Festreferat von Vizekanzler und Finanzminister Mag. Wilhelm Molterer

Festreferat von Vizekanzler und Finanzminister Mag. Wilhelm Molterer

Vizekanzler und Finanzminister Mag. Wilhelm Molterer

 

Es ist mir eine große Freude, heute bei Ihnen sein zu können und einige wichtige Zukunftsfragen anzusprechen, die für die Städte, die Gemeinden und damit für die Menschen in diesem Land von ganz zentraler, ja zukunftsentscheidender Bedeutung sind.

Erster Städtetag 1400 in Oberösterreich
Sie haben den 57. Städtetag, und ich habe nachgeschaut, ob das wirklich der 57. Städtetag ist. In einem zehnbändigen Geschichtswerk, der Geschichte der Republik Österreich, meine Damen und Herren, ist festgehalten, dass in Oberösterreich, wahrscheinlich im Raume Linz, der 1. Städtetag stattgefunden hat, nämlich genau im Jahr 1400. Im Jahr 1400 haben sich Städtevertreter in diesem Raum zusammengefunden, und die Frage hat damals gelautet: Wie gehen die Städtevertreter mit den Landesfürsten um? – Ich bin mir nicht sicher, Michael, ob es Landesfürsten überhaupt noch gibt. – Möglicherweise schon, wenn ich dich so anschaue.
Und der Ausgangspunkt dieser Diskussion, meine Damen und Herren, war eigentlich – und Sie werden völlig überrascht sein – die Finanzfrage. Es ist damals nämlich um die Münzrechte gegangen, also: Inwieweit dürfen Städte tatsächlich Münzrechte selbständig in Anspruch nehmen? – Sie sehen, auch nach 600 Jahren ist die Themenlage nicht sehr viel anders, die uns bewegt, die uns bewegt in einer völlig selbstverständlichen Interessenpositionierung. Ich respektiere ganz klar die Positionierung der Städte, des Städtebundes, des Gemeindebundes und auch der Bundesländer als Partner in den so wichtigen Fragestellungen, die wir in den nächsten Monaten gemeinsam zu bewältigen haben, und es ist für die Bundesregierung selbstverständlich klar, dass dabei die Aufgaben der Städte und Gemeinden in ganz besonderer Weise zu beachten sind. Warum? – Weil für den Aufbau des Staates im Verhältnis dieser drei Gebietskörperschaften, Gemeinden, Länder und Bund, die Gemeinden essenzielle Aufgaben zu erfüllen haben, ein Fundament für unseren Staat sind, ein Fundament letztendlich auch für die demokratische Legitimation unserer Republik.

In den Städten geschieht Neues
In den Gemeinden und in den Städten, meine Damen und Herren, geschieht viel Neues, ist vieles zu bewältigen – einiges haben wir ja jetzt aus den Berichten der Arbeitskreise gehört –, und es ist daher klar, dass der Städtetag für den Städtebund immer auch eine Möglichkeit ist, zu präsentieren, welche Leistungen Sie tagtäglich erbringen, aber es ist ganz genauso klar, dass Sie diese Möglichkeit nutzen, sich auch zu positionieren im Sinne dessen, was Sie nicht für sich – und ich respektiere das – in Ihrer Verantwortung als Verantwortungsträger in den Gemeinden, demokratisch legitimiert selbstverständlich, und auch in den Städten, sondern eigentlich in Verantwortung für die Bürgerinnen und Bürger artikulieren, die Ihnen ihr Vertrauen gegeben haben.
In diesem Miteinander, meine Damen und Herren, von Bund, Ländern und Gemeinden, trotz aller Interessenpositionen, wird auch in Zukunft ein Geheimnis des Erfolges unseres Heimatlandes liegen. Ein Miteinander, das Österreich stark gemacht hat, auch auf Ebene der Sozialpartner übrigens, und wir können sagen, dass dieses Österreich, diese unserer Heimat, in den letzten Jahren und Jahrzehnten eine unendliche Erfolgsgeschichte geschrieben hat und wir heute stolz darauf sind, dass wir eines der reichsten Länder, nicht nur Europas, sondern dieser Erde sind.
Ich sage Ihnen ganz offen: Bei vielen Diskussionen, die ich jetzt führe, scheint sehr oft in den Hintergrund zu treten, dass wir etwas geschaffen haben und geschafft haben in den letzten Jahren und Jahrzehnten, auf das wir stolz sein sollen und das wir mit viel mehr Selbstbewusstsein auch den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes mitteilen können.

