durch Partizipation konkrete, sichtbare und von ihnen kontrollierbare Veränderungen hervorgerufen werden. Dies ist ein Schritt, den Jugendliche in Salzburg durch die ersten Jugendkongresse bereits ansatzweise gemacht haben. Jungen Menschen wird dadurch Selbstvertrauen gegeben und sie erfahren gelebte Demokratie. Ein weiterer nötiger Erkenntnisschritt ist, dass es eine ganze Reihe von Angelegenheiten in höheren, den Jugendlichen fremden Entscheidungsinstanzen gibt, die Auswirkungen auf der lokalen Ebene haben und die Jugendliche auch spüren. Außerdem ermöglicht Partizipation den jungen Mädchen und Burschen, sich Fähigkeiten anzueignen, die in verschiedenen Bereichen, wie Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur und Politik gefragt und gerne verlangt werden (Stichwort: Social Skills). Nur so erkennen Jugendliche, dass sie als aktive Bürgerinnen und Bürger wahr- und ernst genommen werden. Durch Jugendbeteiligung haben Entscheidungsträgerinnen und -träger aus Politik und Verwaltung direkte Sensoren im Jugendbereich und können so früher Strömungen, Entwicklungen und Trends erkennen.

Warum Jugendkongress?
Die Stadt Salzburg wählte und wählt mit der projektbezogenen Form des Jugendkongresses einen anderen Weg. Sehr oft gibt es in Gebietskörperschaften die Form eines Jugendparlaments (Jugendgemeinderat etc.). Mehrere Gründe – die sich mittlerweile bewährt haben – sprechen für eine offene Form der Beteiligung: So spielt sich das gesellschaftspolitische Engagement häufig außerhalb der politischen Institution – wie Parteien oder Gewerkschaften – ab. Junge Menschen misstrauen den traditionellen politischen Strukturen einfach. Es gibt auch quantitative Entscheidungsgründe: So würden an einem Jugendgemeinderat in der Stadt Salzburg nur 40 Jugendliche teilnehmen. Allein bei den Vorbereitungsworkshops zum 3. JUKO nahmen über 500 und am Kongresstag selbst noch einmal mehr als 430 teil. Auch qualitative Gründe sprechen für das Modell „Jugendkongress“. Ein Jugendparlament bevorzugt und motiviert, gerade im rhetorischen Bereich, eher gut ausgebildete Jugendliche. Junge Menschen mit weniger Selbstvertrauen fühlen sich oft von diesen Modellen der Beteiligung ausgeschlossen.

Mitreden, Mitsprache und Mitbestimmung
Es geht darum, Jugendlichen neue Wahlmöglichkeiten zu bieten, neue Möglichkeiten, die einfach sind, die Chancen eröffnen, die Verantwortung verlangen, die ihnen Mitsprache einräumen und ihnen eine Stadtregierung geben, die ein offenes Ohr für ihre Bedürfnisse haben.
Ein starker Wunsch ist mehr Dialog zwischen Politik und Jugend. Hier nimmt zum einen das einfache Zuhören oder Anhören bei den Jugendlichen einen sehr hohen Stellenwert ein. Zum anderen herrscht auch die Bereitschaft, selbst aktiv zu werden, ob für die eigenen Anliegen Unterschriften zu sammeln oder verschiedenste Aktionen, um auf Anliegen oder Projekte aufmerksam zu machen. Einen weiteren wichtigen Platz, wenn Jugendliche sich Gehör verschaffen wollen, nehmen die öffentlichen Medien (Print- und elektronische) ein; nur wissen junge Menschen oft nicht, wie sie einen Kontakt herstellen können.

E-Mail ist von gestern
Für Jugendliche ist Partizipation mit Information untrennbar verbunden. Für die Stadt Salzburg heißt das, dass neue Formen der Kommunikation gefunden werden müssen, um mit den Jugendlichen direkter in Kontakt zu treten. Studien zeigen, dass etwa E-Mail eine Kommunikationsform von gestern ist! Kommuniziert wird von vielen Mädchen und Burschen über Textbotschaften, sei es mit dem Handy oder einem Instant Messenger, sowie in Blogs oder Plattformen wie MySpace oder Facebook. Die Kommunikationsformen der Jugend halten auch Einzug in die normale Arbeitswelt.

