EU-Energiepaket – Was erwarten sich die kommunalen Versorgungsunternehmen?

EU-Energiepaket – Was erwarten sich die kommunalen Versorgungsunternehmen?

Das EU-Energiepaket vom 10. Jänner 2007 braucht eine sehr gründliche Analyse in mehrfacher Hinsicht – zur Istsituation, zu den vorgeschlagenen Zielen, zu den Maßnahmen für die Umsetzung. Einen weiteren wesentlichen Gesichtspunkt der Analyse bildet die Frage, ob der bisherige Rechtsrahmen für das Tätigwerden der Kommission ausreicht.

 

Die Errichtung eines funktionsfähigen Binnenmarktes im Elektrizitäts- und Gassektor stellt eines der erklärten Ziele der Europäischen Gemeinschaft dar – zu dessen Realisierung haben die Gemeinschaftsorgane in den letzten Jahren zahlreiche Maßnahmen gesetzt. Im Besonderen haben sie Richtlinien erlassen, die die Mitgliedstaaten zur Einführung bestimmter Entflechtungsvorschriften („Unbundling“) verpflichten. Rechtliche, buchhalterische und operative Entflechtungen werden schon in den bestehenden Richtlinien gefordert, dennoch wird insbesondere auf Gemeinschaftsebene bereits über ein weiteres Entflechtungsvorhaben nicht nur diskutiert, sondern Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes hat dazu bereits sehr konkrete Vorstellungen deponiert: extreme Entflechtungsszenarien, deren Zuschnitt unter der Bezeichnung Eigentumsentflechtung („Ownership Unbundling“) dargestellt wird.
Bei dem angesprochenen Ownership Unbundling handelt es sich um eine Entflechtungsform, bei der in die Eigentumsverhältnisse massiv eingegriffen wird. Es müssen die Bereiche Netzbetrieb einerseits und Erzeugung sowie Versorgung andererseits hinsichtlich ihrer Eigentümerstruktur völlig getrennt sein. Das bedeutet somit den höchsten Grad der Entflechtung, der über die bisher im Energiesektor von der EU vorgeschriebene rein gesellschaftsrechtliche Entflechtung („Legal Unbundling“) wesentlich hinausgeht. Damit würde sich mit dem Ownership Unbundling eine Besonderheit des Energiesektors ergeben. Es gibt wohl auch in Bereichen wie Telekommunikation, Postdienste oder Schienennetz bei Eisenbahnen Vorschriften über Entflechtungen, diese beziehen sich aber lediglich auf die organisatorische oder buchhalterische Trennung. Die Veräußerung von Eigentum ist dagegen nicht vorgesehen. Und hier ergibt sich bereits ein erster und wesentlicher Ansatzpunkt für die Städte und Gemeinden, diesen Bestrebungen bewusst und geeint entgegenzutreten.

Widerstand gegen Kommissionspläne
Viele Entscheidungen im Interesse der Bürgerinnen und Bürger beruhen auf Maßnahmen der politischen Entscheidungsträger, denen aber zugebilligt werden muss, dass ihre Entscheidungen neben dem Gemeinwohl durchaus auch wirtschaftliche Gesichtspunkte beinhalten können. An einer möglichst weitgehenden Gemeindeautonomie führt deshalb auch kein Weg vorbei, weil ja umgekehrt die Bürgermeister bzw. Verantwortlichen der Gebietskörperschaften die erste Anlaufstelle für Anliegen und naturgemäß auch Beschwerden der Bürgerinnen und Bürger, also der Konsumenten, bilden. Hier muss mit aller Deutlichkeit festgestellt werden, dass die Wünsche der Menschen und die Maßnahmen aus Brüssel oftmals deutlich auseinanderklaffen.
Die Wettbewerbskommissarin hat kürzlich ihre Forderung nach einer Entflechtung der Eigentumsverhältnisse wiederholt und die Kritik aus Frankreich und anderen Ländern zurückgewiesen. Die Liberalisierung liefere die EU auch Staaten aus, die keine Hemmungen hätten, Erdöl und Gas als politische Druckmittel einzusetzen, wird vielfach moniert. De facto stößt die Liberalisierung der Energiemärkte, die seit rund einem Jahrzehnt von der Kommission vorangetrieben wird, laufend auf Widerstand. So meinen Kritiker etwa, die Politik der EU habe die Abhängigkeit von importiertem Gas aus Russland erhöht.