Arbeitslosigkeit sinkt
Wenn Österreich auch im heurigen Jahr eine Wachstumsrate von – geschätzt – plus 3% hat und wir mit dieser Wachstumsrate deutlich über dem Durchschnitt der Eurogruppe liegen und meilenweit vor der Wachstumsrate der Vereinigten Staaten, dann sollte uns das stolz und selbstbewusst machen! Wir haben mit diesem Wachstum, meine Damen und Herren, auch etwas erreicht, nämlich dass wir seit zirka eineinhalb Jahren eine sinkende Arbeitslosenrate haben. Wir bewegen uns derzeit bei einer Arbeitslosigkeit in der Größenordnung von 4,4%. Da sind wir im europäischen Schnitt mit an der Spitze. Und wir sind eines der drei erfolgreichsten Länder der Europäischen Union, wenn es um die Arbeitsmarktentwicklung geht.
Ich bin in der Zwischenzeit ja auch schon damit konfrontiert – und Sie genauso, meine Damen und Herren –, dass diese Kombination der guten Konjunktur, des Wachstums, der Exportdynamik für viele Betriebe eine völlig neue Frage aufwirft, nämlich die Frage: Woher bekommen wir die hochqualifizierten Fachkräfte? Wir haben Regionen in unserem Land, wo wir praktisch heute schon von Vollbeschäftigung reden können – nicht überall! –, und es wird daher die Kernaufgabe unserer Politik – und das ist die Zielsetzung dieser Bundesregierung –sein, dass wir diese Wachstumsstärke in Österreich, diese starke ökonomische Situation auch in den nächsten Jahren fortschreiben und sichern, und dass wir damit das zweite, gleich wichtige Ziel erreichen, nämlich Vollbeschäftigung in unserem Land, denn: Je mehr Menschen in diesem Land Arbeit haben, desto mehr können wir vom sozialen Zusammenhalt sprechen.
Was sind aus meiner, aus unserer Sicht die wichtigen Fragestellungen, die uns bewegen müssen, damit wir diese positive Entwicklung in unserem Land Österreich fortschreiben können?
Ich möchte einige herausgreifen, weil sie mir wichtig scheinen, und beim Durchblättern Ihrer Resolution bin ich übrigens draufgekommen, wir sind in den Grundanliegen deckungsgleich.
Erstens: Ein klares Bekenntnis zu Europa, zur Europäischen Union, zur Erweiterung der Europäischen Union ist Grundvoraussetzung für den weiteren Erfolg , den weiteren wirtschaftlichen Erfolg Österreichs.
Ich sage auch sehr offen, dass ich oft nicht glücklich bin darüber, in welcher Art und Weise in Österreich Europa diskutiert wird. Europa ist eine derartige Chance für unser Land, und wir haben diese Chance genutzt in den letzten zwölf Jahren und müssen sie auch in den nächsten Jahren nützen. Das ist keine Aufgabe der Bundesregierung alleine. Das ist eine Aufgabe des Bundes, der Länder, der Städte, der Gemeinden, eine Aufgabe der Sozialpartner in gleicher Weise. Nur dann, wenn wir uns unmissverständlich zu dieser europäischen Integration bekennen, zu diesem europäischen Lebensmodell, bekennen wir uns zu dem wirtschaftlichen Nutzen, dem politischen Nutzen, dem Sicherheitsgewinn – Stichwort Schengen-Grenze –, und dann bekennen wir uns auch zu den Chancen, die in Europa für die Menschen in Österreich liegen.
Und ich sage klar dazu, was wir aus österreichischer Sicht brauchen:

