Integrationspolitische Good-practice-Kommunen

Integrationspolitische Good-practice-Kommunen

Eine im Rahmen einer Diplomarbeit durchgeführte wissenschaftliche Untersuchung zeigt anhand der Good-practice-Kommunen Linz und Dornbirn, wie Gemeinden die Integration von Migrantinnen und Migranten in allen relevanten kommunalen Handlungsfeldern gestalten und fördern können.

 

Gleich vorweg: „Die“ integrationspolitische Musterlösung gibt es nicht. Daher soll im Zusammenhang mit Integration auch nicht von Best-practice, sondern von Good-practice gesprochen werden.
Ausgehend von den Gegebenheiten des demografischen Wandels ist eine Zunahme der Bevölkerung in den nächsten Jahrzehnten hauptsächlich durch Zuwanderung zu erwarten. Kommunen müssen sich daher auf einen steigenden ausländischen Bevölkerungsanteil bzw. Anteil von Personen mit Migrationshintergrund (darunter sind Immigrantinnen und Immigranten, die selbst zugewandert sind, deren in Ös¬terreich geborene Nachkommen und eingebürgerte Zugewanderte zu verstehen) einstellen.
Zu Jahresbeginn 2007 waren ca. 826.000 Ausländerinnen und Ausländer mit Hauptwohnsitz in Österreich gemeldet. Der Anteil von Personen mit Migrationshintergrund betrug Anfang 2007 rund 16% der Gesamtbevölkerung in Österreich.1
Die zukünftigen Entwicklungen in den Bereichen Wirtschaft, Soziales und Kultur werden entscheidend von der erfolgreichen Umsetzung von integrativen Maßnahmen abhängen. Damit stehen die österreichische Gesellschaft und das österreichische politische System vor eminent wichtigen Herausforderungen in allen Politikbereichen.

Bedeutung der Integration für Kommunen
Die Integration von Migrantinnen und Migranten ist jedoch insbesondere für die Kommunen bzw. Kommunalpolitik von zentraler Bedeutung, denn die Kommunen sind der Ort, wohin die Zuwanderung erfolgt und wo das Zusammenleben der Menschen unterschiedlicher Herkunft und Kultur stattfindet. Die alltäglichen und vielfältigen Herausforderungen, die das gesellschaftliche Zusammenleben zwischen „Einheimischen“ und Zugewanderten mit sich bringt (z. B. Spracherwerb, kulturelle Unterschiede, öffentliche Religionsausübung, politische Partizipation), zeigen sich im Begegnungsraum Kommune. Es gibt keinen kommunalen Lebensbereich, wo die Integration von Migrantinnen und Migranten nicht mitberücksichtigt werden müsste. Im Gegenteil, die Versäumnisse in der Integrationsarbeit werden vor Ort, in den Kommunen, sichtbar – und diese äußern sich in immensen monetären und nicht-monetären volkswirtschaftlichen Kosten, welche die Kosten für Integrationsbemühungen um ein Vielfaches übersteigen. Daher sind besonders die Kommunen gefordert, wenn es um die Gestaltung des Zusammenlebens geht. Bereits verwirklichte integrationspolitische Good-practice-Beispiele von Kommunen gewinnen damit an Bedeutung.

Forschungsgegenstand
Ziel der Arbeit ist es daher, anhand von zwei österreichischen Good-practice-Kommunen zu zeigen, wie die Integration auf kommunaler Ebene gestaltet und gefördert werden kann. Dazu werden die integrationspolitischen Strategien und vielfältigen Integrationsbemühungen der Städte Linz und Dornbirn in den einzelnen kommunalen Handlungsfeldern (politische Partizipation, öffentliche Verwaltung, Spra¬che und Bildung, Wohnen und Quartiersmanagement, kommunaler Arbeitsmarkt, Kultur, Religion sowie Gesundheitswesen) analysiert. Anschließend werden die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Integrationspraxis in Linz und Dornbirn skizziert. Die dargestellten Lösungsansätze und Beispiele der Good-practice-Kommunen können anderen (vergleichbaren) Kommunen als Anregung für die eigene Integrationsarbeit dienen und sie in ihrem Integrationsbemühen unterstützen. Die aufgezeigten Good-practice-Beispiele sollen also das integrationspolitische Engagement anderer Kommunen fördern, die praktische Integrationsarbeit erleichtern und qualitativ verbessern.

