„Zwei Schritte vorwärts, einer zurück“ Der Reformvertrag und die Gemeinden

„Zwei Schritte vorwärts, einer zurück“ Der Reformvertrag und die Gemeinden

„Die Verfassung, die wir haben, heißt Demokratie, weil der Staat nicht auf wenige Bürger, sondern auf die Mehrheit ausgerichtet ist“ (Thukydides; II, 37). Dieser Spruch sollte die Präambel der geplanten Europäischen Verfassung bilden. Aus bekannten Gründen (siehe auch den Artikel „Der ausgeträumte Verfassungstraum“ von Simona Wohleser in dieser Ausgabe der ÖGZ) kam es zu keiner allgemeinen Ratifizierung dieser ersten europäischen (Gesamt-)Verfassung.

 

Einleitung
Gemäß der dem Vertrag von Nizza angeschlossenen Erklärung „zur Zukunft der Union“ sollten die Fragen einer genaueren, dem Subsidiaritätsprinzip entsprechenden Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen der Union und ihren Mitgliedstaaten, der künftige Status der Charta der Grundrechte, die Vereinfachung der Verträge und die Rolle der nationalen Parlamente, Gegenstand einer Regierungskonferenz im Jahr 2004 werden. Ebenso forderte die Erklärung von Laeken von Dezember 2001 die Mitgliedstaaten auf, die zentralen institutionellen und materiellen Fragen im Zusammenhang mit der künftigen Entwicklung der Union zu prüfen und zufriedenstellende Lösungen für das effiziente und demokratische Funktionieren einer erweiterten Union zu finden. Aufbauend auf den Arbeiten des Europäischen Konvents wurde am 29. Oktober 2004 der Vertrag über eine Verfassung für Europa unterzeichnet, der diesen Anliegen Rechnung tragen sollte. In den Mittelpunkt dieser Verfassungsbestrebung sollte der Bürger und die Bürgerin gestellt werden. Eben diese Bürger brachten sodann in zwei Referenden die Verfassung zu Fall. Am 27. Mai 2005 und am 1. Juni 2005 lehnten die Bevölkerung von Frankreich und den Niederlanden in Referenden den Vertrag über eine Verfassung für Europa ab, nachdem zwei Drittel der Mitgliedstaaten diese Verfassung bereits ratifiziert hatten.

Inhalt
Grundgedanke der Europäischen Verfassung war eine klare und deutliche Darstellung, dass Europa mehr ist als Binnenmarkt und freier Warenverkehr. Vielmehr sollte die Europäische Union als Wertegemeinschaft definiert werden, die sich auf das kulturelle, religiöse und humanistische Erbe der europäischen Geschichte gründet und daraus ihre Leitbilder für die Zukunft gewinnt. Nach dem Scheitern der Verfassungsidee hat man intensiv um eine Nachfolgeregelung gerungen, um die angestrebte Neuorientierung der Europäischen Union nicht ganz sterben zu lassen. Man war weiterhin bestrebt, die Reform der Institutionen weitgehend zu übernehmen, hat aber einige Elemente weggelassen, und der Vertrag wurde auch nicht mehr als „Verfassung“ bezeichnet. Nach einer im Rahmen des Europäischen Rates vom Juni 2005 ausgerufenen, zwei Jahre andauernden Reflexionsperiode einigten sich die Mitgliedstaaten unter deutscher Präsidentschaft beim Europäischen Rat im Juni 2007 auf ein sehr detailliertes Mandat für eine Regierungskonferenz zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft. Die Regierungskonferenz wurde noch im Juli 2007 einberufen und konnte ihre Arbeiten bereits im Oktober 2007 im Rahmen des informellen Gipfeltreffens der Staats- und Regierungschefs am 18. und 19. Oktober 2007 in Lissabon politisch abschließen. Auf dem informellen Gipfel in Lissabon knallten schließlich am 20. Oktober 2007 um zwei Uhr früh die Champagnerkorken, als die Staats- und Regierungschef der EU-Mitgliedstaaten den erfolgreichen Verhandlungsabschluss des Vertrags von Lissabon (auch Reformvertrag genannt) feierten. Ebenfalls in Lissabon wurde am 13. Dezember 2007 dieses Vertragswerk von den Staats- und Regierungschefs sowie den Außenministern der Mitgliedstaaten der Europäischen Union unterzeichnet. Geschichtlich passt dies übrigens sehr gut zu einer Stadt, die Cäsar einst „Felicitas Julia“,also „Glückseligkeit“ nannte.

