Neuerungen im nationalen und europäischen Vergaberecht

Neuerungen im nationalen und europäischen Vergaberecht

Die gegenständliche Abhandlung versucht Neuerungen im nationalen sowie im europäischen Vergaberecht und die hieraus erwachsenden Rechtsprobleme aus einem kommunalen Blickwinkel näher darzustellen. Der Stellenwert des europäischen Rechts, vor allem des europäischen Primärrechts für das Beschaffungswesen der Kommunen, ist gerade in den letzten Monaten immer deutlicher hervorgetreten. Diese Entwicklung geht in erster Linie auf die Verfolgungspraxis der Kommission, ihre Mitteilungen sowie die Spruchpraxis der Europäischen Instanzen zurück.

 

In den vergangenen Jahren hat sich mehr und mehr ein Spannungsverhältnis entwi¬ckelt zwischen der kommunalen Daseinsvorsorge, zu deren Kerndienstleistungen Aufgaben wie die Wasserversorgung, Abwasserbeseitigung und Energieversorgung gehören, sowie der Auslegung, die das Europäische Wettbewerbsrecht durch die Europäische Kommission und den Europäischen Gerichtshof erfahren. So wird die kommunale Gestaltungsfreiheit vor allem durch eine Ausdehnung der Ausschreibungs- und Vergabevorschriften immer weiter eingeengt.
Dem gegenüber hat der Europäische Rat im Mandat für die Regierungskonferenz zur Reform der Europäischen Verträge am 23. Juni 2007 die kommunale Selbstverwaltung anerkannt und die Gestaltungsfreiheit der Städte und Gemeinden beim Zuschnitt und der Organisation der Daseinsvorsorge hervorgehoben. Voraussichtlich im Herbst 2007 will zudem die Kommission eine Mitteilung zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse veröffentlichen. Außerdem ist mit einer weiteren Mitteilung zu gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen und einem Regelungsvorschlag zu Dienstleistungskonzessionen zu rechnen.
Die Weichenstellungen, die sich daraus für die kommunalen Unternehmen ergeben, sind von zentraler Bedeutung, wenn es gilt, ihren Platz sowohl im europäischen Binnenmarkt als auch im europäischen Sozialmodell zu bestimmen.
Die kommunale Selbstverwaltung ist ein elementarer Bestandteil für den Staatsaufbau besonders in Österreich und in Deutschland. Dies betrifft ebenso die Bereitstellung der kommunalen Dienstleistungen. Die Kommunen hoffen auf einen EU-Reformvertrag und auf das Protokoll zu den Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, das den Kommunen genügend Ermessensspielraum gewährt.
Sie erwarten weiters von der Europäischen Union genügend Flexibilität, ihre Leistungen zu erbringen. Die Binnenmarkt- und Wettbewerbsregeln sollten nur dann eingesetzt werden, wenn der Markt beeinträchtigt oder verletzt wird. Selbst das Europäische Parlament hat im Jahr 2004 die Eigenproduktionen der Kommunen in der Resolution von MdEP Herzog anerkannt.
Für die Kommunen steht außer Frage, dass ein Regulator als demokratisches Organ einem „Richterrecht“ des EuGH vorgezogen wird: Die politische Diskussion über die Zukunft der Daseinsvorsorge sollte auch auf europäischer Ebene Vorrang haben. Wettbewerbsrecht und der Wettbewerb schlechthin können nur Mittel zum Zweck sein.

