Neustrukturierung der steirischen Regionalentwicklung

Neustrukturierung der steirischen Regionalentwicklung

Demografische Veränderungen und Abwanderungstendenzen auf der einen Seite. Ein „suboptimales Institutionengefüge“ und nicht mehr zeitgemäße Kommunalstrukturen auf der anderen Seite. Mit diesen beiden Seiten der Medaille beschäftigt sich das Projekt Regionext in der Steiermark. Dabei sollen Gemeindeaufgaben künftig kooperativ und im regionalen Verbund erbracht werden.

 

Prognose: Abwanderung, Überalterung, Wettbewerb
Die prognostizierte demografische Entwicklung mit zu erwartender Überalterung und Abwanderung aus peripheren Landesteilen zeigt ein Bedrohungsszenario und ist eine besondere Herausforderung für die steirische (und österreichische) Regionalpolitik. Es ist zu überlegen, mit welchen Maßnahmen die prognostizierten Entwicklungen zumindest abgeschwächt werden können (siehe Abb. 1).
Unterhalb der Ebene der Nationalstaaten erlangt das „Europa der Regionen“ immer größere Bedeutung.
Regionen mit ihren Potenzialen und Standorten stehen untereinander im Wettbewerb. Dafür muss sich die Steiermark insgesamt und in ihren Teilräumen stärken. Die meisten steirischen Bezirke sind zu klein, um in diesem Wettbewerb eine Rolle spielen zu können.

Suboptimale Institutionen und Gemeindestrukturen
Angeregt durch die Förderschienen der europäischen Regionalpolitik und die Schaffung sektoraler Umsetzungsstrukturen gibt es heute eine Fülle von Einrichtungen, die direkt und indirekt Aufgaben der Regionalentwicklung wahrnehmen. Für die Betroffenen sind deren Zuständigkeiten und Aktivitäten nahezu undurchschaubar. Außerdem erfolgt die Abstimmung zwischen den einzelnen Institutionen nicht immer so, dass der Nutzen für die Region optimal ist (siehe Abb. 2).
Bei 1,2 Millionen Einwohnern hat die Steiermark 542 Gemeinden, darunter viele Kleinstgemeinden. Diesen Einheiten werden immer mehr Aufgaben übertragen und damit auch Kosten aufgebürdet. Sehr viele Gemeinden sind heute damit überfordert und können diese Aufgaben in Zukunft nicht mehr im erforderlichen Ausmaß erfüllen. Daraus ergibt sich zwangsläufig die Notwendigkeit, Gemeindeaufgaben kooperativ in Verwaltungseinheiten zu erledigen. Das erfordert klare Vorgaben und Strukturen.
Auch die Möglichkeiten, Gemeindeleistungen und Projekte aus Mitteln der Bedarfszuweisungen (BZ) zu finanzieren, sind beschränkt. Es ist nicht damit zu rechnen, dass die BZ-Mittel in erheblichem Ausmaß ansteigen, weshalb dringend zu überlegen ist, wie stetig wachsende Aufgaben mit stagnierenden BZ-Budgets bewältigt werden können.

Regionext – eine Konsequenz der steirischen Landespolitik
Aus diesen Problempunkten und Fragestellungen heraus wurde vor etwa einem Jahr das Projekt Regionext entwickelt. Regionext ist ein Projekt mit dem Ziel der Neustrukturierung der steirischen Regional- und Raumentwicklungspolitik. Dieses von Landeshauptmann Franz Voves und Landeshauptmann-Stellvertreter Hermann Schützenhöfer initiierte und getragene Projekt verfolgt ein Ziel:

Attraktive Lebensräume, die im Wettbewerb der Regionen erfolgreich sind
Aus der durchgeführten Analyse wurden nachstehende Kernpunkte abgeleitet:
- Attraktive Lebensräume für die Bevölkerung
- Breite regionale Verankerung
- Eigenverantwortung und Engagement müssen sich lohnen
- Höhere Wettbewerbsfähigkeit durch Nutzung regionaler Potenziale
- Thematische und strukturelle Bündelung der entwicklungspolitischen Aktivitäten auf kommunaler, regionaler und Landesebene

Notwendig dafür ist die Organisation der Institutionen und Strukturen auf der Gemeinde-, Regional- und Landesebene mit klaren Definitionen der Aufgaben und Kompetenzen nach heutigen bzw. zukünftigen Anforderungen.
Meilensteine in diesem Prozess der Neuorientierung bilden dabei:
- Definition der Aufgaben und Strukturen insbesondere für die Ebene der Regionen und Kleinregionen
- Festlegung der Regionsabgrenzungen und Bildung stabiler Kleinregionen
- Neufassung des Landesentwicklungsprogramms und Abstimmung des Landesentwicklungsleitbildes
- Erarbeitung regionaler Entwicklungsleitbilder und kleinregionaler Entwicklungskonzepte
- Schaffung geeigneter Instrumente zur Umsetzung