Gute Vorbereitung
Als Vorbereitung zum 3. Jugendkongress haben 33 Workshops in Schulen (Hauptschulen, Polytechnischer Lehrgang und Gymnasien) und Jugendeinrichtungen im Zeitraum von April bis Juni 2006 stattgefunden. Die Workshops gliederten sich in mehrere Teile. Zum Einstieg stellten die Moderatorinnen und Moderatoren (Jugendkoordination und Akzente Salzburg) die Stadt, den Magistrat und den 3. Jugendkongress vor. In einer zweiten Runde wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aufgefordert, auf Zuruf kurz zu schildern, was ihnen an der Stadt Salzburg gut gefällt, welche Angebote sie gerne nutzen, aber auch, was ihnen weniger gut gefällt. Danach setzte man die Arbeit in Kleinstgruppen (3–6 Jugendliche) fort. In den Gruppen beschäftigten sich die Jugendlichen damit, wie sie die von ihnen gewünschten und vorgeschlagenen Projekte am besten umgesetzt haben wollen und wie sie sich dafür Gehör verschaffen könnten. Sie sollten konkretisieren, welche Modelle der Jugendbeteiligung für sie vorstellbar sind. Die Ergebnisse wurden allen präsentiert. In einer „Abstimmung“ wählten sie die besten Modelle aus. Die Workshops zeigten sehr deutlich, dass eine wichtige Aufgabe darin zu bestehen hat, den Magistrat als „Apparat“ und Institution greifbarer zu machen. Sehr oft kam in den Workshops die Aussage: „Damit gehen wir zum Magistrat!“ Auf die Fragen, wohin und was sie da tun wollen, kam schon seltener eine Antwort. Am ehesten noch setzen Jugendliche das Schloss Mirabell mit der Stadtverwaltung gleich.

Der Kongress
Am 25. Oktober stürmten Jugendliche aus ganz Salzburg im wahrsten Sinne des Wortes das Salzburger Kongresshaus, um das diesjährige Motto „Turn on! Schalt dich ein!“ in die Tat umzusetzen. Das Echo auf den 3. Jugendkongress war dabei schon im Vorfeld enorm gewesen – zu den 280 angemeldeten erschienen zusätzlich 150 interessierte Jugendliche zum Kongress. Aufgeteilt in Arbeitsgruppen brüteten die jugendlichen „Delegierten“ über drei vorgestellten Möglichkeiten für mehr Mitbestimmung in der Stadt, welche bereits im Frühsommer vorbereitet worden waren.
Die Modelle „The Walk“ (Lokalaugenschein von Jugendlichen mit Politikerinnen und Politikern in den einzelnen Stadtteilen), „Ab ins Rathaus“ (Besuch im Magistrat mit Kennenlernen der Abteilungen und Funktionen) und „Let’s talk about“ (Einbeziehung von Jugendlichen bei der Planung von Projekten) wurden nochmals genau unter die Lupe genommen und auf ihre Praxistauglichkeit geprüft. Nach einem arbeitsintensiven Vormittag und einer verdienten Stärkung am Buffet wurden die Anliegen schließlich der „obersten Stelle“, nämlich Bürgermeister Heinz Schaden höchstpersönlich, mitgeteilt bzw. auch mal vorgerappt. Die Ideen und Vorschläge für mehr Beteiligung und Mitsprache sprudelten nur so aus den jungen Expertinnen und Experten heraus.

Die Ergebnisse im Detail
Bei der Arbeit mit Jugendlichen sind gerade konkrete und verbindliche Ergebnisse extrem wichtig. Die Zeitspanne, in der Begeisterung und Motivation in Frustration umschlagen, ist noch viel kürzer als bei erwachsenen Mitbürgerinnen und Mitbürgern. So wurden zwischen den Jugendlichen und Bürgermeister Schaden am Kongresstag folgende verbindliche Vereinbarungen getroffen:
In den nächsten Wochen gibt es einen gemeinsamen Lokalaugenschein an der Lokalmeile „Rudolfskai“ mit Bürgermeister, Jugendlichen und Beamtinnen und Beamten der Bauabteilung. Die Jugendlichen meinen, dass dieser „Hotspot“ eine bessere Beleuchtung vertragen könnte (Modell: The Walk). Dadurch würde ihr subjektives Sicherheitsgefühl gestärkt werden.
Eine andere Gruppe von Jugendlichen wird im Jänner den Vorsitz einer Stadtsenat-Sitzung übernehmen und mit dem Bürgermeister und den Senatsmitgliedern ihre Sicht der Dinge diskutieren (Modell „Ab ins Rathaus“). Beim Projekt „Rauchenbichl“ – eine Freizeitfläche im Norden der Stadt Salzburg – werden Jugendliche mit den verantwortlichen Beamtinnen und Beamten aus dem Gartenamt gemeinsam den Umbau planen. Ihre Wünsche und Vorstellungen sollen gleich von Beginn an in die Arbeit der Stadt integriert werden. Der Rahmen, in dem sich dieses Planungsforum abspielen wird, wird von den Kids selbst gewählt und gestaltet: Sie gehen mit den Fachleuten einfach mal Pizzaessen und plaudern in gemütlicher Runde (Modell „Let’s talk about”).
Dies ist aber nur ein kleiner Auszug der vielfältigen und spannenden Ergebnisse. Alle werden gesammelt, ausgewertet, gebündelt und in einem Bericht an die Stadtgemeinde zusammengefasst. Jugendliche, Jugendkoordination und Vertreterinnen und Vertreter der Stadt werden gemeinsam diesen Bericht noch einmal diskutieren und bearbeiten.