Privatisierungen und EU-Recht
Die vergaberechtliche Beurteilung von Privatisierungen, Ausgliederungen, Outsourcing, Contracting-Out und dergleichen hängt von der jeweils konkreten Ausgestaltung ab. Der Einbindung privater Partner kommt hierbei in der kommunalen Praxis eine immer größere Bedeutung zu. Public-Private-Partnerships (PPPs) als Beispiel für gemeinsame, gemischt-wirtschaftliche Einrichtungen von Gemeinden mit Privaten stellen eine der klassischen Formen dar. Im Folgenden soll daher lediglich auf vergaberechtliche Fragen im Zusammenhang mit der Übertragung von Aufgaben auf gemischt-wirtschaftliche Einrichtungen eingegangen werden. Spätestens mit dem Urteil des EuGH Stadt Halle (Rs. C-26/03) scheint die Vergaberechtsfreiheit der Übertragung von Aufgaben an gemischt-wirtschaftliche Einrichtungen wesentlich erschwert zu sein. Eine Ausnahme von den Wettbewerbsregeln wird in diesen Fällen gemäß ständiger Judikatur verneint. Danach schließt jede Beteiligung privater Unternehmen am Kapital der gemeinsamen Einrichtung eine ausreichende Kontrolle durch den öffentlichen Anteilseigner aus. Gescheitert scheint dieses Modell somit an der strengen Auslegung des Kontrollkriteriums durch den EuGH zu sein. Dieser fordert in seiner Rechtsprechung, dass „transparente Vergaben und Ausschreibungen“ durchgeführt werden. Die Anwendung des Vergaberechts bildet somit zurzeit sowohl für die Gründung als auch für die Aufgabenübertragung auf gemischt-wirtschaftliche Gesellschaften eine wesentliche Grundlage.

Geschichtliche Entwicklung
Am Anfang der kommunalen Wirtschaftsentwicklung stand der kommunale Eigenbetrieb oder Regiebetrieb, der vergaberechtlich weitgehend problemlos war. Aus verschiedenen Gründen, auf die hier nicht näher einzugehen ist, hat dieses Organisationsmodell stark an Attraktivität verloren. Ersetzt wurde es weitgehend durch die Schaffung ausgegliederter Rechtsträger, die aber zu 100% dem ausgliedernden Rechtsträger gehören. In aller Regel handelt es sich dabei um privatrechtlich organisierte Unternehmen, typischerweise um Gesellschaften mit beschränkter Haftung oder um Aktiengesellschaften. In allen diesen Fällen behält sich die Gemeinde in der Regel die volle Hoheit über den Leis¬tungserbringer, einerseits dadurch, dass die Kommune entweder alle Gesellschaftsanteile hält oder andererseits als Alleinaktionärin auftritt. Weiters stellt die nationale Rechtsordnung den Gemeinden die Möglichkeit der interkommunalen Zusammenarbeit zur Verfügung. Das heißt, mehrere Gemeinden kooperieren hierbei untereinander, um ihre Versorgungsleis¬tungen bestmöglich zu erbringen. Dies kann in mehreren Möglichkeiten geschehen, zum Beispiel einerseits in Gemeindeverbänden laut Bundesverfassung oder andererseits in Wasserverbänden nach dem Wasserrechtsgesetz. Weitere Kooperationen sind aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Vertrags auf privatrechtlichem Weg möglich. Neueren Ursprungs sind nunmehr jene Kooperationsformen, die Gemeinden in Zusammenarbeit mit Privaten beschreiten. Unter dem Schlagwort „Public-Private-Partnership(s) – PPP“ oder „Öffentlich-private Partnerschaften – ÖPP“ wird diese Zusammenarbeit in den unterschiedlichsten Ausprägungsformen zusammengefasst. Wie schon gesagt, erfasst das Vergaberecht ganz allgemein Leistungen nicht, die ein Auftraggeber für sich selbst erbringt. Diese Grundsätze wurden durch die Rechtsprechung des EuGH auch auf die sogenannten „Inhouse-Betriebe (im engeren Sinne)“ oder auf die „Quasi-Inhouse-Betriebe (im weiteren Sinne)“ ausgedehnt. In diesen Fällen wird somit eine ausschreibungsfreie „Auftrags“vergabe als zulässig erkannt. Wie bekannt, hat der EuGH die Inhouse-Ausnahme jedoch nicht unbeschränkt zugelassen. Er hat vielmehr bestimmte Voraussetzungen aufgestellt, die vorliegen müssen, um von einem Inhouse-Betrieb überhaupt sprechen zu können. Dazu aber etwas später.