Der gegenständliche Reformvertrag wurde großteils als positive Entwicklung gewertet und als Ende der sechsjährigen Sack¬gasse, in der sich die EU bis jetzt befunden habe, bezeichnet. Zustimmung kam einerseits vom Europäischen Parlament, aber auch von den kommunalen Spitzenverbänden. Der Deutsche Städtetag erklärte, „dass der Vertrag von Lissabon gute Voraussetzungen bietet, Europa den BürgerInnen vor Ort besser vermitteln zu können und die Akzeptanz bei den Menschen in den Städten zu stärken“. Auch seitens des Österreichischen Städtebundes wurde die Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung begrüßt und eine positive Bewertung der Beratungsergebnisse der Regierungskonferenz abgegeben. Es wurde allgemein betont, dass der Vertrag ein „wichtiges Zeichen des Vertrauens sei“ und „Europa stärker mache“, um die Rolle in der Welt wahrzunehmen“ sowie „die europäischen Werte betont und bewahrt werden“. Der Vertrag von Lissabon zeige ein Europa, „das vorbereitet, selbstsicher und von sich selbst überzeugt sei“. Entsprechend der „Berliner Erklärung“ vom 25. März 2007 haben die Mitgliedstaaten Zeit bis zu den Europawahlen im Juni 2009, den Vertrag zu ratifizieren. Auf die bekannte Problematik, ob eine Ratifizierung mit oder ohne Volksentscheidung erfolgen soll, möchte ich in diesem Artikel nicht näher eingehen. In Österreich soll der Reformvertrag im Frühjahr dieses Jahres ratifiziert werden. Bevor nicht alle Mitgliedstaaten den Vertrag ratifiziert haben, wird es auch keine konsolidierte Fassung des Vertrages von Lissabon geben.
Der Vertrag von Lissabon ändert den Vertrag über die Europäische Union und den Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft. Er übernimmt einen großen Teil der Neuerungen der Verfassung für Europa in die bestehenden Verträge. Inhaltlich bestehen die wichtigsten Neuerungen in einer Beseitigung der Säulenstruktur der Union, der Einführung einer einheitlichen Rechtspersönlichkeit und einer Reform der Institutionen. Die Bürgernähe der Union und ihre demokratische Legitimation werden gestärkt. Eine klare Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen der Union und den Mitgliedstaaten wird eingeführt. Den nationalen Parlamenten wird die Funktion eines Wächters des Subsidiaritätsprinzips übertragen. Durch Ausdehnung des Mitentscheidungsrechts wird die Mitwirkung des Europäischen Parlaments an der Rechtssetzung in der EU zum Regelfall. Die Bürgerinnen und Bürger werden die Möglichkeit erhalten, durch ein europaweites Volksbegehren Rechtssetzungsinitiativen anzuregen. Durch die Stärkung der Befugnisse des Hohen Vertreters für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik wird die außenpolitische Handlungsfähigkeit der Union beträchtlich erhöht. Der Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts wird durch Ausweitung qualifizierter Mehrheitsentscheidungen effizienter gestaltet.
Der Reformvertrag überarbeitet die bestehenden EU-Verträge. Er besteht aus dem „Vertrag über die Europäische Union“ (mit 40 Artikeln) und dem „Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft“, welcher in den „Vertrag über die Arbeitsweise der EU“ (VAEU, mit 314 Artikeln) umbenannt wurde, wobei „Gemeinschaft“ und „Europäische Gemeinschaft(en)“ durch „Union“ bzw. „Europäische Union“ ersetzt werden. Der Text des Vertrages sollte lesbar werden, das war zumindest das Ziel des ehemaligen Leiters des Verfassungskonvents, Valéry Giscard d’Estaing. Dieses Ziel ist leider bei weitem verfehlt worden. Der vorliegende Reformvertrag ist ein über viele Jahre entwickelter Kompromiss, der mittlerweile die Handschrift hunderter Rechtsexperten trägt. Es sind zwar 90% der ursprünglichen Verfassung enthalten, aber dies in einem „großen Misthaufen von Fußnoten und Protokollen“, wie es der EU-Abgeordnete Johannes Voggenhuber teilweise treffend beschrieben hat.
Auf die wesentlichen Neuerungen wird nur überblicksweise hingewiesen und dann auf den Schwerpunkt, nämlich die kommunalen Belange im Reformvertrag.

