Die steigende Bedeutung des Finanzausgleichs für kommunale Haushalte

Die steigende Bedeutung des Finanzausgleichs für kommunale Haushalte

Einnahmen aus gemeinschaftlichen Abgaben werden für die kommunalen Budgets immer wichtiger, während die gemeindeeigenen Steuern mittelfristig an Dynamik verlieren. Dadurch erlangt der Finanzausgleich immer größere Bedeutung. Die Verhandlungen zum FAG 2008 sind vorüber. Doch nicht alle vergangenen Regelungen werden nachhaltig Geschichte schreiben. Welche Regelungen sind zukunftsweisend und welche Pfade könnte die Verteilung der gemeinschaftlichen Abgaben künftig einschlagen? Eine erste Annäherung.

 

Gemeindeeigene Steuern und Ertragsanteile

Betrachtet man die mittelfristige Entwicklung der gemeindeeigenen Steuern, so ist ersichtlich, dass deren Aufkommensdynamik geringer ist als jene der Ertragsanteile (Abb. 1). Gründe sind nicht zuletzt in der mangelnden Dynamik der Grundsteuer (siehe unten) sowie im Entfall der Getränkesteuer (teilweiser Ersatz durch Ertragsanteile) zu finden. Dadurch öffnet sich zwischen der Entwicklung der gemeinde¬eigenen Steuern und jener der Gemeinde-Ertragsanteile eine stets größer werdende Lücke. Allein daran wird ersichtlich, dass die Einnahmen der Kommunen aus den Ertragsanteilen und somit die Aufteilungssystematik des Finanzausgleichs für die Gemeindehaushalte immer bedeutender werden. Dies trifft sowohl auf große als auch kleine, auf urbane als auch auf rurale Gemeinden zu.
In der Stadt Salzburg machten etwa 2006 die Ertragsanteile 42,26% der laufenden Einnahmen aus, die eigenen Steuern hingegen lediglich 23,84%. Noch zehn Jahre zuvor, 1997, beliefen sich die Ertragsanteile der Stadt auf 37,26% der laufenden Einnahmen, die eigenen Steuern auf 29,66%. Während die Einnahmen der österreichischen Gemeinden aus Ertragsanteilen im Zeitraum 1990 bis 2005 um rund 81% zulegten, können die gemeindeeigenen Steuern lediglich eine Steigerung von knapp 35% verbuchen. Natürlich sind während dieses Zeitraumes zahlreiche Steuern entfallen, wurden novelliert oder durch neue ergänzt. Die Grundaussage, dass die kommunale Finanzwirtschaft sich immer weniger stark auf gemeindeeigene Steuern stützen kann, bleibt davon jedoch unberührt. Damit wird das österreichische Steuersys¬tem aus Sicht der Gemeinden immer weniger den Prinzipien der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung des Europarates gerecht. Dort regelt Artikel 9 (3) etwa: „Die Finanzmittel der kommunalen Gebietskörperschaften müssen zumindest teilweise aus kommunalen Steuern und Gebühren stammen, bei denen sie das Recht haben, den Hebesatz im gesetzlichen Rahmen festzusetzen.“ Die beiden mittlerweile größten Abgaben innerhalb der gemeindeeigenen Steuern sind die Kommunal- sowie die Grundsteuer (siehe Abb. 2). Diese machten 2005 immerhin 77% der gemeindeeigenen Steuern aus. In der Stadt Salzburg erreichten diese Steuern 2005 78% der gemeinde¬eigenen Steuern, 2006 sogar 79%.
Insbesondere die Aufkommensentwicklung der Grundsteuer stellt sich als äußerst undynamisch dar, was angesichts ihrer Bedeutung für die kommunalen Haushalte als dramatisch einzustufen ist. Die Ursache ist nicht zuletzt in der Säumigkeit des Bundes, der 1972 die letzte Hauptfeststellung für Grundvermögen durchführte, zu finden. Dadurch entgehen den Kommunen jährlich beträchtliche Steuereinnahmen. Daher wurde im Zuge der Finanzausgleichsverhandlungen 2008 politisch vereinbart, sich der Problematik der Grundsteuer nach Abschluss des FAG 2008 anzunehmen.
Hinzu kommen Einnahmeneinbußen aus Grundsteuerbefreiungstatbeständen, z. B. Förderung der Wohnraumschaffung per Landesgesetzen. Eine Aufhebung würde aber in der Stadt Salzburg lediglich Mehrkosten von weniger als 40 Euro pro Wohnung verursachen.