Nationale und europarechtliche Vorgaben
Einerseits sind die Vorgaben des europäischen Vergaberechts, hier vor allem die bezughabende Vergaberichtlinie und Sektorenrichtlinie sowie die Rechtsprechung des EuGH und andererseits die darauf beruhende nationale Gesetzgebung und die Vollziehung durch nationale Gerichte und Verwaltungsbehörden zu beachten. Diese beiden Ebenen beeinflussen die Städte und Gemeinden in weiten Bereichen. Gerade in letzter Zeit waren hier einige erwähnenswerte Entwicklungen erkennbar. Zuerst soll der „wesentlich übersichtlichere“ nationale Bereich behandelt werden.

Nationaler Bereich
Dieser Bereich wird durch das Bundesvergabegesetz 2006 (BVergG 2006) geregelt, welches das Bundesvergabegesetz 2002 abgelöst hat. Bereits heuer, nach einer nur einjährigen Geltung des BVergG 2006, gab es wieder eine weitgehende Novellierung dieses Gesetzes. Diese Änderungen haben aber im Wesentlichen nur legistische Korrekturen und sprachliche Anpassungen gebracht und sind daher für die gegenständlichen Ausführungen nicht weiter interessant. Weiters ergaben sich in letzter Zeit – u. a. sekundärrechtliche – Änderungen und Klarstellungen zum nationalen Vergaberecht.
- Ausschreibungspflicht für Darlehensaufnahmen: Über die Frage, ob Darlehens- und Kreditaufnahmen unter das Bundesvergabegesetz zu subsumieren sind oder unabhängig von einem Vergabeverfahren vergeben werden können, sind laut Stellungnahme des Bundeskanzleramtes (BKA) Darlehens- und Kreditaufnahmen dann nicht unter das Bundesvergabegesetz 2006 subsumierbar, wenn diese im Zusammenhang mit einem Wertpapiergeschäft oder am Markt handelbaren Finanzierungsinstrumenten stehen. Vice versa unterliegen somit nach Rechtsansicht des BKA Finanzdienstleistungen mit einfacher Vertragsurkunde, somit ohne Wertpapierbeteiligung oder ohne am Markt handelbar zu sein, einer Ausschreibung gemäß Bundesvergabegesetz. Besonders für Städte und Gemeinden ist interessant, dass Maßnahmen der öffentlichen Kreditpolitik dem Bundesvergabegesetz unterliegen, wenn sich diese auf den sogenannten „Maastrich-relevanten Schuldenstand“ beziehen. Das heißt Schuldaufnahmen von Betrieben mit marktbestimmter Tätigkeit, somit im privatwirtschaftlichen Bereich, sind von einer Ausschreibungspflicht gemäß Bundesvergabegesetz 2006 umfasst, da es sich nicht um Gebührenhaushalte handelt, die den öffentlichen Schulden zuzurechnen sind.
- Bindung an ÖNORMEN ist verfassungskonform: Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) vom 9. März 2007 (G 174/06) hat dieser ausgesprochen, dass die Bindung von öffentlichen Auftraggebern an ÖNORMEN verfassungskonform ist. Vorgeschichte hierzu ist ein Antrag auf Aufhebung von Teilen des BVergG 2006 durch die ASFINAG, welcher damit begründet wurde, dass die im BVergG 2006 vorgesehene Bindung von öffentlichen Auftraggebern an geeignete Leitlinien, wie zum Beispiel ÖNORMEN, verfassungswidrig sei. Vom VfGH wurde hingegen erklärend ausgesprochen, dass eine Standardisierung von Leistungsmerkmalen und damit eine Vergleichbarkeit von Dienstleistungen und Produkten im öffentlichen Interesse gelegen ist und somit als verfassungskonform zu bezeichnen ist.
