Gemeindefinanzen: Kommunale Investitionsquote erreicht Tiefstwert

Gemeindefinanzen: Kommunale Investitionsquote erreicht Tiefstwert

Die Gemeindegebarungen des Berichtsjahres 2005 zeigen eine nach wie vor äußerst angespannte kommunale Finanzlage. Obwohl die Gemeinden den Stabilitätspakt abermals einhielten, zeigt die Freie Finanzspitze, dass Investitionen kaum mehr aus der laufenden Gebarung finanziert werden können. Ebenso wie in den letzten Jahren erwirtschafteten die Gemeinden in der Primären Gebarung abermals ein Defizit.

 

Gemeinden ohne Wien bewegen 15 Milliarden Euro
Den (ordentlichen und außerordentlichen) Einnahmen der österreichischen Gemeinden (ohne Wien) in Höhe von 15,21 Milliarden Euro standen 2005 (ordentliche und außerordentliche) Ausgaben in Höhe von 15,19 Milliarden Euro gegenüber. Die Einnahmen sind im Vergleich zum Vorjahr um 628,0 Millionen Euro, die Ausgaben um 599,8 Millionen Euro gestiegen. Sowohl die Einnahmen (+4,3%) als auch die Ausgaben (+4,1%) wuchsen rascher als das nominelle BIP (+3,9%). Die Verschuldung der Städte bzw. Gemeinden stieg auf insgesamt 10,84 Milliarden Euro, obwohl der Verschuldungsgrad geringfügig zurückging.

Einnahmen und Einnahmenentwicklung
Von den (ordentlichen und außerordentlichen) Gemeindeeinnahmen entfielen rund 2,41 Milliarden Euro (+2,5%) auf Gemeindeabgaben, rund 1,37 Milliarden Euro (+0,9%) auf Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und rund 4,19 Milliarden Euro (+3,5%) auf Ertragsanteile. Gebühren und Abgaben trugen somit etwas mehr als 53% zu den Gesamteinnahmen bei. Die auffallend geringe Steigerung bei den Gebühren und Nutzungsentgelten zeigt, dass die zuletzt wiederholt in der Öffentlichkeit geführte Debatte über stark steigende Gemeindegebühren an der Realität vorbeigeht.
Die Leistungs- und Besitzeinkommen brachten den Gemeinden 1,62 Milliarden Euro (+0,5%) ein. Stärker nahmen die laufenden Transferzahlungen der öffentlichen und anderen Rechtsträger zu, sie stiegen um 10,0% auf 1,01 Milliarden Euro. Durch Kreditaufnahmen wurden 2005 1,22 Milliarden Euro aufgebracht, rund 70 Millionen Euro mehr als 2004. Die hohe Zunahme der Kreditaufnahme war vor allem wegen des außerordentlich hohen Tilgungsbedarfes von 1,05 Milliarden Euro notwendig.

Ausgaben und Ausgabenentwicklung
Von den (ordentlichen und außerordentlichen) Ausgaben der österreichischen Gemeinden wurden 2,15 Milliarden Euro (–6,0%) für Investitionen und 2,64 Millionen Euro (+1,5%) fürs Personal aufgewendet. 1,33 Milliarden Euro (+8,8%) gingen vor allem wegen des hohen Tilgungsbedarfes für den Schuldendienst auf. Der Verwaltungs- und Betriebsaufwand betrug 3,17 Milliarden Euro (+3,5%), 2,22 Milliarden Euro wurden an andere Träger öffentlichen Rechts überwiesen (+4,8%).

Investitionsquote sinkt auf historisches Tief
Die österreichischen Gemeinden investierten 2005 2,15 Milliarden Euro, um 138,0 Millionen Euro oder 6,0% weniger als 2004. Von den Investitionen entfielen 228,4 Millionen Euro auf das bewegliche Vermögen, 1,92 Milliarden Euro auf das unbewegliche Vermögen und 8,6 Millionen Euro auf den Erwerb von aktivierungsfähigen Recht. Während die Investitionen in Mobilien geringfügig um 0,8% zunahmen, gingen die in Immobilien um 6,0% zurück.
Der langfristige Vergleich zeigt, dass in den letzten zehn Jahren die Gemeindeinvestitionen nominell um 14,7%, die Investitionen ins bewegliche Vermögen um 2,9% und die ins unbewegliche Vermögen um 16,3% abnahmen.
Bezieht man die allgemeine Inflationsrate in die Überlegungen ein, haben die Gemeindeinvestitionen in den letzten zehn Jahren mehr als ein Viertel ihres Umfanges eingebüßt.
Die Investitionsquote, also der Anteil der Gemeindeinvestitionen (ohne Investitionsförderungen) an den Gesamtausgaben, sank aufgrund der skizzierten Entwicklung 2005 auf historisch niedrige 14,2%. Im Jahr 1997 etwa wurden noch mehr als 20% der Gemeindeausgaben investiert. Freilich darf nicht übersehen werden, dass der massive Rückgang der Bauinvestitionen nicht nur mit der wirtschaftlichen Entwicklung der letzten zehn Jahre erklärt werden kann.
Auch organisatorische Maßnahmen wie Ausgliederungen oder Privatisierungen haben das ihre beigetragen. Leider ist aufgrund der Datenlage zurzeit kaum festzustellen, in welchem Umfang der Rückgang des Investitionsvolumens auf Ausgliederungen oder Privatisierungen zurückzuführen ist.
Die Gemeinden kauften 2005 Wertpapiere und Beteiligungen in Höhe von 156,7 Millionen Euro. Darüber hinaus förderten sie die Investitionstätigkeit überwiegend mit Zuschüssen und in geringem Umfang mit Darlehen. 2004 betrug das Förderungsvolumen 629,5 Millionen Euro, für 2005 fehlen noch entsprechende Daten.