Steueraufkommen von Bund, Ländern und Gemeinden

Eine der wesentlichen Argumentationslinien der Länder und Gemeinden im Rahmen der Finanzausgleichsverhandlungen 2008 war die statistisch nachweisbare Zunahme des Anteils der Abgabeneinnahmen des Bundes auf Kosten jener der Länder und Gemeinden (siehe Abb. 3).
Seit 1995 tritt neben Bund, Ländern und Gemeinden auch die EU als Empfängerin von Abgabenanteilen. Zieht man daher 1995 als Basisjahr heran, so stiegen die Abgaben des Bundes bis 2006 um 58%, jene der Länder um 33% und jene der Gemeinden um 35%. Wie aus Abbildung 4 ersichtlich, konnten die Einnahmen der Kommunen nach dem Einbruch in den Jahren 2002 und 2003 und der Stagnationsphase 2004/2005 im vergangenen Jahr erstmals wieder deutlich zulegen. Für 2007 ist ebenfalls mit deutlichen Zuwachsraten zu rechnen. Die positive Konjunkturentwicklung entlastet die angespannte Situation der öffentlichen Haushalte somit merklich, bietet jedoch kein Ruhekissen für strukturelle Reformmaßnahmen des Finanzausgleichs.
Durch die Einrechnung der §-23- sowie
§-23a-Mittel des FAG 2005 in die Ertragsanteile mit dem FAG 2008 (siehe unten) werden rein statistisch die in den Abbildungen 3 und 4 vermerkten Einnahmen der Gemeinden in den kommenden Jahren steigen. Dies wird aber lediglich darauf zurückzuführen sein, dass die bisherigen Transfers in diesen Statistiken in Hinkunft als Abgaben gelten werden.

Finanzausgleich 2008

Dieser Artikel beschränkt sich auf eine Grobübersicht der wichtigsten Neuerungen mit ausschließlichem Gemeindefokus. Das FAG 2008 ist auf sechs Jahre angelegt und ist inhaltlich wiederum in zwei Etappen zu je drei Jahren segmentiert.

1. Etappe (2008–2010)

- Halbierung des Gemeinde-Konsolidierungsbeitrages gemäß § 9 (3) Z 2 FAG 2005 von ursprünglich 106,1 Millionen Euro.
- Anwendung der Zahlen der Bevölkerungsstatistik ab 2009.
- Umwandlung der Finanzzuweisungen gemäß § 23 und § 23a FAG 2005 in Ertragsanteile: Damit erhalten diese ursprünglich als Fixbeträge ausgestalteten Beträge die Dynamik der Ertragsanteile. Wermutstropfen bleibt allerdings, dass durch die Änderung der Systematik diese Beträge nunmehr auch der Landesumlage, den Gemeinde-Bedarfszuweisungen, dem EU-Beitrag sowie dem Komplex des tertiären Finanzausgleichs unterliegen. Auf Forderung der Städtebund-Verhandler gelang es, zumindest die Mehrbelastung bei der Landesumlage durch Absenkung des Hebesatzes abzuwenden.
- Kofinanzierung der Bereiche Pflege, Mindestsicherung und Kinderbetreuung durch die Gemeinden gemäß den Vorschlägen der Bundesregierung, im Wesentlichen ab 2009.
- Abschaffung der Selbstträgerschaft ab Mitte 2008: Dadurch werden Gemeinden >2.000 EW, welche bisher für Beschäftigte im Hoheitsbereich selbst die Familienbeihilfe auszahlten, dafür aber keinen DB zum FLAF leisteten, nunmehr in die generelle DB-Pflicht fallen. Da der DB 4,5% der ständig steigenden Lohn- und Gehaltssumme ausmacht, kann diese Kostenneutralität keinesfalls in einem Fixbetrag bestehen, sondern muss ebenfalls eine dynamische Abgeltungstangente darstellen. Sollte der Bund diese Vereinbarung nicht tatsächlich kostenneutral umsetzen, würden Ländern und Gemeinden in den nächsten Jahren enorme Mehrbelastungen drohen!

