Stadteinfahrten richtig gestalten

Stadteinfahrten richtig gestalten

Stadteinfahrten sind im übertragenen Sinn heute das, was früher die Stadttore waren. In den damaligen Zeiten war dieser Ort klar markiert. Mit dem Wachstum der Städte an der Peripherie, mit neuen Gewerbeflächen oder Kreisverkehren, sind die räumlichen Grenzen vieler Städte fließend geworden. Die Landesgruppe Burgenland des Städtebundes hat nun eine vergleichende Analyse von Stadteinfahrten vorgelegt, die dem Potenzial dieses im Wandel begriffenen „Ortes“ nachgeht.

 

Die straßengebundenen Einfahrten in die städtischen Siedlungsbereiche bilden ein Themenfeld, das bislang im fachlichen Diskurs eher eine Nebenrolle gespielt hat. Ein Blick auf das Erscheinungsbild unserer Stadteinfahrten zeigt, dass in diesem Bereich allerdings ein hoher Handlungsbedarf zur Entwicklung adäquater Antworten besteht: Vielerorts ist durch die dynamische Siedlungsentwicklung am Stadtrand die räumlich-funktionelle Auflösung der Grenze zwischen Stadt und Land zu beobachten. Bei aller typologischer Heterogenität, die diese Entwicklung mit sich bringt, ist eine Vereinheitlichung des Erscheinungsbildes erkennbar, das mit dem Verlust der vorhandenen örtlichen Merkmale einhergeht. Stattdessen werden Informationsträgern wie Hinweisschilder, Werbeflächen etc. eine Leit- und Orientierungsfunktion zugedacht, was durch mangelnde Abstimmung und Regulation zur Überinformation und damit zum gegenteiligen Effekt der Unübersichtlichkeit führt. In der administrativen und planerischen Bearbeitung der Stadteinfahrten sind außerdem unterschiedliche Fachbereiche und Professionen zuständig, die aufgrund der Beschränktheit von finanziellen und personellen Mitteln nur punktuelle Lösungsansätze realisieren können.
Die Landesgruppe Burgenland des Österreichischen Städtebundes hat mit einem Grundlagenpapier eine systematische und vergleichende Aufnahme und Bestandsanalyse der burgenländischen Stadteinfahrten beauftragt, um vorhandene Richtlinien und Verordnungen, die die Gestaltung und Entwicklung der Stadteinfahrten tangieren, zu dokumentieren und geeignete Lösungsansätze für den Bereich der Stadteinfahrten zu entwickeln. Die Arbeitsgemeinschaft Atelier Kaitna – Smetana ZT GmbH und zwoPK Landschaftsarchitektur OG wurde mit der Bearbeitung betraut.

Bearbeitung/Arbeitsweise
Für eine erste Annäherung wurde der räumliche Bezugsbereich auf das unmittelbare Umfeld des Standortes der Ortstafeln der burgenländischen Städte und Gemeinden (Andau, Eisenstadt, Frauenkirchen, Güssing, Jennersdorf, Mattersburg, Neudörfl, Neusiedl/See, Oberpullendorf, Oberwart, Pinkafeld, Rust, Stadtschlaining) definiert.
Stadtpläne sowie fotografisches Bildmaterial bildeten die Grundlage für eine Darstellung der bestehenden Situation aus räumlich-gestalterischer Sicht. Gemeinsam mit Fachleuten wurden in 2 Workshops die bestehenden Situationen vorgestellt und die einzelnen Fachmeinungen in mögliche Lösungsansätze integriert. Als erstes Ergebnis der Analyse wurde eine Typologie erstellt.