- Keine Bevorzugung von bestimmten Katastern und Verzeichnissen im Vergabeverfahren: Neben dem Auftragnehmerkataster Österreich und dem Verzeichnis der VMC GmbH sind auch alle anderen, in Verwendung befindlichen Kataster und Verzeichnisse im Vergabeverfahren zuzulassen und darf keine Bevorzugung dieser beiden Verzeichnisse in den Allgemeinen Angebotsbestimmungen bei Vergaben stattfinden.

Europäischer Bereich
Die Städte und Gemeinden sind prinzipiell an das österreichische Bundesvergabegesetz und nicht primär an das europäische Vergaberecht gebunden. Dennoch sind Entwicklungen auf europäischer Ebene von mehrfacher Relevanz.
- Erstens können sie im Wege der Gesetzesauslegung auch auf die Rechtslage nach dem BVergG 2006 große Auswirkungen haben,
- zweitens markieren sie die Richtung, in die sich die österreichische Rechtslage entwickeln wird, und
- drittens können sie dazu führen, dass europäische Vorgaben unmittelbar auch durch die österreichischen Städte zu beachten sind.
Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass einerseits das europäische Vergaberecht – und in concreto damit auch das BVergG 2006, Verträge, die die Erbringung kommunaler Versorgungsleis¬tungen zum Inhalt haben, nicht anders behandelt als sonstige Verträge. Es gibt mit anderen Worten keinen „Service-Pub¬lic-Vorbehalt“ im Vergaberecht. Erst kürzlich sind zwei Entscheidungen des EuGH veröffentlicht worden, welche auf das Vergaberecht, besonders im Bereich der sogenannten Inhouse-Vergabe, maßgeblichen Einfluss haben.
Im Jänner 2007 erging die EuGH-Entscheidung zu „Auroux/Stadt Rouanne“ (Rs. C-220/05), die das Vergabekorsett für alle öffentlichen Auftraggeber wieder um eine Stufe enger schnallt. Hierin hat die französische Stadt Rouanne die gemischt-wirtschaftliche Stadtentwick¬lungsgesellschaft SEDL mit der Errichtung eines Freizeitzentrums samt weiteren Dienstleistungen, wie z. B. den Ankauf von Grundstücken, die Beschaffung von Finanzmitteln, die Auswahl von Planern usw.) beauftragt. Die Entwicklungsgesellschaft SEDL wurde hierbei vertraglich verpflichtet, die für die Planung und Ausführung nötigen Subunternehmer in einem öffentlichen Vergabeverfahren auszuwählen. Dennoch wurde vom EuGH ausgesprochen, dass bereits im ersten Schritt, also im Verhältnis zwischen Gemeinde und Entwicklungsgesellschaft, eine Ausschreibung hätte stattfinden müssen. Nach Ansicht des EuGH besteht in der Vergaberichtlinie nämlich keine Ausnahme für diesen Sachverhalt und besteht außerdem die Gefahr, dass nicht der gesamte ursprüngliche Auftrag von der Firma SEDL an Subunternehmer vergeben wird und somit Vergaberegelungen umgangen werden könnten. Als zweites Beispiel ist die aktuelle „Asemfo“-Entscheidung des EuGH zu nennen.
Prof. Holoubek hat in einem Vortrag diese Entscheidung als einen Wendepunkt im Zyklus der Inhouse-Entscheidungen bezeichnet. Er wollte damit ausdrücken, dass in einer gewissen Regelmäßigkeit eher „gemäßigte“ Entscheidungen des EuGH zum Vergaberecht ergehen, diese werden dann in der Regel von den betroffenen Mitgliedstaaten ausgenutzt und provozieren danach strengere Einschränkungen durch nachfolgende Judikate des EuGH. Konkret heißt dies, dass im Klassiker der Inhouse-Vergabe, der sogenannten „Teckal-Entscheidung“, die grundlegenden Voraussetzungen festgesetzt wurden (Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle, Tätigkeit im Wesentlichen für den Auftraggeber). Die Mitgliedstaaten haben diese Judikatur insoweit ausgenutzt, als großteils nur mehr „51:49-Prozent“-Gesellschaften eingerichtet wurden, das heißt, die Kommunen sind mit 51% die Mehrheitseigentümer und 49% der Anteile liegen bei (privaten) Dritten. Hierdurch war nach Ansicht der kommunalen Verantwortlichen von einer Aufgabenerfüllung im Verantwortungsbereich der Kommunen auszugehen, da diese auf jeden Fall die Geschicke der Gesellschaft bestimmen können.