Der Reformvertrag von Lissabon
- Verkleinerte Europäische Kommission mit mehr Handlungsfähigkeit (ab 2014 wird die Zahl der EU-Kommissare von 27 auf zwei Drittel der EU-Mitgliedsländer reduziert). Der Präsident bekommt nunmehr auch die Möglichkeit ohne langwieriges Verfahren, ein Mitglied der Kommission zum Rücktritt zu veranlassen, wenn es erforderlich sein sollte.
- Europäisches Parlament: erhält in beinahe allen Bereichen der gemeinschaftlichen Gesetzgebung ein Mitspracherecht, vor allem in den Bereichen Inneres und Justiz, aber auch beim Agrarhaushalt; d. h. die bewährte „Gemeinschaftsmethode“ soll ausnahmslos gelten, damit wird de facto das „3-Säulen-Modell“ abgeschafft und auch auf den Bereich Justiz und Inneres ausgeweitet; es soll nur mehr wenige Ausnahmen geben, z. B. eine gemeinsame Au¬ßen- und Sicherheitspolitik. Das Parlament wählt zukünftig den Präsidenten der Europäischen Kommission. Das Europäische Parlament wird ebenfalls verkleinert; ab den Europawahlen 2009 sollen nur noch 750 Sitze statt bisher 785 Sitze vergeben werden, wobei das Gewicht kleinerer und mittlerer Staaten gestärkt wird; Österreich erhält dann 19 (statt 18) Abgeordnetensitze.
- Weniger einstimmige, mehr Mehrheitsbeschlüsse im Ministerrat; das Mehrstimmigkeitsprinzip wird auf 40 neue Politikbereiche ausgedehnt (z. B. Asyl, Energiepolitik, Katastrophenschutz, öffentliche Gesundheit und Tourismus, polizeiliche Zusammenarbeit und justizielle Kooperation in strafrechtlichen Angelegenheiten etc.).
- Weiters: Prinzip der doppelten Mehrheit ab dem Jahr 2014. Die doppelte Mehrheit ist erreicht, wenn mindestens 55% der Staaten (in manchen Fällen 72%) zustimmen, die mindestens 65% der EU-Bevölkerung vertreten. Außerdem kann bis zum Jahr 2017 auf Antrag nur eines Landes nach der alten Machtaufteilung im Rat entschieden werden. Zusätzlich gibt es noch die von Polen verlangte Ioannina-Formel, mit der bis auf weiteres jedes Land eine EU-Entscheidung für einen jeweils unterschiedlich langen Zeit¬raum blockieren kann.
- Europaweite Bürgerinitiative – Bei der Unterzeichnung von mindestens einer Million Europäern muss sich die Europäische Kommission mit der Angelegenheit befassen.
- „Mr./Mrs. EU“: Der Europäische Rat wählt einen Vorsitzenden für zweieinhalb Jahre. Seine Funktion ist Folgendes: Vorbereitung von EU-Gipfel und Treffen mit Drittstaaten. Er ist einzig und allein ein Vertreter der EU, darf deshalb kein nationales Amt innehaben. Einmalige Wiederwahl ist möglich. Der halbjährlich rotierende Ratsvorsitz bleibt aber weiter bestehen. Der Europäische Rat wird erstmals als eigenes EU-Organ anerkannt.
- „Mr./Mrs. Außenpolitik“: ab dem Jahr 2009; Zusammenfassung der beiden Ämter EU-Außenbeauftragter und EU-Außenkommissar zu einem „Hohen Repräsentanten für die Außenpolitik“. Er ist gleichzeitig Vizepräsident der Europäischen Kommission.
- Artikel 35 des Vertrages von Lissabon: Hiermit wird erstmals eine Ausstiegsklausel für einen Mitgliedstaat vorgesehen: EU-Parlament und Europäischer Rat müssen dann einem sogenannten Austrittsabkommen zustimmen. Faktische Durchführbarkeit ist hierbei natürlich eine andere Frage.
Die Europäische Union erhält erstmals eine eigene einheitliche Rechtspersönlichkeit und kann damit selbständig völkerrechtlich bindende Verträge schließen, damit ist auch ein Beitritt zur Europäischen Menschenrechtskonvention möglich. Hingewiesen wird nochmals auf die große Anzahl von „opt-outs“ (Ausnahmeregelungen) für viele Mitgliedstaaten.

