Arbeitskreis 3: Aufgabenreform - Finanzen "Das Match Finanzausgleich beginnt"

Arbeitskreis 3: Aufgabenreform - Finanzen "Das Match Finanzausgleich beginnt"

Arbeitskreis 3: Aufgabenreform - Finanzen

 

„Der Finanzausgleich beginnt jetzt!“ Bürgermeister und Städtebund-Vizepräsident Heinz Schaden sprach im Städtetags-Arbeitskreis „Finanzen – Verfassungsreform“ von „einem Match zwischen Bund versus Länder, Städte und Gemeinden“, wobei es um die Verteilung der Finanzmasse gehe. „Unsere Strategie dabei muss natürlich ein möglichst gemeinsames Vorgehen der Städte, Gemeinden und Länder sein. Wir haben gesehen, wie sich die Aufteilung der Mittel aus den Steuereinnahmen entwickelt, dass nämlich der Bund in den vergangenen Jahren besser abgeschnitten hat als die anderen Gebietskörperschaften. Die Forderung, dass es diesbezüglich zu einer Erhöhung der Finanzmasse kommen muss, ist daher nach wie vor aktuell und bleibt aufrecht“, erklärte Schaden im publikumsstärksten Arbeitskreis im Linzer Design Center.

Schaden: Abgestufter Bevölkerungsschlüssel essenziell
2000 sei der Finanzausgleich zulasten der größeren Städte und Zentren ausgegangen, 2004 sei das etwas kompensiert worden. Das Ergebnis 2004 stark vereinfacht: 100 Millionen Euro mehr Finanzmasse für die Länder, 100 Millionen Euro mehr für Städte und Gemeinden. Der Löwenanteil auf Gemeindeebene ging dabei an Gemeinden unter 10.000 Einwohner. Die Städtebund-Losung für den FAG 2008: Eine Erhöhung der Finanzmasse, die Verteilung nach dem abgestuften Bevölkerungsschlüssel „bleibt essenziell“, zentralräumliche Aufgaben seien klar abzugelten. „Ich kann Ihnen das am Beispiel einer kleinen Salzburger Gemeinde gut vor Augen führen: Diese kleine Lungauer Gemeinde hat sich schon zu Wort gemeldet und gesagt, dass sie diesen abgestuften Bevölkerungsschlüssel nicht wollen. Das ist aus der Sicht dieser Gemeinde verständlich, weil sie damit eine Besserstellung erreichen würde. Aus der realen Sicht heraus ist das aber natürlich ein Unding, denn diese kleine Lungauer Gemeinde muss keine Festspiele, kein Landestheater, keine Eishalle, keine Messearena und auch keine Olympiabewerbung finanzieren, profitiert aber von allen Dingen im Umwege des Tourismus und der gemeinsamen Markenwerbung, die es im Zusammenhang mit dem Namen Salzburg gibt“, so Bürgermeister Schaden.

Brauner: Konsultationsmechanismus funktioniert nicht
Wiens Finanz- und Wirtschaftsstadträtin Vizebürgermeisterin Renate Brauner forderte eine „faire Aufgabenreform“ ein. Brauner sprach explizit den „grauen“ Finanzausgleich an, also die Aushöhlung des FAG-Paktums im Zuge von neuen Gesetzen und Bestimmungen zum Nachteil von Ländern, Städten und Gemeinden. „Die Aufgabenverschiebungen an die Länder und Gemeinden sind ohne finanziellen Ausgleich erfolgt. Ich darf nur an die Veränderungen im Pass-, Melde- und Fundwesen und an die Fremdenrechtspakete erinnern. Dazu eine Zahl aus Wiener Sicht: Die Zusatzbelastung beträgt allein für Wien 10 Millionen Euro pro Jahr durch diese Aufgabenverschiebungen, die nicht entsprechend finanziell abgegolten wurden.“ Darüber hinaus schaffe auch der Konsultationsmechanismus keine Abhilfe: „Der wichtige Konsultationsmechanismus ist – wie ich jetzt auch salopp sagen möchte – zahnlos, seitens der Stadt Wien wurde er 13 Mal ausgelöst, was aber zu keinerlei Verhandlungen geführt hat“, meinte Brauner, die zugleich vor der Fehlannahme „Staatsreform ist gleich Millioneneinsparungen“ warnte. „Wir brauchen aus Sicht der Städte eine verstärkte Aufgabenorientierung im Finanzausgleich. Werden Aufgaben weitergereicht, muss das Geld folgen“, so Brauner. Auch das jetzige Regierungsübereinkommen kann – das wird natürlich eine Frage der Verhandlungen sein – zu einer umfangreichen Kostensteigerung für Länder und Gemeinden führen. Eine wichtige Komponente dabei ist die Mindestsicherung, die ich für ein wichtiges Anliegen halte. Ich empfinde es als einen großen Fortschritt, dass die Bundesregierung die Armutsbekämpfung thematisiert hat. Es kann dies aber nicht zulasten der Länder, der Städte und Gemeinden gehen“, hielt Brauner fest.