Kommunale und volkswirtschaftliche Investitionen
Zu interessanten Ergebnissen führt der Vergleich zwischen den Entwicklungen der kommunalen Investitionstätigkeit, des Bruttoinlandsproduktes und des gesamtösterreichischen Investitionsvolumens im Sinne der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (ESVG 1995).
Im Berichtsjahr 2005 trugen die Gemeinden 3,85% zu den gesamtösterreichischen Bruttoinvestitionen bei, das kommunale Investitionsvolumen entsprach 0,80% des BIP. Beide Kennzahlen erreichten 2005 historische Tiefpunkte, die Höchstwerte hatten sie 1997 mit 5,78% bzw. 1,33% ausgewiesen.

Höhere Finanzschulden bei sinkendem Verschuldungsgrad
Die Finanzschulden und der Verschuldungsgrad der Gemeinden nehmen seit dem Beginn der neunziger Jahre wieder tendenziell zu. Eine kurzfristige Entspannung brachten den Gemeinden 2001 und 2002 die Mehreinnahmen aus der Steuerreform. Bis 2004 stiegen die Finanzschulden auf 10,65 Milliarden Euro und der Verschuldungsgrad auf 73,1%. Die relativ geringe Neuverschuldung des Jahres 2005 ließ zwar die Finanzschulden weiter auf 10,84 Milliarden Euro steigen, die Verschuldungsquote aber auf 71,3% sinken.

Äußerst niedrige Kreditzinsen entlasten Schuldendienst
Zur Bedienung der Finanzschulden wandten die Gemeinden 2005 1,33 Milliarden Euro (2004: 1,06 Milliarden Euro) auf. Der Schuldendienst band so 8,8% der Gesamteinnahmen (2004: 7,3%). Vom gesamten Schuldendienst entfielen 1,05 Milliarden Euro auf Tilgungen und 275,9 Millionen Euro auf Zinszahlungen. Gegenüber 2004 nahm die Belastung durch den Schuldendienst um 267,3 Millionen Euro zu, wobei der Zinsendienst dank der 2005 noch niedrigen Zinsen (Durchschnittszinssatz: 2,59% p. a.) geringfügig um 6,8 Millionen Euro zurückging.

Hohe Kreditaufnahme, aber geringe Neuverschuldung
Die Kreditaufnahme der Gemeinden erreichte 2005 mit 1,22 Milliarden Euro (+70,0 Millionen Euro) einen neuen Rekordwert. Die hohe Kreditaufnahme war durch den hohen Tilgungsaufwand bedingt. Die Neuverschuldung, also die Differenz zwischen Tilgungen und Schuldaufnahmen, lag bei verhältnismäßig niedrigen 169,8 Millionen Euro (–204,1 Millionen Euro).

Unwesentliche Verbesserung der kommunalen Kennzahlen
Gemeinden halten Stabilitätspakt
Das Maastricht-Ergebnis der Gemeinden präsentierte sich 2005 mit einem Überschuss von 205,0 Millionen Euro besser als 2004 mit 12,0 Millionen Euro. Die Gemeinden hielten damit ebenso wie in den Vorjahren den Stabilitätspakt ein und trugen mit einem aggregierten Gebarungsergebnis von 0,08% zum gesamtstaatlichen Maastricht-Ergebnis bei.

Abbau des Primärdefizits
In der primären Gemeindegebarung (Gesamtgebarung ohne Schuldenaufnahmen und -tilgungen) übertreffen 2005 ebenso wie in den Vorjahren die Ausgaben die Einnahmen. Das „primäre Defizit“ beträgt 2005 151,2 Millionen Euro oder 1,0% der Gesamteinnahmen. Die primäre Gebarung brachte mit Ausnahme der Jahre 2001 und 2002 zuletzt regelmäßig Defizite in der Größenordnung zwischen 23 Millionen Euro (1997) und 383,5 Millionen Euro (2004). Die Verbesserung des Jahresergebnisses 2005 ist keineswegs befriedigend, gilt doch die Erzielung primärer Einnahmenüberschüsse als unabdingbare Bedingung für die Reduktion der kommunalen Schuldenstände.

Freie Finanzspitze im freien Fall
Die Freie Finanzspitze, also die Differenz zwischen dem Überschuss der laufenden Gebarung und den Schuldtilgungen, gibt an, wie weit die laufende Gebarung zur Finanzierung von Ausgaben in den Bereichen der Vermögensgebarung und der Finanztransaktionen beitragen kann. Die Freie Finanzspitze erreichte 2005 mit 133,1 Millionen Euro oder 1,2% der laufenden Einnahmen ihren bisher niedrigsten Wert.

Weiterhin hohe Anspannung der kommunalen Budgets
Obwohl sich 2005 einige der dargestellten Finanzkennzahlen gegenüber dem Vorjahr geringfügig verbessert haben, zeigen sie allesamt die andauernde hohe Anspannung der kommunalen Budgets. Vor allem für Investitionen scheint die laufende Gebarung kaum mehr Spielraum zu bieten.

Fehlende Übersichten und Grafiken finden Sie in der ÖGZ 1/2007!

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