Forderung nach Subsidiarität
Wir brauchen aus österreichischer Sicht eine Verfassung in Europa, einen Vertrag in Europa, der die Subsidiarität in den europäischen Grundregeln verankert. Subsidiarität darf in Europa kein Fremdwort bleiben, sondern muss gelebte Realität werden. Wer es am besten kann, soll es machen, und dazu gehören die Regionen, dazu gehören die Städte und die Gemeinden. Und Europa hat dann Zukunft, wenn dieses Lebensmodell gelebt wird, wie wir es beispielsweise in der Frage der Dienstleistungsrichtlinie auch durchgesetzt haben. Denn Wettbewerb ist in Ordnung, wenn er fair ist und die ökologischen und die sozialen Notwendigkeiten im Sinne dieser ökosozialen Marktwirtschaft sieht.
Zweitens: ein klares Bekenntnis zu Forschung und Entwicklung. Das ist eine Zukunftsaufgabe erster Ordnung für den Bund, für die Länder, und ich sage: auch für die größeren Gemeinden und Städte, weil ich weiß, welche Initiativen in der Zwischenzeit auch auf dieser Ebene gestartet werden. Ich lade Sie ein, dass wir gemeinsam, Hand in Hand, diese Entwicklung mit einem besonderen Schwerpunkt weitertragen, der mir wichtig ist: Wir werden das 3%-Ziel nur erreichen, wenn wir gemeinsam mit der Wirtschaft gehen, vor allem mit den kleinen und mittleren Betrieben in diesem Land, nicht alleine mit der Industrie, sondern mit diesen Betrieben und mit allen Einrichtungen, auf allen Ebenen. Eine bessere Vernetzung ist unserer Zielsetzung, damit wir das zusätzliche Geld auch sinnvoll einsetzen.

Schwerpunkt Bildung und Ausbildung
Dritter Schwerpunkt: Bildung und Ausbildung. Meine Damen und Herren! Zweifelsfrei liegt in der Bildung der Schlüssel zur Zukunft. Darüber sind wir uns ja grundsätzlich einig. Ich sage Ihnen aber auch sehr offen, auch angesichts dieser Berichte, die ich jetzt gehört habe: Mir erscheint es viel zu wenig, wenn wir meinen, Antworten der Bildungsdiskussion bestehen darin, dass Türschilder an den Schulen oder Türschilder an den Klassen neu geschrieben werden. Das wäre hier zu wenig. Ich möchte auch nicht, dass in die Schule durch eine ständige Reformdiskussion der Eltern, Schüler und Lehrer eigentlich mehr Verunsicherung als Sicherheit gebracht wird. Daher müssen wir in dieser Frage – und ich bin optimistisch, dass uns dies gelingt – diese gemeinsame Perspektive entwickeln, dass Schule selbstverständlich auch eine Differenzierung braucht, dass Schule Wahlmöglichkeit braucht, Durchlässigkeit braucht, dass wir selbstverständlich auch die Frage beantworten müssen, wie wir die Erziehungsaufgaben in den Schulen für die Lehrer wieder besser ermöglichen, dass Lehrer wieder Pädagogen sein können – und nicht in Bürokratie und Verwaltung ersticken.
Schule muss letztendlich auch sicherstellen, dass wir nicht nur die Mittelschule, die Matura und die Universität sehen, sondern, wie ich bereits gesagt habe, auch die Facharbeiter, weil ein Bildungssystem, meine Damen und Herren – und ich weiß, dass das nicht jedem schmeckt, aber ich sage es trotzdem –, in der Qualität nicht alleine daran gemessen werden kann, wie groß der Anteil der Universitätsabsolventen ist, sondern in gleicher Weise daran gemessen werden muss: Sind wir in der Lage, ausreichend hochqualifizierte Facharbeiter zur Verfügung zu stellen? – Denn für mich ist ein Facharbeiter gleich wichtig wie ein Universitätsabsolvent, meine Damen und Herren!
Vierter Punkt: Integration. – Hilde, ich bin mit dir einer Meinung: Das wird eine der politischen Schlüsselaufgaben und Schlüsselfragen, die Gebietskörperschaften und Bund gemeinsam betreffen wird. Und ich bin auch dafür, dass wir die Fragen offen ansprechen, ungeschminkt, und zwar deswegen, weil das jene politischen Kräfte tun müssen, die mit schwierigen Fragen verantwortungsvoll umgehen. Wir dürfen nicht die Augen davor verschließen und kritische Fragen jemand anderem überlassen, der emotionalisiert und daraus in Wahrheit politisches Kleingeld schlägt, was ich für unverantwortlich halte.