Weiss: Verfassungsreform weitgehend kostenneutral
Auch Bundesratsvizepräsident Jürgen Weiss zeigte als früherer Föderalismusminister auf, dass viele Maßnahmen der Verfassungs- und Verwaltungsreform kaum nennenswerte Einsparungen mit sich bringen werden. „Viele verfassungspolitische Maßnahmen, zum Beispiel die Verankerung von Grundrechten oder die Rechtsbereinigung, sind einsparungsneutral. Andere Maßnahmen erhöhen zwar durch Vereinfachung, Beschleunigung und Transparenz die Qualität des staatlichen Handels oder kommen den Bürgern zugute wie etwa in der Verwaltungsgerichtsbarkeit, ohne dass aber rasche Einsparungseffekte lukriert werden könnten. In anderen Bereichen wird das Potenzial offenkundig überschätzt. So besteht bereits für fünf Sechstel des Schulwesens eine gemeinsame Verwaltung.“ Weiss skizzierte die drei grundlegenden Pakete in der Staatsreform:
- Paket 1, also die Wahlrechtsreform;
- Paket 2, also der große Bereich der Verfassungsbereinigung;
- Paket 3, Grundrechte, verfassungsrechtliche Länderautonomie, Beziehungen der Gebietskörperschaften, interkommunale Zusammenarbeit, sonstige Selbstverwaltungskörper, Behördenorganisation, Kompetenzverteilung und Finanzverfassung.
„Die beiden letzten Punkte werden, wie zu erwarten war, aus nachvollziehbaren Gründen zusätzlichen Beratungsaufwand auch in zeitlicher Hinsicht erfordern, denn es gibt eine starke Wechselbeziehung zum Finanzausgleich und es ist kein Rückgriff auf den Konsens im Konvent oder im Regierungsprogramm möglich. Nicht nur das politisch Machbare, sondern auch das fachlich Gebotene sind in hohem Maße strittig. Und schließlich ist auch noch die Frage offen, ob an eine Entlastung des Bundes oder der öffentlichen Haushalte insgesamt gedacht ist“, so Weiss. Die Begutachtungsentwürfe zur Staatsreform seien allerdings erst der Beginn der Diskussion, der unter intensiver Einbindung der VertreterInnen von Städten und Gemeinden zu führen sei.

Bröthaler: Städte überproportional belastet
TU-Finanzausgleichsexperte Johann Bröthaler beschäftigte sich grundsätzlich mit der Entwicklung des Finanzausgleichs aus Sicht der Finanzwissenschaft. „Ein wichtiges Merkmal ist, dass die Aufgabenorientierung im Finanzausgleich fehlt. Seit 60 Jahren werden die Finanzmittel vertikal und horizontal ohne normative Aufgabenverteilung transferiert. Die Komplexität des Verteilungssystems besteht aufgrund der stetigen Änderungen des Steuersystems, es gab jedoch keine normativen Änderungen in der Aufgabenübertragung. Trotzdem hat die österreichische Politik ein kontinuierliches System geschaffen, wonach die Verteilung der Finanzmittel über Jahrzehnte trotz massiver Änderungen der rechtlichen Grundlagen gleich geblieben ist.“ Bröthaler machte dabei auf die Zentralisierungstendenz des Bundes nach 1995 aufmerksam: „Ein weiteres wichtiges Merkmal ist, dass während der letzten Jahrzehnte die Steuereinnahmen des Bundes gewachsen sind, während die eigenen Steuern der Gebietskörperschaften um jeweils 20% zurückgegangen sind.“
Die finanzwissenschaftliche Analyse zeigte eindrucksvoll die überproportionale Belastung der Städte. „Zwischen den verschiedenen Gemeindegrößen bestehen diesbezüglich relativ große Unterschiede. Die Basisaufgaben belaufen sich auf zirka 600 bis 1.000 Euro pro Kopf, und zwar ansteigend nach Gemeindegröße, gefolgt von den ballungsraumspezifischen und den zentralörtlichen Aufgaben. Zu den daraus entstehenden Verhältnissen, und zwar im Vergleich der verschiedenen Größenklassen zur untersten Größenklasse: Bei den eigenen Abgaben zeigt sich, dass die großen Gemeinden das 2,5-fache an eigenen Abgaben gemessen an den kleinen Gemeinden haben. Kommt dann der Finanzausgleich hinzu, so wird dieses Verhältnis gemildert. Die großen Städte verfügen dann nur mehr über das 1,8-fache im Vergleich zu den kleinsten Gemeinden.“

