Kommunalpolitische Akzente für ein friedliches Zusammenleben

Kommunalpolitische Akzente für ein friedliches Zusammenleben

Eine Stadt lebt auch von ihrer ethnischen Vielfalt. Dem Verständnis dafür zum Durchbruch im Bewusstsein der Bevölkerung zu verhelfen, ist eine der Aufgaben des Integrationsreferates, das die Stadt Graz im November 2005 gegründet hat. Das Integrationsreferat hinterlässt auch in der Verwaltung seine Spuren – etwa mit interkulturellen Schulungen für Magistratsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter.

 

Zur strategischen Planung, Koordination und Umsetzung von Integrationsmaßnahmen hat die Stadt Graz nach einstimmigem Beschluss des Gemeinderates im November 2005 – Vorarbeiten liefen seit 2002, der Plan stand auch im Arbeitsübereinkommen von SPÖ und ÖVP – ein Integrationsreferat und damit ein Instrumentarium eingerichtet, um kommunalpolitische Akzente für ein friedliches Zusammenleben in Graz setzen zu können. Das Referat, vorerst mit einer Mitarbeiterin besetzt, ist als Stabsstelle bei der Ma¬gis¬tratsdirektion angesiedelt und dem Bür¬germeister als politischen Referenten zugeordnet. Im Oktober 2006 wurde ein zwei¬ter Dienstposten mit einem Mitarbeiter mit Migrationshintergrund besetzt.
Die Kernbereiche der Tätigkeit des Integrationsreferates sind Wohnen, Gesundheit, Arbeitsmarkt, Religion, Information/ Beratung, Kinder/Jugend/Familie, Schule, Frauen, Bildung und Diversity Management. Die Arbeit in den einzelnen Kernbereichen besteht aus Grundlagenarbeit, Schnittstellenfunktion, Öffentlichkeitsarbeit, Koordination und Vernetzung innerhalb der Stadtverwaltung, Unterstützungsmaßnahmen (z. B. Subventionen) und externer Vernetzung.
Es gibt regelmäßige Treffen mit allen integrationsrelevanten Organisationen und Einrichtungen und einen ständigen Austausch mit dem Migrantinnen- und Migrantenbeirat der Stadt Graz, mit dem auch Tagungen zu verschiedenen Themen organisiert werden. So fand im Dezember 2006 die erste gemeinsame Tagung zum Thema „Bildungschancen gleich verteilen“ statt, im Juni 2007 ging es um „Migrantinnen/Migranten und das kommunale Wahlrecht“.

Förderungen
Für das Budgetjahr 2007 standen dem Integrationsreferat 218.000 Euro (exklusive Personal- und Infrastrukturkosten) zur Verfügung, die zum größten Teil zur Förderung von Projekten und zur Umsetzung von Maßnahmen der einzelnen Vereine (NGOs und Selbstorganisationen) verwendet wurde, etwa für: Deutsch-Integrationskurse, Sprach- und Kulturdolmetscherinnen und -dolmetscher (vorwiegend für den Gesundheitsbereich), Integrationsprojekte an Schulen, Jugendarbeit im öffentlichen Raum, interkulturelle Familienfeste und Fortbildungen im interkulturellen Kontext für Magistratsbedienstete (zusätzlich zu den Angeboten der städtischen Verwaltungsakademie).
Die Gewährleistung der Angebote der einzelnen NGOs in Graz stellen inzwischen einen unverzichtbaren und weithin anerkannten Beitrag im Sinne von Integration und der Aufrechterhaltung des kommunalen sozialen Friedens in der Stadt Graz dar.

Projektbeispiele
Konflikte entstehen in unserer multikulturellen Gesellschaft aufgrund divergierender Interessenslagen, ungleicher Ressourcenverteilung, unterschiedlicher kultureller Prägung, Ausgrenzungen und Diskriminierung sowie Selbstethnisierung. Diese erhalten ein besonderes Ausmaß an Schärfe, wenn es um Konfliktparteien geht, die aus unterschiedlichen Kulturkreisen stammen. Diese Konflikte sind jedoch nicht immer kulturell bedingt. Es sind Alltagskonflikte, die aufgrund von Missverständnissen und Verständigungsschwierigkeiten zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft entstehen.