Die Grundrechtscharta der EU
Gemäß Artikel 6 EU-Vertrag ist die Grundrechtscharta der EU zwar nicht direkt Teil des neuen Vertrages, wird aber„dieselbe Rechtsverbindlichkeit“ wie die Verträge haben.
Sie enthält neben den klassischen Grund- und Freiheitsrechten aus der Menschenrechtskonvention auch soziale Grundrechte, die Verpflichtung der EU zum Umweltschutz und ein Verbot des reproduktiven Klonens von Menschen.
Insgesamt umfasst die Charta 54 Artikel. Kommunale Belange sind insoweit berücksichtigt, als eine ausdrückliche Anerkennung der Organisation der lokalen Ebene und eine Einräumung des Grundrechts auf Zugang zu den Dienstleistungen der Daseinsvorsorge festgeschrieben wird. In vollem Umfang gilt sie nur für die EU-Organe. Die Mitgliedstaaten selbst müssen sie nur bei der Umsetzung von Gemein¬schafts¬recht beachten. Dennoch ist dieser Anwendungsbereich als nicht zu gering zu betrachten. Es gibt nämlich kaum noch Rechtsbereiche, wo die österreichische Verwaltung ausschließlich österreichisches Recht umsetzt (Als Beispiele wären hier etwa zu nennen: Bildung, Arbeitsrecht). Der Mitgliedstaat Großbritannien wird voraussichtlich die Grundrechte überhaupt nicht akzeptieren, während Polen lediglich die sozialen Grundrechte akzeptieren wird.
Unter Kapitel V findet sich eine für Österreich neue Bestimmung – nämlich das Recht auf eine gute Verwaltung. Konkret bedeutet dies das Recht auf Anhörung im Verwaltungsverfahren, auf Aktenzugang und auf eine begründete Entscheidung der Behörden. Viele Verfassungsexperten weisen schon jetzt darauf hin, dass zahlreiche Formulierungen sehr allgemein gehalten sind und erst durch die Urteile des EuGH konkretisiert werden können.

Kommunale Aspekte im Reformvertrag
Aus kommunalwirtschaftlicher Sicht grundsätzlich positiv zu erwähnen ist die inhaltliche Abwendung vom Ziel der reinen Binnenmarkt- und Wettbewerbsorientierung. Die entsprechende Regelung im alten EG-Vertrag wurde gestrichen. Fraglich ist aber, wie deutlich sich diese Abänderung tatsächlich auswirkt, da in einem angefügten 6. Protokoll sowohl auf die Notwendigkeit eines Systems, das den Wettbewerb vor Verfälschungen schützt, als auch auf eine gesonderte Ermächtigung zum Erlass von geeigneten Vorschriften hingewiesen wird (vgl. Art. 308 VAEU).