Kontroversielle Diskussion
Die Diskussion im Arbeitskreis verlief durchaus kontroversiell. Der Leiter der Abteilung Finanzausgleich im Finanzministerium, Anton Matzinger, meinte an Bürgermeister Schaden gewandt: „Zu dem Bild vom Match der Länder, Städte und Gemeinden gegen den Bund möchte ich darauf hinweisen, dass es natürlich unfair ist, wenn drei gegen einen spielen. Ich glaube aber, wir könnten auch ein anderes Bild wählen, nämlich das Bild eines Segeltörns mit einer gemeinsamen Mannschaft, die ein Schiff steuern will. Da gibt es einen Steuermann, der die Verantwortung trägt, und vor allem sind auch Passagiere an Bord. Die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler sind nämlich unsere Passagiere, und die wollen wir sicher über eine stürmische See zu einem positiven Ziel bringen.“ Was die prompte Reaktion von Wiens Vizebürgermeisterin Renate Brauner zur Folge hatte: „Ich teile gern das Bild von dem Boot, in dem wir gemeinsam sitzen. Insofern haben wir natürlich gemeinsame Interessen. Das Problem ist nur, dass im Moment alle Passagiere auf unserer Seite sitzen, weshalb wir ziemlich Schlagseite bekommen. Deswegen diskutieren wir ja hier darüber, denn ein Boot, das schon Schlagseite hat, wird irgendwann einmal kentern.“

Ein Staat, der tun kann, was er tun muss
Die Diskussion war geprägt von der Forderung nach einer „stärkeren Bedienung insbesondere der Landeshauptstädte beim FAG“ (Finanzdirektor Kampner, Graz), dem Dank für den Einsatz der großen Städte in Sachen Getränkesteuer – „wir hätten es uns als kleine Gemeinde nicht leisten können, die Nachzahlungsanträge zu behandeln“ (Bgm. Meinhard Kronister, Vösendorf) – sowie die ausreichende Abgeltung neuer Aufgaben. Dazu äußerte sich der Generalsekretär des Bayrischen Städtetages, Reiner Knäusl: „Seit etwa vier Jahren haben wir aber das sogenannte Konnexitätsprinzip – wir nennen es auch Kellnerprinzip –, das besagt: Wer anschafft, muss auch bezahlen, das heißt, wenn der Staat uns neue Aufgaben anschafft, dann muss er sie auch bezahlen. Und dieses Prinzip funktioniert, seitdem wir es haben, gut. Ein konkretes Beispiel: Wir haben in Bayern das G8, also das achtjährige Gymnasium, eingeführt, und dieses ist für die Kommunen wesentlich teurer. Als uns der Staat auf die bisherigen Pauschalsätze verweisen wollte, haben wir gesagt: Wir haben jetzt das Konnexitätsprinzip, die Mehrkosten müssen vom Staat bezahlt werden, und notfalls klagen wir auch. Daraufhin hat sich der Staat bewegt.“ Und zum Abschluss forderte Bürgermeister und Städtebund-Vizepräsident Heinz Schaden generell ein Umdenken in Bezug auf die Steuerquote: „Ich meine mit starkem Staat nicht einen Staat, der alles kontrolliert, sondern einen Staat, der endlich in der Lage ist, das zu tun, was er tun muss; ich zähle da auch die Kommunen mit dazu. Wir haben eine enorm steigende Aufgabenbelastung aus dem Titel Soziales, Gesundheit und Pflege. Wir müssen daher in der Lage sein, diese Aufgaben finanziell zu bedienen. Wenn man aber steuerpolitisch nur danach trachtet, eine möglichst niedrige Steuerquote zu haben, andererseits aber weiß, dass die Aufgaben permanent zunehmen, dann ist das meiner Meinung nach eine ganz schlechte Entwicklung. Hier muss wirklich ein Umdenken erfolgen.“

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