Vermittlung bei Konflikten
Die Koordinationsstelle für dieses Projekt ist das Integrationsreferat. Alle Konfliktfälle, die Stellen wie Hausverwaltung, Hausmeisterinnen und Hausmeister, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, Wohnungsamt und Polizei gemeldet werden, werden an das Integrationsreferat weitergeleitet, das Konfliktvermittlerinnen und
-vermittler einschaltet und dabei eng mit Einrichtungen wie Wohnungsamt, Sprengelsozialarbeiterinnen und -mitarbeitern und Hausverwaltungen, Selbstorganisationen von Migranteninnen und Migranten und dem Migrantinnen- und Migrantenbeirat der Stadt Graz zusammenarbeitet.
Um bei Konflikten professionell zu vermitteln, bedarf es ausgebildeter Konfliktvermittlerinnen und -vermittler. Sie müssen über interkulturelles Hintergrundwissen und Kenntnisse in der interkulturellen Kommunikation verfügen, um in der Vermittlung eines Konfliktes kompetent zu agieren.
Die Gespräche werden immer von zwei Konfliktvermittlerinnen und -vermittlern aus den Kulturkreisen der Konfliktparteien durchgeführt. So wird der sprachliche und kulturelle Hintergrund der beteiligten Parteien mit einbezogen. Neben der Sprach- und Kulturkompetenz werden andere Kriterien wie Alter, Geschlecht und Feldkompetenz bei der Auswahl eines Tandems für die Fallarbeit berücksichtigt.
Für die Durchführung des Projektes wurden und werden ehrenamtliche Konfliktvermittlerinnen und -vermittler sowohl mit Migrationshintergrund als auch ohne aus den Siedlungen, in denen Nachbarschaftskonflikte am häufigsten auftreten, angeworben. Es müssen aber Siedlungsbewohner sein, die von den Nachbarinnen und Nachbarn gut angenommen werden, einen guten Kontakt zu allen pflegen, Interesse am Vermitteln und an einem friedlichen Zusammenleben der unterschiedlichen Kulturen haben. Das Integrationsreferat organisiert eine kostenlose zweitägige Schulung, die mit einem Zertifikat abgeschlossen wird. Für die Besprechung von Fällen zwischen den Teammitgliedern gibt es monatliche Teamsitzungen.

„Wir sind Graz“
Im Auftrag des Stadtschulamtes entwickelte die ARGE Jugend gegen Gewalt und Rassismus ein Rahmenkonzept zum Thema „Integrationsoffensive Menschenrechtsstadt Graz“ (Arbeitstitel) für ca. 15 Grazer Pflichtschulen (mit hohem Migrantenanteil) inklusive Umfeld im Stadtteil.
Diese Integrationsoffensive wurde beteiligungsorientiert entwickelt (Schule und Stadtteil), wird mehrjährig angelegt sein und Vielfalt (mit Schwerpunkt Interkulturalität und Interreligiosität) im umfassenden Sinn als Chance und Ressource für die zukunftsorientierte Schul- und Stadtteilentwicklung erlebbar machen. Über multisensorische Zugänge zur Thematik erleben Kinder, Lehrerinnen/Lehrer, Eltern und andere im Schulumfeld den vielfältigen Nutzen einer in jedem Wortsinn „bunten Stadt Graz“.
Dadurch wird mittelfristig die mitunter negativ aufgeladene Integrationsdebatte zu einem positiven Bild von Migration und Integration transformiert (Migration und Integration als Chance und Ressource für die Stadt). Die
Integrationsoffensive „Menschenrechtsstadt Graz“ fokussiert somit die Chancen, Ressourcen und Potenziale einer in jeder Hinsicht vielfältigen Gesellschaft, wodurch ein europäischer Beitrag für Best practice für Integrationsarbeit auf Stadtebene geschaffen wird.
Die Integrationsoffensive besteht aus den zwei Modulen „Bildungs-, Projekt- und Jugendarbeit an 12 Grazer Schulen inklusive Elternbildung“ und „Netzwerkskoordination inklusive Marketing- und PR-Arbeit zu Integrationsmaßnahmen im Umfeld der 12 Schulen“.
Die Maßnahmenentwicklung erfolgt nach den Prinzipien des Projektmanagements in Netzwerken, wobei insbesondere der partizipativen Entwicklung in beiden Modulen ein zentraler Stellenwert zukommt: Sämtliche Maßnahmen werden mit den Zielgruppen und nicht für die Zielgruppen entwickelt.
Unter diesem Aspekt nimmt die moderative Prozesssteuerung und -begleitung durch die ARGE in beiden Modulen eine wichtige Funktion für die „Maßschneiderung der Maßnahmen“ und für die Erschließung der in den Schulen und im Stadtteil vorhandenen Diversity-Ressourcen ein. Die Prozesssteuerung im Netzwerksprojekt konzentriert sich vor allem auf die produktive Nutzung von Synergien und Brücken zwischen Schule und Institutionen im Stadtteil. Die Grundlage für die Integrationsoffensive bildet eine Erhebung bestehender Integrationsangebote im Stadtteil (in Kooperation mit dem Integrationsreferat der Stadt Graz), die Lokalisierung von Bedarfslücken und Zugangsbarrieren, um die knappen Ressourcen eines Stadtteils effektiv einsetzen zu können.