Linz und Dornbirn: Good-practice-Kommunen
Good-practice-Kommunen wurden gewählt, da anzunehmen ist, dass Kommunen, die als vorbildhaft gelten, ein besonders hohes Engagement im Hinblick auf die Integrationsarbeit an den Tag legen. Anhand von Kommunen, die ein hohes Integrationsbemühen zeigen, können auch die praktischen Möglichkeiten und Grenzen der Integration ausgeleuchtet werden.
Warum wurden jedoch die Städte Linz und Dornbirn als Good-practice-Kommuen für die Untersuchung im Rahmen der Diplomarbeit ausgewählt, sind doch auch andere Kommunen integrationspolitisch aktiv?
Unter den vielen integrationspolitisch aktiven Kommunen gibt es solche, die aufgrund ihrer Strategien und Konzepte vorbildhaft für andere Kommunen sind. Zwei solche Good-practice-Kommunen sind Linz und Dornbirn. Sie wurden als Good-practice-Kommunen gewählt, da beide Städte (angesichts ihrer Immigrations¬historie) schon früh vor der Herausforderung standen, die Integration der Zugewanderten zu gestalten. Beide Städte sind daher bereits jahrelang integrationspolitisch aktiv und können auf dementsprechende Erfahrung im Integrationsbereich verweisen. Linz und Dornbirn nehmen in vielerlei Hinsicht eine integrationspolitische Vorreiterrolle ein, was ihnen zu medialer und öffentlicher Aufmerksamkeit verhalf.

Integrationspraxis in Linz und Dornbirn
Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Gemeinsamkeiten: Für beide Kommunen ist Integration ein fortlaufendes Thema im Gemeinde- bzw. Stadtrat. Sowohl Linz als auch Dornbirn haben die Integration organisatorisch in der Stadtverwaltung verankert (Linz: Integrationsbüro; Dornbirn: Abteilung „Bildung und Integration“ mit der Fachstelle „Integration“). Dornbirn hat bereits 2002 ihr Integrationsleitbild beschlossen und Linz ist in den Integrationsleitbildprozess des Landes Oberösterreich eingebunden.
Beide Städte weisen einen Ausländeranteil von ca. 13% auf, wobei Linz viermal so viele Einwohnerinnen und Einwohner zählt wie Dornbirn. Die Zugewanderten in Linz sind überwiegend Staatsangehörige des ehemaligen Jugoslawiens. Der Großteil der in Dornbirn lebenden Ausländerinnen und Ausländer sind Türkinnen und Türken. Gemeinsam sind beiden Städten Integrationsaktivitäten, die von beiden Kommunen durch innovative Integrationsprojekte in den folgenden Handlungsfeldern durchgeführt werden:
- Öffentliche Verwaltung (interkulturelles Personalmanagement, mehrsprachiges Informationsangebot, Dolmetsch-Pool, Informationen auf der Homepage)
- Wohnen (Aktivitäten zur Verbesserung der Wohnnachbarschaft und Konfliktvermeidung, z. B. interkulturelle Schulung der Hausbesorgerinnen und -besorger; in beiden Kommunen haben Migrantinnen und Migranten Anspruch auf Wohnbeihilfe)
- Kultur (interkulturelle Feste und Begegnungsmöglichkeiten)
- Religion (beide Kommune bieten die Möglichkeit zur rituell korrekten Bestattung)
- Gesundheitswesen (Aktivitäten zur Verbesserung der wechselseitigen Verständigung)
Der gemeinsame Schwerpunkt der Integrationsaktivitäten der Städte Linz und Dornbirn liegt im Handlungsfeld „Sprache und Bildung“. Die Förderung der Sprachkenntnisse (Muttersprache und Deutsch als Zweitsprache) und des Bildungserfolges der Kinder aus Migrantenfamilien hat in beiden Kommunen Priorität. Großer Wert wird daher in Linz und Dornbirn auch auf die Elternbildung gelegt.
Unterschiede: In beiden Good-practice-Kommunen erfahren die einzelnen Handlungsfelder jedoch eine unterschiedlich starke Akzentuierung. Während Linz vor allem im Bereich „Kultur“ zahlreiche und vielfältige Integrationsprojekte durchführt, erfährt in Dornbirn das Handlungsfeld „Religion“ eine stärkere Betonung. Unterschiede betreffen zum Beispiel auch die politischen Partizipationsmöglichkeiten für Migrantinnen und Migranten.