Wird die Wirkung der Liberalisierung etwa überschätzt?
Derzeit sind europaweit steigende Strompreise zu beobachten. Hatte die Liberalisierung anfänglich den Eindruck erweckt, wettbewerbsbeeinflussend die Preise zu senken, war nach einer verhältnismäßig kurzen Zeitspanne ein Ansteigen der Preise festzustellen. Ein europäischer Vergleich zeigt, dass im Zuge einer Marktöffnung und in den Jahren danach solche Entwicklungen zu registrieren waren. Um einige Beispiele bei den Großhandelspreisen anzuführen: In der BRD ein Fallen der Preise von 1992 bis 2000 um 31%, bis 2006 dann ein Ansteigen um 134%; in Großbritannien Preisgefälle bis 2003 um 28%, seither Aufwärtsentwicklung um 44%; besonders signifikant die Entwicklung in Schweden: bis 1999 Sinken um 54%, seither Anstieg um 284% (!).
Seit den Jahren 2001/2002 ist in Europa generell eine Aufwärtsentwicklung der Strompreise zu registrieren. Vielfach wurde die Energiemarktliberalisierung faktisch aber zur Erhöhung der Steuern und Abgaben auf Strom und Gas benützt. Im Vergleichszeitraum 1998 bzw. 1999 bis 2006 erfolgte eine Erhöhung (jeweils in %) in den Niederlanden um 150, Österreich 80, Deutschland 78, Norwegen 75, Schweden 66, Dänemark 18. In Summe ergeben sich zahlreiche Herausforderungen für Energieversorger, Politik, Wettbewerbs- bzw. Regulierungsbehörden und Konsumenten, die naturgemäß von Gruppeninteressen bestimmt werden, wozu neuerdings immer stärker die Atomlobby stößt, zumal die kernkraftbetriebene Stromerzeugung bereits 16% (!) der weltweiten Elektrizitätsproduktion ausmacht.
So wünschen sich die Betreiber der Liberalisierung ein verschärftes Unbundling und auch Auflagen der Wettbewerbsbehörden. An der Sicherung der Ressourcen Interessierte sehen teilweise zur Neige gehende Ressourcen und dazu einen steigenden Energieverbrauch, der global die Energiepreise in die Höhe treibt. Wer Klimaschutz und Ressourcenschonung im Auge hat, möchte eine steigende Förderung der erneuerbaren Energien und eine beschleunigte Aufbringung dafür notwendiger Finanzmittel.
Was die österreichische Situation anbelangt, erkennt die Kommission zwar Liberalisierungserfolge an, kritisiert aber eine mangelnde Durchsetzungs- und Sanktionsmöglichkeit der Regulierungsbehörde und die Zersplitterung der Regulierungskompetenzen. Die Kommission vermeint generell, dass es 7 Jahre nach dem Liberalisierungsstart noch immer keinen europäischen Energiewettbewerb gebe, mangelhaftes Unbundling in der EU führe nach Kommissionsuntersuchungen dazu, dass die angestammten früheren Monopolisten einen Wettbewerbsvorteil genießen.
Was Österreich betrifft, wird das von der Kommission geforderte Ownership Unbundling in seiner extremen Form abgelehnt, denn dies würde bedeuten, dass ex lege ein gesamter Wirtschaftszweig mehr oder minder enteignet werden könnte. Im Vordergrund, so der zuständige Minister Martin Bartenstein, bestehe die Notwendigkeit, den vorhandenen Rechtsrahmen der EU in allen Mitgliedstaaten voll umzusetzen, nicht aber eine neue Rechtslage zu schaffen. Österreich ist beim gesellschaftsrechtlichen Unbundling schon jetzt vorbildlich tätig geworden.