Der Weg zur Regionalpolitik
Die Grundlage dazu wurde bereits 2005 im Punkt 10 des Arbeitsübereinkommens der Regierungsparteien SPÖ und ÖVP verankert. Von der SPÖ wurde dazu das Konzept „Steiermark der Regionen“ und darauf folgend von der ÖVP das Konzept „Nachbarschaftliche Gemeinde-Zusammenarbeit in lebenswerten Kleinregionen“ als Projektinput vorgelegt. In diesen beiden Grundsatzpapieren sind bereits sehr weitreichende Überlegungen und Maßnahmenvorschläge enthalten.
Am 8. Mai 2006 wurde von der Steiermärkischen Landesregierung einstimmig beschlossen, das Projekt Regionext umzusetzen, die dazu notwendigen Projektstrukturen einzurichten und die Abteilung 16 (Landes- und Gemeindeentwicklung) mit der Koordination des Projektes zu beauftragen. Die Rahmenbedingungen für diese Projektumsetzung sind deshalb besonders günstig, weil für die Abteilung 16 seit den letzten Landtagswahlen im Jahr 2005 Landeshauptmann Voves und Landeshauptmann-Stellvertreter Schützenhöfer als Koreferenten zuständig sind. Da dieses Projekt von beiden politischen Referenten getragen wird, ist die Beschlussfassung und Umsetzung der Projektergebnisse durch die Steiermärkische Landesregierung leichter. Zur Projektbegleitung wurde eine hochrangige Steuerungsgruppe, besetzt mit den beiden politischen Auftraggebern, dem Landesamtsdirektor, dem Landesbaudirektor, dem Leiter der Gemeindeabteilung und neuerdings auch den Vertretern des Städtebundes und des Gemeindebundes eingerichtet. Thematische Arbeitsgruppen, in denen ebenfalls Städte- und Gemeindebund vertreten sind, erarbeiten unter der Beiziehung externer Expertinnen und Experten Vorschläge, die der Steuerungsgruppe präsentiert und in den Regionen diskutiert werden.

Startschuss in Eisenerz
Nach einer Phase der Erarbeitung von Grundlagen und Entwürfen wurde das Projekt Regionext bei der Städte- und Gemeindetagung am 22. November letzten Jahres in Eisenerz erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt. Als zweiter Schritt finden nunmehr flächendeckend Informationsveranstaltungen in den einzelnen steirischen Regionen mit Landeshauptmann Voves, Landeshauptmann-Stellvertreter Schützenhöfer, dem Präsidenten des Steiermärkischen Gemeindebundes, Hermann Kröll, dem Präsidenten der Landesgruppe Steiermark des Österreichischen Städtebundes, Bernd Rosenberger, und dem Projektbearbeitungsteam Regionsveranstaltungen statt, in denen die Zielsetzungen des Projektes Regionext vorgestellt werden. Diese Präsentationen sind mit Februar flächendeckend für die ganze Steiermark abgeschlossen.
Als dritter Schritt wird vom Projektbearbeitungsteam der Abteilung 16 mit den beigezogenen Beratern ein ausführlicher regionaler Diskussionsprozess eingeleitet, bei dem die bisher ausgearbeiteten Vorschläge diskutiert und Ideen und Anregungen aus den Regionen zu diesem umfangreichen Projekt eingeholt werden. Dieser regionale Diskurs ist Voraussetzung dafür, dass die Projektergebnisse bei der geplanten Umsetzung von den Betroffenen in den Gemeinden und Regionen getragen werden und die Entwürfe bis zur Beschlussfassung am Projektende umsetzungsreife Qualität erreichen.

Laufende Ergebnisse aus der Projektarbeit
Bereits während des Bearbeitungsprozesses gibt es Projektergebnisse bzw. Diskussionsentwürfe. So wurde z. B. die Ausstellung Umbruch/Aufbruch in Eisenerz, die sich mit dem zentralen Thema des demografischen Wandels, insbesondere in peripheren Regionen, beschäftigt, durchgeführt und in einer Broschüre mit vielfältigen Beiträgen aus unterschiedlichen Gesichtspunkten dokumentiert (diese Broschüre kann bei der Abteilung 16 bezogen werden). Auch wurden für die Bezirke und NUTS-III-Regionen (statistische Regionseinheit der EU, in der Regel mehrere politische Bezirke) des Landes Regionsprofile erarbeitet, die kurz zusammengefasst, aber thematisch umfassend, eine Information über die steirischen Landesteile bieten. Fertiggestellt wurde auch ein Überblick über Gemeinde- und Regionalkooperationen in Österreich, um sich ein Bild machen zu können, was sich zu diesem Thema in Nachbarbundesländern tut. Für die geplante Diskussion in den Regionen wurden Leitfäden zur Aufgabe, Struktur und Bildung von Kleinregionen sowie zur Struktur in den Regionen ausgearbeitet, die bei den geplanten Diskussionen in den Regionen verwendet werden.