2. Etappe (2011–2013)

- Beseitigung des Gemeinde-Konsolidierungsbeitrages gemäß § 9 (3) Z 2 FAG 2005.
- Von diesen Mitteln (zusätzlich zur 1. Etappe also nochmals ca. 53 Millionen Euro) werden 50 Millionen Euro gemeinsam mit 50 Millionen Euro (aus der ebenfalls erfolgenden Abschaffung des Länder-Konsolidierungsbeitrages) zur Abflachung der untersten Stufe des abgestuften Bevölkerungsschlüssels (für Gemeinden bis 10.000 EW) verwendet: die Gemeinden >10.000 EW erhalten daraus einen Ersatz für die Verluste, die ihnen aus der Abflachung entstehen.
- 16 Millionen Euro für finanzschwache Gemeinden >10.000 EW: erstmals wurde damit auch seitens der übrigen Finanzausgleichspartner die prekäre Finanzsituation größerer Gemeinden erkannt.
Mit der nötigen Distanz des Rückblicks wird man nach einiger Zeit wohl feststellen müssen, dass mit dem FAG 2008 zwar ein gangbarer Kompromiss, nicht jedoch die große Strukturreform geglückt ist. Und damit könnte die größte Errungenschaft dieser Vereinbarung in der Einrichtung einer Arbeitsgruppe liegen, welche sich in den nächsten Jahren – möglichst ohne historische Scheuklappen und ohne Druck, binnen kurzer Zeit zu einer in Gesetz gegossenen Lösung kommen zu müssen – um eine tiefgreifende Systemreform der Aufteilung der Steuereinnahmen im föderalen Staat Österreich bemühen muss.

Mögliche Ansätze einer Strukturreform

Wie zu Beginn des Artikels gezeigt wurde, machen die kommunalen Einnahmen aus Ertragsanteilen einen immer dominanteren Anteil an den Gesamteinnahmen der Gemeinden aus. Umso bedenklicher ist es, dass das historisch gewachsene Sammelsurium aus unterschiedlichen Regelungen immer mehr zur Geheimwissenschaft mutiert, die nur wenige verstehen und noch weniger auch im Detail nachvollziehen können. Die legistischen Auswüchse mö¬gen durchaus historische Ursachen gehabt haben, müssen jedoch im Zuge einer FAG-Reform unzweifelhaft einer einfacheren und für alle nachvollziehbareren Regelung weichen. Welche Elemente könnte eine solche Neuregelung nun enthalten? Anbei werden einige punktuelle Vorschläge hierzu gegeben, die erst im Zuge einer detaillierten Diskussion validiert werden müssen und daher nur als Denkanstöße zu verstehen sind:

Oberverteilung

Die Aufteilung der Abgabenerträge auf die Gebietskörperschaften (Bund, Summe der Länder, Summe der Gemeinden) erfolgt nach einem %-Verhältnis ohne Vorwegabzüge. Jede Gebietskörperschaft erhält die zur Erfüllung ihrer kompetenzrechtlichen Aufgaben erforderlichen Mittel ohne Querfinanzierung der anderen Gebietskörperschaften. Nur so kann sichergestellt werden, dass diese Gebietskörperschaft ihre Aufgaben auch mit effizientem Mitteleinsatz erfüllt. In der Praxis bestehen allerdings zahlreiche Querschnittsmaterien. Hier wird es wohl einer klaren rechtlichen Aufgabentrennung bzw. -zuordnung bedürfen, worin wiederum das Hauptproblem besteht. Sonderfonds oder -töpfe sollten – wenn überhaupt – ausschließlich innerhalb einer Gebietskörperschaftsklasse, nicht jedoch zwischen Bund, Ländern und Gemeinden bestehen.

Länderweise Unterverteilung

Die Aufteilung der Länder- und Gemeindeanteile auf Bundesländer soll nach einem objektiven und leicht nachvollziehbaren Schlüssel (z. B. Volkszahl) erfolgen.

Gemeindeweise Unterverteilung

Die Aufteilung der bundesländerweisen Gemeindeanteile könnte nach standardisierten kommunalen Aufgabenklassen (z. B. Basisaufgaben, naturraumbezogene, ballungsraumspezifische Aufgaben, Aufgaben für Umlandgemeinden, Bezirksverwaltungsagenden) erfolgen, welche mit bestimmten Wertgrößen verbunden sind.