SMS und Weblog
Auch für die Jugendinfo haben sich interessante Schlussfolgerungen aus dieser intensiven Arbeit mit jungen Menschen ergeben. So stellen wir das Informationsmanagement drastisch um. Jugendliche der Stadt Salzburg werden in Zukunft per SMS (Short Message Service) zu Events eingeladen und auf neue Infos direkt, rasch und zielgerichtet hingewiesen. Ein erster Testbetrieb beginnt noch im Jahr 2006. In naher Zukunft sollen dann sogar Umfragen mit Antwortmöglichkeiten per SMS und statistischer Auswertung möglich sein.
Ein weiteres beliebtes Kommunikationsinstrument von jungen Menschen im WWW ist der Weblog. Ein Weblog (engl. Wortkreuzung aus Web und Log), oft einfach nur Blog genannt, ist eine Webseite, die periodisch neue Einträge enthält. Neue Einträge stehen an oberster Stelle, ältere folgen in umgekehrt chronologischer Reihenfolge. Die Tätigkeit des Schreibens in einem Blog wird als Bloggen bezeichnet. Jeder kann. Jeder darf. Im Jahr 2007 soll ein Blog der Jugendinfo auf Sendung gehen, als ein Partizipations- und Informationselement für und von Jugendlichen. Ziel ist ein ständiger Dialog zwischen Stadt und der Zielgruppe.

Vier Pfeiler
In naher Zukunft wird die Einbindung junger Salzburgerinnen und Salzburger auf vier tragenden Säulen fußen.

1. Kommunikation: Neue, moderne und interaktive Formen der Kommunikation sollen zielgerichtet den Dialog mit jungen Menschen stärken. Kommunikation darf keine Einbahnstraße sein, sondern muss die Möglichkeit zur aktiven (Mit-)Gestaltung bieten.

2. Aktion: Junge Menschen werden über verschiedene Formen und Modelle der Beteiligung in die Arbeit der Stadt eingebunden. Sie sollen und wollen aktiv ihr Lebensumfeld (mit)gestalten.

3. Transparenz: Entscheidungsprozesse sollen für die Jugendlichen transparenter und nachvollziehbarer abgebildet werden. Gerade in größeren Städten weiß nicht jeder, wie politische Entscheidungen ablaufen und wie sie getroffen werden.

4. Information: Über all das müssen wir den Jugendlichen „Rechenschaft“ ablegen und sie laufend und permanent informieren. Die Realisierung oder die Ablehnung von Jugendprojekten wird nachvollziehbarer und verständlicher, wenn man die Zielgruppen darüber umfassend und zeitgerecht informiert.

Was bewirkt Beteiligung
Jugendliche werden durch ihr Mittun aktiv gefordert und gefördert. Sie erleben die pulsierende Veränderung, und ihre Lebenssituation verbessert sich. Sie lernen Demokratie, und ihre Eigenverantwortung erhöht sich. Für uns Erwachsene liegen die Vorteile darin: Knappe Finanzmittel werden effektiver eingesetzt. Erwachsene lernen die Ideen, Visionen und Bedürfnisse von jungen Menschen besser kennen. Die generationenübergreifende Kommunikation wird verstärkt und besser vernetzt. Politikerinnen und Politiker sowie Entscheidungsträgerinnen und -träger treten in direkten Kontakt mit Jugendlichen. Im besten Fall steigt die Lebensqualität aller.

Städtebund-Linktipp:
www.stadt-salzburg.at

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