Aufgrund dieser Entwicklung hat der EuGH mit der „Stadt Halle“-Entscheidung eine Einschränkung seiner eigenen Judikatur vorgenommen. Als Leitsatz dieser Entscheidung ist anzusehen: „Jede noch so geringe private Beteiligung verhindert eine Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle. Dass heißt, dass vergaberechtliche Bestimmungen bei jeglicher privater Beteiligung anzuwenden sind.“
Die „Parking Brixen“- und „Stadtgemeinde Mödling“-Entscheidungen brachten weitere Konkretisierung insoweit, als eine erst später erfolgende Beteiligung durch Private eine Inhouse-Vergabe ausschließt. „Carbothermo“ verschärfte diese Judikatur nochmals, als damit das Element „Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle“ verifiziert wurde. D. h. auf strategische Ziele und wichtige Entscheidungen der Tochtergesellschaft muss durch die Muttergesellschaft Einfluss genommen werden können. Somit muss zum Beispiel ein Durchgriffsrecht über den Aufsichtsrat hinaus gewährleistet werden. Bei Aktiengesellschaften ist dies rechtlich nicht möglich, daher erfüllen seit diesem Judikat in der Regel nur Gesellschaften mit beschränkter Haftung dieses Kriterium.

Kooperation mehrerer öffentlicher Auftraggeber – ASEMFO
Der Europäische Gerichtshof hat in einer Entscheidung vom 19. April 2007 (Asemfo C-295/05) ein auch aus kommunaler Sicht zu begrüßendes Urteil gefällt. Die EuGH-Entscheidung ist ein klarstellender Fortschritt in dem Themenbereich „Interkommunale Zusammenarbeit und (Nicht-) Anwendung des Vergaberechts“. Insgesamt kommt in dem Urteil zum Ausdruck, dass der EuGH die vergaberechtsfreie Zusammenarbeit rein öffentlicher Stellen toleriert, sofern bei der auftragnehmenden Gesellschaft während der gesamten Vertragslaufzeit nicht die Gefahr der Hereinnahme eines privaten Partners droht und diese Gesellschaft in einem ausschließlichen Verhältnis zu ihren auftraggebenden Gesellschaftern (zum Beispiel Kommunen) steht.
In dem zugrunde liegenden Sachverhalt ging es um die Kooperation mehrerer öffentlicher Auftraggeber. Die spanische Zentralverwaltung und vier Regionen waren an einer gemeinsamen staatlichen Gesellschaft (Tragsa), die nach den Bestimmungen eines spanischen Gesetzes u. a. wesentliche Dienstleistungen im Bereich der ländlichen Entwicklung und des Umweltschutzes erbringt, beteiligt. Bei dieser Beteiligung hielt die Zentralverwaltung selbst 99% der Anteile und die vier Regionen gemeinsam nur 1% der Anteile (Aktien). Weder die Tragsa noch ihre Tochtergesellschaften dürfen nach dem zugrunde liegenden spanischen Gesetz an Vergabeverfahren teilnehmen. Weiters bestimmt Artikel 3 eines für die Tragsa geltenden Königlichen Dekrets u. a.:
„Die Tragsa und ihre Tochtergesellschaften sind ein Hilfsmittel und technischer Dienst der allgemeinen Staatsverwaltung und der Verwaltungen der autonomen Regionen … Die Tragsa und ihre Tochtergesellschaften sind verpflichtet, die ihnen von der Verwaltung übertragenen Arbeiten und Tätigkeiten durchzuführen. Diese Verpflichtung bezieht sich ausschließlich auf die Aufträge, die ihnen als Hilfsmittel und technischer Dienst in den unter ihren Gesellschaftszweck fallenden Bereichen erteilt werden … Im Rahmen ihrer Zusammenarbeit mit anderen Verwaltungen oder öffentlich-rechtlichen Personen können die öffentlichen Verwaltungen die Dienste der Tragsa und ihrer Tochtergesellschaften, die ihnen als Hilfsmittel zur Verfügung stehen, anbieten, damit diese anderen Verwaltungen oder öffentlich-rechtlichen Personen sie unter den gleichen Bedingungen in Anspruch nehmen können …“
Nach einer Klage der Asemfo beim Tribunal Supremo u. a. mit dem Antrag festzustellen, dass die Rechtsbeziehungen zwischen den einzelnen Verwaltungen und den von diesen für die Inanspruchnahme von Leistungen „beauftragten“ Tragsa dem Vergaberecht unterliegen würden, legte das Tribunal Supremo die Frage der Vergaberechtspflicht/Vergaberechtsfreiheit dem EuGH vor.