Kommunalversorger bieten Sicherheit
Die Forderung aus Brüssel nach einem Zwangsverkauf wird bekanntlich mit dem Versagen der bisherigen Unbundling-Regelungen begründet. Zurzeit aber kann noch gar nicht festgestellt werden, ob nicht ohnehin der aktuelle Rechtsrahmen Marktverzerrungen wirkungsvoll verhindert. Die Umsetzungsfrist für die rechtliche Entflechtung bei Verteilernetzbetreibern läuft erst mit 30. Juni 2007 ab. Empirische Aussagen über Auswirkungen oder Unzulänglichkeiten bei den bestehenden Richtlinien könnten überhaupt erst danach getroffen werden.
Hier hakt auch der Präsident des VKÖ und Geschäftsführer der Wienstrom, Friedrich Pink, ein. Er fordert einmal mehr eine umfassende Evaluierung, die aber keinesfalls unter Zeitdruck erfolgen dürfe. Man könne davon ausgehen, dass derartige Feststellungen frühestens Ende 2008, eher 2009/2010 in seriöser Weise erfolgen könnten. Selbst wenn im Rahmen dieser Evaluierung Mängel festgestellt werden sollten, wäre die Einführung des Ownership Unbundling durch die Gemeinschaftsorgane nur zulässig, wenn ein Tätigwerden auf Gemeinschaftsebene besser geeignet erschiene, Ziele der Binnenmarkt-Richtlinie zu erreichen, als nationale Regelungen (Grundsatz der Subsidiarität). In Hinblick auf die so unterschiedlichen Strukturen der Energiemärkte in den Mitgliedstaaten wird diese Voraussetzung nicht zu erfüllen sein.

Kommunale und Energieversorger ziehen an einem Strang
Die Diskussion um das Ownership Unbundling wird dadurch am Leben gehalten, dass den Netzbetreibern mangels Transparenz und wegen Partikularinteressen Wettbewerbsbehinderung und Marktverzerrung vorgeworfen wird. De facto kommt den Netzbetreibern eine wesentliche Aufgabe für das Funktionieren der Energieinfrastruktur zu: die Wahrung der Versorgungssicherheit – auch im Krisenfall – auf höchstem Niveau! Diese Kernaufgabe einer nachhaltigen Daseinsvorsorge droht vor dem Hintergrund der aktuellen, vor allem durch die nationalen Regulierungsbehörden getragenen Unbundling-Diskussion zu verblassen. Eine Forderung deshalb, die Regulierungsbehörden sollten sich verstärkt auf ihre Kernaufgabe konzentrieren, statt eine energiepolitische Organisationsdiskussion zu führen. Darüber hinaus sollte einmal mehr in Erinnerung gerufen werden, dass das Ownership Unbundling nach Meinung führender Elektrizitäts- und Verfassungsexperten auch verfassungsrechtlich bedenklich ist. Es stellt nämlich eine Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Schutz des Eigentums dar. Die Verfassungswidrigkeit ergibt sich auch daraus, dass der durch das ElWOG bzw. das GWG gesetzlich ohnedies bereits gewährleistete Wettbewerb auf dem Versorgungsmarkt auch durch gelindere Maßnahmen gefördert werden könnte.
Damit schließt sich auch der Kreis zu den Anforderungen an die Kommunen bzw. die Gemeinden: Die Bürgerinnen und Bürger (Kunden) benötigen allemal im Rahmen des Gemeinwohls, und damit einer leistbaren und nachhaltigen Daseinsvorsorge die Gewissheit, dass ihren Anforderungen auch entsprochen wird. Hier leisten die zum Teil schon mehr als hundert Jahre alten Stadtwerke, die aber stets auf dem letzten Stand der Entwicklung und der Technik agieren, eine beispielgebende Arbeit. Dies kommt auch in der hohen Kundenzufriedenheit zum Ausdruck, die sich in einer eher nur marginalen Bereitschaft zum Wechsel des Versorgers niederschlägt. Und inwieweit laufende legistische Änderungen aus Brüssel zur Kundenzufriedenheit und nachhaltigen Versorgung beitragen, möge dahingestellt bleiben.

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