Lerncafé Gries
Dieses Projekt wird vom Integrationsreferat gemeinsam mit der Caritas Graz als Pilotprojekt durchgeführt. Im Rahmen der Betreuungstätigkeit begegnen der Caritas zusehends in- und ausländische Erziehungsberechtigte, welche in ihrem Bemühen um eine solide Schulbildung ihrer Kinder immer öfter vor ernsthaften Problemen stehen. Aus den verschiedensten Gründen (kein Geld für Nachhilfestunden, Bildungsstand der Eltern ist für ein Lernen mit dem Kind nicht ausreichend, beengte Wohnsituation lässt ein nachhaltiges Lernen nicht zu etc.) ist es den Eltern oft kaum möglich, die Probleme im Interesse ihrer Kinder zu lösen.
Damit das jeweilige Bildungsziel – zumindest ein Hauptschulabschluss – erreicht werden kann, wurde ein Lerncafé eingerichtet, das 16 Stunden wöchentlich für alle Pflichtschülerinnen und -schüler, die keine sonstige Nachmittagsbetreuung in Anspruch nehmen, offen ist. Bis zu 30 Kinder können gleichzeitig betreut werden.
Das Projekt Lerncafé startete mit Beginn des Schuljahres 2007/2008. Die Hauptaufgabe besteht darin, den Schülerinnen und Schülern eine Unterstützung und Hilfestellung beim Erledigen der Hausaufgaben zu geben, sie auf Schularbeiten und Tests vorzubereiten sowie ihnen Freude am Lernen zu vermitteln.
Das Team des Lerncafés legt großen Wert darauf, die sozialen Kompetenzen der Kinder zu fördern, ihnen ein gesundes Selbstbewusstsein zu vermitteln und ihren Gemeinschaftssinn zu stärken. Die Umgangssprache im Lerncafé ist Deutsch. Die Betreuerinnen und Betreuer können aufgrund ihrer Sprachkenntnisse auch in den einzelnen Muttersprachen vermitteln, dies ist vor allem bei Elterngesprächen mit gerade zugewanderten Personen notwendig.
Zur Zeit wird das Lerncafé von täglich durchschnittlich 22 Schülerinnen/Schülern aus 11 verschiedenen Herkunftsländern in Anspruch genommen.

Aktivitäten im Park
Die für die Jugendarbeit relevante Anzahl an Migrantinnen/Migranten-Jugendlichen beläuft sich auf mehr als 7.000 (12 bis 19 Jahre: 2.069 jugendliche Migrantinnen und Migranten, 20 bis 26 Jahre: 4.932 jugendliche Migrantinnen und Migranten).
Auf Anregung des Integrationsreferates wurde in Kooperation mit der ISOP GmbH. und dem Verein JUKUS (Selbstorganisation von Jugendlichen türkischer und kurdischer Herkunft) das Projekt „Aktivitäten mit MigrantInnen-Jugendlichen“ im Volksgartenpark entwickelt. Aus den verschiedensten Gründen (beengter Wohnraum etc.) ist die Nutzung von Parkanlagen für Jugendliche mit Migrationshintergrund von besonderer Wichtigkeit. Das „Ausleben“ zieht zum Teil auch Probleme, wie z. B. Vandalismus, nach sich. Um den aufgetretenen Problemen und Spannungen entgegenzuwirken, werden diese Jugendlichen betreut. Es wurde ein bedürfnisorientiertes Programm mit ihnen gemeinsam entwickelt und umgesetzt. So wurden Freizeitaktivitäten, Workshops (z. B. Internet), Exkursionen, Kulturveranstaltungen und künstlerische Projekte geplant und durchgeführt.
Diversity-Management
In Bezug auf die interkulturelle Öffnung der Stadtverwaltung gilt die erste Offensive der Schulung von Magistratsbediensteten im interkulturellen Kontext. So wurde das Programm der städtischen Verwaltungsakademie um einige Schulungen in diesem Bereich erweitert. Um eine flächendeckendere Fortbildung der Bediensteten zu gewährleisten, werden aber auch mit den einzelnen Abteilungen im Bereich der Stadtverwaltung Vereinbarungen zur Schulung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch das Integrationsreferat unter Beiziehung externer Referentinnen und Referenten getroffen.
Im Rahmen der Verwaltungsreform werden jährlich mit den Abteilungen der Stadt Graz Balanced Scorecards erstellt. Im Auftrag des Magistratsdirektors Martin Haidvogl wird mit jeder Abteilung ein Punkt in Bezug auf interkulturelle Öffnung/Integration/Diversität erarbeitet, der als Ziel zur Umsetzung binnen eines Jahres in die Scorecard aufgenommen wird. Diese dient als Grundlage zur Kontraktverhandlung mit der Stadträtin/dem Stadtrat. Die Überprüfung der Zielerreichung erfolgt durch die Mitarbeiter des Reformteams. So absolvierten zum Beispiel alle Sozialarbeiterinnen des Sozialamtes eine Schulung zum Thema „Diversity-Management – Grundlagen und Einführung“. In Folge soll Integration auch ein Thema der Verwaltungsdienstprüfung werden.

OEGZ

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