Klare Spielregeln bei Integration
Daher ja zur Integration, aber auch klar dazugesagt: mit Spielregeln, die für alle Beteiligten unmissverständlich klar sind.
Ich bin dankbar, dass heute schon gesagt wurde, hier geht es um die faire Balance zwischen Rechten und Pflichten, meine Damen und Herren, und je klarer wir die Spielregeln definieren, desto leichter werden wir in dieser Frage auch weiterkommen. Hier brauchen wir das Miteinander selbstverständlich von allen Gebietskörperschaften, und klare Spielregeln heißt nicht nur, die deutsche Sprache zu können, sondern klare Spielregeln heißt auch, sich an einer Werteordnung zu orientieren, die den demokratischen Rechtsstaat Österreich ausmacht, und dabei auch auf die Möglichkeiten des Arbeitsmarkts, des Wohnungsmarkts, letztendlich der Bildung und aller Systeme, bis hin zum Sport, Rücksicht zu nehmen.
Wenn wir uns nicht mit diesem Thema beschäftigen, tut es jemand anderer. Das will ich nicht! Ich will, dass wir, die politisch verantwortlichen Kräfte, die auch mit schwierigen Themen umgehen können, diese heiße Kartoffel anfassen.
Meine Damen und Herren! Eine wichtige Frage aus meiner Sicht ist: Wie gehen wir mit der Arbeitswelt der Zukunft um? Dort wird das Thema der Arbeitszeitflexibilität und der größeren Sicherheit für die Mitarbeiter wichtig sein, aber genauso auch Modelle, wonach Familie und Beruf in ihrer Vereinbarkeit auch tatsächlich gelebt werden können, was Kinderbetreuung betrifft. Ich gehe davon aus, dass wir ein gemeinsames Ziel haben: Dass für uns das Wohl des Kindes im Mittelpunkt steht. Und meine Überzeugung ist, meine Damen und Herren, dass es nicht darum geht, die Familien möglichst wirtschaftsfreundlich zu machen, sondern die Zielsetzung sollte doch sein, die Wirtschaft möglichst familienfreundlich zu gestalten.
Daher müssen wir auch bei den Kinderbetreuungseinrichtungen auf jene Bedarfe zugehen, die es tatsächlich gibt, und das wird auch gemeinsam zwischen Bund, Ländern und den Gebietskörperschaften, Städte und Gemeinden, zu regeln sein. Ich habe daher durchaus Ihr Signal verstanden, dass Sie bei Kinderbetreuungsgesprächen, die wir führen, mit am Tisch sitzen wollen, mit am Tisch sitzen müssen, und daher aus meiner Sicht auch mit am Tisch sitzen werden, weil es letztendlich Sie sind, meine Damen und Herren, die in der Praxis sehr viele der komplexen Projekte abzuwickeln haben. Das gehört zum sozialen Zusammenhalt einer Gesellschaft.
Und auch ganz offen gesagt: Die Frage der Mindestsicherung und die Frage der 24-Stunden-Betreuung und -Pflege darf nicht unendlich in diesen Details der Finanzausgleichsgespräche hängen bleiben. Niemand, der betroffen ist, hätte dafür Verständnis! Weil das aber so ist, meine Damen und Herren, fordere ich, so wie Sie die Beteiligung des Bundes einfordern, auch ganz selbstverständlich die Einhaltung der Kompetenzlage bei Ländern, Städten und Gemeinden ein. Es wird daher heute Nachmittag auch ein Thema sein bei den Finanzreferentengesprächen, und wir müssen – und das ist ein Appell – alle gemeinsam danach trachten, dass wir es nach den rechtlichen Grundlagen, die wir haben, schaffen, auch die Finanzierungsfragen möglichst rasch zu klären. Denn der Finanzausgleich, wenn Sie so wollen, ist eine Frage, die wir zu lösen haben, aber nicht auf dem Rücken der Menschen, die betroffen sind.
Diese gemeinsame Verantwortlichkeit fordern Sie zu Recht ein – ja, dazu stehe ich –, aber ich fordere diese in gleicher Weise von Ihnen, weil es unsere gemeinsame Verpflichtung ist.