Der EuGH entschied nach Feststellung seiner Zulässigkeit entgegen den Schlussanträgen des Generalanwalts und in erweiternder Klarstellung seiner bisherigen Judikatur, dass es sich bei dem Rechtsverhältnis zwischen den Regionen und der von diesen für bestimmte Leistungen in Anspruch genommenen Tragsa um ein ausschreibungsfreies Inhouse-Geschäft handle. Der EuGH begründet dies u. a. damit, dass die Tragsa nach den spanischen Regelungen gesetzlich verpflichtet war, die Aufträge sowohl der Zentralverwaltung als auch der Regionen durchzuführen. Im Verhältnis zu ihren Gesellschaftern war die Tragsa durch nationale Vorschriften als Hilfsmittel und technischer Dienst eingerichtet und konnte auch ihre Gebühren nicht frei festlegen. Im Übrigen betont der EuGH im Hinblick auf das erste EuGH-Rechtsprechungsmerkmal für ein vergaberechtsfreies Inhouse-Geschäft, das „Kontrollkriterium“, nochmals in Anknüpfung an die Carbotermo-Entscheidung, dass der Umstand, dass der öffentliche Auftraggeber allein oder zusammen mit anderen öffentlichen Stellen das gesamte Kapital einer auftragnehmenden Gesellschaft hält, grundsätzlich darauf hindeutet, dass er über diese Gesellschaft eine Kontrolle wie über seine eigenen Dienststellen ausübt. Trotz einer Aufteilung der jeweiligen Anteile am Gesellschaftskapital der Tragsa von 99% für den spanischen Staat und von nur 1% für die vier autonomen Regionen geht der EuGH aufgrund der bestehenden Verpflichtung der Tragsa, die Aufträge für die Regionen auszuführen, davon aus, dass die Tragsa im Verhältnis zu den autonomen Regionen nicht als Dritter angesehen werden kann.
Wesentlich weiter als bisherige nationale Vergabesenate (OLG Celle vom 14. September 2006 – 7,5%) und damit kommunalfreundlicher fasst der EuGH den zweiten Teil der Voraussetzungen eines In¬house-Geschäfts, das „Wesentlichkeitskriterium“. Danach ist neben der Voraussetzung, dass der Auftraggeber über die anderen Einrichtungen eine Kontrolle ausübt wie über seine eigenen Dienststellen, weiter erforderlich, dass diese – andere – Einrichtung ihre Tätigkeit im Wesentlichen für den Auftraggeber bzw. die Auftraggeber verrichten, die ihre Anteile innehaben. Im Ausgangsverfahren verrichtete die Tragsa im Durchschnitt über 55% ihrer Tätigkeit für die autonome Regionen und nur knapp 35% für den Staat. Dennoch geht der EuGH – was zu begrüßen ist – in diesem Fall davon aus, dass die Tragsa im Wesentlichen für die Körperschaften und öffentlichen Einrichtungen tätig wird, die ihre Anteile innehaben. In dem Urteil vom 19. April 2007 äußerst sich der EuGH das erste Mal zu einer prozentualen Grenze für Umsätze mit Drittgeschäften, bei denen das Wesentlichkeitskriterium erfüllt ist. Bisher gab es hierzu keine Vorgaben des EuGH, sondern nur den Beschluss des OLG Celle vom 14. September 2006 (13 Verg 2/06), der – ohne nähere Begründung – die Grenze für die Inhouse-Vergabe hindernde Drittgeschäfte bei 7,5% setzte. Diese Rechtsprechung ist damit hinfällig.