Vermeidung des sekundären und ¬tertiären Finanzausgleichs

Soweit möglich, sollte der sekundäre (im FAG geregelte Transfers) und tertiäre Finanzausgleich (sonstige intragovernmentale Transfers nach sonstigen Bundes- oder Landesgesetzen) bereits in die Verteilungsmasse der Oberverteilung des primären Finanzausgleichs einbezogen werden, um den undurchsichtigen Transferdschungel und den damit verbundenen enormen administrativen Aufwand zu beseitigen.
Elemente des sekundären Finanzausgleichs, etwa die Landesumlage oder Gemeinde-Bedarfzuweisungsmittel, sollen vermieden werden. Die Landesumlage, welche endgültig in die Kassen der Bundesländer fließt, könnte bereits bei der Oberverteilung berücksichtigt werden. Auch die Gemeinde-Bedarfszuweisungen sind zu vermeiden, da sie nicht selten der politischen Einflussnahme unterliegen und somit zu einem schwer nachvollziehbaren Verteilungsmuster führen können. Sondertöpfe sollten nur ausnahmsweise und ausschließlich für struktureffiziente Maßnahmen eingerichtet werden, deren gesetzliche Regelung dem Prinzip der Gemeindeautonomie entgegensteht (z. B. jährlicher Sondertopf für Gemeindezusammenlegungen, der bei Nicht- oder Minderausnützung allen Gemeinden nach der Volkszahl zugute kommt).
Auch die einnahmen- und ausgabenseitigen Transfers des tertiären Finanzausgleichs, etwa im Bereich Krankenanstaltenfinanzierung, Sozial-, Behindertenhilfe, Jugendwohlfahrt, Pflegesicherung, Pflicht- und Musikschulen, sollten entflochten und maßgeblich in den primären Finanzausgleich integriert werden.
Maßnahmen des primären Finanzausgleichs, etwa die im FAG 2008 erfolgende Umwandlung von §-23-FAG-2005-Mitteln in Ertragsanteile bewirken nämlich massive Umverteilungen im sekundären und tertiären Finanzausgleich, denen aber im Rahmen der Verhandlungen nur unzureichend Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass die Auswirkungen auf diese Ebenen nur noch äußerst schwierig nachzuvollziehen sind. Allein das spricht wiederum für eine Abwendung von diesem System.

Loslösung von definitorischen Größen des Finanzausgleichs

Im FAG wird für verschiedene Verteilungsvorgänge auf diverse definitorische Größen abgestellt – am bekanntesten ist wohl jener der Finanzkraft. Je nachdem, welche (von mehreren) Definition im FAG man heranzieht, gelten somit Gemeinden mit hohen Kommunalsteuer- und Grundsteuereinnahmen als finanzkräftig. Da diese Definition auch in zahlreiche Landesgesetze übernommen wurde, kommt es überdies zu Mehrfachbelastungen, die in ihrer Wechselwirkung nicht berücksichtigt werden. Hierzu führte bereits der VfGH 1984 aus, dass es sich um eine rein definitorische Größe handle, die er nicht an seiner allgemeinen Bedeutung im Sprachgebrauch zu messen habe (VfSlg 10.068/ 1984). Jede andere Definition der Finanzkraft, welche rein definitorischen Gründen diene und objektiv nachvollziehbar wäre, könnte somit ebenfalls in das FAG aufgenommen werden. Dass sich die Finanzkraft einer Gemeinde nicht nur einnahmenseitig bestimmen lässt, liegt auf der Hand. Wohl kein Ökonom würde einem Unternehmen A größere Finanzkraft attestieren als einem Unternehmen B, nur weil A um 20% mehr Umsatz verzeichnet als B. Ohne Berücksichtigung einer Aufgaben- und somit indirekten Ausgabenkomponente lässt sich keine Finanzkraft bestimmen.

„Entlastungsgebot“ statt losem ¬Konsultationsmechanismus

Wie die Erfahrungen zeigen, wurde bisher auf Bundesebene auch dann kein Konsultationsgremium zur Aufnahme von Verhandlungen einberufen, wenn dies – trotz Vorliegen der normierten Voraussetzungen – von den Konsultationspartnern verlangt wurde. Daher scheint es sinnvoller, ein „Entlastungsgebot“ mit klaren Konsequenzen bei Missachtung zu normieren, demnach keine Gebietskörperschaft auf Kosten anderer Gebietskörperschaften (somit ohne gleichzeitige Zuweisung der ausreichenden Mittel) Aufgaben erfinden oder abwälzen darf bzw. keine Gebietskörperschaft Einnahmen anderer Gebietskörperschaften in ihrer Aufbringung schmälern oder aufgrund von Rechtswidrigkeit auslaufen lassen darf.
Diese Ansätze zeigen die Tragweite einer echten Strukturreform des Finanzausgleichs, der in seiner jetzigen Ausgestaltung mit einer Vielzahl bundes- und landesrechtlicher Bestimmungen verwoben ist. Einer strukturellen Reform muss man somit auch eine angemessene Ausgestaltungs- und Umsetzungszeit einräumen, ohne den zweifellos enormen Umfang als Vorwand für Implementierungsunmöglichkeit oder -unendlichkeit vorzuhalten.

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