Herausforderung Klimaschutz annehmen
Wir haben Zukunftsfragen zu lösen, wo Sie, meine Damen und Herren, eine ganz zentrale Aufgabe haben, insbesondere Klima- und Energiepolitik. Hier ist mehr im Wandel, als wir gemeinsam, glaube ich persönlich, bis jetzt erkennen. In der Frage der Klima- und Energiepolitik geht der Wandel viel tiefer. Es ist meine Überzeugung, dass wir so wie in der Demografie, wo praktisch kein gesellschaftlicher Sektor unberührt bleiben wird vom demografischen Wandel, auf ähnliche Dimensionen zugehen in der Klima- und Energiepolitik.
Wir haben daher auf Bundesebene diesen Fonds errichtet und erwarten, sage ich auch ganz offen, dass vorhandene Wohnbaumittel effizient und zielgerichtet eingesetzt werden, nicht nur für Wohnbau, sondern im Rahmen des Wohnbaus selbstverständlich klimaorientiert, aber auch dort, wo Mittel in Zukunft anderweitig verwendet werden für Klima- und Energiemaßnahmen. Das betrifft auch den Verkehr. Das betrifft selbstverständlich auch den öffentlichen Personennahverkehr. Keine Frage, dass das ein Schlüsselthema ist.
Es ist das ein Schlüsselthema genauso wie die Frage der Staats- und Verwaltungsreform, und auch hier eine ganz offene Feststellung, meine Damen und Herren: Mir genügt es nicht, wenn auch mein Freund Jürgen Weiss in diesem Arbeitskreis erklärt, dass wir zwar eine Staats- und Verwaltungsreform machen, aber dass das null Effekt auf die Frage der Kosten hat. Diesen Anspruch sollten wir, würde ich sagen, etwas höher ansetzen.
Wenn wir über Staats- und Verwaltungsreform diskutieren, dann müssen wir diskutieren über eine kluge Aufgabenteilung zwischen Gemeinden, Ländern und Bund, aber wir müssen, weil es unser gemeinsames Interesse ist, genauso darüber diskutieren, wie wir den vorhandenen Steuer-Euro effizient einsetzen. Und seien wir ehrlich, meine Damen und Herren: Dann müssen wir auch darüber diskutieren, ob alle Ideen der Politik – ich nehme einmal keine Partei aus –, ob alle Ideen der Politik, die früher oder später in Gesetzen münden, nicht überprüft werden sollten hinsichtlich ihrer ökonomischen Relevanz und ihrer Kostenauswirkung.
Je intensiver wir Verrechtlichungsdebatten führen, auf allen Ebenen – und die Pflegefrage ist ein klassisches Beispiel –, umso intensiver führen wir die Debatte über die erhöhten Kosten. Und daher lege ich Wert darauf, dass wir uns in Zukunft bei jeder Diskussion, wo es Wünsche gibt, von wem immer, überlegen: Bringen sie das? Bringen sie den Mehrwert, den die Bürgerinnen und Bürger erwarten? Und: Wie ist es mit der Kosten-Nutzen-Relation? Welche Kosten sind damit verbunden? Denn letztendlich geht es ja nicht um unser Geld, sondern um das Geld der Steuerzahler.