Typologie
Die Typologie bildet einen Ordnungsversuch entlang folgender Kriterien, die gleichzeitig auch als bestimmende Komponenten für die weitere gestalterische Bearbeitung dienen. Als zentrales Kriterium fungiert der landschaftliche Kontext: In welchem übergeordneten Naturraum ist die konkrete Stadteinfahrt eingebettet, welche Beziehung zur Kulturlandschaft bestehen und durch welche landschaftlichen Elemente ist die Situation bestimmt? Dabei werden nicht nur die naturbürtigen Elemente wie topografische Formen oder Wasserläufe berücksichtigt, sondern ebenso anthropogene Strukturen wie Flurformen, Alleen oder Windschutzgürtel. Die Erfassung der vorhandenen baulich-räumlichen Struktur stellt das Kriterium für den adäquaten Größenmaßstab dar. Die verschiedenen Nutzungsformen wie Wohnen, Gewerbe oder Handel produzieren unterschiedliche Größenmaßstäbe, die sich in Gebäudeform und -größe und in der benötigten Infrastruktur widerspiegeln. In engem Zusammenhang dazu steht die vorhandene infrastrukturelle Erschließung: Welche Straßenprofile sind vorhanden, wie hoch ist das Verkehrsaufkommen, wie ist der Verkehr organisiert? Eine weitere Kriteriengruppe bildet die räumliche Orientierung, die charakteristische übergeordnete Zielpunkte in landschaftlicher oder baulicher Hinsicht einbezieht und die Übersichtlichkeit des Straßenraums mit den darin verwendeten Gestaltungselementen thematisiert.
Aus der Analyse des vorhandenen Materials wurde eine Zusammenführung ähnlicher Situationen auf die vier unterscheidbaren Typen Wohngebiet, Wirtschaftsstandort, Infrastruktur und landschaftlich geprägte Einfahrten unternommen. Die Unterteilung in die vier Typen ermöglicht einerseits eine Charakterisierung der einzelnen Typen, andererseits werden daraus vorhandene Potenziale für die weitere Entwicklung und die adäquate Gestaltung der Stadteinfahrten erkannt. Eine Operationalisierung dieser Typologie zur Erarbeitung von Gestaltungsstrategien muss allerdings für jede spezifische Situation modifiziert und auf die vorhandenen örtlichen Gegebenheiten angepasst werden.

Strategien
Zur Formulierung von Lösungsvorschlägen werden die Stadteinfahrten als Möglichkeitsräume begriffen, die das Potenzial zur Identitätsschaffung, zur Präsentation der Stadt und ihrer Bewohnerinnen und Bewohner und die Funktion der Kennzeichnung des Stadtbeginns besitzen.
Eine übergeordnete Leitlinie zum gestalterischen Umgang mit den Stadteinfahrten setzt sich aus folgenden Grundsätzen zusammen:

- Übergang Stadt – Land:
Die Stadteinfahrten als administrative sowie räumlich-funktionale Grenze spiegelt sich nicht nur im Geltungsbereich von Verordnungen und Gesetzen wider, sondern auch in der räumlichen Erscheinung. Der Landschaft und den einzelnen Landschaftselementen kommt in der Definition dieses Überganges eine besondere Rolle zu, die den spezifischen Ort stärkt und wiedererkennbar macht.

- Ortsbezogene Lösungsansätze:
Den Bezugspunkt für die Ausarbeitung gestalterischer Ideen stellt der konkrete Ort dar. Die vorhandenen landschaftlichen und räumlichen Strukturen sowie die kulturelle und soziale Identität bilden das diesbezügliche Ausgangsmaterial.

- Lesbarkeit der Gestaltung:
Die gestalterischen Interventionen und Maßnahmen müssen in ihrer Wirkung und Funktion nachvollziehbar sein, wodurch klare Aussagen entstehen.

- Übersichtlichkeit:
Der zurückhaltende Einsatz von Gestaltungselementen und die Reduktion des Informationsüberangebotes ermöglichen übersichtliche Situationen mit einer klaren Orientierung.

- Gestaltungskonzepte:
Die umfassende Bearbeitung der Stadteinfahrten erfordert die Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen, die über den begrenzten Standort der Ortstafel hinausgeht und einen integrativen Planungsansatz unter Einbeziehung verschiedener Professionen und relevanter Akteurinnen und Akteure verfolgt.

Gestaltungsmöglichkeiten

- Cinematische Gestaltung:
Die straßengebundenen Stadteinfahrten sind aus Sicht der Autofahrerinnen und -fahrer durch die Wahrnehmung bei erhöhter Geschwindigkeit geprägt. Je höher die Geschwindigkeit, desto mehr engt sich der Blickwinkel ein. Gleichzeitig ist die vorbeiziehende Landschaft als Kontinuum erlebbar. Mittels cinematischer Gestaltungszugänge kann diese Situation genutzt werden, um wie in einem Film die Landschaft zu inszenieren. Beispielsweise kann der Blick in die Landschaft oder auf ein ortstypisches Ensemble durch den Einsatz von Gestaltungselementen „erzwungen“ werden. Durch die Herstellung einer Abfolge wird der Blick mittels der gleichmäßigen Verteilung von gleichförmiger Elemente gefiltert. Durch die Erzeugung von Sequenzen mit unterschiedlichen Qualitäten kann eine Dramaturgie in der Abfolge der Sequenzen erzeugt werden, die in Bezug zum durchfahrenen Raum steht.