Das Urteil des EuGH ist somit zu begrüßen. Denn endlich ist auch das vom EuGH aufgestellte Kriterium „Tätigkeit im Wesentlichen für den öffentlichen Anteilseigner“ durch eine Umsatzangabe ausgefüllt. Ausreichend sind nach Ansicht des EuGH Umsätze von 90% mit dem den Auftrag vergebenden öffentlichen Anteilseigner. Hieraus ist zu folgern, dass 10% Umsatz mit sogenannten Dritt- oder Fremdgeschäften zulässig sind, ohne dass ein In-house-Geschäft nach der Rechtsprechung des EuGH scheitert. Auch wenn die 35% der anderen Tätigkeiten der Tragsa staats- und nicht privatbezogen sind, dürfte sich durch diese Entscheidung des EuGH im Hinblick auf das „Wesentlichkeitskriterium“ auch im Vergleich zur bisherigen nationalen Rechtsprechung und einengenden übrigen Auffassungen, etwa in der Literatur, eine Ausweitung ergeben, die aus kommunaler und öffentlicher Sicht uneingeschränkt zu begrüßen ist.

Vergabe unter Schwellenwert
Für die Praxis ist aber der Bereich unter dieser Schwelle interessant, weil rund 80% aller öffentlichen Aufträge unter diesem Schwellenwert liegen. Die Europäische Kommission hat mit einer interpretierenden Mitteilung eine transparente, öffentliche Vergabe auch im Unterschwellenbereich gefordert, die dem Verfahren nach den Richtlinien zumindest recht nahe kommt. Dagegen hat jedoch die Bundesrepublik Deutschland Klage vor dem Europäischen Gerichtshof eingebracht, da diese Mitteilung stark in die Souveränität der einzelnen Mitgliedstaaten eingreift. Dieser Klage haben sich in der Zwischenzeit die Niederlande, Dänemark, Spanien, Frankreich, Italien, das Europäische Parlament und auch Österreich als Streithelfer angeschlossen. Parallel dazu gehen aber die Auseinandersetzungen in Einzelfällen weiter.
So ist vor kurzem ein Urteil des EuGH zu einem Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission gegen Finnland ergangen. Im Wesentlichen ging es um die Frage, wie viel Freiheit der öffentliche Auftraggeber im Umgang mit eingehenden Angeboten im Unterschwellenbereich hat. Mit anderen Worten, ob einmal Angebote eingeholt werden können und dann erst entschieden werden kann, mit einem ausgewählten Arbeitskreis weiter zu verhandeln. Entgegen der Ansicht der Europäischen Kommission hat der EuGH mit Urteil vom 26. April 2007 dies bestätigt und dargelegt, dass es Sache des nationalen Rechts ist, festzulegen, welcher Grad an Öffentlichkeit für solche Angebote im Unterschwellenbereich angemessen ist. Zusammenfassend lässt sich daher sagen, dass der Anwendungsbereich des Vergaberechts bei der kommunalen Leistungsorganisation noch viele ungeklärte Bereiche enthält. Der EuGH beschränkt sich in seiner Judikatur leider oft auf kurze Äußerungen, die dann wiederum einer Interpretation bedürfen und oft mehr Fragen als Antworten hinterlassen. Es bleiben immer zahlreiche Fragen offen und tun sich weitere Fragen bei näherer Betrachtung auf. Wie Erfahrungen aus der Vergangenheit dies leider immer wieder gezeigt haben, bleibt das Risiko für Gemeinden und Gemeindeverbände gegen das Vergaberecht zu verstoßen, leider immer noch sehr hoch.

