Konjunktur verleiht den Gemeinden Flügel?

Konjunktur verleiht den Gemeinden Flügel?

Die kommunalen Haushalte konnten 2006 von der guten Konjunktur in Österreich durch Mehreinnahmen profitieren. Gleichzeitig kam es jedoch erneut zu starken Ausgabensteigerungen in den Bereichen Soziales, Dienstleistungen und Unterricht. Die Folge: Die Gemeinden verhalten sich bei den Investitionsausgaben zurückhaltend. Schwerpunktthema des diesjährigen Gemeindefinanzberichtes ist der neue Finanzausgleich, der von den Wifo-Budgetexperten Margit Schratzenstaller und Hans Pitlik einer detaillierten Analyse unterzogen wird.

 

Dynamisches Wirtschaftswachstum bringt Mehreinnahmen

Der österreichische Konjunkturmotor brummt. Nach einer realen Expansion von 3,3% im Jahr 2006 wird Österreich 2007 mit einem realen Wirtschaftswachstum von 3,3% erneut über dem Durchschnitt der EU-27 zu liegen kommen. Das bringt auch die Kassen der Städte und Gemeinden zum Klingeln: Sowohl Gemeindeabgaben als auch die kassenmäßigen Ertragsanteile an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben konnten deutlich zulegen (Tab. 1).
Bei den Gemeindeabgaben (Gemeinden ohne Wien) war ein Wachstum von 4,3% auf 2.495 Millionen Euro festzustellen, Wachstumstreiber war vor allem die Entwicklung der Kommunalsteuer, die mit einem Anteil von mehr als 60% an den Gemeindeabgaben die wichtigste gemeindeeigene Ertragsquelle ist. Die hohe Wachstumsdynamik der österreichischen Wirtschaft sorgt für eine deutliche Zunahme der Beschäftigung, was sich für die Städte und Gemeinden in Mehreinnahmen bei der Kommunalsteuer niederschlägt. Mit einem Plus von 4,7% auf 1.539 Millionen Euro liegt man deutlich über den Steigerungsraten der Vorjahre. Zentrale Einnahmequelle der Städte und Gemeinden sind jedoch die Ertragsanteile, die 2006 ein Wachstum von 3,6% auf 4.341 Millionen Euro verzeichneten. Hier waren es vor allem Lohn- und Körperschaftssteuer, die für Wachstum sorgten. Die Gebühreneinnahmen erhöhten sich 2006 im Vergleich zu den Vorjahren mit 3,8% deutlich. Gleichzeitig erhöhten sich jedoch auch die Nettoausgaben der Gemeinden für Dienstleistungen (z. B. Wasserversorgung, -entsorgung) in diesem Bereich mit +7% überdurchschnittlich.

Ausgabevolumen stabil

Gegenüber 2005 haben sich die gesamten Ausgaben der österreichischen Gemeinden ohne Wien (ordentlicher und außerordentlicher Haushalt) um 0,3% auf 15.229 Millionen Euro (2.349 Euro pro Einwohner) erhöht. Relativ moderat gestiegen sind die Personalausgaben der Gemeinden, die gegenüber dem Vorjahr um 1,4% auf 2.670 Millionen Euro zunahmen und sich damit schwächer als die Inflationsrate (1,7%) entwickelt haben.
Mit Blick auf die Ausgabenstruktur zeigt sich im österreichischen Durchschnitt erwartungsgemäß ein Schwerpunkt bei den Dienstleistungen (u. a. Wasserversorgung, Abwasser- und Müllentsorgung), die für ein Drittel der Gemeindeausgaben verantwortlich sind, wobei dieser Anteil mit der Gemeindegrößenklasse kleiner wird. So zeichnet der Aufgabenbereich Dienstleistungen bei Städten mit mehr als 50.000 Einwohnern nur mehr für knapp 25% der Ausgaben verantwortlich, was auf die vermehrte Ausgliederungstätigkeit größerer Städte zurückzuführen ist. So ist auch der Rückgang der Bruttoausgaben der Gemeinden für Dienstleistungen im Jahr 2006 auf 5.001 Millionen Euro (–1,3%) zu erklären (Tab. 2).
Besonders starke Ausgabensteigerungen gegenüber dem Vorjahr waren bei den Aufgabenbereichen Straßen-, Wasserbau und Verkehr (+6,5% auf 1.298 Millionen Euro), soziale Wohlfahrt und Wohnbauförderung (+6,3% auf 1.401 Millionen Euro) sowie Unterricht, Erziehung und Sport (+4,5% auf 2.110 Millionen Euro) zu verzeichnen. Die Aufwendungen der Gemeinden für soziale Wohlfahrt (z. B. Ausgaben für Pflege oder Jugendwohlfahrt) haben seit 2002 mit einem Plus von 21% besonders stark zugenommen. Mit Blick auf die Herausforderungen, die der demografische Wandel für die Gemeinden mit sich bringt, werden die Sozialausgaben der Gemeinden auch in den nächsten Jahren ein bestimmender Ausgabenfaktor bleiben. Im Bereich Gesundheit ist es gegenüber dem Vorjahr zu einem Rückgang der Ausgaben von 7,5% gekommen, was eine Folge der Verländerung von Gemeindespitälern in Niederösterreich ist.