Staats- und Verwaltungsreform
Daher ist aus meiner Sicht die Staats- und Verwaltungsreform etwas ehrgeiziger zu definieren. Wir leisten unseren Beitrag etwa mit dem Projekt Standard Cost: 25% Verwaltungskostensenkung für die Unternehmen. Ich lade Sie als Städte und Gemeinden ein: Tun Sie mit! Und ich lade Sie ein, so wie bisher – und ich bin dankbar für das, was ich gehört habe – auch am Projekt E-Government offensiv teilzunehmen, weil das spart Kosten und nützt dem Bürger, meine Damen und Herren, und das ist modernes Verständnis letztendlich auch von Verwaltungsmanagement.
All diese Fragen – das werden Sie selbstverständlich zu Recht von einem Finanzminister erwarten – sind untrennbar mit der Frage Fiskalpolitik des Staates verbunden, einer Fiskalpolitik, die, wie ich schon sagte, dem Prinzip der Nachhaltigkeit verpflichtet ist und die für den Gesamtstaat gilt. Und auch ganz klar gesagt: Wenn wir für die Republik Österreich Strategien in der Fiskalpolitik entwickeln, dann ist es undenkbar, dass eine Ebene, eine Gebietskörperschaft in die Richtung A, eine zweite Gebietskörperschaftsebene in die Richtung B und eine dritte in die Richtung C zieht. Das geht nicht, sondern wir müssen uns bemühen, so schwierig das manchmal ist, dass wir in dieser Orientierung auf eine nachhaltige Fiskalpolitik hin ein Grundeinverständnis erreichen.
Für den Bund ist das sehr klar definiert, und das ist meine Aufgabe, in den Regierungsverhandlungen festgehalten – wo übrigens nicht nur Bundesvertreter am Verhandlungstisch gesessen sind, sondern auch Vertreter der Bundesländer, und selbstverständlich dabei auch die Interessen der Gemeinden und der Städte artikuliert worden sind.

Ausgeglichener Haushalt 2010 angepeilt
Erstens: Ich strebe einen ausgeglichenen Haushalt an, einen ausgeglichenen Haushalt spätestens im Jahr 2010. Warum? – Weil wir diese gute Konjunktursituation nützen müssen. Ich sage Ihnen daher hier auch klipp und klar: Wenn wir Mehreinnahmen lukrieren im Bund, dann werden diese Einnahmen für den Defizitabbau und für den Schuldenabbau verwendet, weil wir jetzt den Spielraum erwirtschaften müssen, damit wir dann handeln können, wenn die Konjunktur irgendeinmal etwas abflachen sollte. Auch Sie, meine Damen und Herren, Städte und Gemeinden, profitieren von diesen Mehreinnahmen, die nicht nur der Bund hat, sondern auch die Länder und auch die Gemeinden. Und wir haben auch einige Beschlüsse gefasst, wo wir Steuern verändert haben, insbesondere im Bereich Mineralölsteuer, und wir appellieren an Sie und an die Bundesländer, dass die Mehrerträge aus diesen Steuern zielgerichtet eingesetzt werden sollen: für Klimaschutz und öffentlichen Personennahverkehr.
Wir investieren – das ist die zweite Perspektive – in Zukunftsprojekte, wie ich sie schon angesprochen habe: Infrastruktur, Forschung, Entwicklung, Bildung und sozialen Zusammenhalt.
Wir werden drittens – das ist auch ein Appell – mit den Strukturreformen und den Verwaltungsreformen nicht innehalten, sondern diese massiv fortsetzen, ja wo es notwendig ist, auch intensivieren müssen. Ich spreche auch das hier offen an – auch das, weiß ich, wird nicht allgemeine Zustimmung finden, aber Sie artikulieren Ihre Positionen klar, das ist in Ordnung, und daher tue ich es ganz genauso: Es wird auf Dauer nicht möglich sein, dass wir Verwaltungsreformprojekte unterschiedlicher Qualität, unterschiedlicher Art und unterschiedlicher Geschwindigkeit auf allen Ebenen der Gebietskörperschaften unterschiedlich behandeln. In einigen Eckdaten müssen wir Konsens haben, und eine dieser Eckdaten ist für mich, sage ich auch sehr offen, dass etwa diese Frage der Pensionsharmonisierung noch nicht überall umgesetzt ist, das heißt, nicht überall gleich umgesetzt werden muss, aber in der Zielrichtung gleich umgesetzt werden soll, weil diese gemeinsame Zielrichtung, meine Damen und Herren, uns in den Strukturreformen ermöglicht, den vierten Schwerpunkt, den wir verwirklichen wollen, auch umzusetzen, nämlich die Frage der Steuerentlastung, die wir für das Jahr 2010 planen.

