Verkehrssicherheitsleitfaden für Städte und Gemeinden Ein Beitrag zur lokalen Verkehrssicherheit

Verkehrssicherheitsleitfaden für Städte und Gemeinden Ein Beitrag zur lokalen Verkehrssicherheit

Im Jahr 2002 wurde vom Österreichischen Städtebund der „Leitfaden für Verkehrssicherheit für Städte und Gemeinden“ herausgegeben. Nun liegt die überarbeitete Version vor. Entgegen dem nationalen Trend zeigt sich für den eigenen Wirkungsbereich der Städte und Gemeinden, dass das Unfallgeschehen im Durchschnitt eher zu- als abgenommen hat. In Fragen der lokalen Verkehrssicherheit ist nach wie vor großer Handlungsbedarf gegeben.

 

Einleitung
Im Dezember 2001 beauftragte der Österreichische Städtebund das Institut für Verkehrswesen der BOKU Wien unter Mitarbeit des Kuratoriums für Verkehrssicherheit, einen „Leitfaden für Verkehrssicherheit für Städte und Gemeinden“ zu erstellen. Dieser wurde im Herbst 2002 fertiggestellt und an alle Mitglieder des Österreichischen Städtebunds verteilt. Auch darüber hinaus herrschte großes Interesse an dieser Broschüre, sodass sie in der Folge rasch vergriffen war.
Wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen, hat die Thematik der lokalen Verkehrssicherheit leider nichts an Aktualität verloren. Es bleibt ein zentrales Anliegen, Stadt- und Gemeindeverwaltungen aufzuzeigen, dass lokale Verkehrssicherheitsarbeit sinnvoll ist und wie sie effizient ausgeführt werden kann. Daher entschloss sich der Österreichische Städtebund, die Broschüre in aktualisierter Form neu aufzulegen.

Das Unfallgeschehen im Überblick
In den allerletzten Jahren hat sich die Situation des Unfallgeschehens auf Österreichs Straßen ein wenig verbessert, sie ist aber nach wie vor keinesfalls zufriedenstellend, insbesondere wenn man Österreich im internationalen Vergleich betrachtet (Abb. 2). So ist die Anzahl der Unfälle mit Personenschaden pro 1.000 Einwohner in Österreich fast doppelt so hoch wie im Durchschnitt der EU 25 bzw. viermal so hoch wie jene der besten Länder. Positiv formuliert hätten wir in Österreich das Potenzial, die Anzahl der Unfälle mit Personenschaden auf ein Viertel zu senken, wenn wir uns ein ähnlich gutes und sicheres Verkehrsverhalten zutrauen.
In Österreich verunglückten 2005 bei knapp 41.000 Unfällen 54.000 Menschen, 768 davon starben direkt an der Unfallstelle oder innerhalb von 30 Tagen nach dem Unfall. In den vergangenen vierzig Jahren (1966 bis 2005) fanden insgesamt durchschnittlich über 1.700 Menschen pro Jahr auf Österreichs Straßen den Tod, insgesamt fast 69.000 – das käme der Ausrottung einer der größeren österreichischen Städte innerhalb einer Generation durch Verkehrsunfälle gleich.
Der hochgerechnete Trend der Anzahl der Getöteten weist nach wie vor auf rund 700 Getötete im Jahr 2010 hin (Abb. 2). Dies macht ersichtlich, dass das unverändert in die Neuauflage des Österreichischen Verkehrssicherheitsprogramms 2002 – 2010 übernommen Ziel, die Anzahl der Getöteten für 2010 zu Halbieren (d. h. auf unter 500 zu senken), nicht leicht erreicht werden kann bzw. dass das Setzen geeigneter Maßnahmen auch weiterhin unbedingt erforderlich ist.

Unfallgeschehen im Wirkungsbereich der Gemeinden
Einer der Beweggründe für die Beauftragung des Leitfadens im Jahr 2001 war der große Anteil des Unfallgeschehens des Jahres 2000, welcher sich auf Gemeindestraßen ereignete. Daran hat sich nichts zum Besseren verändert. Ganz im Gegenteil: Nicht nur die Anteile, sondern auch die absoluten Zahlen der Unfälle mit Personenschaden und der dabei verletzten oder getöteten Personen auf Gemeindestraßen sind 2005 höher als fünf Jahre zuvor (Tab. 1). Dies liegt entgegen dem erwähnten österreichweiten Trend des rückläufigen Unfallgeschehens im gleichen Zeitraum.

Eine detailliertere Betrachtung dieser Entwicklung von 2000 bis 2005 zeigt, dass

- die Anzahl der Unfälle mit Personenschaden, der Verletzten und der Getöteten im Jahr 2005 im Ortsgebiet auf Gemeindestraßen höher war als im Jahr 2000. Hingegen hat diese Anzahl im Freiland und im Ortsgebiet auf höherrangigen Straßen abgenommen;

- die Anteile am gesamten österreichischen Unfallgeschehen im Ortsgebiet, dort überwiegend auf Gemeindestraßen, zugenommen haben (Abb. 3).