Frei verfügbare Finanzmittel der Gemeinden nehmen zu
Die Gemeinden konnten den Saldo der laufenden Gebarung erneut deutlich steigern. Nach einem Plus von 10,9% 2005 konnte 2006 ein Überschuss von 1.299 Millionen Euro (+9,3%) verzeichnet werden. Die freie Finanzspitze (Saldo der laufenden Gebarung abzüglich Schuldtilgungsleis¬tungen) konnte um 117 Millionen Euro auf 434 Millionen Euro (+36,9%) ausgeweitet werden. Die Folge davon: Die Gemeinden präsentierten 2006 erneut einen deutlichen Maastricht-Überschuss (Finanzierungssaldo lt. VRV) von 322 Millionen Euro (0,12% des BIP; Tab. 3). Der Finanzierungssaldo laut VRV ist nur eine Annäherung an das tatsächliche Maastricht-Ergebnis der Gemeinden. Nach Bereinigung des Finanzierungssaldos durch die Statistik Austria beläuft sich das offizielle Maastricht-Ergebnis der Gemeinden ohne Wien für 2006 auf 256 Millionen Euro.
Zu dieser positiven Entwicklung trugen nicht zuletzt die Städte bei: So wiesen Gemeinden mit mehr als 50.000 Einwohner 2006 einen Saldo der laufenden Gebarung von 95 Millionen Euro auf (2005: 9 Millionen Euro), Städte zwischen 20.000 und 50.000 Einwohnern konnten den Saldo der laufenden Gebarung von 77 Millionen Euro 2005 auf 104 Millionen Euro 2006 ausweiten. Ein ähnliches Bild zeigt sich auch bei der freien Finanzspitze und dem Maastricht-Saldo, wo die positive Entwicklung bei den Gemeinden mit mehr als 20.000 Einwohnern der ausschlaggebende Faktor für die Verbesserung der Werte war. So erhöhten die Städte mit mehr als 50.000 Einwohnern ihren Maastricht-Überschuss von 24 Millionen Euro 2005 auf 115 Millionen Euro 2006 und lieferten damit mehr als 35% des Maastricht-Überschusses der Gemeinden ohne Wien.

Investitionen stagnieren

Die österreichischen Gemeinden sind der größte öffentliche Investor im Lande. In den letzten Jahren nahmen die Bruttoinvestitionen der Gemeinden jedoch in Folge des immer enger werdenden finanziellen Handlungsspielraums kontinuierlich ab. Die Ausweitung der freien Finanzspitze des Jahres 2005 reichte nicht dafür aus, die Investitionstätigkeit der Gemeinden 2006 zu beleben. Die drastischen Rück¬gänge der Vorjahre (–6,2% 2005 bzw. –6,8% 2004) konnten zuletzt jedoch mit einem leichten Minus von 0,8% auf 1.946 Millionen Euro gestoppt werden (Tab. 4).

Finanz- und Maastricht-Schulden entwickeln sich moderat

Die Finanzschulden der Gemeinden ohne Wien haben sich zuletzt gegenüber 2005 mit einem Wachstum von 1,3% auf 10.981 Millionen Euro nur leicht erhöht. Die Finanzverschuldung der Gemeinden bezieht sich nach wie vor auf „rentierliche Bereiche“, d. h. hauptsächlich auf Betriebe mit marktbestimmter Tätigkeit (Finanzschulden der Abschnitte 85 bis 89 lt. VRV), die außerhalb des Sektors Staat liegen und damit in die Maastricht-relevante Verschuldung nicht einbezogen werden (Tab. 5).
2006 erhöhten sich die Finanzschulden der marktbestimmten Betriebe um 2% auf 7.823 Millionen Euro (71% des gesamten Finanzschuldenstandes), während die Maastricht-Schulden mit 3.158 Millionen Euro auf dem Niveau des Jahres 2005 blieben.

Steigendes Zinsumfeld
Nach kontinuierlichen Rückgängen in den Jahren zuvor haben sich die Zinsausgaben im Jahr 2006 erwartungsgemäß erhöht. Mit 307,6 Millionen Euro liegt man um mehr als 11% über dem Wert des Vorjahres (Tab. 6).
Das steigende Zinsumfeld wird sich auch in den kommunalen Rechnungsabschlüssen der Jahre 2007 und 2008 bemerkbar machen. 2005 konnten die Gemeinden noch ein historisches Tief bei den Zinsausgaben verzeichnen. In Folge der Leitzinserhöhungen durch die Europäische Zentralbank ist davon auszugehen, dass sich die Durchschnittsverzinsung der kommunalen Finanzschulden von 2,82% im Jahr 2006 um 0,5% im Jahr 2007 erhöhen wird. Für die Gemeinden bedeutet das eine jährliche Mehrbelastung von 50 Millionen Euro.

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