Steuerreformvolumen hängt von Konjunktur ab
Ich als Finanzminister sage Ihnen klipp und klar, ich werde kein Volumen definieren, weil das Volumen der Steuerentlastung hängt davon ab, welche Konjunkturverläufe wir haben und wie erfolgreich wir in den Verwaltungsreformen mit der Staatsreform sind. Alles andere wäre unverantwortlich, weil in dieser Konjunktursituation will ich im Jahr 2010 einen ausgeglichenen Haushalt und eine Steuerentlastung erreichen, meine Damen und Herren.
Daher habe ich nach Gesprächen, die ich mit Vertretern der Bundesländer geführt habe, Städte-, Gemeindebund, entschieden, dass wir den vorgesehenen Termin der Finanzausgleichsverhandlungen vorziehen. Warum? – Weil wir eine Vielzahl von Themen haben und eine Vielzahl von offenen Fragen.
Ich habe ja heute schon mit Interesse gehört, dass zu diesen vielen offenen Fragen, die mir bekannt sind, heute noch einige dazugekommen sind – das hat mich nicht überrascht, wir sind ja auf dem Städtetag –, und wir müssen daher zu Beginn der Legislaturperiode, jetzt, wo wir Staats- und Verwaltungsreform verhandeln, jetzt, wo wir eine vernünftige Konjunktursituation haben, diese Finanzausgleichsgespräche führen. Wir werden sie daher politisch noch vor dem Sommer eröffnen, und ich erwarte von diesen Finanzausgleichsverhandlungen – damit Sie auch wissen, womit Sie es zu tun haben –, ich erwarte von den Finanzausgleichsverhandlungen und von den Partnern des Finanzausgleichs ein gemeinsames Bekenntnis zu einem Stabilitätspakt. Denn, wie ich eingangs gesagt habe, wir haben jetzt ungeteilte Verantwortung für den Steuer-Euro, und wir haben jetzt ungeteilte Verantwortung für eine Stabilitätsstrategie, Wachstumsstrategie, Beschäftigungsstrategie und letztendlich Fiskalpolitik für die Republik Österreich.
Daher müssen wir einen Stabilitätspakt haben. Wir können durchaus darüber reden, wo er verbesserbar ist – auch da hat der Bund einige Ideen –, aber ich sage Ihnen ganz offen: Ich halte es auf Dauer für ökonomisch nicht sinnvoll, dass von den Sozialversicherungsträgern, von den Städten und Gemeinden grundsätzlich ein ausgeglichener Haushalt erwartet wird, die Länder Überschüsse produzieren sollen – und der Bund Defizite produziert. Das ist ja ökonomisch nicht der letzte Schritt auf dem Weg zur endgültigen Weisheit, weil das bedeutet ja, dass der Bund, wenn dieser Stabilitätspakt auf ewig so fortgeschrieben würde, qua Definition Defizite schreibt. Ich will das nicht! Dieser Stabilitätspakt ist mir ein wichtiges Anliegen.