Ausgewählte Good-practice-Beispiele
Folgende Beispiele sollen die Gestaltungsmöglichkeiten in zwei verschiedenen Hand¬lungsfeldern veranschaulichen.

„Politische Partizipation“
Linz:
- Ausländerinnen- und Ausländerintegrationsbeirat (AIB)
Der Beirat setzt sich aus zwölf gewählten, ehrenamtlich tätigen Mitgliedern (Drittstaatsangehörige, welche nicht zur Kommunalwahl berechtigt sind) und je einem Mitglied der im Gemeinderat vertretenen Parteien zusammen.
- Frühjahrsdialog (Ermöglichung des konstruktiven Austausches mit dem Bürgermeister und anderen Kommunalpolitikerinnen und -politikern)
- Diverse Veranstaltungen und Gesprächsrunden mit politischen Vertreterinnen und Vertretern
- Möglichkeit der Mitarbeit in den örtlichen Parteien
Dornbirn:
- Ausschuss für interkulturelle Angelegenheiten und Integrationsstadträtin
- Regelmäßige Gespräche zwischen Stadtpolitikerinnen/-politikern und Vertretern der Moscheen sowie der Migrantinnen- und Migrantenvereine
- Möglichkeit der Mitarbeit in den örtlichen Parteien

„Gesundheitswesen“
Linz:
- Broschüre „Gesund in Linz“ (muttersprachliche Orientierungshilfe in Gesundheitsfragen)
- Mehrsprachige Mutter- bzw. Elternberatung
- Dolmetsch-Pool
Dornbirn:
- Einrichtung eines neutralen Verabschiedungsraumes im städtischen Krankenhaus
- Abstimmung des Speisenangebotes an Bedürfnisse für muslimische Patientinnen/Patienten und muslimische Seelsorge im Krankenhaus
- Türkischkurs für Krankenhausmitarbeiterinnen und –mitarbeiter

Fazit
Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Untersuchung verdeutlichen die große Gestaltbarkeit der Integration in den einzelnen Handlungsfeldern. Es gibt eine ganze Reihe von Instrumenten und bewährten Ansätzen, die eine interkulturelle Ausrichtung der Kommune und Kommunalpolitik ermöglichen. Die Analyse der Integrationspraktiken der beiden Good-practice-Kommunen zeigt ein sehr großes und breites Bemühen in der Integrationsarbeit. Innovative Gestaltungsansätze konnten in allen dargestellten kommunalen Handlungsfeldern identifiziert werden. Das bedeutet, dass einer Kommune nicht nur in theoretischer Hinsicht, sondern auch in der Praxis ein hoher integrationspolitischer Gestaltungsspielraum zukommt. Die vielfältigen Initiativen und Projekte der Städte Linz und Dornbirn sind dafür ein realer Beleg.
Die organisatorische Verankerung in der Verwaltung der Städte Linz und Dornbirn ermöglicht die effektive Umsetzung von Integrationsaktivitäten. Umgekehrt „treiben“ die Integrationsdienststellen in der Verwaltung die Integrationsprojekte mit neuen Ideen voran.
Anzahl und Vielfalt der Integrationsmaßnahmen in Linz und Dornbirn erlauben jedoch noch keinen Rückschluss auf das faktische Integriertsein der Migrantinnen und Migranten bzw. auf den tatsächlichen Integrationserfolg, denn „das Geheimnis der gelungenen Integration liegt […] darin, dass sie unauffällig bleibt“2.

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