- Maßstäblichkeit:
Bauliche Großstrukturen, wie sie im Bereich von Wirtschaftsstandorten auftreten, erfordern eine entsprechende gestalterische Reaktion durch den Einsatz von großmaßstäblichen Gestaltungselementen. Dabei ist in der Dimensionierung die Wahrnehmungsperspektive der Autofahrerinnen und -fahrer in die Gestaltung einzubeziehen.
Durch den gestalterischen Einsatz großflächiger Elemente (wie beispielsweise eine inszenierte Kulturlandschaft, Baumhaine etc.) kann der Übergang von Stadt auf das Land wirkungsvoll thematisiert werden. Zur Stärkung bestehender Landschaftselemente können diese besser wahrgenommen und in den Stadtraum eingebunden werden.
Der Einsatz von linearen Effekten produziert je nach Anordnung unterschiedliche beziehungsweise sich ergänzende Effekte: Durch die Anordnung linearer Elemente parallel zur Straße kann eine Abfolge von wahrnehmbaren Teilräumen produziert werden. Durch lineare Elemente, die schräg oder orthogonal zur Fahrbahn verlaufen, wird am Kreuzungspunkt eine Torsituation geschaffen. Die Linearität des Elements stellt Verbindungen zu Landschafts- oder Stadträumen her. Eine kurvige Anordnung macht sich die Wahrnehmung in der Fortbewegungsgeschwindigkeit zunutze und erzeugt durch die dynamische Annäherung eine erhöhte Spannung und Verdichtung der Aufmerksamkeit.

- Künstlichkeit:
Die Stadtlandschaften im Bereich von Wirtschaftsstandorten sind in ihrer Erscheinung durch ein hohes Maß von Künstlichkeit charakterisiert. Leuchtreklamen, Form- und Farbgebung der Baukörper, Blickfänger auf Einkaufsparkplätzen etc. bestimmen das Bild. Als Reaktion auf die Künstlichkeit dieser Ensembles kann durch deren bewusste Inszenierung der spezifische Charakter dieses Stadtraums gestärkt werden. Der Einsatz artifizieller Gestaltungsmaterialien und die Form- oder Farbgebung von Gestaltungselementen spielen dabei eine wesentliche Rolle und tragen bei Berücksichtigung der übergeordneten Gestaltungsgrundsätze zu einer Verbesserung der Situation bei.

- Kulturlandschaft:
Charakteristische Kultur- und Flurformen, die prägend für das Landschaftsbild sind, werden auf wesentliche Elemente abstrahiert und in den Stadtraum integriert. Dadurch wird ein Bezug zur umgebenden Kulturlandschaft hergestellt und landschaftliche Nutzungen, die etwa für den Tourismus relevant sind (z. B. Weinbau), thematisiert.
Die künstliche Überhöhung von Elementen der Kulturlandschaft kann ein wirkungsvolles Mittel zur gestalterischen Bearbeitung von Stadteinfahrten im großmaßstäblichen Bereich sein. Dabei wird in der landschaftlichen Dimension gearbeitet, die neben typischen Flurformen auch Topografie und Geländemodellierungen verwendet, und damit in Größenordnungen von land-art-Projekten denkt.

- Beleuchtung:
Die gestalterische Verwendung von Licht bietet sich im Bereich von Stadteinfahrten an, um besonders in der Nacht den Übergang vom „dunklen“ Land in die „helle“ Stadt zu thematisieren. Dabei kann sowohl die Inszenierung von baulichen Strukturen (Autobahnbrücken, Stadtmauern, Burgen …) als auch landschaftlicher Elemente (Bäume, Stauden- und Kulturpflanzungen) mittels Beleuchtung effektvoll eingesetzt werden. Zu beachten sind die Wirkungen unterschiedlicher Lichtfarben. Färbiges Licht reduziert etwa den Blendeffekt, ein blauer Halbschatten hat eine beruhigende Wirkung, Rottöne erhöhen die Sehschärfe.

Zusammenfassung
Als zentrale Eigenheit der Stadteinfahrten hat sich ihre Grenzsituation erwiesen, die nicht nur juristische Bedeutung besitzt, sondern insbesondere in Hinblick auf die Umsetzung der gestalterischen Ansätze wichtig ist. Die Überschreitung von Verwaltungs- und auch von Professionsgrenzen ist für die zukünftige Erarbeitung von nachhaltigen Lösungsstrategien ein integraler Bestandteil der Arbeitsweise. Zur Erprobung eines diesbezüglichen strategischen Ansatzes wäre die Umsetzung eines Pilotprojektes inklusive einer Evaluierung und Überprüfung einer möglichen Anwendbarkeit auf andere Städte geeignet.
Aus den Ergebnissen der Workshops wird der Entwicklung von übergreifenden Konzepten eine wichtige Stellung eingeräumt. Mit der Neugestaltung der Stadteinfahrten sind die Bearbeitung der Aspekte der Politik und Verwaltung, der lokalen Wirtschaft und des Tourismus, der Gestaltung und Ordnungsplanung verknüpft. Eine übergreifende und vollständige Bearbeitung der Thematik der Stadteinfahrten hat diese Aspekte integral zu berücksichtigen.

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