Folgen vergaberechtswidrig geschlossener Altverträge
Der EuGH hat mit Urteil vom 18. Juli 2007 (Rechtssache C-503/04) zu den Rechtsfolgen vergaberechtswidrig geschlossener Altverträge Stellung genommen.
Der EuGH fällte hierbei ein grundlegendes Urteil, wonach der nationale Rechtsgrundsatz „pacta sunt servanda“ vom europäischen Recht überlagert wird. Bei einem unter Verstoß gegen das EG-Recht zustande gekommenen Vertrag könne sich die öffentliche Hand nicht darauf berufen, durch die vertragliche Vereinbarung gebunden zu sein. Die grundlegende Entscheidung betrifft eine Vertragsverletzungsklage der EU-Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland, deren Ausgangspunkt ein vergaberechtswidrig abgeschlossener Abfallentsorgungsvertrag durch die Stadt Braunschweig war. Danach hat die Bundesrepublik Deutschland – trotz inzwischen tatsächlich erfolgter Aufhebung des vergaberechtswidrigen Müllentsorgungsvertrages durch die Stadt Braunschweig – dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 228 EG verstoßen, indem sie bei Ablauf der von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist nicht die Maßnahmen ergriffen hat, die sich aus einem EuGH-Urteil vom 10. April 2003 (Kommission/Deutschland C-20/01 und C-28/01) in Bezug auf die rechtswidrige Vergabe des Müllentsorgungsvertrages ergeben.
Das aktuelle Urteil des EuGH vom 18. Juli 2007 ist eine konsequente Fortführung der Erstentscheidung des EuGH vom 10. April 2003 in den Fällen „Braunschweig“ und „Bockhorn“. Vor dem gerichtlichen Hintergrund des Art. 228 EG muss ein Mitgliedstaat die erforderlichen Maßnahmen treffen, die sich aus dem Urteil des EuGH ergeben. Welche erforderlichen Maßnahmen jeweils konkret durch die Mitgliedstaaten bei vergaberechtswidrig abgeschlossenen Verträgen zu treffen sind, ist eine Frage des Einzelfalls. Hier hatte sich noch die Generalanwältin Trstenjak in ihren Schlussanträgen zu dem Verfahren C-503/04 vom 28. März 2007 deutlich für eine grundsätzliche Pflicht zur Beendigung eines vergaberechtswidrig geschlossenen Vertrages ausgesprochen. So führte die Generalanwältin u. a. aus, dass „auch unter dem Gesichtspunkt der Abschreckung eine Aufhebungspflicht vergaberechtswidriger Verträge erforderlich sein dürfte, um die sorgfältige Befolgung der Vergaberichtlinien im Sinne einer effektiven Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten“.
Der EuGH hat in seiner jetzigen Entscheidung eine derartige Aufhebungspflicht nicht an- und ausgesprochen. Hieraus ergibt sich, dass er dem einzelnen Mitgliedstaat konkret auf der allein maßgeblichen Grundlage des Artikels 228 EG die Maßnahmen überlässt, die erforderlich sind, um die sich aus dem Urteil des Gerichtshofs ergebenden Folgerungen zu ziehen. Dies kann allerdings im Einzelfall – bei einem formell wie materiell vergaberechtswidrig geschlossenen Vertrag mit langer Laufzeit – dennoch zu einer Aufhebungspflicht führen. Zunächst kommen allerdings unter dem Blickwinkel des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes mildere Maßnahmen, wie z. B. einvernehmliche Vertragsaufhebungen und Neuausschreibungen, in Frage.
Zusammenfassend kann somit festgestellt werden, dass aufbauend auf diesen Entwicklungen, die Rechtssicherheit für Kommunen im europäischen Vergaberecht leider nicht zugenommen hat und der EuGH mit seiner partiellen Rechtsprechung sicher noch öfter gefordert sein wird.

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