Der Handlungsbedarf für Städte und Gemeinden ist also akut.
Die Hauptbetroffenen von Innerortsunfällen sind die sogenannten „schwachen“ Verkehrsteilnehmer: Über 60% der im Jahr 2005 bei Unfällen im Ortsgebiet ums Leben gekommenen Personen waren entweder zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit Mopeds oder Motorrädern unterwegs. Der Umstand, dass ein Drittel (und damit die meisten) der Getöteten im Ortsgebiet zu Fuß gehende Personen waren, ist besonders alarmierend.
Der Vergleich der Jahre 2000 und 2005 zeigt, dass sich die Durchschnittswerte der Unfälle mit Personenschaden, bezogen auf die Gemeindegrößen nach Einwohner, über alle Gemeindegrößenklassen hinweg verringert haben. Der gleiche Vergleich mit den Unfällen, die sich auf Gemeindestraßen innerhalb von Ortsgebieten ereignet haben, lässt erkennen, dass sich die Situation bei den einwohnerreichen Städten und Gemeinden (über 32.000 Einwohner) im Durchschnitt verbessert hat. Bei den kleineren bis mittelgroßen Gemeinden hingegen zeigt sich für die Unfälle auf innerörtlichen Gemeindestraßen eine Stagnation oder ein leichter Anstieg. Das betrifft 2.325 bzw. 98,7% der berücksichtigten Gemeindeeinheiten1 mit insgesamt 69% der österreichischen Bevölkerung.
Eine der möglichen Erklärungen dafür könnte sein, dass in größeren Städten eigene Stellen eingerichtet sind, die sich mit den Fragen des Verkehrs und der lokalen Verkehrssicherheit auseinandersetzen. Beispielsweise haben sich Wien und Linz vor kurzem selbst ein Verkehrssicherheitsprogramm „verordnet“. Ähnliches ist bei kleineren Städten und Gemeinden bis dato noch kaum der Fall.

Handlungsbedarf gegeben
Aus den oben angeführten Sachverhalten kann nicht auf einzelne Städte und Gemeinden geschlossen werden (entsprechende detaillierte Zahlen für jede einzelne Gemeinde befinden sich in der Neuauflage des Leitfadens). Es lässt sich aber ableiten, dass im Wirkungsbereich der Gemeinden, und hier vor allem im innerörtlichen Straßennetz, nach wie vor erhebliches Verbesserungspotenzial in punkto Verkehrssicherheit vorhanden und ein dringender Handlungsbedarf gegeben ist. Hervorgehoben seien aber folgende Punkte:

- Jede Stadt und Gemeinde sollte ein verbindliches Verkehrssicherheitsprogramm mit quantitativen Reduktionszielen für Getötete und Verletzte im Straßenverkehr beschließen.

- So ein Verkehrssicherheitsprogramm benötigt ein professionelles Umsetzungsmanagement und Verantwortlichkeiten. Die Länder sind dazu aufgefordert, kleinere Gemeinden durch Bereitstellung von Umsetzungsexperten zu unterstützen.

- Wesentlich für einen Erfolg ist ein eigenes Verkehrssicherheitsbudget.

- Ein wichtiger Mosaikstein zum Erfolg ist eine jährliche Programmevaluierung durch unabhängige Experten, die auch einen jährlich zu publizierenden Verkehrssicherheitsbericht mit Verbesserungsvorschlägen zu erstellen haben.

- Als Schlüsselmaßnahmen für ein Verkehrssicherheitsprogramm auf kommunaler Ebene sind folgende zu nennen:
* Verkehrsberuhigung und 30 km/h als Tempolimit in innerörtlichen Wohngebieten sowie Straßen mit großem Fußgängerquerungsbedarf,
* konsequente Überwachung der Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit,
* Sanierung von Unfallhäufungsstellen.

Fest steht, dass durch Straßenverkehrsunfälle nicht nur Unglück und Leid sowie Schaden für die Betroffenen und Angehörigen entsteht, sondern auch enorme Kosten für die Allgemeinheit anfallen. Fest steht auch, dass das Sicherheitsniveau auf Österreichs Straßen weit unter jenem der europäischen Spitzenländer liegt. Erscheint es in diesem Lichte, anstatt eines bloßen Kann oder Soll, nicht als ein Muss, dass Verantwortungs- und Entscheidungsträger – von der Bundes- und Landesebene bis herab zur kommunalen Ebene – ihre Kompetenzen bestmöglich wahrnehmen, um die Verkehrssicherheit auf unsern Straßen zu verbessern?

Fehlende Abbildungen und Tabellen finden Sie in der ÖGZ 4/2007!

OEGZ

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