Reformschritte in der Verwaltung
Zweites wichtiges Anliegen: ein gemeinsames Bekenntnis zu den notwendigen Reformschritten in der Verwaltung und in der Verfassung, meine Damen und Herren.
Ich erwarte drittens, dass wir in diesen Finanzausgleich auch neue Ansätze einbringen. Ich halte es für interessant, auch was vom Städtebund hier an Ideen eingebracht wird, etwa die Frage der Gemeindeverbände, der Kooperationen, der Gemeindezusammenarbeit auch in finanziellen Fragen, die über Bezirks- und Landesgrenzen hinaus möglich sein sollte. Ich halte diesen Ansatz des interkommunalen Finanzausgleichs für eine äußerst spannende Frage.
Ich halte es auch für wichtig, dass die Gemeinden und Städte den Abschluss verwaltungsrechtlicher Verträge ermöglicht bekommen sollen, um auch ihr Handeln, ihre Autonomie stärken zu können. Das ist ein wichtiger Punkt. Wir sollten uns auch klar sein, dass wir im Rahmen der Finanzverfassung – und ich denke, dass wir hier zwischen Bund, Städte- und Gemeindebund bereits einen breiten Konsens haben; wir brauchen hier noch die Zustimmung der Bundesländer – eine gemeinsame Initiative auch in diese Verfassungsgruppe einbringen, was die Verhandlungsrechte und die Verhandlungspflichten betrifft, damit auch klar ist, dass die Gemeinden ihre Position auch in den Finanzausgleichsverhandlungen rechtlich entsprechend klargestellt haben.
Ich habe auch kein Problem, sage ich Ihnen offen – und weiß, dass ich hier bei den Städten und bei den Gemeinden durchaus offene Ohren finde –, dass wir uns auch über die Frage der Steuerautonomie unterhalten. Ich sage Ihnen aber auch dazu: Das ist noch bei fast jedem Finanzausgleich angeboten worden – und dankbar abgelehnt worden. So viel zur Frage der Aufgabenverantwortung und der Frage der Ausgabenverantwortlichkeit.

Spannende Gespräche beim Finanzausgleich
Diese Offenheit, meine Damen und Herren, bringe ich ein, bringen wir ein, und ich erwarte sie auch von den Beteiligten, auch vom Städtebund, auch vom Gemeindebund, und selbstverständlich auch von den Bundesländern. Es werden durchaus spannende Verhandlungen, und es wird niemanden überraschen: Es sitzen lauter „alte Hasen“ am Tisch. Es werden Verhandlungen, geprägt von Interessenstandpunkten. Das ist legitim, das ist richtig. Es werden Verhandlungen, die davon geprägt sein werden, dass niemand etwas zu verschenken hat. Auch das ist aber nicht neu – das kennen wir. Ich glaube, der Geist, der uns einen sollte, ist, dass der Finanzausgleich nicht Selbstzweck ist, sondern der Finanzausgleich allen Gebietskörperschaften die Möglichkeit geben sollte, jene finanzielle Ausstattung zu haben, um die Aufgaben erledigen zu können, die die Bürgerinnen und Bürger von uns erwarten.
Das ist die eigentliche Aufgabe der Arbeit, die vor uns steht. Ich lade Sie dazu ein. Im Juni oder Juli werden wir offiziell beginnen, und dann werden wir, wie ich hoffe, in guter Zeit ein gutes Ergebnis haben. Und wenn das Doppelbudget ein Vorbild sein sollte, dann sollte es nicht nur ein Vorbild hinsichtlich der Geschwindigkeit sein – ganz so schnell wird das nicht gehen, sage ich dazu –, sondern es sollte vor allem ein Vorbild sein in der Art und Weise, wie man es macht.
Ich verstehe Öffentlichkeitsarbeit vor Beginn von Vorhandlungen, wo jeder einmal seine Position deponiert, aber Öffentlichkeitsarbeit während Verhandlungen sind das Schlimmste, was es gibt, weil sie einem Verhandlungsergebnis entgegenstehen. Daher machen wir es so: Setzen wir uns zusammen, streiten wir ordentlich, und am Schluss kommt etwas Gutes heraus, weil es keine Alternative gibt. Es muss und wird am Ende eine Einigung stehen. – Alles Gute und Glückauf!

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