Achtung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts
Gemäß Artikel 4 Absatz 2 des EU-Vertrages wird eine ausdrückliche Anerkennung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts ausgesprochen. Dort heißt es nämlich:
„Die Union achtet die Gleichheit der Mitgliedstaaten vor den Verträgen und ihre jeweilige nationale Identität, die in ihren grundlegenden politischen und verfassungsmäßigen Strukturen einschließlich der regionalen und lokalen Selbstverwaltung zum Ausdruck kommt.“ Dieser Vertrag ist damit das erste Rechtsdokument der EU, das ausdrücklich zur Wahrung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts Stellung nimmt. Weiters ist neben diesen Grundsätzen ein 9. Protokoll enthalten, in dem die kommunale und lokale Selbstverwaltung betont und als Bestandteil der nationalen Identität anerkannt wird.

Subsidiaritätskontrolle
Gemäß Artikel 5 Abs. 3 des EU-Vertrages soll die Subsidiaritätskontrolle ausdrück¬lich auf die lokale Ebene ausgedehnt werden. Dort heißt es:
„Nach dem Subsidiaritätsprinzip wird die Union in den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, nur tätig, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen von den Mitgliedstaaten weder auf zentraler noch auf regionaler oder lokaler Ebene ausreichend verwirklicht werden können, […].“
Das heißt, „die EU“ soll nur mehr dann handeln, wenn das zu erreichende Ziel nicht besser auf der nationalen, regionalen oder kommunalen Ebene erreicht und verwirklicht werden kann. Nicht zuletzt wird den nationalen Parlamenten (in Österreich dem Nationalrat und dem Bundesrat) eine erweiterte Mitwirkung bei der EU-Subsidiaritätskontrolle zukommen. Diese Rolle wird in einem Vertragsprotokoll zur Rolle der nationalen Parlamente weiter ausgeführt (Protokoll 2 zur Subsidiaritätskontrolle und zur Verhältnismäßigkeit). Zu¬dem soll die EU verpflichtet werden, vor dem Beschluss von Gemeinschaftsregelungen die Kostenfolgen für Kommunen, die Wirtschaft und die Bürger abzuschätzen und zu minimieren.

Ausschuss der Regionen
Der Ausschuss der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften der Europäischen Union (Ausschuss der Regionen, AdR) soll nach dem erwähnten Subsidiaritätsprotokoll ein eigenes Klagerecht erhalten. Da¬mit sollen vor dem Europäischen Gerichtshof im Namen der Kommunen und Regionen Verstöße gegen das Prinzip der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit geltend gemacht werden.
Hierzu soll auch in der Zusammensetzung des AdR-Plenums Rechnung getragen werden. Dies vor allem deshalb, da es im Gegensatz zum Europarat zur Zeit keine Regelung über die innere Mandatsverteilung zwischen regionalen und kommunalen Vertretern gibt. Dies führt dazu, dass die kommunale Ebene in manchen nationalen Delegationen unterrepräsentiert ist. Der AdR ist weiterhin kein Organ, sondern nur eine beratende Einrichtung.

Anhörungsrecht in Brüssel
Gemäß Artikel 8b EU-Vertrag zur partizipativen Demokratie in der EU ist vorgesehen, ein Mitwirkungsrecht in Form einer Anhörung der repräsentativen Verbände – auch der nationalen Kommunalverbände – bei allen Aktivitäten der Europäischen Union abzusichern. Die EU-Institutionen sollen dabei verpflichtet werden, einen offenen, transparenten und regelmäßigen Dialog mit den repräsentativen Verbänden und der Zivilgesellschaft zu führen.

Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse
Zum Thema Daseinsvorsorge ist ein neuer Artikel 14 VAEU vorgesehen, der im Wesentlichen den Inhalt des Artikels III-122 Verfassungsvertrag übernimmt. Weiterhin ist ein Vertragsprotokoll zur Daseinsvorsorge vorgesehen, in dem die nationale, regionale und nicht zuletzt kommunale Hoheit bei der Daseinsvorsorge betont und unterstrichen wird (Protokoll Nr. 9). Diese sehr positive Aussage lautet:
„Zu den Werten der Union […] zählen insbesondere die wichtige Rolle und der weite Ermessensspielraum der nationalen, regionalen und lokalen Behörden in der Frage, wie Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse auf eine den Bedürfnissen der Nutzer so gut wie möglich entsprechende Weise zu erbringen, in Auftrag zu geben und zu organisieren sind …“. In keiner Weise sollen dabei die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten eingeschränkt werden, „… nicht-wirtschaftliche Dienste von allgemeinem Interesse zu erbringen, in Auftrag zu geben und zu organisieren …“.
Diese Grundaussage wird aber durch den bereits erwähnten Art. 14 VAEU abgeschwächt. In dieser Bestimmung ist unter Bezugnahme auf das Prinzip der Subsidiarität eine neue EU-Gesetzgebungskompetenz vorgesehen, um die Prinzipien und Bedingungen der Organisation, Erbringung und Finanzierung der Dienste der Daseinsvorsorge zu regeln. Diese Bestimmung lautet:
„Diese Grundsätze und Bedingungen werden vom Europäischen Parlament und vom Rat durch Verordnungen nach dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren unbeschadet der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten festgelegt, diese Dienste im Einklang mit den Verträgen zur Verfügung zu stellen, in Auftrag zu geben und zu finanzieren.“
Dieser Zusatz ist auf jeden Fall kritisch zu betrachten, birgt er doch die Gefahr, dass die zuvor betonte Organisations- und Entscheidungsfreiheit der kommunalen Ebene bei den Leistungen der Daseinsvorsorge wieder beschränkt wird. Und zwar beschränkt wird zugunsten der europäischen Ebene. Nutzen könnte eine solche Verordnung nur dort haben, wo sich weitere offene Fragen, wie z. B. die Differenzierung zwischen wirtschaftlichen und nicht-wirtschaftlichen Dienstleistungen und damit den Anwendungsbereich des europäischen Wettbewerbsrechts klären hilft. Es ist besonders wichtig, dass sich in dieser Frage die kommunalen Interessenvertretungen und betroffenen Gebietskörperschaften entsprechend positionieren.

Resümee
Der politische Gehalt des im Reformvertrag enthaltenen Gedankengutes geht auf die Bestrebungen zur Europäischen Verfassung zurück. So sind auch viele wichtige Forderungen des Österreichischen Städtebundes an die institutionelle Reform der EU-Organe enthalten. Hervorzuheben sind hier vor allem die namentliche Nennung des kommunalen Selbstverwaltungsrechtes sowie die vorgesehene Erweiterung der Subsidiaritätskontrolle. Die Fra¬ge der Regelung der Daseinsvorsorge ist allerdings noch immer nicht ausreichend geregelt. Wie sehr hier ein Regelungsbedarf zugunsten der Städte und Gemeinden besteht, zeigt nicht zuletzt die unlängst ergangene Binnenmarktrevision der Europäischen Kommission, welche erneut Rechts¬unsicherheit und Zweifelsfragen in diesen Bereichen aufkommen ließen. Womit dieser Reformvertrag keine eindeutige Regelung zugunsten der europäischen Bürgerinnen und Bürger darstellt und somit im Gegensatz zur Europäischen Verfassung seine Bürgertauglichkeit erst unter Beweis stellen muss.

Städtebund-Linktipp:
www.zukunfteuropa.at/site/
5895/default.aspx

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