Breite Auswirkungen
Das Projekt Regionext betrifft nicht nur die Regionalentwicklung im engeren Sinn, sondern hat Auswirkungen auf viele andere Themenbereiche wie Tourismus, Wirtschaft, Infrastruktur, Einrichtungen aus dem Bereich Bildung, Kultur und Sport und vieles mehr. Deswegen ist es von großer Bedeutung, dass auch innerhalb des Landes die Abstimmung zwischen den einzelnen Ressorts mit den verschiedenen Förderstellen verbessert wird. Grundlage dafür werden ein Landesentwicklungsleitbild bzw. die künftigen Entwicklungsleitbilder der Regionen sein, die – nachdem sie abgestimmt, erstellt und beschlossen wurden – die Basis für die Budget- und Förderpolitik darstellen.

Wann ist Regionext erfolgreich?
Der Erfolg bei der Umsetzung des Projektes Regionext wird nicht allein daran zu messen sein, wie viele Gemeindekooperationen existieren oder ob es flächendeckend für das Land Steiermark regionale Entwicklungsleitbilder gibt. Der Erfolg ist auf Basis zweier Fragen zu beurteilen:

- Sind die Betroffenen, beginnend bei der Bevölkerung, den Gemeindeverantwortlichen, den Initiativenträgern in der Region, den Akteuren in Politik, Verwaltung und bei den Projekten überzeugt, dass die neue Art des kooperativen Handelns der richtige Weg in die Zukunft ist und denken und handeln sie danach?

- Gelingt es tatsächlich, die Förderpolitik des Landes (das sind nicht nur die Bedarfszuweisungen) an die Zielsetzungen, Konzepte und Leitbilder, die kooperativ erarbeitet wurden, zu binden, sodass Einzelinterventionen, die damit nicht im Einklang stehen, keine Chance finden?

Die Betrachtung der bisherigen Entwicklung und die Beschreibung der heutigen Erfordernisse zeigen, dass das Projekt Regionext kein radikaler Umbruch ist. Regionext ist vielmehr die konsequente Fortsetzung eines bereits in der Vergangenheit eingeschlagenen Erfolgsweges.
Regionalentwicklung hat in der Steiermark Tradition. Bereits 1981 wurden Entwicklungskonzepte für Kleinregionen mit mehreren Gemeinden, mit ersten übergemeindlichen Zielsetzungen und Umsetzungsprojekten erstellt. 1985 wurde die „Steirische Förderungsaktion für regional eigenständige Initiativen“ (STEFREI) gegründet. Diese Förderungseinrichtung mit dem Ziel der Aktivierung des endogenen regionalen Potenzials (Entwicklungspotenzial vor Ort) mit dem damals neuen Schwerpunkt auf sektor- und fachbereichsübergreifende Projekte hat den Weg für eine steirische integrierte Regionalentwicklung geebnet. Das war auch eine Reaktion des Landes auf die regionalpolitischen Aktivitäten des Bundes, der die Einrichtung regionaler Entwicklungsverbände, z. B. in der Obersteiermark, unterstützte und mit dem 1979 gegründeten „Fonds für eigenständige Regionalentwicklung“ (FER) in Konkurrenz zu landespolitischen Zielsetzungen getreten war.

Erfahrungsvorsprung
Mit diesen frühzeitigen Erfahrungen zum Thema Regionalentwicklung war die Steiermark auf den Beitritt Österreichs zur EU 1995 gut vorbereitet und konnte die neuen Förderinstrumente aus den Strukturfondsprogrammen und Gemeinschaftsinitiativen relativ schnell nutzen. Sehr bald wurden in den steirischen Regionen Regionalmanagementstellen eingerichtet. Diese konnten als Drehscheibe zwischen den in der Landesverwaltung angesiedelten Förderstellen und den Projektinitiativen in den Regionen und Gemeinden wesentlich zur reibungslosen Umsetzung der Programme und Förderungsmaßnahmen beitragen. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern ist es auch gelungen, wesentliche Instrumente zur Regionalpolitik in einer Dienststelle zusammenzufassen: die Landes- und Regionalplanung nach dem Raumordnungsgesetz, die Förderung eigenständiger Regionalentwicklung als Maßnahme der Strukturfondsprogramme, die Gemeinschaftsinitiative LEADER mit Schwerpunkt auf dem ländlichen Raum sowie die Gemeinschaftsinitiative INTERREG mit allen Varianten der grenzüberschreitenden Kooperation. Bis zum Ende der letzten Strukturfondsperiode im Dezember 2006 konnten damit vielfältige Projekte in den Regionen der Steiermark umgesetzt werden.
Diese Erfahrungen sind eine wertvolle Basis für die Erreichung der Zielsetzungen von Regionext: eine Zukunftsregion Steiermark, in der Lebensqualität für die Bürger und Wettbewerbsfähigkeit nebeneinander Platz finden.

Städtebund-Linktipp:
www.regionext.at

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